Protokoll der Sitzung vom 15.03.2002

102.000 Frauen sind im Freistaat im Jahresdurchschnitt arbeitslos. Die Studie "Allein Erziehende - Risiken und Chancen auf dem Arbeitsmarkt", gefördert vom Wissenschaftsministerium, stellt eindeutig klar, und ich zitiere, Frau Präsidentin: "Diejenigen, die in der Tendenz mehr Vereinbarkeitsprobleme bei einer hohen wöchentlichen Arbeitszeit angegeben haben, arbeiten häufiger in höheren beruflichen Positionen und bezeichnen ihre Arbeitswelt als familienunfreundlich. Die wöchentliche Arbeitszeit liegt bei einem großen Teil bei 36 bis 40 Stunden. 29 Prozent der Befragten arbeiten sogar mehr als 40 Stunden. Bei einem überwiegenden Teil besteht der Wunsch nach einer Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit." Weitere Aspekte bringt der 11. Kinder- und Jugendbericht mit seinen klaren Forderungen. Ich zitiere auch hieraus: "Eine familienfreundliche Gestaltung der Arbeitswelt und der Ausbau einer bedarfsgerechten sozialen Infrastruktur sollen Vorrang haben vor einer Erweiterung der individuellen Transferleistungen." Wenn Sie so die Bundesministerin hier beschimpfen, dass sie zu wenig Kindergärten schafft, und Herr Maaßen hat das auch in seiner Presseerklärung getan - Sie wissen genau, im Osten sind wir privilegiert, aber wir wissen auch genau, im Westen hat man das unwahrscheinlich verschludert, dort ist die Situation in Bezug auf Kindertagesstätten so schlimm -, und sie versucht eine Balance, wie können wir dort Kindertagesstätten

(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für So- ziales, Familie und Gesundheit: Sie jammern doch nur über Thüringen.)

schaffen, aber die Leute wollen auch das Kindergeld haben. Das geht nicht so schnell, das wissen Sie selbst, in den wenigen Jahren, in den dreieinhalb Jahren, wo nun diese neue Regierung dran ist; und Bayern, das wissen Sie selbst, ist das Schlusslicht hierbei. Es wurde extra auch noch gesagt, wir brauchen in Deutschland ein bedarfsgerechtes und flächendeckendes Kinderbetreuungssystem. Das ist in Thüringen gut, das haben wir hier nie irgendwie bestritten. Aber von vielen werden auch flexiblere Öffnungszeiten der Kindertagesstätten gewünscht. Weiterhin hebt der 11. Kinder- und Jugendbericht hervor, öffentliche Verantwortung für das Aufwachsen von Kindern heißt, die Erziehungskompetenzen der Eltern und die Bildungsvoraussetzungen

der Kinder und Jugendlichen zu stärken. Ein Schwerpunkt des Berichts liegt daher auf gleichen Zugangschancen aller jungen Menschen und ihrer Familien zu den sozialen, ökonomischen, kulturellen Ressourcen unserer Gesellschaft. Auch die letzten Studien des DGB - Frau Nitzpon hat das auch schon indirekt in ihrer Rede angesprochen - weisen immer wieder darauf hin, dass eine Vereinbarung von Beruf und Familie nur mit einer angemessenen tariflich bezahlten Arbeit, die eine Existenzsicherung ermöglicht, gewährleistet ist.

Meine Damen und Herren, tatsächlich steht Deutschland im internationalen Vergleich bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie weit hinten. Aber wieso können Sie es sich anmaßen zu sagen, das ist eine Bankrotterklärung der Schröder-Regierung? In dreieinhalb Jahren kann man doch nicht aufholen, was in vielen Jahren versäumt worden ist, das wissen Sie doch selbst.

(Beifall bei der SPD)

Die Arbeitsmarktforschung hat eindeutig festgestellt, dass die Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt einerseits politisch gewollt sein muss und andererseits macht auch der zunehmende Arbeitskräftemangel die Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt, und zwar nicht im Niedriglohnsektor, wirtschaftlich einfach erforderlich. Dazu sind familienfreundliche Arbeitsbedingungen, z.B. flexible Arbeitszeiten, oft auch persönlich zugeschnitten, mitentscheidend. Das bedeutet eine kreative und flexible Personalpolitik.

