Protokoll der Sitzung vom 21.02.2002

Insgesamt sind in Thüringen zwischen 1.500 und 1.700 Personen dem rechtsextremistischen Spektrum zuzuordnen bei ca. 2.500.000 Einwohnern. Allerdings, und das muss man beachten, existiert ein kleiner harter Kern im rechtsextremistischen Lager. Die präventive Arbeit der Koordinierungsstelle ergänzt die repressiven Maßnahmen, z.B. die Konzeption zur Bekämpfung extremistisch motivierter Straftaten, der Landesregierung vom März 2000 in Form kommunaler Netzwerkbildung durch die erwähnten Aktivitäten, also durch Beratung, Betreuung, Fachveranstaltungen, Erfahrungsaustausch, Unterstützung von Projekten freier Träger, die Info-Hotline für Bürgerinnen und Bürger und Datensammlungen von Programmen und Projekten. Hinzu kommt der Anschluss an eine bundesweite Präven

tionsdatenbank des Deutschen Forums für Kriminalprävention und entsprechende Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Durch die Koordinierungsstelle wurde die Informationsdatenbank "PRÄVIS" des Deutschen Forums für Kriminalprävention beschafft und zurzeit werden alle relevanten Daten zu Projekten, Trägern und Ansprechpartnern der Gewaltprävention in Thüringen eingegeben und aktualisiert. Somit kann gewährleistet werden, dass bei Anfragen schnell und kompetent Auskunft zur Gewaltprävention erteilt werden kann.

Das DFK erstellt neben weiteren zehn Ländern derzeit eine Internetpräsenz, in der diese Datenbank auch eingestellt wird, und somit ist auch eine bundesweite Abfrage zu Projekten, Ansprechpartnern und Initiativen der Gewaltprävention möglich. Zum 8. Deutschen Präventionstag im Oktober dieses Jahres soll der Verbund der Datenbank der Länder sowie des DFK vorgestellt und im Internet veröffentlicht werden. Die eigene Internetpräsenz der Koordinierungsstelle wird durchschnittlich von 400 Nutzern im Monat besucht, insbesondere wird von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Informationsmaterial zum Thema "Rechtsextremismus" sowie Statistiken und Analysen der Gewaltkriminalität herunterzuladen. Zurzeit wird die Struktur der Internetseiten überarbeitet und das Angebot verbreitert, um den Nutzern noch gezielter die vorhandenen Informationen anbieten zu können. Die Info-Hotline bietet die Möglichkeit zu direktem Kontakt, um schnell eine Auskunft zu erhalten, z.B. über mögliche Förderungen beabsichtigter Projekte. Zurzeit erarbeitet die Koordinierungsstelle einen Lose-Blatt-Ordner zur Gewaltprävention, der als Handreichung für die Praxis die Arbeit der in der Prävention tätigen Multiplikatoren fachlich unterstützen soll.

Die Vertreter der Koordinierungsstelle haben sich innerhalb des Jahres 2001 in unterschiedlicher Weise durch Vorträge, Fachreferate, Podiumsdiskussionen, Moderationen oder auch nur durch Teilnahme an nahezu 200 Fachveranstaltungen und Gesprächsrunden, überwiegend auf regionaler Ebene, beteiligt, zum Beispiel an der Fachtagung "Gemeinde und Städte aktiv gegen Gewalt und Kriminalität" der Konrad-Adenauer-Stiftung oder an dem Diskussionsforum "Erziehen ohne Gewalt" der Friedrich-Ebert-Stiftung oder dem Seminar gegen jugendlichen Rechtsextremismus in der Jugendbegegnungsstätte Buchenwald. Durch diese Arbeit konnten sowohl Kooperationspartner gewonnen und konkrete Ansätze für die Bildung eines überregionalen Netzwerks geschaffen, als auch eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit und der Fachöffentlichkeit für Gewaltprävention erreicht werden. Die Koordinierungsstelle beobachtet, welche Erfahrungen in anderen Ländern gemacht werden und die Verknüpfung mit der Bundesebene, etwa mit dem Deutschen Forum für Kriminalprävention, wird hierfür zunehmend bedeutsamer.

