Während die Leistungen, die Familien erbringen, sozialisiert werden, bleiben die materiellen Leistungen weit gehend privatisiert. 75 Prozent der materiellen Belastungen durch ein Kind tragen die Familien im Übrigen heu
te selbst. Der materielle Nachteil von Menschen, die Kinder betreuen und großziehen gegenüber jenen, die das nicht tun, beträgt im Übrigen für das erste Kind 450.000 DM und für jedes weitere Kind noch immer die Hälfte der Summe.
Wenn Thüringen eine nachhaltige Familienpolitik machen will, wie es als Anspruch in der Regierungserklärung von Ministerpräsident Dr. Vogel 1999 erhoben wurde, dann muss zumindest unser Antrag - und deswegen verstehe ich die Aussage von Herrn Panse nicht, ich komme zum Schluss aber noch einmal dazu - eigentlich bei der CDU auf große Zustimmung stoßen.
Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des Karlsruher Gerichts vom November 1998 nur konsequent. Bei allen notwendigen Aufwendungen für den Unterhalt von Familie, die Betreuung und Ausbildung von Kindern geht es um die Absicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums besonders auch für die Kinder. Deshalb sollten die steuerlichen Freistellungen von den Kindern her definiert werden und das sind sie zurzeit nicht, ganz unabhängig davon, ob die leiblichen oder sozialen Eltern, also die Erwachsenen, die das Kind erziehen, in ehelicher oder nicht ehelicher Gemeinschaft zusammenleben oder das Kind tatsächlich von einem Elternteil allein betreut wird. Verfolgt man das Modell der Steuerfreiheit existenznotwendiger Aufwendungen und Ausgaben konsequent zu Ende, dann wird, Herr Panse, auch das Ehegattensplitting entbehrlich. Wenn ein Elternteil in einer Ehe sich nämlich ausschließlich um die Kinder kümmert, könnte dieser dann in einem Unterhaltsfreibetrag berücksichtigt werden.
Die PDS fordert dazu als Alternative schon lange ein existenzsicherndes Kindergeld. Im Rahmen dieses existenzsichernden Kindergelds ist auch zu berücksichtigen, dass der finanzielle Aufwand von Kindern mit zunehmendem Lebensalter steigt. Das hat das Bundesverfassungsgericht in seinen Urteilen deutlich gemacht. Unser Antrag berücksichtigt dies. Existenzsichernd ist es aber dann erst, wenn andere Leistungen wie Sozialhilfe oder Erziehungsgeld eben nicht verrechnet werden. In diesem Zusammenhang muss auch die Definition von Familie unter Berücksichtigung aller aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen neu diskutiert werden.
Eins steht dabei fest, meine Damen und Herren, die klassische Familie - Vater, Mutter, die verheiratet sind und die Kinder erziehen, wo die Mama am besten zu Hause bleibt -, ist ein Auslaufmodell. Politik und Recht müssen auf neue gesellschaftliche Entwicklungen sinnvolle Antworten finden. Hier gibt es erheblichen Nachholbedarf und es ist vielfach belegt, dass die Spirale der Armut mit Arbeitslosigkeit beginnt und deren Auswirkungen trifft Kinder besonders hart. Es ist für so ein reiches Land wie Deutschland ein Armutszeugnis schlimmster Güte, dass Kinder für Ehepaare, aber noch mehr für allein Erziehende das Armutsrisiko Nummer 1 sind - Herr Panse hat es
genannt -, und es ist ein Armutszeugnis schlimmster Güte, dass immer mehr Kinder in diesem Land in Armut leben müssen.
Abhilfe muss hier eine entsprechende finanzielle Fürsorge des Staates schaffen und nicht nur finanzielle Fürsorge, auch Dienstleistungsangebote müssen sein, wie zum Beispiel bezahlbare Kindertagesstättenplätze. Die Anstrengungen zur Wiedereingliederung von Arbeitslosen - das ist ganz wichtig, aber dazu werden wir morgen noch reden -, besonders arbeitsloser allein Erziehender müssen verstärkt werden.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal appellieren: Stimmen Sie in Gänze für unseren Antrag, der in erster Linie Vorteile für die Kinder und für die Zukunft dieses Landes bringen soll. Meine Damen und Herren, wenn ich Herrn Panse gehört habe, muss ich eins sagen, die Begründung für die Ablehnung unseres Antrags, mir ist Angst, weil Sie so schlecht regieren, aber mir wird genauso Angst, wenn ich daran denke, dass Sie in der nächsten Wahlperiode, meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, hier Opposition sind.
Herr Panse hat hier gesagt: Wir lehnen den Antrag ab, weil die Landesregierung im Bundesrat schon einmal einen Antrag unterstützt hat und der ist nicht durchgegangen und nun lassen wir es lieber sein. Wenn wir als Opposition so den Kopf in den Sand stecken würden, na dann gute Nacht Thüringen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchte mich zunächst einmal bei der PDS dafür bedanken, dass sie mit ihrem Antrag hier in diesem hohen Hause eine familienpolitische Diskussion entfacht hat, auch wenn ich die Forderungen des Antrags nur zu einem sehr kleinen Teil unterstützen kann. Allerdings - Sie wissen - zurzeit haben alle Parteien die Familienpolitik entdeckt, hoffen wir, dass das nach der Wahl auch so ist.