Meine Damen und Herren, die Arbeitsämter hatten vor anderthalb Wochen Bundestags- und Landtagsabgeordnete zu Informationsgesprächen eingeladen. Auch im Erfurter Arbeitsamtsbezirk waren alle Fraktionen vertreten. Das Stellenangebot von Unternehmen wurde uns als katastrophal dargestellt. Ich nehme an, nicht nur mir ging es so, alle, die dort anwesend waren, haben ganz bewusst gespürt, Arbeit zu haben, ist ein Privileg, also dass wir hier auch diese Arbeit haben und unsere Mitarbeiter. Meine Mitarbeiterin, die jetzt 62 Jahre alt ist, sagt: Jeden Morgen stehe ich auf und sage, ich freue mich, dass ich Arbeit habe. Wissen Sie eigentlich, wie schlimm das ist, keine Arbeit zu haben?

Meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, eine Chance, deshalb haben wir uns auch damit so befasst, für mich ist es die einzigste Chance für mehr Beschäftigung, die kann eigentlich nur durch ein Teilen von Arbeit gegeben sein, auch Teilen eines Arbeitsplatzes, Teilzeit, nur so kann sie eigentlich eröffnet werden. Sie wissen selbst, die Möglichkeiten im öffentlichen Dienst - jetzt nicht als Verkäuferin, Friseuse, da kam die Kritik, das ist verheerend - aber unsere Leute im öffentlichen Dienst zum Teil bis 90 Prozent, die haben recht gute Verdienstmöglichkeiten. Ich denke auch, mehr Zeit für die Familie zu haben, ist eigentlich das wichtigste Motiv, die Arbeitszeit zu verkürzen.

Meine Damen und Herren, die Erfahrungen nach einem Jahr Teilzeit und Elternzeitregelungen in der Bundesrepublik sind positiv, aber ich glaube, fast nur in den alten Bundesländern. Immer mehr Unternehmen erkennen, dass ihnen aus familienfreundlichen Strukturen Wettbewerbsvorteile entstehen. 1,5 Prozent der Väter nehmen leider erst derzeit Elternzeit. 20 Prozent der Väter in der gesamten Bundesrepublik wünschen sich stärkere Beteiligung bei der Erziehung, aber hören Sie gut zu - das hat selbst Frau Landtagspräsidentin Lieberknecht am 8. März gesagt -, 71 Prozent der ostdeutschen Männer zeigen Interesse an Elternzeit. Das ist eine positive Tendenz, die sollten wir nutzen. Es gibt viele Varianten von Teilzeitmodellen. Sie müssen sowohl den Arbeitgebern als auch den Arbeitnehmern bekannt gemacht werden und dürfen nicht als eine schlimme Sache oder etwas Negatives dargestellt werden. Der öffentliche Dienst sollte Vorbildfunktion haben. Ich verweise hier auf das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend, wo 14 Prozent der Führungskräfte in Teilzeit arbeiten. Das könnte Signalwirkung auch für die Landesregierungen überhaupt haben. Der öffentliche Dienst muss Vorbildfunktion haben.

Ein weiterer Punkt unseres Antrags an die Landesregierung ist, dass sie moderierend in Gesprächen und allen sich ergebenden Möglichkeiten mit den Arbeitgebern, mit dem DGB auf die Chancen, die sich durch die Modelle zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie ergeben, aufmerksam macht. Ich freue mich, ich habe das selbst gesehen, die CDU pflegt sehr intensive Kontakte, normale Kontakte zum DGB. Ich habe Frau Rühlemann von ver.di erst vor kurzem bei Ihnen gesehen. Das ist auch richtig so. Das finde ich sehr positiv. Denn nur gut motivierte Mitarbeiter sind kreativ und erbringen Höchstleistungen.

Vereinbarkeit von Beruf und Familie gilt aber nicht bloß für die Mütter, sondern genauso für die Väter. Ich fordere diese Landesregierung auf, der Kampagne "Mehr Spielraum für Väter" eine aktive Unterstützung zu geben.