Ein anderer Punkt, die Öffentlichkeitsarbeit, hat auch die Aufgabe, Bewusstseinsbildung zu unterschiedlichen Gewaltformen zu erreichen, um das fachliche, aber auch bürgerschaftliche Engagement zu unterstützen. So beteiligte

sich die Koordinierungsstelle am Fernsehpreis 2001 der Thüringer Landesmedienanstalt. Im Rahmen dieses Wettbewerbs für Bürgerrundfunk wurde erstmals der Sonderpreis des Thüringer Innenministers in der Kategorie "Spots gegen Gewalt" ausgeschrieben. Die Koordinierungsstelle hat am 14. Dezember 2001 in Thüringer Tageszeitungen eine erste Anzeigenaktion gestartet, mit der sie für ihre Info-Hotline und ihr Internetangebot geworben hat. Solche Anzeigen sollen auch zukünftig erscheinen, um den Bekanntheitsgrad zu erhöhen.

Dem selben Ziel galt im Dezember eine in vier Thüringer Städten durchgeführte City-Card-Aktion. Unter dem Motto www.gemeinsam-gegen-gewalt.de sowie mit dem neuen Logo warb die Koordinierungsstelle in Verbindung mit der Anzeigenaktion und mit der Verteilung von 15.000 Karten für ihre Info-Hotline und das Internetangebot. Die Koordinierungsstelle hat die Schirmherrschaft über ein Kinoprojekt in Arnstadt übernommen. Am 18. und 19. Dezember 2001 wurden im Rahmen des Aktionsprogramms "Jugend für Toleranz und Demokratie - gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus" des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend der Filmverleiher und der AG "Kino" zwei Filme präsentiert, die zum Nachdenken und Diskutieren über das Thema "Gewalt" angeregt haben. Eine weitere Veranstaltung "Voll cool - Kino gegen Gewalt" in Arnstadt wurde in Zusammenarbeit mit der Koordinierungsstelle, dem Netzwerk "Zivilcourage" des Ilm-Kreises, der Thüringer Landeszentrale für politische Bildung und dem Institut für Kino- und Filmkultur organisiert. Die Filme "Der Taschendieb" und "Alaska.de" wandten sich an Kinder und Jugendliche ab sechs bzw. zwölf Jahren. Im Anschluss an die Filmvorführungen wurden jeweils unter pädagogischer Anleitung Diskussionen mit den Schülerinnen und Schülern durchgeführt. Zu den Filmen gab es ein Filmheft mit methodischen Handreichungen für Lehrerinnen und Lehrer. Diese Initiative soll auch in anderen Regionen weitergeführt werden.

Die Koordinierungsstelle wurde im Dezember 2001 in das Link-Verzeichnis des Deutschen Forums für Kriminalprävention aufgenommen. Mit der Aufnahme unter der Adresse www.kriminalprävention.de erhofft sich die Koordinierungsstelle eine weitere Steigerung ihres Bekanntheitsgrades und Werbung auch für die Angebote über Thüringen hinaus. Die aktualisierte Broschüre "Ausgewählte Kennzeichen und Informationen zur Bekämpfung rechtsextremistischer Straftaten und Organisationen" des Thüringer Landeskriminalamts hat die Koordinierungsstelle in Druck gegeben und als Download-Version ins Internet gestellt. Sie ist auch als Broschüre bei der Koordinierungsstelle erhältlich. Diese Broschüre ist besonders für Pädagogen und kommunale Verantwortliche geeignet, um entsprechende Symbole und sich vor Ort abzeichnende Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und Maßnahmen zu ergreifen. Die Informationsschrift findet sehr großes Interesse und soll deshalb in noch größerer Auflage verbreitet werden.

