Protokoll der Sitzung vom 15.03.2002

(Beifall bei der CDU)

Die Bevölkerungsentwicklung in einem Land ist nicht nur von den Arbeitsplatz- und Einkommenschancen, von Abund Zuwanderung abhängig, mindestens genauso große Sorgen müssen wir uns um die Entwicklung der Geburtenzahlen machen. Die Zahl der Geburten steigt zwar in Thüringer erfreulicherweise wieder und hat inzwischen

fast den Durchschnitt der alten Länder erreicht, aber für Thüringen wie für ganz Deutschland gilt, Jahr für Jahr sterben deutlich mehr Menschen als Kinder geboren werden. Nun hat der Staat keinen Einfluss darauf, wie viele Kinder geboren werden, aber er kann und er muss auch hier gute Rahmenbedingungen schaffen.

(Beifall bei der CDU)

Thüringen hat für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine Menge getan. Sie wissen das, im Gegensatz zu Westdeutschland stellen wir für alle Kinder ab zweieinhalb Jahre Plätze in Kindertagesstätten bereit, bieten Krippenund Tagesbetreuung an und haben Horte an unseren Grundschulen. Bei der Kinderbetreuung steht Thüringen ganz ohne Frage bundesweit an der Spitze.

(Beifall bei der CDU)

Aber das reicht nicht, wir müssen in der Familienpolitik vorankommen. Das ist keine Aufgabe, die Thüringen allein bewältigen könnte, das ist, wie jedermann weiß, eine bundespolitische Aufgabe. Was wir als Land tun können, das tun wir weiß Gott, denn Thüringen ist eines von fünf deutschen Ländern, das ein Landeserziehungsgeld zahlt.

(Beifall bei der CDU)

Und trotz aller Haushaltsprobleme halten wir daran fest.

(Beifall bei der CDU)

Ich hoffe nicht, dass die, die ständig sagen, wir setzen falsche Prioritäten, diese Priorität aufs Spiel setzen wollen, meine Damen und Herren. Wir halten die Priorität für richtig.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich gehört für uns auf Bundesebene dazu, dass wir den Vorschlag, schrittweise ein Familiengeld einzuführen, das das Erziehungsgeld und Kindergeld ersetzt, unterstützen.

Meine Damen und Herren, wenn ich von Kindern spreche, spreche ich von der nachfolgenden Generation und für diese nachfolgende Generation tragen wir Verantwortung. Wir dürfen ihr nicht ihre Gestaltungsspielräume nehmen, auch nicht ihre finanziellen Gestaltungsspielräume. Deshalb dürfen wir unseren Kindern und Enkeln nicht über Gebühr Schulden hinterlassen.

(Beifall bei der CDU)

Von unserer Verpflichtung, die Neuverschuldung zurückzuführen, wird die Landesregierung bis zum Ende dieser Legislaturperiode nicht abgehen,

(Beifall bei der CDU)

auch nicht, wie es ja gestern besprochen worden ist, mit dem Nachtragshaushalt. Für die Steuerausfälle bei Land und Kommunen sind nicht wir, sondern ist die falsche Wirtschaftspolitik des Bundes verantwortlich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Und zu den Mehrausgaben hat man uns, oft gegen unsere Stimme, gesetzlich verpflichtet. Deswegen müssen Mindereinnahmen und Mehrausgaben durch Einsparungen ausgeglichen werden, so schmerzlich das für uns alle ist. Ich beklage mich nicht, meine Damen und Herren, aber ich bedaure es schon, wie gering in der Öffentlichkeit die Bereitschaft ist, unsere Bemühungen zu unterstützen. Wer zwingend notwendige Einsparungen kritisiert, ohne Alternativen vorzuschlagen, wer von notwendigen Umschichtungen spricht, aber darunter nur versteht, dass er für sein Klientel von Kürzungen verschont bleiben möchte, gefährdet doch unser Gesamtziel und handelt deswegen verantwortungslos.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich sage es noch einmal, wer von falschen Prioritäten spricht, soll uns bitte sagen, welche Priorität denn falsch ist, dann können wir sie auch anders setzen, aber nur zu sagen: "das ist euer Zeug, wir fordern einfach", das, meine Damen und Herren, passt nicht in die Haushalts- und Finanzsituation der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder.

