Protokoll der Sitzung vom 25.04.2002

Herr Kollege Lippmann, ich verstehe das ja, diese ständige Kritik von uns, das tut weh. Vielleicht im Kämmerchen ganz hinten sagen Sie, wenn man das nur abstellen könnte.

(Zwischenruf Abg. Lippmann, SPD: Sach- lichkeit wäre richtig!)

Diese Politik, die aus Berlin hierher kommt und die Thüringer Wirtschaft behindert, schreit wirklich zum Himmel.

(Beifall bei der CDU)

Aber Sie spielen mit, ich werde es Ihnen nachher auch noch vortragen. Ich bin Herrn Minister Schuster dankbar für diesen strengen Fokus, den er auf Thüringen gerichtet hat, wenngleich ich, ich werde zu diesem Punkt noch kommen, über diese aktuelle Entwicklung möglicherweise einen etwas differenzierten Blick habe. Aber die Ursache, Herr Kollege Lippmann, ist nun einmal in der Wirt

schaftspolitik zu suchen, weil die Zahl der Unternehmenszusammenbrüche in Deutschland von Rekord zu Rekord eilt. Das sind, wie Sie sagen, die Zahlen von Kreditreformen oder auch vom Bundesverband der deutschen Inkassounternehmen. Das sind diejenigen, die damit konfrontiert sind und die diese Zahlen auch haben. Immer, wenn man glaubt, die Zahl der Insolvenzen ließe sich nicht mehr steigern, werden neue Pleitenrekorde gemeldet und, meine Damen und Herren, das ist der aktuelle Anlass auch für meine Fraktion, um diesen Bericht nachzusuchen. Für das Jahr 2002 wird die größte Pleitewelle der Nachkriegsgeschichte vorhergesagt.

Meine Damen und Herren, Insolvenzen - und ich erweitere es - Insolvenzen und Gewerbeabmeldungen oder den Saldo zwischen Gewerbeanmeldungen und -abmeldungen sind das markante Zeichen für rezessive Wirtschaftsperioden. Deshalb überrascht es nicht, Herr Kollege Lippmann, und jetzt kommt wieder eine Zusätzlichkeit zu Ihrem Bild, Sie müssen ja lange zurückgreifen, um Zahlen der Kohl-Regierung zu strapazieren, Deutschland ist Schlusslicht in Europa. Auch in der Zahl der Zunahme der Insolvenzen sind wir einsamer Spitzenreiter, also umgekehrt.

(Zwischenruf Abg. Lippmann, SPD: Das stimmt auch nicht, Herr Kretschmer!)

Doch, Herr Lippmann, und jetzt zu den Zahlen. Die Zunahme der Europäischen Gemeinschaft 5,9 Prozent, während für Deutschland 18,7 Prozent dastehen. Vor uns - Sie haben Recht, nicht Spitzenreiter - in der Spitzenposition sind Holland, Dänemark und Irland. Da sind viele besser als wir und man soll einmal zuhören, in fünf Ländern ist sogar die Zahl der Insolvenzen rückläufig: Spanien, Finnland, Frankreich, Schweiz, Österreich. Meine Damen und Herren, das ist doch der Kontext, in dem wir stehen mit Deutschland und der Wirtschaftsentwicklung. Ich bleibe dabei, Deutschland top off the Flops.

Da sind einmal, was Sie anführten, die großen öffentlichen Namen: Holzmann, Dornier, Herlitz, dort wo auch großgeredete Retter auftreten, aber was viel schlimmer ist, und damit richte ich den Blick vorrangig auch nach Thüringen, das sind die vielen kleinen Betriebe, wo niemand zum Retten kommt,

(Beifall bei der CDU)

wo aber genauso dieses Schicksal auch zuschlägt, wie Herr Kollege Ramelow hier dargestellt hat. Der Bundesverband der Inkassounternehmen, hier zitiere ich wörtlich, sagt: "Der Pleitegeier kreist vor allem über dem Mittelstand, dem Motor und dem Herz der Wirtschaft." Meine Damen und Herren, warum ich so nachdringlich und möglicherweise auch ein bisschen in Differenz zu Herrn Minister Schuster bin, ist, dass die Zahlen für das I. Quartal 2002, Kollege Lippmann, belegen, 15 Prozent Zuwachs der Insolvenzen. In Thüringen, Herr Ramelow hat das mit Holzmann versucht, uns ein bisschen näher zu bringen, aber

ich sage einmal dazu die Namen Mühl und Fiege, und dann gehen Sie in Ihre Stimmkreise und da können Sie die Namen Ihrer Betriebe doch fortsetzen, die im Augenblick in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind.

