Protokoll der Sitzung vom 14.03.2002

Meine Damen und Herren, man kennt plötzlich die eigenen Unterlagen nicht mehr, Landesregierungsunterlagen.

(Zwischenruf Schuster, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Infrastruktur: Lesen muss man können.)

Meine Damen und Herren, wenn Sie von heute früh den Text vergleichen, den ich hier zitiert habe, und die Seite 13 dieser Vorlage lesen

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU)

- na gut, ich halte es eben andersherum, ich sehe, Herr Kretschmer, hier ist Bildungsfernsehen für Sie, bitte schön -, da werden Sie eine erschreckende Identität der Aussagen feststellen. Wenn man nun hier plötzlich verkündet,

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Da oben sitzt niemand mehr.)

dass diese - Herr Wunderlich, Sie brauchen eine Brille, die zwei Damen und die zwei Herren da oben sollte man schon wahrnehmen, es lohnt sich.

Meine Damen und Herren, zurück zum Thema, auch wenn Herr Wunderlich nichts mehr sieht.

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Das reicht für mich.)

Mir wäre jetzt etwas dazu eingefallen, Herr Wunderlich, ich lasse es lieber.

(Zwischenruf Schuster, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Infrastruktur: Was halten Sie von der PDS-Studie?)

Meine Damen und Herren, zurück zum Thema: Es ist erschreckend, dass wir vor dem Hintergrund der Arbeitslosenzahlen, die wir in Thüringen haben, solche Taschenspielertricks hier benutzen müssen. Ja, Herr Schuster, ich habe Ihnen gesagt, ich bin sauer.

(Zwischenruf aus der CDU-Fraktion: Zeigen Sie es noch mal!)

Ihre eigenen Unterlagen auf diese Art und Weise - Wollen Sie es noch einmal sehen? - Ihre eigenen Unterlagen, wenn sie gar nicht ins Argumentationskonzept passen, hier selber zu verunglimpfen und nicht mehr zu wissen, was Sie gestern gesagt haben, wenn es heute nicht in die Argumentationslinie passt.

(Unruhe bei der CDU)

Ja, endlich gibt es einmal einer zu, Herr Kretschmer; was schert Sie Ihr Geschwätz von gestern, genauso benehmen Sie sich seit zweieinhalb Jahren. Warum soll das bei diesem Nachtragshaushalt und bei diesem Antrag anders sein?

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU)

Man kann aber eins vom anderen nicht trennen, Frau Groß. Dann kommen wir noch einmal zurück zu diesem Nachtragshaushalt. In allen drei großen Positionen, sowohl dem Landesarbeitsmarktprogramm als auch der Arbeitsförderung-Ost sowie den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und der beruflichen Ausbildung wird gekürzt. Das Letztere, meine Damen und Herren, ist ESF-finanziert, also strukturfondsfinanziert von Seiten der EU. Dort

sind Pflichtfinanzierungen - und da wiederhole ich mich von heute früh - zu leisten; diese Pflichtfinanzierungen haben Sie gestrichen, Herr Minister. Und da hätte es schon noch eines Wortes bedurft und nicht nur der Darstellung, dass man 17 Mio.          der Darstellung, dass man zusätzliche Einnahmen von 24,5 Mio.       '  um mit der Spitzabrechnung zu kaschieren, das eigentlich das Defizit bzw. die Streichorgie noch eine viel größere ist. Das wurde von Ihrer Seite leider nicht getan. Ich wiederhole noch einmal die Frage, die ich heute früh schon gestellt habe: Es ist tatsächlich so, dass Sie mit dem Gemeinde- und Städtebund und dem Landkreis abgestimmt haben, dass die Last der reduzierten Millionen, die Sie eingespart haben, durch Sie getragen wird und das freiwillig oder ist es tatsächlich so, dass Sie sich der Arbeitsmarktpolitik der Bundesanstalt für Arbeit, die angeblich so katastrophal und fehlerhaft wäre, bedienen müssen, um Ihre eigene Unfähigkeit zur Kofinanzierung der Arbeitsmarktmittel zu kaschieren. Die Fragen hätten in den Bericht hineingehört. Ich denke schon, dass es auch richtig gewesen wäre, diese hier entsprechend zu beantworten. Ich nehme an, Herr Müller wird dazu auch noch einmal etwas sagen. Es war ja schließlich sein Antrag.

Der zweite Teil ABM: Da hat Frau Vopel einen sehr interessanten Ausspruch getan heute Morgen: Die Reduzierung um 1,6 Mio. hat ja keinen Einfluss auf die ABMProblematik in Thüringen. Wir können das gern im Protokoll nachlesen, Frau Vopel, wenn Sie nicht mehr wissen sollten, was Sie heute früh zwischengerufen haben.

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Ich habe heute früh überhaupt noch nicht geredet.)