(Beifall bei der PDS; Abg. T. Kretschmer, CDU)

Großunternehmen wie Telekom, Commerzbank, Bundesversicherungsanstalt und auch der Deutsche Caritasverband, die finde ich immer bei allem positiv. Da denke ich immer, ist Caritas nicht irgendwie CDU-orientiert oder katholisch? Aber katholisch sind Sie ja, aber die tragen das alles mit. Nur Sie tragen es hier nicht mit.

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Das ist doch nichts Schlechtes.)

Ziel ist es, von all diesen Verbänden positive Praxisbeispiele und auch Managementinstrumente für die beste familienfreundliche Personalpolitik weiterzuentwickeln und sich darüber auszutauschen. Das müsste unser aller Interesse sein. Die Situation in der Familie ist entscheidend für die Entwicklung eines Kindes. Wir haben uns gestern ge

nügend darüber ausgetauscht. Zeit zu haben für ein Kind, wenn es Mutter oder Vater braucht, ist nicht genug hoch zu schätzen.

Interessant und aufschlussreich ist die Einstellung zu Teilzeitmodellen bei Männern und Frauen in anderen europäischen Ländern. Bei dieser großen Konferenz, gefördert auch von Frau Ministerin Schipanski, Gender-Mainstreaming, an der Fachhochschule, an der Universität hat eine Professorin von der FSU Jena eine große Studie vorgestellt. Sie hat sich mit Teilzeitmodellen in verschiedenen europäischen Ländern befasst. Da ist mir besonders aufgefallen, dass in den Niederlanden 20 Prozent der Männer Teilzeit nehmen. Das wurde mit hervorgehoben, auch bei kleinen Kindern. Das ist der höchste Anteil in Europa. Es wurde auch gesagt, in den Niederlanden ist es nicht verpönt, wenn Väter ihre Kinder betreuen, wenn sie deshalb in Teilzeit arbeiten. Ich frage nun: Haben dort Kinder in der Familie einen höheren Stellenwert als bei uns oder auch in den anderen Ländern? Aber es gibt auch in Thüringen positive Beispiele in Behörden für Vereinbarkeit von Beruf und Familie und sicherlich auch in den Ministerien. Man möchte darüber aber etwas erfahren. Ein Beispiel möchte ich hier vorstellen: die Landesversicherungsanstalt. Frau Arenhövel, ich kenne unser Gleichstellungsgesetz schon genug und gut genug. Nicht umsonst habe ich beantragt, dass wir, als die Hälfte der Zeit herum war, wenn der Bericht kommen soll, über die Erfahrungen Informationen zu bekommen, weil ich mit den unterschiedlichsten Frauenbeauftragten und Gleichstellungsbeauftragten Gespräche geführt habe - Sie werden es auch getan haben und wo die Knackpunkte sind. Deshalb kam ich darauf. Gerade die Landesversicherungsanstalt ist für mich das Vorbild, ich habe das schon einmal genannt. Die Frauenbeauftragte hat einen großen Anteil am Gelingen, wie Teilzeit, Elternzeit, Telearbeit funktionieren kann. Sie sagte mir in einem Gespräch zu unserem Antrag, sie hat ihn auch vollkommen begrüßt, dass es zum Ersten wichtig sei, wie die Führungskräfte zu dieser Thematik stehen, von ihnen hinge es ab, ob z.B. eine Kollegin Telearbeit nutzen kann oder nicht. In der LVA sind die meisten aufgeschlossen. Allen voran der Direktor, Herr Dr. Kohl, Sie kennen ihn. Es gibt in der Landesversicherungsanstalt eine Dienstvereinbarung, die ich auch bekommen habe, zur Errichtung von Telearbeitsplätzen, die vor allem für junge Mütter und ältere Kolleginnen und Kollegen, die ihre Angehörigen zu Hause pflegen, vorgesehen sind. Ich muss hier nicht erwähnen, dass Telearbeit nicht in jedem Fall möglich ist und dass Kolleginnen und Kollegen, die Telearbeit in Anspruch nehmen, besonders selbständig und diszipliniert arbeiten müssen, weil sie ihr Pensum schaffen müssen. Dennoch gibt es in der LVA sehr gute Beispiele. Da sagte die Frauenbeauftragte, da gibt es eine Mitarbeiterin, die wohnt weit in Thüringen, hinterm Thüringer Wald, die arbeitet acht Stunden, also voll. Die kommt einmal in der Woche zu ihrer Arbeitsstelle, um an Dienstberatungen teilzunehmen, ihre Arbeit abzugeben oder neue mitzunehmen. Wichtig ist, sie ist dennoch in das Team integriert.