Man muss sich das einmal vorstellen, denn diese 40.000 Insolvenzen, die ich hier benenne, die im Jahr erwartet werden, bedeuten, dass alle 14 Minuten ein mittelständisches Unternehmen die Insolvenz anmelden muss. Die Folgen sind ja hier nicht benannt worden. Wir rechnen mit Folgen von 550.000 bis 600.000 Arbeitsplätzen, die verloren gehen. Herr Minister Schuster hat die Zahlen für Thüringen genannt, für Deutschland muss man sagen 40 Mrd. ?   !  ( im Schnitt jede Minute geht mehr als ein Arbeitsplatz verloren und wir diskutieren gerade um die Schaffung von Arbeitsplätzen und z.B. auch über die Frage des zweiten Arbeitsmarkts. Sie können mir glauben, sicher ist im normalen Geschäft auch das Kommen und Gehen von Firmen ein Zustand, der nicht zu beklagen ist, aber in dieser Größenordnung, das muss man einmal deutlich sagen, sind die Unternehmenszusammenbrüche keine reinen Betriebsunfälle, denn sie zerstören gewachsene Kunden- und Lieferantenbeziehungen. Dass mit den Arbeitsplätzen habe ich gesagt, und was wir insbesondere beobachten, wird in der Fachpresse als Dominoeffekt bezeichnet. Sie ziehen ja in der Regel meistens weitere Unternehmen mit in den Konkurs bzw. in den Abgrund. Herr Ramelow hat in seiner betonten Art wiederum steinbruchartig auf die Enquetekommission zurückgewiesen. Ja, wir haben gesagt, die Enquetekommission hat festgestellt, Thüringen schwimmt ein ganzes Stückchen erfolgreich gegen den Strom der Bundespolitik.

(Beifall bei der CDU)

Das sind die Zahlen, die Herr Minister Schuster auch zum Insolvenzgeschehen von Thüringen sagt und deutlich auch belegt, dass hier auch in dem Insolvenzmanagement durch die Landesregierung viel im Vorfeld in Prophylaxe erledigt wird, um es gar nicht erst zum Crash zu bringen. Aber die Kraft, Herr Lippmann, gegen den Strom zu schwimmen, ist erschöpft. Das kommt verzögert, wir haben das in der wirtschaftlichen Entwicklung schon im vorigen Jahr beklagt und jetzt kommt etwas verspätet die Frage der Insolvenzen. Ich gehe auf meine Zahl zurück, die können Sie natürlich auch im statistischen Material nachlesen, das Jahr 2001 war das erste Jahr in Thüringen, dass der Saldo zwischen Gewerbeanmeldung und -abmeldung negativ war. Das sind doch erschreckende Zeichen für den Druck, den diese wirtschaftlichen schlechten Rahmenbedingungen auch in Thüringen ausüben.

Ich will Ihren Optimismus, was den Blick auf die Bundestagswahl und die wirtschaftliche Entwicklung betrifft, nicht zu sehr brechen, aber das Frühjahrsgutachten der Wirtschaftsweisen, die von dem zarten Aufschwung reden, sagen doch sehr deutlich, die Ursachen des Aufschwungs, wie Sie es vorhin sagten, die Stimmung hellt sich auf, ist

