Protokoll der Sitzung vom 14.03.2002

(Beifall bei der CDU)

sondern der Innenminister hat in der ihm gegebenen Verantwortung gehandelt und hat in voller Diskretion, ohne die Öffentlichkeit einzubeziehen, informiert. Ich habe keinen Brief an die Abgeordneten geschrieben, sondern ich habe einen sehr allgemein gehaltenen Brief an die Landtagspräsidentin geschrieben, in dem allerdings deutlich zum Ausdruck kommt, dass die Aktivitäten des Kollegen Dittes dazu angetan sind, ihn nicht in diese G-10-Kommission zu wählen, weil das eine Gefährdung des Auftrags der G-10-Kommission darstellt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Nun will ich Ihnen natürlich noch eines sagen, Frau Kaschuba hat jetzt so getan als wäre das eine massive Verletzung der Chancengleichheit der Abgeordneten.

Meine Damen und Herren, Sie mögen ja die Demokratie für ein Kinderspiel halten, aber eine Chancengleichheit für Extremisten sollte es nicht geben. Dafür stehe ich hier.

(Beifall bei der CDU)

Es liegen keine weiteren Redeanmeldungen mehr vor. Ich stelle zunächst fest, dass das Berichtsersuchen erfüllt ist, falls dem nicht widersprochen wird. Es wird dem nicht widersprochen, damit kann ich den Tagesordnungspunkt 7 mit dieser Feststellung schließen.

Ich komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 8

Bundesratsinitiative zur Verhinderung finanzieller Nachteile allein Erziehender Antrag der Fraktion der PDS - Drucksache 3/2250

Die einreichende Fraktion hat angekündigt, dass die Abgeordnete Wolf die Begründung vornimmt.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich glaube es ist an der Zeit, noch ein bisschen zu warten bis wieder Ruhe eingekehrt ist. Ich hoffe, dass das nicht von den fünf Minuten abgezogen wird.

Meine Damen und Herren, allein Erziehende, Sie meinen vielleicht, es handelt sich dabei um eine kleine Gruppe, was denken Sie, 10 Prozent, 20 Prozent?

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: 50 Prozent.)

Sie haben Recht, es sind 50 Prozent der Kinder, die inzwischen außerhalb von Ehen geboren werden in Thüringen. 45 Prozent aller Frauen waren in ihrem Leben schon einmal allein erziehend. Neue Fakten wird sicherlich der Sozialbericht nennen. Ich bin gespannt auf die Zahlen.

Meine Damen und Herren, 20 Prozent aller allein Erziehenden sind arm. 63 Prozent aller allein Erziehenden mit Kindern unter 3 Jahren leben von der Sozialhilfe, in meinen Augen ein absoluter Skandal. Kinder sind das größte Armutsrisiko. Neue Ansätze sind gefragt. Es geht vor allem eben auch um eine finanzielle Entlastung von allein Erziehenden. Doch was ist zurzeit festzustellen, eine große Unruhe im Saal. Ich gebe zu, es ist für die Männer der CDU wahrscheinlich nicht so spannend von der vor allem weiblichen Gruppe der allein Erziehenden zu hören.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Das ist hinterfotzig.)

Frau Präsidentin, muss ich mir "hinterfotzig" gefallen lassen?

Nein, Frau Wolf. Herr Abgeordneter Böck, haben Sie mit der Bemerkung die Abgeordnete Wolf gemeint?

(Zuruf Abg. Böck, CDU: Die Art und Weise, wie hier Abgeordnete diskriminiert werden sollen, ja. Aber mir fiel kein anderes Wort ein, wenn Sie ein besseres wissen, dann nen- nen Sie eins.)

Moment einmal, Sie haben jetzt nicht das Wort erteilt bekommen zu einem Redebeitrag. Ich wollte wissen, ob Sie sich an die Abgeordnete Wolf gerichtet haben und wenn Sie das bestätigt haben, dass dieses Wort an sie gerichtet war, dann erhalten Sie einen Ordnungsruf und ich möchte jetzt darum bitten, dass die Frau Abgeordnete Wolf endlich ihre Begründung des Antrags vortragen kann.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Ich pro- testiere gegen die Art der Abgeordneten Wolf und gegen den Ordnungsruf.)

