Eines der Kernpunkte des Stadtumbaus heißt Innenstadtentwicklung. Wir haben bereits im vorherigen Jahr, im Jahr 2001, mit einem Wohnungsmarktstabilisierungsprogramm hier in Thüringen Akzente setzen können. Die Bundesregierung hat, und das muss man der Ehrlichkeit halber sagen, nach langem Drängen von Sachsen und Thüringen das "Stadtumbauprogramm Ost" auf den Weg gebracht und damit haben wir als Länder, als neue Bundesländer nun endlich berechenbare Finanzierungszusagen bekommen, mit denen wir weiterarbeiten können. Der Bund hat leider nicht zusätzliches Geld aktiviert, sondern er hat mit diesem Programm im gedeckelten Finanzierungskorsett interne Umschichtungen vorgenommen. Es kommt also bei dem Bundesprogramm kein zusätzlicher Euro in die neuen Länder, sondern es ist anderswo gekürzt und umgeschichtet worden.
Wir können, meine Damen und Herren, die Probleme wie Leerstand und Schrumpfung nur auf der Basis von integrierten Stadtentwicklungskonzepten lösen. Im Rahmen der Thüringer Innenstadtinitiative haben wir deshalb unsere Förderstrategie erweitert und sie auch für das neue Programm "Stadtumbau Ost" anwendbar gemacht. Jetzt müsste an sich begleitend dazu das vom Thüringer Ministerpräsidenten geforderte Sonderprogramm Ost zur Entwicklung der Infrastruktur der neuen Länder folgen. Das fehlt an sich in diesem Scharnier der weiteren Förderung des Aufbaus Ost. Es wäre gut, wenn wir hier noch ein zusätzliches Konjunkturprogramm für die Infrastrukturförderung bekommen könnten, auch gerade für die Stärkung unserer Innenstädte.
Wir haben in den vergangenen Jahren schon in den 90er Jahren einen sehr umfangreichen Einsatz von Landesmitteln in diesen Stadtumbau hineingesetzt. Wir haben die Bundesprogramme jeweils komplementiert und sind weit über die einfache Komplementierung hinausgegangen. Auch dass das Problem des wohnungswirtschaftlichen Strukturwandels und dessen Auswirkung auf die Stadtentwicklung kein Fremdwort war in den vergangenen Förderjahren, ist deutlich geworden. Wir haben jeweils zu Bundesprogrammen entsprechende Landesmittel bereitgestellt, um die Wohnungsunternehmen und dadurch auch die Städte bei den drängendsten Maßnahmen zu unterstützen. Wir haben darüber hinaus - und über die Bundesprogramme hinaus - in den vergangenen zehn Jahren für eine sehr, sehr hohe Entlastung der notwendigen gemeindlichen Mitleistungsanteile in der Städtebauförderung gesorgt. Wir haben dafür und damit Sorge getragen, dass die Kommunen die Erhaltungs- und Erneuerungsaufgaben zügig durchführen konnten und die städtebaulichen Erblasten aus der DDR-Zeit schnell überwinden konnten.
Stadtumbau in Thüringen, meine Damen und Herren, vollzieht sich seit der Einheit 1990 mit ganz hervorragenden Ergebnissen und ich kann Sie nur noch einmal auffordern: Jetzt beginnt die Urlaubszeit. Sollten Sie in den neuen Ländern unterwegs sein, vergleichen Sie die Gemeinden und Städte in unseren Nachbarländern, fahren Sie mit offenen Augen durch die Thüringer Städte und Gemeinden, dann sehen Sie, was wirklich in den letzten Jahren sowohl mit Landesunterstützung als auch mit der Initiative von vielen privaten Investoren in diesem Land geleistet worden ist. Darauf können wir stolz sein, meine Damen und Herren.
Der demografische Wandel hat den Wohnungsmarkt von einem früheren Nachfragemarkt zu einem Angebotsmarkt umgewandelt. Während die Altbausubstanz in den Stadtzentren zunehmend an Attraktivität gewinnt, nimmt der Leerstand vor allen Dingen in Plattenbaugebieten noch zu. Auch im Altbau im Innenstadtbereich gibt es nicht unerhebliche Leerstände und stellt manche Stadt vor Kopfzerbrechen. Thüringen steht bereit, mit der Gegenfinanzierung seinen Anteil am Progamm "Stadtumbau Ost" zu leisten: Rund 450 Mio. %5 und die Kommunen bis 2009 in Thüringen gemeinsam in den Stadtumbau Ost investieren. In den nächsten zehn Jahren wird in den neuen Ländern mit dem geförderten Abriss allerdings nicht einmal der Status quo im Leerstand erhalten. Das ist in der Tat ein Problem, dem wir uns stellen müssen. Die notwendige Konsolidierung der Wohnungsund Immobilienmärkte wird so kaum möglich sein.