Darf ich weiterreden? Die PDS kann sich eben nicht lossagen vom Populismus. Klar, dass ein Teil von Ihnen gar nicht in die Regierungsverantwortung kommen will, weil viele ihrer Forderungen sich wegen mangelnder Finanzierbarkeit in Wohlgefallen auflösen würden und Sie Farbe bekennen müssten.
Doch trotzdem noch einmal: Es ist gut und wichtig, dass wir an dieser Stelle über die finanzielle Situation von Familien mit Kindern reden, denn trotz aller wichtigen familienpolitischen Maßnahmen und Schritte sind wir immer noch nicht da angelangt, wo wir hinkommen müssen. Es muss wieder selbstverständlich werden, sich für die Kinder zu entscheiden und es darf kein Risiko für die eigene Existenz hinter einer solchen Entscheidung stehen. Allesamt sind wir aufgefordert, nach geeigneten Lösungen zu suchen und auch dafür zu streiten.
Meine Betonung liegt aber auf "geeignet" und unter geeignet verstehe ich auch finanzierbar. Was nützt es denn, wenn wir den Menschen Wolkenkuckucksheime versprechen und die Versprechungen nicht halten können? In diesem Zusammenhang schaue ich nicht nur die PDS an, deren hier vorgelegte Vorschläge wohl an die 30 Mrd. zusätzlich kosten würden. Ich meine auch die Vorschläge der CDU für ein Familiengeld, die sich so, wie sie anfangs vorgebracht wurden, schon heute als unfinanzierbar herausgestellt haben. Langsam sind auch die CDU/CSUGranden auf Bundesebene dahinter gekommen, dass es den geglaubten finanziellen Spielraum dafür gar nicht gibt. Nun hat man die Lösung ausgegeben, schrittweise innerhalb von 10 Jahren das Familiengeld einführen zu wollen. In öffentlichen Auftritten der Union werden die 10 Jahre geflissentlich allerdings unter den Teppich gekehrt und es wird auch vergessen zu sagen, wie das Ganze denn finanziert werden soll.
Bisherige Leistungen sollen darin integriert werden, heißt es - Erziehungsfreibetrag, Ausbildungsfreibetrag und was sonst noch. Welche das genau sind, wird genauso verschwiegen wie die Gegenfinanzierung des verbleibenden geringen Restbetrags von gerade einmal 50 Mrd. &2 bezahlen wir dann aus der Portokasse. Hatten wir eine solche Ausgangssituation nicht vor 12 Jahren schon einmal, als es darum ging, die deutsche Einheit zu finanzieren? So kann man doch nur Politik machen, wenn man genau weiß, dass man in nächster Zeit nicht in die Gelegenheit kommt, dies auch umsetzen zu müssen. Ein solcher Vorschlag hätte letztlich auch im Bundesrat keine Chance, wo sich die Länder aller politischen Zusammensetzungen schon um die Finanzierung von 30 DM mehr Kindergeld streiten und eine Erhöhung von 30 DM auch für das dritte und vierte Kind nicht mehrheitsfähig ist. Wo sollen es denn die Länder auch hernehmen? Wo will Thüringen die 150 Mio. + bräuchte, um die CDU-Vorschläge zu finanzieren? Sagen Sie, was dafür gestrichen und welche Steuer dafür erhöht
Es ist doch nicht ideologische Borniertheit, weshalb die SPD Ihren Vorschlag ablehnt, es ist die Realitätsferne Ihres Vorschlags, die uns zur Ablehnung zwingt. Es ist die Verantwortung für die Haushalte aller staatlichen Ebenen, die die Umsetzung verbietet. Lassen Sie uns gemeinsam das Machbare für die Familien anstreben, statt irgendwelchen parteitaktisch motivierten Phantomen hinterherzujagen. Es geht um unsere Kinder und um die Familien und um unser Land. Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, schon die Begriffsbestimmung im Antrag der PDS ist ein Begriff aus vorgestern. Sie reden immer noch vom Familienlastenausgleich. Ich weiß nicht, ob Sie es noch nicht mitbekommen haben, dass man spätestens seit 1996, als die Bundesregierung unter Helmut Kohl grundlegende Rechtsänderungen zugunsten der Familien auf den Weg gebracht hat, vom Familienleistungsausgleich spricht.