Für das Schuljahr 2001/2002 beteiligte sich die Koordinierungsstelle redaktionell und finanziell bei der Erstellung eines Schülerkalenders. Das Hauptziel des Kalenders ist, den Schülerinnen und Schülern der Klassen 5 bis 12 einen umfangreichen Überblick über jugendrelevante Freizeithilfe, Beratungs- und Bildungsangebote von Vereinen, Verbänden und Institutionen in der jeweiligen Region zu geben, auch um etwaige Hemmschwellen für einen Besuch und die Nutzung der verschiedenen Einrichtungen abzubauen. Der Schülerkalender erfreut sich hoher Beliebtheit bei den Schülerinnen und Schülern. Das Kalendarium wurde an Schüler und Lehrer und andere Multiplikatoren der Förder-, Regel- und Hauptschulen der Städte Erfurt, Suhl und des Unstrut-Hainich-Kreises ausgegeben.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich will noch auf einen weiteren inhaltlichen Schwerpunkt der Tätigkeit der Koordinierungsstelle eingehen - die Problematik der Gewalt im familiären Umfeld bzw. im sozialen Nahraum. Das Thema "Häusliche Gewalt" findet sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Fachöffentlichkeit bundesweit besondere Aufmerksamkeit. Die Gewalthandlungen reichen von psychischer Gewalt über soziale Isolation, sexuellen Zwang bis hin zu schwersten körperlichen Misshandlungen und Tötungsdelikten. Die Problematik der häuslichen Gewalt wird unter anderem in den Polizeieinsätzen bei Familienstreitigkeiten, Frauenhäusern, Beratungsstellen, in Schulen, Kindertageseinrichtungen und bei den Gerichten sichtbar. Präventionsarbeit in diesem Bereich befasst sich mit Konzepten des Opferschutzes und der Opferhilfe sowie mit in diesem Zusammenhang erforderlichen gesetzlichen Regelungen, mit der Resozialisierung von Tätern, der Einbindung der Thematik in Überlegungen zu Zivilcourage, mit Interventionskonzepten für die Polizei, der Einrichtung von Sonderdezernaten, mit spezifischen Fortbildungen für alle beteiligten Berufsgruppen sowie mit abgestimmten Vernetzungen der einzelnen Maßnahmen. Im Rahmen der Gewaltprävention spielen insbesondere Projekte eine bedeutsame Rolle, die frühzeitig Gewalt verhindern helfen. Die Koordinierungsstelle, in der speziell eine Mitarbeiterin hierfür zuständig ist, unterstützt die Beauftragte der Landesregierung für die Gleichstellung von Frau und Mann bei der Erarbeitung von Maßnahmen zur Bekämpfung häuslicher Gewalt zum einen durch inhaltliche Zuarbeit zu Präventionsaspekten und zum anderen durch die Unterstützung in der Moderation des Arbeitsprozesses der Ressorts.

Seit Mai 2001 besteht auf Initiative der Koordinierungsstelle eine Arbeitsgruppe mit dem Titel "Wege aus der häuslichen Gewalt". Deren Geschäftsstelle leitet die Koordinierungsstelle in enger Zusammenarbeit mit dem Büro der Beauftragten für die Gleichstellung von Frau und Mann. Beteiligt sind die landesweiten Gremien, die sich mit häuslicher Gewalt als Schwerpunktthema beschäftigen. Diese sind konkret die Landesarbeitsgemeinschaften "Frauenhaus", "Frauenzentrum", "Kinder- und Jugendschutz", "Mädchenpolitik", "Kommunale Gleichstellungsbeauftragte" sowie die "Liga der freien Wohlfahrtsverbände". Im De

zember wurde eine gemeinsam erarbeitete Kooperationsvereinbarung für die nächsten drei Jahre geschlossen. Im Weiteren werden voraussichtlich ab März 2002 Arbeitsgruppen eingesetzt, die sich den einzelnen sachlichen Aspekten widmen werden. Dabei werden die Fachressorts die jeweiligen Schwerpunkte bearbeiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, Gewaltprävention ist ein komplexes und differenziertes Arbeitsfeld, auf dem es den Königsweg nicht gibt, der kurzfristig nachhaltige Erfolge verspricht. Vielmehr kommt es darauf an, die Vernetzung der verschiedenen Ebenen und Institutionen, die Kontinuität und die Qualität der Programme und Aktivitäten zu fördern und zu unterstützen. Hierfür ist die Koordinierungsstelle ein geeignetes Instrumentarium. Andere Länder haben lediglich Landespräventionsräte eingerichtet oder bearbeiten Gewaltprävention ausschließlich ressortbezogen. Die Koordinierungsstelle wird als ein Kompetenzzentrum der Landesregierung auch künftig ihren Beitrag leisten, um bereits im Vorfeld der Entstehung der Gewalt entgegenzuwirken. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Herr Abgeordneter Pidde?

(Zuruf Abg. Dr. Pidde, SPD: Die SPD-Frak- tion beantragt die Aussprache.)