Ich hatte auch nicht gesagt, dass Sie geredet haben, ich habe ja nur gesagt, Sie haben dazwischengerufen. Diese 1,6 Mio., Herr Schuster, die Sie reduzieren, das haben Sie indirekt selber zugegeben, führen zu Reduzierungen im Arbeitsmarktbereich bei der verstärkten Förderung. Sie führen sogar zu einer katastrophalen Folge, meine Damen und Herren. In den Arbeitsämtern, nicht in allen, aber in einigen, wird an die Träger ein Brief verschickt, in dem steht, dass sich die Mittelzuweisungen des Landes zur verstärkten Förderung ABM vom Jahr 2001 auf das Jahr 2002 reduzieren und durch die reduzierten Zuweisungen von Landesseite, insbesondere im Jahr 2003, sehr große Probleme entstehen können und man bittet die Träger, ihre Maßnahmen im ABM-Bereich, insbesondere im I. Halbjahr des Jahres 2002 durchzuführen, weil für die Anschlussfinanzierung des Jahres 2003 kein Geld mehr zur Verfügung steht. Nicht etwa kein Geld von der Bundesanstalt, nein, meine Damen und Herren, kein Geld vom Land. Ein Schelm, wer glaubt, dass das nicht mit den Streichorgien im Freistaat im Rahmen der Arbeitsmarktpolitik zu tun haben könnte.

Ein Letztes, meine Damen und Herren, ich will Sie ja nicht überfordern. Die arbeitsmarktpolitischen Zahlen, von denen

Herr Schuster festgestellt hat, dass sich die Weiterentwicklung - man muss sich einmal den Satz überlegen von 1999 bewährt hat und dass man auch einen Bedarf für die Zukunft erkennt an weiteren Änderungen. Ich will Ihnen nur einmal ganz kurz darstellen, wie sich diese bewährte Entwicklung von 1999 vollzogen hat. Wir haben im Bereich der Maßnahmen ABM, SAM sowie berufliche Fort- und Weiterbildung im Vergleich zu 1999 37.300 Maßnahmen weniger. Ich habe das schon mehrfach gesagt, meine Damen und Herren, hätten wir die notwendigen Mittel, die wir 1999 im Haushalt eingestellt hatten, beibehalten, würden wir heute nicht über 215.000 Arbeitslose reden, sondern über 37.300 weniger registrierte Arbeitslose im Freistaat Thüringen. Denn mit dem damals vorhandenen arbeitsmarktpolitischen Instrumentarium wäre es möglich gewesen, diese Leute in Beschäftigung zu bringen.

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund wird natürlich klar - und es dürfte dem Letzten klar werden -, was Landesregierung und CDU für Thüringen gemeint haben, als sie 1999 verkündeten, man müsse in der Arbeitsmarktpolitik umsteuern. Es dürfte auch dem Letzten klar geworden sein mit den heutigen Äußerungen von Herrn Schuster, was man für die nächsten Jahre vorhat, wenn man erklärt, Änderungsbedarf würde auch in Zukunft bestehen.

Meine Damen und Herren, als Resümee des Ganzen: Sicher war die Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung kritikwürdig und nicht auf das orientiert, was man ursprünglich versprochen hatte.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Das nehmen Sie sofort zurück.)

(Heiterkeit im Hause)

Herr Schemmel, wir können das auch gern noch einmal an einer anderen Stelle ausdiskutieren. Aber, meine Damen und Herren, das, was von CDU-Landesseite im Bereich Arbeitsmarktpolitik geleistet wurde, war mindestens genauso, wenn nicht noch katastrophaler für die Arbeitslosen im Freistaat. Die Zahlen sprechen, denke ich, eine eindeutige Sprache.

Meine Damen und Herren, lassen Sie sich mit dieser Arbeitsmarktpolitik beerdigen. Damit gewinnen Sie keinen müden Blumentopf in Thüringen.

(Beifall bei der PDS)

Frau Abgeordnete Vopel, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, bevor ich zu diesem SPD-Antrag komme, muss ich auf Herrn Gers

tenberger antworten; das vergesse ich nämlich sonst. Herr Gerstenberger, wenn Sie die Seite 13 des Berichts zitieren, dann bitte auch die Seite 12. Dann können Sie nicht ABM und SAM in einen Topf werfen.

(Zwischenruf Abg. Gerstenberger, PDS: Das macht doch die Statistik, Frau Vopel. Hören Sie doch mal richtig zu.)

Moment mal bitte, lassen Sie mich ausreden. Dann werden Sie nämlich sehen, dass innerhalb eines Jahres von 2001 bis 2002 bei ABM, die also die Bundesanstalt finanzieren, es einen Rückgang von 5.534 Stellen gegeben hat. Dass sich das natürlich auf unsere Balance auswirkt, das ist doch klar. Fast genauso groß ist der Rückgang bei SAM-OfW, darauf komme ich dann noch einmal zurück. Das sind mehr als 1.800. Ich denke, das muss man dann nämlich auch dazu sagen, das kann man nicht in einen Topf schmeißen. Was die Sachkosten, die Verstärkungskosten bei ABM angeht, da sage ich das Gleiche, was ich im Ausschuss gesagt habe: Es kann doch nicht sein, dass bei jeder neuen Maßnahme, jeder Träger neue Rasenmäher, neue Kettensägen oder so etwas alles kauft. Da muss man schon einmal genauer hinschauen und wir wollen das tun. Wir wollen genauer hinsehen.