(Beifall bei der CDU)

Wir reduzieren unsere Ausgaben, aber die Investitionsquote bleibt im Ländervergleich sehr hoch. "Sparen und Gestalten" war unser Grundsatz für den Doppelhaushalt, der gegenwärtig läuft, und für den Doppelhaushalt 2003 und 2004, eines unserer wichtigsten Gesetzgebungsvorhaben für die zweite Hälfte der Legislatur, gilt Sparen und Gestalten natürlich genauso. Es ist nicht Kaputtsparen angesagt, aber eine fortdauernde Überprüfung aller Maßnahmen und Leistungen im Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland stimmen, dann hat die Landesregierung die Chance, für 2005/2006 einen ausgeglichenen Landeshaushalt vorzulegen. Wir wissen dabei, meine Damen und Herren, der blaue Brief aus Brüssel richtet sich natürlich nicht nur an den Bund, sondern genauso an die Länder und Kommunen, denn auf sie entfallen mehr als die Hälfte aller öffentlichen Ausgaben. Ohne Länder und Kommunen ist die Haushaltsstabilität nicht zu erreichen. Deswegen sind wir natürlich bereit, mit dem Bund einen Stabilitätspakt zu schließen, aber wir können ihn nur schließen, wenn der Bund seine kostenintensive Finanz- und Steuerpolitik aufgibt und nicht weiterhin Gesetze erlässt, mit denen Länder und Kommunen überproportional zur Kasse gebeten werden.

(Beifall bei der CDU)

Ich nenne nur ein Beispiel: Allein die Erhöhung der Gewerbesteuerumlage um 10 Prozentpunkte kostet die Kommunen 1,5 Mrd.  !  "# $  zierungsverteilung zwischen Bund und Ländern muss grundsätzlich geändert werden und ich sage das vor allem auch in Bezug auf die Kommunen. Wir wissen aus vielen Gesprächen mit Verantwortlichen der kommunalen Spitzenverbände, wie groß die Sorgen der Kommunen sind. Wir wissen aber auch, dass Thüringen mehr für die Kommunen tut als andere Länder in Deutschland.

(Beifall bei der CDU)

Wer etwas anderes behauptet, meine Damen und Herren, unterschlägt, dass wir den Kommunen weiterhin die Hälfte der auf sie zukommenden Lasten abnehmen. Mancher Verbandsvertreter sollte sich Bemerkungen durch Fakten absichern lassen, dann wirken sie glaubhafter, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

In unserer Zusage, unserem Wahlprogramm, haben wir versprochen, die politischen Gestaltungsmöglichkeiten der Bürger zu stärken. Das Bürgerbegehren vom letzten Jahr hat zusätzlich deutlich gemacht, das Thema steht auf der Tagesordnung und es wird uns in den nächsten Monaten intensiv beschäftigen.

(Zwischenruf Abg. Huster, PDS: Um mehr Demokratie geht es.)

Mehr Demokratie geht nicht. Wir haben, Gott sei Dank, ein demokratisches Gemeinwesen und entweder ist es demokratisch oder nicht. Demokratie ist nicht steigerbar, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Darum geht es ja auch gar nicht, sondern es geht um die Formen der Demokratie. Es geht um mehr Engagement, um mehr Partizipation, es geht um mehr Beteiligung und es geht um mehr bürgerschaftliche Mitverantwortung und sie muss im Einklang mit unserem repräsentativen parlamentarischen Regierungssystem stehen, im Einklang mit der Grundordnung unserer Landesverfassung. Darauf hat uns das Verfassungsgericht nahezu einstimmig deutlich mit Recht hingewiesen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat konkrete Vorschläge zur Stärkung der Bürgerbeteiligung unterbreitet. Ich unterstreiche ausdrücklich noch einmal, wir sind diskussions- und kompromissbereit. Eines wollen wir allerdings nicht, wir wollen keine andere Demokratie. Beim Vorrang der demokratischen, durch alle

Wähler legitimierten parlamentarischen Vertretung muss es selbstverständlich bleiben.