doch, weil das außenwirtschaftliche Umfeld sich verbessert hat. Das heißt, die Exporterwartungen werden deutlich günstiger und im Gutachten steht wörtlich drin, Sie können es nachlesen, Herr Lippmann, die Konjunkturwende wird eingeleitet durch die Wirtschaftspolitik der USA. Gerhard Schröder kann sich doch nicht für die erfolgreiche Wirtschaftspolitik der USA wieder wählen lassen wollen. Das kann es doch wohl nicht sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Der Ifoindex für April ist gerade neu gemeldet worden, er ist wiederum gesunken; auch das ein Indikator für die konjunkturelle Lage. Wir haben ja morgen durch Ihre Fraktion, Herr Kollege Lippmann, ein Thema besetzt, was ich hier nur noch einmal reinbringen will, die Hoffnung im Osten, also Ost- und Mitteldeutschland und Thüringen, wird sich ein wenig relativieren. Weil das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts, welches ja schneller passieren soll als in Westdeutschland, ja nicht durch einen höheren Produktionszuwachs passieren wird, sondern, meine Damen und Herren, durch die Abnahme der Bevölkerung, also insbesondere durch die Migration und durch den Geburtenrückgang. Das muss man doch der Klarheit und Wahrheit halber auch sagen, also nichts mit Konjunkturaufschwung, sondern Rezession, Rezession, die die Bundesregierung zu verantworten hat, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Warum ist das so? Da setzen wir auch an, Herr Kollege Lippmann, dass wir sagen, es werden falsche Weichenstellungen in Berlin vorgenommen. Es wird an Symptomen kuriert, es wird rumgedoktert, es wird verschlimmbessert. Ich sage einmal so, tagespolitische Einzelfallentscheidung und grundsatzloser Pragmatismus. Woran sieht man das? An der Schattenwirtschaft, die Schwarzarbeit boomt. Das ist die einzige, die, glaube ich, Konjunktur hat. Wenn Sie sich die Zahlen einmal zur Hand nehmen, dann werden Sie, ich denke, zumindest blass, und das bei Schwarzarbeit. 350 Milliarden, das entspricht 16,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Was ist denn nun die Ursache für die Schwarzarbeit? Was ist die Ursache für die schlechte Situation des Mittelstands? Das sind eben die hohen Belastungen der Unternehmer und der Arbeitnehmer mit Steuern und Sozialabgaben.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben vor vielen der Gesetze, die in Berlin gemacht worden sind, gewarnt. Wir haben gewarnt vor der rechtlich erzwingbaren Teilzeitbeschäftigung, weil sie die Neueinstellung verhindert. Wir haben gewarnt vor der Steuerreform, weil sie einseitig die Großunternehmen begünstigt und die dann die Mitarbeiter entlassen, während der Mittelstand auf ungewisse Zukunft vertröstet wurde. Wir haben gewarnt vor der Abschaffung des 630-DM-Gesetzes. Wir haben gewarnt vor dem Gesetz der Scheinselbst

ständigkeit und, meine Damen und Herren, ganz aktuell heute im Ausschuss in Berlin, wir warnen vor dem Tariftreuegesetz, weil es für die ost- und mitteldeutsche Bauwirtschaft zu weiteren Schwierigkeiten kommt. Sie hören - nicht Sie persönlich, Herr Lippmann, aber Ihre Kollegen in Berlin - nicht hin und ziehen einfach ihren Stiefel weiter. Da muss man doch einmal den Finger in die Wunde legen und so geht es doch nicht weiter.

(Beifall bei der CDU)

Zum Schluss möchte ich auch Herrn Minister Schuster ermuntern, weil, das ist schon immer die Frage, wenn Thüringer Unternehmen mit struktureller Bedeutung - ich setze einmal voraus, Sie kennen die Diskussion bei Mühl und anderen - in Schwierigkeiten kommen, da haben Sie schon Recht, da ist der politische Druck groß, sich dort mit Bürgschaften und Überbrückungsdarlehen einzubringen. Ich sage es einmal, nicht auf Sie gemünzt, sondern auf das Modell "Schröder" im Sinne von politischen Profilierungsübungen, als Auffanggesellschaft für Unternehmen, die sich aus dem Markt gewirtschaftet haben. Da, wo es Ursachen für diese Insolvenzen gibt, kann der Staat wirklich nicht auftreten. Das ist vollkommen falsch, aber, und das ist ja eigentlich der Handlungsauftrag, den wir natürlich für die Landesregierung, aber insbesondere für diejenigen, die die Rahmenbedingungen zu setzen haben, einfordern. Die Rahmenbedingungen müssen geändert werden, denn die Betriebe leiden nicht unter mangelnder staatlicher Zuwendung, sondern sie leiden unter langen Genehmigungsverfahren, unter kostspieligen Hilfsdiensten für Behörden. Sie kämpfen gegen dieses starke Arbeitsrecht, insbesondere, wie ich sagte, den Anspruch auf Teilzeitarbeit und das Tarifkartell, das auf die betrieblichen Belange kaum Rücksicht nimmt. Sie schlängeln sich durch ein Steuersystem, das die Bildung von Eigenkapital erschwert. Und, Herr Kollege Lippmann, gerade diese Eigenkapitalschwäche, die haben wir nun in der Enquetekommission herausgestellt, darüber redet hier jeder. Der Vorschlag der Bundesregierung, den ich höre, ist, eine Mittelstandsbank zu gründen. Eine Idee, die vor zwei Jahren schon einmal da war, also die Deutsche Ausgleichsbank und die KFW zusammenzutun. Damals ist sie an den Streitigkeiten des Herrn Finanzministers und des Herrn Wirtschaftsministers gescheitert, weil die von ihren Kompetenzen nicht abgehen wollten. Wenn das wirklich das Gelbe vom Ei sein sollte, dann haben sie, diese Bundesregierung, es zwei Jahre versäumt, diese Bank zu gründen, um das Eigenkapital der Betriebe zu stärken.