(Beifall bei der CDU)

Aber nun zu dem Antrag.

Meine Damen und Herren, als ich diesen Antrag, den Vorabdruck bekommen habe, da habe ich mir die Frage gestellt, wer hat denn den verfasst. Der Punkt 1, den haben wir eigentlich - wenn man es salopp sagen würde - heute früh abgehandelt. Das ist nämlich Nachtragshaushalt bzw. bei der nächsten Sitzung, wenn wir dann in die einzelnen Positionen gehen; ich komme trotzdem dann darauf zurück. Und der Punkt 2 zeugt von so einer Unkenntnis, dass ich es Ihnen nicht ersparen kann, die Definition von SAM-OfW hier noch einmal zu sagen. Das heißt nämlich Strukturanpassungsmaßnahmen-Ost für Wirtschaftsunternehmen. Wirtschaftsunternehmen sind normalerweise erster Arbeitsmarkt, so dass diese Frage eigentlich schlicht und einfach überflüssig ist, die da gestellt worden ist, das ist der erste Arbeitsmarkt.

(Beifall bei der CDU)

Dann muss ich die SPD fragen, was wollen Sie denn? 1998, 1999 haben Sie die so genannten - ich sage es in Anführungszeichen - "Kohl'schen hohen ABM" beklagt. Das sind Wahlgeschenke und das ist alles viel zu viel und ich könnte Ihnen noch den Zeitungsausschnitt Ihres damals relativ jungen Bundeskanzlers zeigen- jung als Kanzler, nicht an Jahren - O-Ton Schröder: "So kann das nicht weitergehen." Sicher, es ist auch so nicht weitergegangen, ABM ist erheblich zurückgefahren worden. Nur, Sie können doch das nicht im Bund fordern, es muss zurückgefahren werden und hier in Thüringen muss es ausgewei

tet werden. Das geht nicht, da müssen Sie schon mal überlegen, was Sie wollen. Und ein Zweites, Herr Müller, Sie waren noch nicht wieder im Landtag, als wir die Enquetekommission hatten. Ich empfehle Ihnen dringend, sehr dringend, ich lege es Ihnen ans Herz, ich gebe Ihnen sogar so einen Bericht, wenn es sein muss, lesen Sie mal all die - ich meine, der ganze Bericht ist lesenswert - Passagen, die sich mit der Arbeitsmarktpolitik befassen, über Sinnhaftigkeit von ABM. Und dieser Bericht ist ja nun mit großer Mehrheit zustande gekommen, also wie gesagt, machen Sie sich die Mühe, lesen Sie mal nach.

Zu Punkt 1: Ja, es wird gekürzt, der Minister hat es gesagt und wir haben das an dieser Stelle auch schon mehr als einmal gesagt, Kahlschlag wird es nicht geben, aber wir werden den Weg des Umsteuerns weitergehen und die Zahlen habe ich Ihnen genannt,

(Beifall bei der CDU)

die Vergleiche von einem Jahr zum anderen, wo speziell die großen Reduzierungen sind, die sind nämlich vor allem bei ABM. Und eines muss ich auch noch mal sagen: ABM kann doch nicht die Zukunft des Freistaats Thüringen sein.

(Beifall bei der CDU)

Sie tun so, als hinge davon die Zukunft unseres Landes ab. Und ein Zweites, auch auf die Äußerung von Herrn Müller heute Morgen, das haben wir ja auch schon oft gesagt, aber ich wiederhole mich gern, auch wenn es schon spät ist, Herr Müller, wir machen nicht Arbeitsmarktpolitik für die Trägerlandschaft, sondern wir machen Arbeitsmarktpolitik, damit Menschen in Arbeit und nach Möglichkeit

(Beifall bei der CDU)

in feste Arbeitsstellen kommen. Wir werden sicherlich weiter in bestimmten Bereichen zurückführen, so wie sich die Wirtschaft stabilisiert, wir haben im verarbeitenden Gewerbe eine Stabilisierung, wir haben eine Stabilisierung in den Gesundheitsberufen und es kann nicht sein, dass in Jena im Pflegebereich keine Leute gefunden werden, aber die Menschen zum Arbeitsamt kommen und sagen, sie möchten gern eine ABM oder SAM. Das ist sicher der falsche Weg. Ich sage, in unserer arg gebeutelten Bauwirtschaft lösen wir die Probleme mit AMB nun überhaupt nicht, wir verstärken sie höchstens noch.

(Beifall bei der CDU)