Folgende flankierende Maßnahmen des Stadtumbaus und des wohnungswirtschaftlichen Strukturwandels müssen aus unserer Sicht deshalb möglichst rasch umgesetzt werden:
1. Wir müssen den dauerhaft leer stehenden und abzureißenden Wohnraum befreien von den Altlasten, von den Altschulden und von dieser Finanzlast, die mit den Altschulden verbunden ist. Der Ministerpräsident hat mit seiner Forderung hierzu bei der ostdeutschen Regierungskonferenz in ihrer Regionalkonferenz vom 10. Oktober in Erfurt für diesen Vorschlag große Zustimmung bekommen und wir erwarten nun auch von Berlin eine positive Reaktion zu diesem zentralen Anliegen der Entschuldung.
2. Als unmittelbares Nahziel muss zunächst das Antragsverfahren der Härtefallregelung einerseits um einige hohe Hürden verringert, andererseits aber besonders die Finanzausstattung über die derzeitigen 358 Mio. lich auf das ca. Zwei- bis Dreifache erhöht werden. Allein aus Thüringen haben bisher 19 Wohnungsunternehmen den Abbruch und die Entschuldung von ca. 22.000
Wohnungen mit einem Entschuldungsbetrag von ca. 97,5 Mio. #15 # ## jetzt erst vier Anträge positiv entschieden worden. Hier müssen wir schneller und finanziell besser dotiert vorankommen.
3. Es ist notwendig, dass der besondere Kündigungsschutz, der nach dem Einigungsvertrag für die Mieter, die einen so genannten Altmietvertrag aus DDR-Zeiten haben, besteht, aufgehoben wird.
Das ist, meine Damen und Herren, keine unsoziale Maßnahme, wie bisweilen behauptet wird. Denn beim derzeitigen Wohnungsüberhang in den neuen Ländern ist die Geschäftsgrundlage für diese 1990 zunächst verständliche Maßnahme, die die Lösung im Einigungsvertrag gefunden hat, nun wirklich entfallen. Wir haben nicht mehr die Wohnungsknappheit von 1990, sondern wir haben den Überfluss mit der notwendigen Folgerung auf die Mietpreise, die auf dem Wohnungsmarkt momentan herrschen. Deshalb - denke ich - sollte der besondere Kündigungsschutz nach dem Einigungsvertrag aufgehoben werden.
4. Es wird künftig auch zu Unternehmensfusionen oder Abspaltungen bei den Wohnungsunternehmen kommen. Einige Wohnungsbestände werden zwar leergezogen sein, aber etwas länger bis zum Abriss stehen bleiben, weil man nicht sofort alles abreißen kann, was zum Abriss zu bringen notwendig wäre. Für diese Fälle ist es erforderlich, auch gezielte steuerliche Verbesserungen herbeizuführen. Hier sind besonders wir, die Länder, aber auch die Kommunen hinsichtlich der Veränderung der Grundsteuer und der Grunderwerbssteuer durch Einnahmeausfälle betroffen. Wir brauchen aber, meine Damen und Herren, meines Erachtens Sonderregelungen, die finanziell in den Länderfinanzausgleich einzubetten sind, um Verluste der Kommunen und des Landes bei solchen Veränderungen auszugleichen.
5. Wir brauchen trotz oder wegen des Leerstands eine ausreichende Beteiligung des Bundes an der Wohnungsbauförderung, denn Stadtumbau heißt ja nicht nur Abriss, sondern Stadtumbau heißt auch innerstädtische Lücken und Brachen wieder zu bebauen, auch mit Wohnungsneubau. Ebenso sind die langfristig beständigen Wohnungen, Wohngebäude und ihr Wohnumfeld zu modernisieren. Dort, wo wir wissen, dass dieser Bestand erhalten bleibt, müssen auch die notwendigen Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt werden und dafür muss es weiterhin Wohnungsbaufördermittel geben.