(Beifall bei der CDU)

Zum bürgerschaftlichen Engagement gehört das Ehrenamt. Für uns ein Fundament für den sozialen und solidarischen Zukunftsstandort Thüringen. Wir sind stolz darauf und dankbar dafür, dass sich bei uns mehr Menschen als anderswo ehrenamtlich engagieren. Deswegen fördern wir das Ehrenamt finanziell stärker als alle anderen Länder. Unsere neue Ehrenamtsstiftung ist bundesweit einmalig, sie soll bis Mitte dieses Jahres arbeitsfähig sein. Für ihre laufenden Ausgaben erhält die Stiftung Mittel aus dem Landeshaushalt und mittelfristig sollen ihr die Erträge einer Spielbank zufließen.

Meine Damen und Herren, in der Regierungserklärung zu Beginn dieser Legislaturperiode habe ich gesagt, wir wollen dienen und nicht herrschen. Wir wollen dienen und nicht herrschen, wir wollen aber auch entscheiden, meine Damen und Herren, das gehört nämlich auch zum Dienen,

(Beifall bei der CDU)

was manche gelegentlich vergessen. Eine bürgernahe und leistungsfähige, eine moderne Verwaltung muss sich an diesem Leitbild orientieren. Abbau von Bürokratie, konsequente Deregulierung, verständliches und transparentes Recht, eine leistungsfähige und effiziente Verwaltung auch das gehört zum Zukunftsstandort Thüringen, meine Damen und Herren, und das darf nicht vergessen werden.

(Beifall bei der CDU)

Auf dem Weg dazu haben wir ein gutes Stück zurückgelegt, wir haben zahlreiche Behörden neu gegliedert, wir haben Behörden aufgelöst, wir haben privatisiert oder kommunalisiert und wir haben Kompetenzen gebündelt und Verwaltungsabläufe entbürokratisiert und wir werden in der zweiten Halbzeit damit fortfahren. Unser Ziel ist, die Verwaltung möglichst nah an den Bürger heranzubringen, das bedeutet auch eine weitere Stärkung der Kommunen. Die Verwaltungsreform wird fortgeführt, die Funktionalreform beschleunigt. Zu einer bürger- und kundenfreundlichen Verwaltung gehört, die Möglichkeiten zu nutzen, die moderne Kommunikationstechniken bieten. Die Landesregierung arbeitet an einem umfassenden EGovernment-Konzept. Wir wollen erreichen, dass Bürger und Unternehmer am eigenen Computer mit Behörden in Kontakt treten und Verwaltungsangelegenheiten regeln können. Das Internet bietet die Voraussetzung dazu.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Das stimmt.)

In Zukunft wird es möglich sein, sich nicht nur Formulare online auf den Computer zu holen, sondern die Bürger sollen auch Anträge online stellen können. Wir werden,

meine Damen und Herren, E-Government in die Praxis umsetzen, weil wir einen noch besseren Service bieten wollen und weil wir die Verwaltung nicht ausklammern dürfen, wenn wir von Thüringen als einem der deutschen Hightech-Zentren sprechen.

Zu unserer Verantwortung für die kommenden Generationen gehört die Schonung und die Bewahrung unserer natürlichen Ressourcen. Daher setzen wir uns für eine flächendeckende Stärkung des ländlichen Raums ein. Unser Ziel sind gemeindeübergreifende Dorferneuerungslösungen mit spürbaren Entwicklungs- und Beschäftigungseffekten. Die Flurbereinigung setzen wir fort. Wir halten an einer flächendeckenden Landbewirtschaftung fest. Dabei haben alle Formen der Landbewirtschaftung ihre Bedeutung. Weil die Nachfrage nach Produkten aus ökologischem Anbau steigt, wollen wir die ökologisch bewirtschafteten Flächen bis 2010 auf 10 Prozent der Gesamtfläche ausweiten.

Wir wollen den Anteil der Waldfläche weiter steigern und darum die Erstaufforstungsquote erhöhen. Vor Ende der Legislaturperiode wollen wir den Entwurf eines Landeswaldprogramms vorlegen, das auf die Landschaftsrahmenplanung abgestimmt ist.

Bei der Förderung alternativer Energien setzen wir unsere Anstrengungen fort und legen besonderen Wert auf die Produktion und Verwendung von Holz als Brennstoff.

(Beifall bei der CDU)