Ja, damit eröffne ich die Aussprache. Als erster Redner hat sich Abgeordneter Dr. Hahnemann, PDS-Fraktion, zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das Interesse der PDS-Landtagsfraktion an Aktivitäten der Landesregierung gegen die extreme Rechte braucht keine mediale Hochkonjunktur und keinen verletzten Gastwissenschaftler. Wir wissen mittlerweile auch, dass wir nach dem Wirken der Koordinierungsstelle "Gewaltprävention" nicht fragen müssen, wenn uns Informationen zum Handeln der Landesregierung fehlen. In zwei Beratungen im Innenausschuss hat die Landesregierung über die Arbeit der Koordinierungsstelle berichtet. Über den Informationswert dort möchte ich hier keine weiteren Ausführungen machen. Die ausgesprochen spärliche Internetpräsenz haben Sie, Herr Staatssekretär, selbst hier feststellen müssen. Man sollte sich vielleicht auch nicht die seit Monaten ungenutzten Foren zu rechtsextremismusrelevanten Themen wie "Gewalt in der Schule", "Mobbing", "Aggressionen in der Schule", "Gewalt in der Familie" und "Kleinkriminalität" antun. Ich will auch nicht zu den im Internet erstellten Terminsammlungen reden. Ich möchte erst einmal zwei grundlegende Bemerkungen machen. Zweierlei ist mir bei Ihrer Berichterstattung, Herr Staatssekretär, eingefallen.

Das Erste: Ihr Bericht hat den Eindruck einer unendlichen Agilität erweckt, dennoch war unübersehbar, dass sich in dem Verlieren in der Vielfalt von Einzelheiten eigentlich eine Konzeptionslosigkeit versteckt. Der Grundmangel der Koordinierungsstelle und ihrer Tätigkeit ist, dass sie fast ausschließlich innerhalb der unterschiedlichen Verwaltungsebenen agiert und dass sie ganz offensichtlich für Koordinierungstätigkeit gar kein rechtes Gefühl hat, wenn man bedenkt, dass in der Öffentlichkeitsarbeit Materialien erstellt werden, die über rechtsextremistische Symbole und Zeichen aufklären sollen und wir feststellen können, dass es eine solche Publikation von der Landeszentrale für politische Bildung schon lange gibt. Wir wollen nicht so naiv sein und sagen, wie konnte es z.B. die Jenaer Angriffe, auf die sich alle berufen, geben, wo es doch die Koordinierungsstelle gibt, die so etwas verhindern sollte.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Kann sie auch nicht.)

Kann sie nicht, das ist klar. Das ist schön, dass auch Sie das nicht meinen. Aber eine Behörde, erst recht eine mit einem derart weiten Aufgabenfeld, kann die richtigen Antworten auf Rechtsextremismus und rechte Orientierung z.B. nicht geben. Aber sie könnte z.B. etwas mehr tun, als die dümmlichen Argumente von Rechtsextremen für bare Münze nehmen. So heißt es in einem im Internet bereitgestellten Text über Rechtsextremismus in Thüringen, dass Fremdenfeindlichkeit mit der Arbeitsmarktsituation nicht so viel zu tun habe, sie entstehe aber, "wenn sich Menschen von Zuwanderern physisch bedroht fühlen, wenn Menschen glauben, Minderheiten würden ihre eigenen materiellen Ressourcen gefährden, wenn sie ihre Kultur und Identität durch die Zuwanderung von Minderheiten bedroht sehen und wenn sie keine Erfahrungen mit den Minderheiten haben". Dass das dort so steht ist schon schlimm genug. Wenn man so etwas im Rahmen eines solchen Programms einstellt, dann sollte man auch sagen, wer dafür verantwortlich ist, wer diejenigen sind, die die Köpfe der Bürgerinnen und Bürger mit diesen Parolen anfüllen, dass es die Politikerinnen und Politiker sind, die die Produzenten dieses Denkens sind.

(Beifall bei der PDS)

Und dass es die gleichen Politikerinnen und Politiker sind, die anschließend eine Koordinierungsstelle einrichten, um sich gegen die Effekte ihrer eigenen Politik zu wehren.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Unerhört ist das.)

Doch zurück zur Funktion der Koordinierungsstelle. Ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie unerhört rufen. Was meinen Sie, was allein in diesem Landtag an dieser Art von Denken über den Bürgerinnen und Bürgern im Lande ausgebreitet worden ist, nur in diesem Landtag, und wir haben noch 15 andere und einen Bundestag.