Auch die Elternzeit wird in der LVA gern in Anspruch genommen. Wenn ich dort nicht gewesen wäre, mich nicht erkundigt hätte, ich hätte das ja nie erfahren. Deshalb wollte ich ja wissen, was gibt es denn schon alles Gutes. Warum begreifen Sie das als einen Angriff auf die Landesregierung? Ich kann das nicht nachvollziehen.

(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für So- ziales, Familie und Gesundheit:... LVA...)

Nein, dort hat man auch eine andere Einstellung dazu, Herr Dr. Pietzsch. Drei Fälle von Elternzeit sind bis jetzt dort genehmigt worden. Ich habe dort auch erfahren, dass es ein Eltern-Kind-Büro gibt. Ich habe auch gehört, so nebenbei, dass es im Finanzministerium inzwischen auch so etwas gibt, wie das ausgestattet ist, dass man dort die Kinder mitbringen kann, wenn man noch eine wichtige Aufgabe zu erledigen hat, dass das dem Unternehmen hilft und auch der Familie. Sie werden vielleicht jetzt sagen, über so einen Kikikram redet die hier. Frau Dietzel ist jetzt nicht da, die Staatssekretärin. Sie hat ein kleines Kind, Frau Wolf hat ein Kleinkind - und wer Kleinkinder hat es ist schon ein bisschen größer - weiß, dass es diese kleinen Sachen sind, die es einem im Leben schwer machen können. Gerade, wie vereinbare ich das, jetzt ist das Kind krank. Was mache ich da? Wie kann ich das regeln? Davon ist abhängig, wir kennen uns da genug, man sieht es dann jemanden an, ob er froh ist. Mutter und Kind gehören einfach auch da zusammen - eine Ausgeglichenheit. Wir sagen immer, wenn es der Mutter gut geht, geht es auch der Familie gut. Deshalb finde ich das sehr gut.

Fazit: Telearbeit und Elternzeit sind in Behörden und Dienstleistungsbetrieben möglich. Man muss es wollen. Die Führungskräfte müssen lediglich die Einstellung dazu haben. Wie unkompliziert es sein kann, meine Damen und Herren, Rechtsverordnungen und Gesetze familienfreundlich zu gestalten, beweist die Novellierung des Thüringer Richtergesetzes - das Dienstrechtsreformgesetz. Sie wissen, dass Sie hier eigentlich unbewusst Gender-Mainstreaming zur Geltung gebracht haben. Bei der Beratung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Thüringer Richtergesetzes hob Herr Abgeordneter Wolf stolz hervor, Frau Präsidentin, ich zitiere: "Grund für die Novellierung des Richtergesetzes" - vielleicht haben Sie die Passage gar nicht gelesen, nicht gehört oder wollten sie gar nicht hören - "ist aber auch das Dienstrechtsreformgesetz. Ich erinnere nur" das hat alles Herr Wolf gesagt - "an die Änderungen, die jetzt eingetreten sind, was die Möglichkeiten der Teilzeitbeschäftigung und der Altersteilzeit betrifft. Dies ist auch alles in dem Ihnen vorgelegten" - da sind wir gemeint gewesen - "Gesetzentwurf entsprechend geregelt und schafft für die Richter und Richterinnen, Staatsanwälte und Staatsanwältinnen die Möglichkeit einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ich habe bewusst... auch die Richter mit hineingenommen," - sagt Herr Wolf "denn auch für die Richter ergibt sich die Möglichkeit, sich durch die Annahme von Teilzeit auch um die Familie zu Hause etwas besser zu kümmern, das ist nicht nur die