(Unruhe im Hause)

Herr Böck, ich sage hier durchaus anerkennend, Sie sind sitzen geblieben. Weiter zu den allein Erziehenden. Im Moment ist festzustellen, dass allein Erziehende nicht entlastet werden in ihrer finanziellen Situation, sondern belastet. Das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil von 1998 wird als Sündenbock genutzt, allein Erziehende stärker zur Kasse zu bitten. Aber ich sage an dieser Stelle ausdrücklich, Ziel des Urteils war eigentlich nicht eine stärkere Belastung von allein Erziehenden, sondern eine stärkere Entlastung aller Familien. Der Haushaltsfreibetrag wurde 1982 - im Übrigen auch durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - als Gegenstück zur steuerlichen Entlastung von Ehepaaren durch das Ehegattensplitting eingeführt. Es ist also nicht eine Erfindung, die aufgrund von Schönwetter oder Sonnenschein entstanden ist. Es hat seine Berechtigung im Sinne der Gleichbehandlung unterschiedlicher Familienformen, denn, ich denke, es ist in diesem Saal unstrittig, Einelternfamilien haben einen Ausgleich verdient für die höheren Haushaltsführungskosten. Das Bundesverfassungsgericht empfahl eine Entlastung für alle Familien. Die Kindergelderhöhung ist in meinen Augen ein Tropfen auf den heißen Stein und, was der Skandal ist, die Verluste durch die Senkung des Haushaltsfreibetrags werden bei vielen Eltern bei weitem nicht ausgeglichen.

Meine Damen und Herren, ich habe darauf hingewiesen, allein Erziehende stecken oftmals zu 63 Prozent bei den jüngeren Kindern in der Sozialhilfe fest und das ungewollt. Das haben auch eindeutig die Studien bewiesen. Der große Skandal in meinen Augen weiterhin, sie haben von der Kindergelderhöhung keine einzige Mark, keinen einzigen

Euro, denn sie bekommen sie eins zu eins von der Sozialhilfe abgezogen.

Meine Damen und Herren, wir brauchen eine Politik, die ermutigt, Kinder zu bekommen. Breite Taten und Ansätze sind nötig. Unser Antrag möchte die begangenen Fehler, auch den finanziellen und Imageschaden ausgleichen. Ich denke, die Ansätze, die hier geliefert werden, sind breit und fordern durchaus zur Diskussion auf. Wir fordern die Landesregierung auf, im Bundesrat aktiv zu werden, allein Erziehenden das Leben zu erleichtern und nicht zu erschweren. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Antrag. Als erster Redner hat sich zu Wort gemeldet der Abgeordnete Panse, CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Wolf, die Antragsbegründung war ja vernünftig, inhaltlich richtig. Allerdings komme ich sicherlich noch darauf zurück, was uns an Ihrem Antrag nicht gefällt. Bei der geforderten Bundesratsinitiative ist die Versuchung groß, aber ich werde nicht die Kanzlerschwester zitieren, obwohl es nahe liegend wäre. Sie hat mit ihrem prominenten Verwandten genug Sorgen und steht schließlich auch nur stellvertretend für insgesamt 2 Mio. allein Erziehende, davon 1,7 Mio. Frauen und 300.000 Männer der Bundesrepublik. Nun hat auch die Thüringer PDS dieses Thema neu bzw. wieder für sich entdeckt. Wie Ihr Antrag aber belegt, wurde von der PDS der dazu stattgefundene Diskussions- und Entscheidungsprozess der letzten zweieinhalb Jahre wohl etwas verschlafen oder zumindest ignoriert und soll jetzt öffentlichkeitswirksam aufgearbeitet werden. Bei Verbänden, im Bundestag, im Bundesrat, in den Medien wurde dieses Gesetz schon lange diskutiert, aber erst jetzt, wo die Änderung in Kraft getreten ist, fällt es Ihnen wieder ein.