(Beifall bei der PDS)

Die Koordinierungsstelle hat ein Problem, sie sollte mal ein Problemberuhiger werden und nun erlebt sie einen Bumerangeffekt. Die Landesregierung hat versucht, sich mit der Einrichtung der Koordinierungsstelle ein Problem vom Hals zu schaffen, das Problem nämlich, das Initiativen, die parlamentarische Opposition und zahlreiche namhafte Persönlichkeiten in Thüringen ein Landesprogramm forderten und die rechtsextremen Straftaten in einem Jahr um mehr als 50 Prozent zunahmen. Nun hat sie ein neues Problem: Sie hat jemanden zuständig gemacht für das große Feld der Gewalt und nun wird immer wieder gefragt, warum das Wundermittel nicht wirkt, was denn diese zuständige Einrichtung nun tut. Wir sind uns sicher einig Herr Staatssekretär, der Rückgang an Fallzahlen ist sicher nicht auf die Arbeit der Koordinierungsstelle zurückzuführen. Nun fragen wir ja auch bei anderen Behörden nur selten, was sie tun oder wie sie dem Bürger begegnen. Da die Koordinierungsstelle aber ein Loch in einem so virolenten Bereich stopfen soll, wie dem der Gewalt in all ihren Motivationen, wird sie so lange Thema bleiben, wie die Landesregierung nicht in diesem Bereich allgemein glaubwürdiger agiert.

Ähnlich wie im Bereich des Rechtsextremismus, in dem das Handeln der Koordinierungsstelle kaum erkennbar ist, verläuft der Prozess ja im Bereich der häuslichen Gewalt oder der Gewalt im sozialen Nahraum. Wenn wir Frauen aus den Frauenverbänden fragen, wie ihr Eindruck von der Koordinierungsstelle ist, bekommen wir seit Monaten immer dieselbe schlechte Antwort.

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU: Da dürfen Sie keine PDS-Frauen fragen.)

Im Frühjahr 2000 forderten Initiativen und die Opposition ein Landesprogramm, in dem neben einer Informationsund Dokumentationsstelle über Rechtsextremismus mobile Beratungsteams, ein Projektfond für regionale Aktivitäten, eine Antidiskriminierungs- und Opferberatungsstelle und die Förderung demokratischer Jugend- und Erwachsenenbildung vorgesehen waren. Die Landesregierung hat damals beteuert, das sei alles nicht nötig. Das hat sie aber nicht davon abgehalten, Bundesmittel für mobile Beratungsteams zu beantragen. Wir sollten uns da nichts vormachen, meine Damen und Herren, die Bundesmodellprojekte im Bereich mobile Beratungsteams und Opferberatungsstellen, die es in Thüringen jetzt gibt, die sollen die Löcher füllen, für die das Land nicht selbst aufkommt. Bereits im nächsten oder übernächsten Jahr könnten die Bundesmittel ausbleiben und dann muss das Land die jetzt anderweitig finanzierten Angebote selbst finanziell absichern.

Im Übrigen, meine Damen und Herren, im Januar wurden in Jena nicht nur zwei ausländische Gastwissenschaftler angegriffen, uns sind allein fünf Übergriffe auf Ausländer bekannt.

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU: Aber keine mit rechtsextremem Hintergrund.)

Einer schon wäre zu viel und nicht nur für den Standort Thüringen versteht sich, sondern für die politische Kultur dieses Landes überhaupt.

(Beifall Abg. Nitzpon, PDS)

Die Zahlen im Thüringentrend lassen auf die Tendenz, die sich laut Presseberichten in der diesjährigen Verringerung der Zahl der rechtsextremen und fremdenfeindlichen Straftaten ausdrücken, scheint auf der Ebene der Einstellungen nicht zu erhoffen. Hier wird auch deutlich, dass der Bereich der Gewalt nicht der einzige sein kann, in dem Signale gesetzt werden müssen, sondern dass die Landesregierung im Bereich der Bildung und im Bereich des öffentlichen Ernstnehmens der Situation weithin zu wenig tut. Vergessen darf man bei der erfreulichen Meldung des Sinkens der Straftaten um 14 Prozent auch nicht, dass im Jahr 2000, dem Jahr der großen Aufmerksamkeit für das Problem des Rechtsextremismus und des Aufstands der Anständigen, eine mehr als 50prozentige Steigerung zu verzeichnen war, die nur durch den Teilrückgang gering kompensiert wird.