6. Wir brauchen eine aktuelle Bestandserhebung zu Bevölkerungs- und Wohnraumdaten. Meine Damen und Herren, das ist einfacher gesagt und gefordert als getan. Frau Doht hat mit Recht darauf hingewiesen, dass die Datenlage unzureichend ist. Wer aber die Diskussion um den großen europäischen Zensus kennt, der an sich im nächsten
Jahr beginnen soll, und weil man aus datenschutzrechtlichen Gründen Sorge hat, dass dieser Zensus boykottiert wird von ganz bestimmten Kräften - Sie kennen ja die Diskussion um Bevölkerungszählung, also man sich jetzt auf dateigestützten Zensus stützt -, der weiß, wie schwierig sich die Frage von Wohnraumerhebungen und Bevölkerungserhebungen und -zählung gestalten kann. Das ist ein Problem, was gelöst werden muss. Eine konkrete, sofortige Lösung kann ich auf diesem Felde nicht anbieten.
Sehr geehrte Damen und Herren, auf dem Gebiet der Baukultur hat sich gemeinsam mit dem Innenministerium und dem Finanzministerium eine Arbeitsgruppe gebildet, in der zahlreiche Verantwortliche und Interessenträger zusammenwirken. Das Ziel besteht darin, die vielfältigen Einzelaktivitäten zusammenzuführen und inhaltlich sowie zeitlich zu koordinieren, damit wir dadurch eine höhere öffentliche Wirksamkeit erreichen und das Bewusstsein um die Bedeutung der Baukultur erweitern.
Mein Fazit zum Schluss: Die Phase der Stadtreparatur geht zur Neige; die Etappe Stadtumbau beginnt. Die Zeichen der Zeit stehen nicht mehr auf Wachstum, sondern auf Gesundschrumpfen. Wohnungs- und Städtebaumittel werden wir nur noch in Abhängigkeit von integrierten Stadtentwicklungskonzepten vergeben können. Dazu sind Leitbilder nötig. Die Kommunen sind wiederholt dazu aufgefordert, diese Leitbilder zu erarbeiten. Wir unterstützen sie dabei. So gesehen ist der Stadtumbau, bei allen Problemen die wir haben, eine Chance zum Aufbau neuer qualitätsvoller Wohngebiete und Stadtstrukturen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Minister, inwieweit ist das Thema "Barrierefreiheit" bei Stadtumbau und Baukultur in Thüringen so im Blickfeld und wie wird das berücksichtigt?
Ich kann Ihnen jetzt dazu keine Einzelheiten nennen. Nur sind wir ja in den bauordnungsrechtlichen Fragen und in den programmatischen Fragen, was barrierefrei betrifft,
schon ziemlich weit, so dass wir das bei öffentlichen Gebäuden zur Selbstverständlichkeit machen bei den entsprechenden Bauten. Wir versuchen es auch bei Privaten jeweils mit zur Geltung zu bringen, wobei das bei Privaten nicht so einfach ist. Das wissen Sie.
Danke. Meine zweite Frage bezieht sich auf die Novellierung der Landesbauordnung. Wie ist da im Moment der Stand? Das betrifft ja auch die Barrierefreiheit.
Die Landesbauordnung wird erarbeitet. Wir hatten ein retardierendes Moment drin, weil die Bauministerkonferenz in einer Arbeitsgruppe eine Art Rahmen vorgeben wollte. Ich gehe davon aus, dass wir in der zweiten Hälfte dieses Jahres, was die Bauordnung betrifft, in die sehr konkrete Debatte auch hier im Land einsteigen werden.
Es liegen keine weiteren Redewünsche mehr vor, so dass ich die Beratung schließen kann. Allerdings haben mehrere Redner von einer Ausschussdebatte gesprochen, da bestünde ja die Möglichkeit der Fortsetzung der Beratung nach § 86 Abs. 2. Das wird offensichtlich nicht beantragt, demzufolge kann ich die Beratung endgültig schließen und damit auch den Tagesordnungspunkt 14.
Die nächsten planmäßigen Plenarsitzungen finden am 13. und 14. Juni 2002 statt. Mit dieser Feststellung schließe ich den heutigen Plenarsitzungstag, wünsche Ihnen einen guten Heimweg und ein schönes Wochenende.