Aufgabe der Richterinnen. Auch eine Erweiterung der Beteiligungsrechte von Richtern und Staatsanwälten ist vorgesehen." Ich muss Ihnen sagen, eine junge Richterin, die ich persönlich kenne, die jetzt 27 Jahre alt ist, die aber im Grunde erst einmal ihre Probezeit durchlaufen muss, hat sich sehr darüber gefreut. Sie sagt: Da ist es mir ja möglich, das kann ich nutzen, dass ich vielleicht im nächsten Jahr... Die fand das sehr gut. Gender-Mainstreaming fordert eine Überarbeitung aller Gesetze und Verordnungen, das wissen Sie auch. Sie haben sich dazu auch bekannt, nach geschlechtsbezogenen Interessen. Warum soll dieses nicht in gleicher Weise für den Aspekt "Vereinbarung von Familie und Beruf" auch hier geschehen? Ein Audit "Beruf und Familie", das heißt als familienfreundliche Behörde eingestuft zu werden, muss für alle Behörden selbstverständlich werden. Bisher konnte nur dem Sozialministerium dieser Titel zugesprochen werden. Wir haben das auch sehr begrüßt, aber das kann nicht sein. Die anderen machen das nicht.

Wenn ich zum zweiten Teil - b) - unseres Antrags noch einige Worte sage, muss ich wieder betonen, die Landesregierung mit ihren Behörden muss Vorbild für Familienfreundlichkeit sein. Sie muss eine Vorreiterrolle übernehmen. Positive Modellprojekte müssen in der Praxis Eingang finden. Es muss selbstverständlich und zur Normalität werden, dass familienfreundliche Arbeitsverhältnisse in den Behörden existieren. In diesem Zusammenhang möchte ich auf ein negatives Beispiel verweisen - ich habe das auch oben liegen: Einem Ministerialbeamten, einem Mann, wurde die Ausgleichszulage gestrichen, nachdem er ein Jahr im Erziehungsurlaub war. Begründung in gekürzter Form, aber das stand wörtlich drin: Das wäre seine private Entscheidung. Also, ich war erst mal fassungslos, als ich das gelesen habe. Familie ist doch nicht nur Privatsache, darauf fußt doch unsere Gesellschaft. Wie kann man so etwas überhaupt in eine, auch noch schriftliche Mitteilung hineinschreiben.

Meine Damen und Herren, nicht ohne Grund wurde am 2. Juli 2001 eine Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft getroffen, um ein Gleichstellungsgesetz in der Privatwirtschaft zu vermeiden. Sie haben das auch alle so gefordert und die Bundesregierung hat dafür viel Prügel bezogen. Ich auch, weil ich es auch immer unterstützt habe.

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Zu Recht, Frau Bechthum.)

Ja. Darin heißt es, in dieser Vereinbarung: "Die Bundesrepublik verfügt über ein großes Potenzial gut ausgebildeter weiblicher Arbeitskräfte" - das bestätigen ja immer alle, ich brauche das gar nicht alles mit zu nennen -, "der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften steigt und das ist eigentlich dieses gewachsene Selbstverständnis von Frauen berufstätig zu sein." Das braucht man uns im Osten nicht zu

sagen. Das hatten wir immer, ein Selbstverständnis. Das ist eigentlich für die Frauen im Westen wichtig. Wenn hier gesagt wird, mit einer Quote 56,9 Prozent, dann sind das meistens die Frauen in den alten Bundesländern. Bei uns ist sie jetzt noch höher, Gott sei Dank auch, die Quote, wie sie jetzt liegt, und bei Männern praktisch bei 72,4 Prozent. Der Anteil der Frauen in Führungspositionen ist in den vergangenen Jahren zwar kontinuierlich gestiegen, aber er ist immer noch sehr, sehr niedrig und liegt unter dem Durchschnitt der EU-Staaten.