Meine Damen und Herren, ich denke, es sind genügend Vorschläge, die sowohl von Herrn Schuster als auch von mir für meine Fraktion hier vorgetragen worden sind, sie müssen nur in Angriff genommen werden, damit die Rahmenbedingungen für Deutschland und für Thüringen wieder besser werden.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister Schuster, bitte, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, ich glaube, Herr Lippmann, wir haben immer wieder sehr ähnliche Meinungsunterschiede. Ich will sie einmal darstellen. Sie sprachen die Zahlen an und sagten, das Insolvenzgeschehen gab es doch früher auch schon. Natürlich gab es das früher auch schon deshalb, weil nicht alle Existenzgründer eine Überlebensrate gleich eins hatten. Es gab halt immer wieder Neugründungen, die dann nach kurzer Zeit doch nicht überlebensfähig waren und in die Insolvenz gingen. Aber wir haben es heute mit einer neuen Qualität beim Insolvenzgeschehen zu tun, nämlich damit, dass an sich gefestigte und etablierte Unternehmen aller Größenordnungen plötzlich durch die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in diese Schwierigkeit gezogen werden.

Der zweite Dissenspunkt, den wir immer wieder haben, ist der, Sie reden immer nur von konjunkturellen Schwankungen, ich spreche von den strukturbedingten Defiziten und Problemen und konjunkturellen Schwankungen. Herr Lippmann, letztere sind auf Nachfrageschwankungen zurückzuführen. Strukturdefizite in unserem Lande bewirken, dass wir Wettbewerbsprobleme haben, dass wir nicht mehr genügend absetzen können, selbst wenn die Nachfrage gegeben ist. Das ist ein fundamentaler Unterschied. Wir haben es in Deutschland vorwiegend mit diesem strukturellen Problem zu tun, natürlich auch mit einem konjunkturellen Problem. Und wenn jetzt eine gewisse Belebung der Konjunktur eintritt, dann ist zunächst einmal zu sagen, dass diese viel zu schwach ist, um etwas grundlegend zu ändern, um Wachstumsraten oder Beschäftigungseffekte in größerem Umfang zu haben. Es zeichnet sich eine Entwicklung derart ab, dass die Aufschwungphase immer kürzer und immer flacher wird und die Abschwungphase immer tiefer. Wenn das so ist, sind wir nicht auf dem Pfad nach oben, sondern auf dem Weg nach unten. Das ist das Problem, mit dem wir es zu tun haben, also nicht immer nur die Antwort, ja, die Konjunktur ist es, das Ausland ist es, die fragen nicht genügend nach. Meine Damen und Herren, wir haben es mit strukturellen Defiziten zu tun, die darauf zurückzuführen sind, dass unsere Unternehmen nicht mehr hinreichend wettbewerbsfähig sind.

Das Frühjahrsgutachten der Forschungsinstitute enthält sehr kritische Bemerkungen über die aktuelle Wirtschaftspolitik. Die sind nicht wahlkampforientiert, Herr Lippmann, sondern fachlich fundiert.

(Beifall bei der CDU)

Ich denke, es macht überhaupt keinen Sinn, länger so zu tun, als sei das Problem extern oder intern oder längst geregelt. Wir stellen fest, es geht nicht aufwärts in unse

rem Lande. Wenn das so ist, und zwar nachhaltig so ist, dann muss es doch das Bemühen sein, gemeinsam alle Anstrengungen zu unternehmen, nun wirklich eine Trendwende in Deutschland und in den neuen Ländern wieder herbeizuführen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Gibt es weitere Wortmeldungen? Das ist nicht der Fall, dann schließe ich die Aussprache und komme zum Abschluss zur Feststellung, ob das Berichtsersuchen erfüllt ist. Gibt es dazu Widerspruch? Das ist nicht der Fall, dann können wir den Tagesordnungspunkt 8 abschließen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 9

Umgang mit personenbezogenen Daten in Thüringen Antrag der Fraktion der PDS - Drucksache 3/2341

Herr Abgeordneter Koch wird den Antrag begründen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Datenschutzbilanz ist, wenn überhaupt, ein Randthema der parlamentarischen Debatten. Offenbar gelten die Rechte staatlicher Instanzen gegenüber dem Bürger mehr als der Schutz des Bürgers vor der Beeinträchtigung seiner Persönlichkeitsrechte durch den Zugriff des Staates. Folgt man der Medienberichterstattung, so wird deutlich, in welchem Maße die Thüringer Datenschutzbilanz in den vergangenen Monaten strapaziert wurde, insbesondere im Bereich hoch sensibler personenbezogener Daten.