Zunächst erst einmal damit zur Situation der Betroffenen: In den vergangenen zehn Jahren sank bei uns in Thüringen die Gesamtanzahl der Familien um 70.000 bzw. um 9 Prozent. Gleichzeitig veränderte sich der Anteil der allein Erziehenden und stieg von 15 auf 17 Prozent. Im Jahr 2001 waren dies 116.100 allein Erziehende. Damit bestätigt sich auch in Thüringen der bundesweite Trend der letzten Jahrzehnte. Mit dem Wegfall der Steuerklasse 2 ab dem 01.01.2002 hat sich für einen großen Teil dieser stetig wachsenden Bevölkerungsgruppe, für die allein Erziehenden, die Situation deutlich verschlechtert. Der Haushaltsfreibetrag von ursprünglich 2.916   nen, abgesehen von den so genannten Altfällen, bei denen er schrittweise abgeschmolzen wird, nicht mehr zu. Von der Bundesregierung wurde als Begründung hierfür das Urteil des Bun

desverfassungsgerichts vom 10. November 1998 angeführt. Dies ist allerdings nur die halbe Wahrheit, denn das Bundesverfassungsgericht hat zwar die steuerliche Gleichstellung zu verheirateten Eltern gefordert, aber es hat keinesfalls vorgegeben, dass dies auf Kosten der allein erziehenden Mütter und Väter geschehen soll.

(Beifall Abg. Schwäblein, CDU)

Um den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts Rechnung zu tragen, hätte der Haushaltsfreibetrag auch auf alle Eltern ausgeweitet werden können, wie von vielen Verbänden gefordert.

(Beifall Abg. Arenhövel, CDU)

Aber dies hätte Geld gekostet, viel Geld und somit als Voraussetzung vor allem des politischen Willens bedurft, ein deutliches Signal für Eltern und deren Kinder in unserer Gesellschaft zu setzen. Mit dem Zweiten Familienförderungsgesetz, ein Gesetz, das schon wie das vorherige Gesetz zur Familienförderung seinen Namen gar nicht verdient, wurde hingegen den allein Erziehenden im Land signalisiert, dass die rotgrüne Bundesregierung Familienförderung letztlich nach Kassenlage und nicht aus Sicht der Betroffenen gestaltet. Nur ein Teil der allein Erziehenden konnte in der Vergangenheit den Haushaltsfreibetrag geltend machen, nämlich diejenigen, die arbeiten und ein entsprechendes Einkommen haben. Auch dies war traurigerweise in der Vergangenheit Bestandteil der Argumentation für eine Streichung des Freibetrags. Obwohl es sachlich richtig ist, taugt es keineswegs als Begründung. Ja, sind wir denn schon so weit, dass bei der so gern geschürten gegenwärtigen Neidebatte selbst allein Erziehende herhalten müssen? Diese allein Erziehenden müssen unter schwierigen Bedingungen familiäre Betreuung und Erziehung mit ihrem Job unter einen Hut bringen. Ihnen den Haushaltsfreibetrag zu nehmen, passt überhaupt nicht zu Ihrem Antrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, den wir heute noch diskutieren werden.

(Beifall Abg. Arenhövel, CDU)

Ja, es hat auch Verbesserungen gegeben, aber weder die erhöhten Freibeträge, die letztlich nur besser Verdienenden zugute kommen, noch die Kindergelderhöhung, die im Übrigen nur für das erste und zweite Kind erfolgt und zudem den Familien durch andere Belastungen wie die Ökosteuer wieder aus der Tasche gezogen wird, können insgesamt darüber hinwegtäuschen: Die Politik der Bundesregierung ist nicht familienfreundlich, sie ist familienfeindlich.

(Beifall bei der CDU)

Neben den Familien mit mehr als zwei Kindern sind wie bereits geschildert - vor allem allein Erziehende die Verlierer rotgrüner Familienpolitik. Aber dies war bereits

absehbar, als im Bundestag und im Bundesrat das Gesetz diskutiert wurde. Thüringen hat deshalb im Bundesrat die Regelungen zum Haushaltsfreibetrag für allein Erziehende im beschriebenen Gesetz energisch kritisiert und einen Antrag Bayerns unterstützt, den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel einer grundlegenden Überarbeitung des Gesetzes anzurufen. Zutreffend wurde nämlich im Antrag Bayerns darauf verwiesen, dass das vom Bundestag verabschiedete Gesetz aus familienpolitischer Sicht unzureichend und sozial unausgewogen ist. Ganz offensichtlich ist der PDS diese Positionierung der Thüringer Landesregierung entgangen. Ebenso dürfte den Kollegen von der PDS aber dabei auch die Position des rotrot-regierten Mecklenburg-Vorpommerns entgangen sein. Zur Erläuterung: Unter anderem waren es Ihre Genossen aus dem Norden, die gegen eine Änderung des Gesetzes im Interesse allein Erziehender gestimmt und somit eine grundlegende Überarbeitung im Bundesrat verhindert haben.