Meine Damen und Herren, ich habe mir dann die Antworten der Landesregierung auf meine Mündliche Anfrage vom 23. November 2001 zu dieser Vereinbarung noch mal angesehen. Ich fragte damals, wie die auf Bundesebene von Vertretern der Bundesregierung und der Privatwirtschaft unterzeichnete "Vereinbarung zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern" in Thüringen umgesetzt wird. Ich muss Ihnen sagen, die Antworten können nicht zufrieden stellen. Herr Minister Schuster ist nicht hier. Es kann nicht sein, dass die Geschäftsführerin im Arbeitskreis "Chancengleich" des Bildungswerks Thüringer Wirtschaft, Frau Morat, allein für diese Problematik verantwortlich gemacht wird. Da muss der Minister selbst aktiv werden. Sie kennen doch diese Erfahrungen. Von oberster Stelle muss man sich hier einmischen, um diese Vereinbarung mit Leben zu erfüllen. In der Vereinbarung sagen die Spitzenverbände der Wirtschaft zu ihren Mitgliedern, betriebliche Maßnahmen zur Verbesserung der Chancengleichheit von Frauen und Männern sowie der Familienfreundlichkeit zu empfehlen. Die beste Möglichkeit bieten dazu die Erfahrungen des jungen Technologieunternehmens Marzet GmbH Jena mit 72 Beschäftigten. Dieses Unternehmen hat im Jahr 2000 den ersten Preis beim Bundeswettbewerb um das familienfreundlichste Unternehmen vom Bundespräsidenten Johannes Rau und der Familienministerin Christine Bergmann überreicht bekommen. Herr Minister Schuster war anwesend. Wir haben ja noch nicht mal etwas davon erfahren; wir waren auch nicht mal eingeladen dazu. Das war auch schon irgendwie eine sehr seltsame Sache. Der Minister war dabei. Eigentlich hatte ich erwartet, wann werden denn nun diese Erfahrungen auch mal übertragen; darum geht es doch. Die haben tolle Erfahrungen. Wir werden die am Dienstag bei einer Konferenz hier auch hören. Der Geschäftsführer dieses Unternehmens wird berichten, wie das in diesem Unternehmen läuft. Deshalb haben wir auch gesagt, es müsste ein Thüringer Preis "Familienfreundlicher Betrieb" nach dem Vorbild des Bundeswettbewerbs "Familienfreundlicher Betrieb - neue Chancen für Frauen und Männer Thüringens" geschaffen werden. Sie wissen, es gab zwei Mal von der damaligen Frauenbeauftragten - ein Landespreis wurde vergeben innerhalb unserer Messe "Frauen in Wirtschaft - gemeinsam erfolgreich". Man hat ja kaum diese Preise, diese Betriebe wahrgenommen. Er war im Grunde so unbedeutend. Gerade die letzte Messe wurde ja überhaupt nicht wahrgenommen. Die Erwartungen an die neue Gleichstellungsbeauftragte sind sehr hoch, dass das hier eine ordentliche Messe wird. Aber wissen Sie,

der Herr Ministerpräsident hat sich so stolz darauf bezogen und was wir festgestellt haben im Gleichstellungsausschuss Mitte Juni, das hat uns noch Frau Dr. Bauer eingebrockt. Aber es hat keiner reagiert. Genau an den beiden Tagen, wenn wir hier Plenum haben, dann ist da oben die Frauenmesse. Wunderbar, haben wir uns gesagt, so geschieht Organisation. Da können Sie sich selbst an die Nase fassen. Wir würden uns das so wünschen, dass auch Arbeitgeberverbände, der Gewerkschaftsbund mit einbezogen sind. Dann hat so ein Preis einen viel höheren Stellenwert. Sie werden sich weigern, ich weiß das. Das ist Ihnen alles zu viel, das klingt so sozialistisch oder irgendwie.

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Das kennen Sie ja noch aus alter Erfahrung.)

Ich mache mir da keine Hoffnungen mehr und man zieht schon einige Schlussfolgerungen.

Nein, ich denke, Sie verlieren immer mehr, das muss ich Ihnen echt sagen.

Noch zum Schluss einige interessante Anmerkungen. Bayern sorgt ja immer wieder für Überraschungen, aber manchmal sogar für positive. Zum Beispiel initiierte das Bayerische Staatsministerium für Arbeit, Sozialordnung, Familie und Frauen am 01.07.97 eine geschäftsbereichsweite Teilzeitoffensive. Es wird darüber sehr viel geschrieben. Vielleicht haben Sie sie auch gelesen. Ich weiß es nicht. Aber ich interessiere mich für dafür, was andere Länder machen, und da kann man ja auch mal daraus lernen, hier auch. Und diese Teilzeitoffensive, noch als Modellversuch 97, wurde ab September 98 zu einem Dauerangebot ausgebaut. Hier ist man auch dabei, flexible Arbeitszeiten, auch Telearbeit, anzubieten. Nun vermute ich bald, weil Bayern ja Schlusslicht ist mit der Kindertagesstättenbetreuung, dass die nun das auf diese Art versuchen. Da werde ich auch mal nachfragen. Das kann natürlich sein.