Das scheint bei Ihnen noch nicht angekommen zu sein. Sie reden nicht von der erbrachten Leistung, sondern von einer Last. Wählt man solche Bezeichnungen, bekommt das Thema von vornherein eine unrettbare Schieflage, aus der Familie wird eine Last, noch dazu eine selbst verschuldete, die Familie als Sozialfall, als Bittsteller gegenüber Staat und Gesellschaft. So hätten Sie es gern. Die eigentliche Frage, wie man dem Willen zur Finanzierung der Familie aus eigener Kraft steuerlich gerecht werden kann, ist bei Ihnen schon längst aus dem Blickfeld geraten. Frau Nitzpon, wenn man einen Freibetrag beanspruchen kann, kann das jeder auf seiner Lohnsteuerkarte eintragen lassen und bekommt nicht erst beim Jahressteuerausgleich den Vorteil, sondern bekommt ihn so, wie bei Zulagen, Zuschüssen
Mit Ihrem Antrag fordern Sie die Landesregierung auf, sich im Bundesrat dafür einzusetzen, einen Teil der Änderungen durch das Zweite Familienförderungsgesetz aus dem letzten Jahr wieder rückgängig zu machen. Ein wesentlicher Punkt dabei ist die Neuregelung des Haushalts
freibetrags. Hierzu kann ich Ihnen nur sagen: Wir sind Ihrer Forderung zuvorgekommen, bereits im letzten Jahr.
(Zwischenruf Abg. Nitzpon, PDS: Aber des- wegen kann man doch jetzt nicht aufhören, an der Forderung festzuhalten.)
Schon während des Gesetzgebungsverfahrens zum Zweiten Familienförderungsgesetz haben wir gemeinsam mit anderen Ländern im Bundesrat darauf hingewiesen, dass die auf der einen Seite stehenden Entlastungen durch Anhebung des Kindergelds und des Betreuungsfreibetrags aus der Streichung bisheriger Entlastungen für Familien gegenfinanziert werden. Betroffen sind vor allem allein Erziehende. Während der Haushaltsfreibetrag und der bisherige Betreuungsfreibetrag einen Wert von 4.417 # ten, beläuft sich der neue zusammengefasste Freibetrag für Ausbildungs-, Erziehungs- und Betreuungsbedarf mit 2.160 1 & Hinzu tritt die Verrechnung mit dem Kindergeld, die für den Haushaltsfreibetrag bisher nicht galt. Doch alle unsere Argumente haben nicht geholfen, ein Umdenken bei Rotgrün zu bewirken. Der von Thüringen unterstützte Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses zur grundlegenden Überarbeitung des Gesetzes fand keine Mehrheit.
Frau Nitzpon, natürlich können Sie hier Anträge stellen, das ist das Recht einer jeden Fraktion, das Recht jedes Abgeordneten, nur ich finde es schon bemerkenswert, meine Damen und Herren von der PDS, dass seinerzeit auch Mecklenburg-Vorpommern den Antrag abgelehnt hat,
Bitte, in Koalitionsregierungen ist es eigentlich üblich, wenn man sich nicht einig ist, dass man sich im Bundesrat dann wenigstens der Stimme enthält.
Und wenn Mecklenburg-Vorpommern so gestimmt hat, hat dieses Gesetz der Bundesregierung die Zustimmung der PDS in Mecklenburg-Vorpommern gefunden.
Dann reden sie doch erst einmal mit Ihren Genossen in Norddeutschland, bevor Sie hier unausgewogene Anträge stellen.
Ich kann mich noch genau an die damaligen Bundesratsberatungen erinnern. Auch ein Antrag von Bayern und Baden-Württemberg zur Höhe des Kindergeldes wurde mit den Stimmen Ihrer Genossen aus Mecklenburg-Vorpommern abgelehnt. Nein, der Vermittlungsausschuss, wo man um eine gerechte, sozial ausgewogene Lösung hätte ringen können, sollte auf keinen Fall angerufen werden.
Meine Damen und Herren, wie so oft schütten Sie das Kind mit dem Bade aus. Ihre Forderungen sind utopisch, weil konzeptionslos und auch von der finanziellen Seite her nicht durchdacht. Sie zeugen ferner von einer undifferenzierten Betrachtungsweise von steuerrechtlich notwendigen und sozialpolitisch machbaren Maßnahmen. Mit Ihrer Forderung, das Ehegattensplittung abzuschaffen, provozieren Sie den nächsten Gang nach Karlsruhe vor das Bundesverfassungsgericht.
Bei einem aufmerksamen Studium des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts zum Haushaltsfreibetrag wäre Ihnen nämlich aufgefallen, dass das Gericht eine Vermischung der Auswirkungen des Ehegattensplittings mit Abzugsbeträgen, die für zu berücksichtigende Kinder gewährt werden, für nicht zulässig hält. Zudem geht die geltende Besteuerung von Eheleuten auf ein Urteil eben dieses Bundesverfassungsgerichts zurück. Auch die Bundesregierung hat aus guten Gründen nach einer ersten Diskussion zu Beginn dieser Legislaturperiode ihre Pläne zur Einschränkung des Splittings fallen gelassen, zum einen, weil eine Streichung verfassungsrechtlich sehr zweifelhaft ist, zum anderen, weil ein ins Gewicht fallender Finanzierungsbeitrag nicht zu erreichen ist.