Wir meinen auch, man könnte einiges über Handlungsmöglichkeiten lernen, wenn man den Aktionsplan "Häusliche Gewalt" der Bundesregierung in Thüringen umsetzen würde und wenn man ein ähnliches Konzept für den Bereich rassistische Übergriffe und Rechtsextremismus konzipieren würde.

Wir sind nicht gegen eine Koordinierungsstelle der Ministerien im Bereich der Arbeit gegen Rechtsextremismus oder im Bereich der Gewalt im sozialen Nahraum. Hier kann, was das koordinierte Handeln der Landesbehörden angeht, tatsächlich einiges getan werden; man muss es wollen, was allerdings aus dem Fortbildungsprogramm der Landesregierung nicht gerade hervorgeht. Wir hielten in diesem Fall jedoch dringend eine thematische Spezialisierung der Mitarbeiterinnen für sinnvoll. Denn meine Damen und Herren, die Motivation für Gewalt im sozialen Nahraum und rassistische Übergriffe sind jeweils anders gestrickt. Wer heute seine Frau verprügeln will, wird an ihrer Stelle keinen Ausländer angreifen.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Das ist un- erhört.)

Es bedarf deshalb unserer Auffassung nach bereichsspezifischer Ursachenanalysen und Handlungskonzepte.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Ihr Beitrag.)

Was ereifern Sie sich so spät so sehr, ich verstehe das überhaupt nicht.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Das glaube ich, dass Sie das nicht verstehen.)

Es bedarf deshalb unserer Auffassung nach bereichsspezifischer Ursachenanalysen und Handlungskonzepte und wir haben auch Zweifel, ob Gewaltprävention, für welchen Bereich auch immer, im Innenministerium auch richtig angesiedelt ist und nicht im Sozialministerium,

(Beifall bei der SPD)

da aus dem Innenministerium ohnehin immer nur und zuerst die polizeiliche Lösungskompetenz für alles und jeden behauptet wird. Wir meinen, sehr verehrte Damen und Herren, dass darüber hinaus eine ernst zu nehmende Bearbeitung der gesellschaftlichen Problemlage im Bereich Rechtsextremismus außerhalb der Ministerienkoordination, dass Fragen regierungsfern ermöglicht werden muss und dass ein solches Angebot nicht wie die Koordinierungsstelle in erster Linie bedarfs-, sondern angebotsorientiert arbeiten sollte. Aber ohne eine hinreichende Personaldecke, und das ist mit neun Leuten mit Sicherheit nicht gegeben, und einen eigenen Haushalt wird die Arbeit ebenso nicht zu bestreiten sein. Wir meinen auch, dass die Beratung von Kommunen, Schulen, Jugendklubs, Vereinen, Initiativen mobil erfolgen muss, nah und vor Ort. Wenn man hier genau hinsieht, wird deutlich, dass die Mitarbeiterinnen der Koordinierungsstelle dies beim besten Willen schon allein vom Zeit- und Mittelkontingent her gar nicht leisten können.

Abschließend ließe sich Folgendes sagen: Die Landesregierung würde sich selbst, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Koordinierungsstelle und der politischen Kultur im Freistaat einen großen Gefallen tun, wenn sie die Probleme endlich ernst nähme und einräumen würde, dass eine ministeriale Koordinierungsstelle die Probleme nicht ausreichend bearbeiten kann. Wenn sie sich dann in diesem Sinne der guten Praxis anderer Länder anschlösse und ein Landesprogramm gegen Rassismus für Demokratie finanziell ermöglichen würde, wäre das wohl der richtigere Weg.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Ein ähnliches Konzept sollte unserer Auffassung nach Thüringen im Bereich der häuslichen Gewalt oder der Gewalt im sozialen Nahraum

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU)

Herr Böck, ich kann Sie leider nicht verstehen - verfolgen würde. In Berlin arbeitet seit Jahren ein Interventionsprojekt gegen häusliche Gewalt, das Polizei und Justiz berät, verbindliche runde Tische zwischen Institutionen und Lobbyorganisationen befördert und das die bestehende Praxis analysiert. Man muss kein Prophet sein, meine sehr verehrten Damen und Herren, um zu sagen, dass es mit der Verschiebung der Probleme auf eine Behörde nicht getan ist. Das ist der Vorwurf, den ich den Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion und Ihrem Antrag machen muss. Herr Döring war es, glaube ich, der die Koordinierungsstelle in einer Diskussion einmal als einen zahnlosen Tiger bezeich