Meine Damen und Herren, ein Satz zum Schluss. Alle in unserem Antrag gestellten Forderungen werden seit der zweiten Legislaturperiode von meiner Fraktion und auch im Gleichstellungsausschuss gestellt. Wir hatten uns damals parteiübergreifend gemeinsam Hauptziele gestellt, hier hatten wir im Grunde die Vereinbarung von Familie und Beruf für Frauen und Männer, die Förderung der Chancengleichheit für Frauen - wir haben extra gesagt, der Chancengleichheit für Frauen; die Männer haben die Chancen, die suchen sich auch immer durch ihre Netzwerke - und die Verbesserung der Situation von Kindern und Frauen und Familien gestellt. Vergessen Sie das bitte nicht, wenn Sie über unseren Antrag hier abstimmen werden. Ich kann Sie nur bitten unseren Antrag anzunehmen. Und vielleicht können Sie sich sogar im August profilieren, was Sie uns alles Positives sagen können. Das ist für Sie dann das beste Wahlkampfthema. Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Ich wollte noch etwas dazu sagen, Frau Arenhövel, was Sie hier von sich gegeben haben zur Kindergelderhöhung. Wissen Sie das nicht mehr? Das hat sogar gestern hier auch Herr Müller gesagt. Die Erhöhung zum dritten, vierten Kind wurde im Bundesrat abgelehnt - es waren auch SPD-Länder dabei - weil es nicht finanzierbar ist.

(Zwischenruf Abg. Arenhövel, CDU: Sie sollten dazu sagen, wenn... Das muss ja wohl nicht sein.)

Warum sagen Sie jetzt so etwas? Sie machen sich Sorgen um die Kinder ab 14 Jahren; ist ja schön und gut. Ich bin im Dorf aufgewachsen und wer von Ihnen auch, der weiß das. Mit 14 Jahren...

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU)

Herr Bergemann, also, nehmen Sie mal Ihre - da kommen Sie irgendwie vom Bauernhof, muss ich da bald sagen. Da war es üblich, ab dem 14. Lebensjahr - da gab es noch die Konfirmation - zum ersten Mal zur Kirmes zu gehen. Da hat kein Mensch danach gefragt. Und unsere Kinder sind auch mit 14 Jahren zum ersten Mal in die Discos gegangen. Das ist doch so gewesen. Haben Sie das alles vergessen? Sie haben doch auch Kinder. Wenn Sie hier so sagen: Diese böse Ministerin, was die jetzt alles hier nun tun will. Also bleiben Sie mal auf dem Teppich.

(Unruhe bei der CDU)

Ich möchte Ihnen noch sagen, unsere Fraktion plant eine Anhörung zum Gleichstellungsgesetz, zum Stand, und wir werden hier Frauenbeauftragte, Gleichstellungsbeauftragte einladen, damit wir das, was wir hier heute schon gesagt haben, auch noch bestätigt bekommen und dann vielleicht noch reagieren können oder agieren. Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister Pietzsch, bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zu den Reden vorher muss ich da und dort schon noch etwas sagen und zu dem Antrag überhaupt. Frau Abgeordnete Bechthum, der Antrag und das, was Sie hier geredet haben, sind zweierlei Dinge. Sie haben gesagt, Sie wären gar nicht darauf gekommen, was bei der LVA alles Schönes gemacht wird, und deswegen möchten Sie das doch einfach mal gern wissen und Sie möchten mal von der Landesregierung das zusammengefasst haben. Meine Damen und Herren, der Antrag besagt etwas anderes. Der Antrag ist ein Auftrag, die Landesregierung möchte dies und das und noch etwas anderes machen.

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Genau.)

Im zweiten Teil des Antrags heißt es dann: Und dann soll die Landesregierung zum 31. darüber berichten, damit dann am 31.08. die SPD-Fraktion sagen kann: Wir haben die Landesregierung zum Jagen getragen und jetzt ist endlich was gemacht worden.

(Zwischenruf Abg. Bechthum, SPD: Das ha- ben wir auch. Was unterstellen Sie?)

Ich sage mal am Rande, am 22. September - wissen wir ja alle - ist Bundestagswahl und ein Schelm, der Böses dabei denkt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)