Lassen Sie mich drei Schlaglichter nennen: Im Sommer 2001 lagerten im Justizzentrum Erfurt Tausende von Justizakten in einer Tiefgarage. Im März 2002 konnten Patienten des Landesfachkrankenhauses Hildburghausen aus den Medien erfahren, dass durch den Verkauf von Computertechnik ihre Krankendaten an Unbefugte gelangt waren. Auch ein drittes Beispiel soll hier nicht ungenannt bleiben im Zusammenhang mit der in Thüringen seit Herbst 2001 laufenden Rasterfahndung. Mit der - zieht man Vergleichszahlen aus anderen Ländern heran - Datenübermittlung von schätzungsweise 20.000 in Thüringen lebenden Personen wurden nicht nur die in großem Umfang angeforderten Daten für ein vages Suchprofil übermittelt, sondern weit mehr Daten übermittelt, als angefordert worden sein sollen. Zwischenzeitlich haben mehrere Gerichte anderer Bundesländer die Rasterfahndung für unzulässig erklärt und zur Löschung der erhobenen Daten aufgefordert. Die polizeirechtlichen Voraussetzungen einer bevorstehenden massiven Gefahr wurden als nicht gegeben angesehen. In Thüringen dagegen scheint man offenbar davon auszugehen, dass sich die Sicherheitslage hier problematischer ge

staltet als in Hessen, Berlin oder Nordrhein-Westfalen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit der Nennung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung in der Thüringer Verfassung wurde der besonderen Bedeutung dieses Persönlichkeitsrechts Rechnung getragen. Die Menschen in Thüringen sollen mit dem Thüringer Datenschutzgesetz und anderen speziellen Rechtsvorschriften vor unverhältnismäßigen Eingriffen in ihre Rechte geschützt werden. Sie haben damit auch ein Recht auf Information darüber, ob die über sie erhobenen und gespeicherten Daten auf dieser Grundlage zweckgebunden verarbeitet werden und inwieweit der Schutz dieses speziellen Grundrechts garantiert werden kann. Wir ersuchen deshalb die Landesregierung, in geeigneter Form und, meine Damen und Herren, ich betone ausdrücklich noch mal, in geeigneter Form, zu berichten, inwieweit es im Zusammenhang mit den Computerverkäufen des Landesfachkrankenhauses und der Rasterfahndung zu Rechtsverstößen, insbesondere gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung kam, welche Maßnahmen zur Abhilfe ergriffen wurden sowie welche organisatorischen, personellen und rechtlichen Konsequenzen bisher eingeleitet wurden und eingeleitet werden sollen, um künftig gleich gelagerte und ähnliche Vorfälle zu vermeiden. Insbesondere zur Rasterfahndung bitten wir um die Beantwortung folgender Fragen:

1. Wann wurden die Anordnungen zur Rasterfahndung erlassen und wie lauten sie? Welche Abgleichdateien wurden festgelegt?

2. Wann wurde die Thüringer Datenschutzbeauftragte und in welchem Umfang über die Rasterfahndung informiert? Welche Kontrollen hat sie durchgeführt?

3. Wann ist mit dem Abschluss der Rasterfahndung in Thüringen zu rechnen?

4. Wie viel Datensätze wurden erhoben? Wie viele Personen sind betroffen?

5. Welcher Datenbestand bleibt nach der Rasterfahndung übrig? Welcher befindet sich darüber hinaus noch bei der Polizei? Wann wurden in welchem Umfang Daten gelöscht?

6. Fand ein Datenabgleich in Thüringen statt oder erfolgt der eigentliche Datenabgleich erst im BKA? Ist der Datenabgleich beim BKA von der Anordnung gedeckt? Auf welcher Grundlage erfolgt die Übermittlung der Daten an das BKA oder handelt es sich in Thüringen lediglich um eine Datenbereinigung mit dem Ziel, beispielsweise Redundanzen auszuscheiden und Daten, z.B. Anschriften, zu aktualisieren.