(Zwischenruf Abg. Schwäblein, CDU: Pfui!)

Mit der heutigen Plenarsitzung hier im Thüringer Landtag und übrigens auch bei einer Plenardebatte Mitte Januar zur Situation allein Erziehender in Sachsen fordert die PDS nun Verbesserungen für allein Erziehende; pikanterweise in den anderen neuen Bundesländern nicht. Man kann sich fragen, warum wohl?

Wer nun aber zumindest aus der PDS-Initiative in den beiden Freistaaten ableiten würde, die Abstimmung im Bundesrat wäre nur eine einmalige Aktion gewesen, wer glaubt, die PDS hätte nun zwischenzeitlich gemerkt, dass sie damit Mitverantwortung für finanzielle Nachteile allein Erziehender trägt und will nun wirklich das Steuer noch herumreißen, wurde vor wenigen Wochen eines Besseren belehrt. Ein dazu passender Antrag der CDU-Fraktion Mecklenburg-Vorpommern mit dem Titel "Steuerliche Benachteiligung allein Erziehender stoppen" mit der Forderung nach einer entsprechenden Bundesratsinitiative wurde im dortigen Landtag am 31. Januar diskutiert.

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Hört, hört!)

Bei diesem Antrag bot sich für die PDS-Genossen - für Ihre Parteifreunde - die beste Gelegenheit zu einer Bundesratsinitiative. Dazu hätte man sich allerdings gegen den Koalitionspartner SPD durchsetzen müssen; das konnten und wollten aber die Genossen nicht. So war das dortige Statement der PDS eine einzigartige Rumeierei. Eigentlich sei man ja auch schon für eine Verbesserung im Sinne der allein Erziehenden, aber die CDU solle sich nicht, so ein Zitat, als Rächer der Enterbten aufspielen und der Antrag sei populistisch. Schließlich wurde er dann einmütig von PDS und SPD abgelehnt. Warum ich so ausführlich auf Mecklenburg-Vorpommern eingehe, werden Sie fragen, und ich erläutere dies gern. Frau Kollegin Thierbach, wir haben gestern hier gemeinsam im Plenarsaal mit einer Schülergruppe aus Erfurt diskutiert. Sie haben da

bei sinngemäß gesagt, dass Sie keine Lust hätten, unterschiedliche Auffassungen der PDS zur Position im Bundesrat, beispielsweise zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen, feststellen zu müssen. Ich fürchte, Sie werden dies immer wieder feststellen müssen; denn wenn Opportunisten mit regieren dürfen, gilt stets das Motto: "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing."

(Beifall bei der CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren, allerdings, das will ich nicht verschweigen, auch Rotgrün sieht inzwischen ersten vorsichtigen Korrekturbedarf. Nun darf man darüber spekulieren, ob die Verfassungsklagen oder der herannahende Bundestagswahlkampf dafür ausschlaggebend sind. Ein wesentlich gewichtigeres Motiv hat die Bundesregierung aber eigentlich selbst benannt. Denn, werte Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen es alle, der Armutsbericht der Bundesregierung hat im letzten Jahr deutlich belegt, besonders gefährdet von Armut sind allein Erziehende und Familien mit mehreren Kindern. Schlussfolgerungen hat Rotgrün daraus aber leider bis jetzt nur in Form von Ankündigungen gezogen. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Renate Schmidt erklärte erst vor wenigen Tagen in Erfurt: Deutschland ist trotz aller Leistungen der Bundesregierung nach wie vor ein familienpolitisches Entwicklungsland. Dieses ist bemerkenswert, weil es quasi eine Bankrotterklärung eigener Familienpolitik ist.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Anfrage durch Herrn Abgeordneten Schwäblein?

Ja, bitte schön.