Protokoll der Sitzung vom 13.06.2002

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, am 1. Januar 2002 trat das Gesetz zur Verbesserung des zivilrechtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung, kurz Gewaltschutzgesetz, in Kraft. Zur Umsetzung des Gesetzes wurde von der SPD-Fraktion die Änderung des Artikel 1 - Einfügung des § 18 a - vorgeschlagen. Die Überschrift lautet: "Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot zum Schutz vor häuslicher Gewalt". Unser Antrag liegt Ihnen heute nochmals vor. Neun Bundesländer wollen ihr Polizeigesetz ändern und diese Passage aufnehmen. Thüringen gehört leider nicht dazu, wie immer.

Meine Damen und Herren, wir brauchen klare gesetzliche Festlegungen im Polizeiaufgabengesetz. Ich frage die Landesregierung: Wenn in den Leitlinien für die Polizei die Forderungen unseres § 18 a enthalten sind, sie sollen genau so umgesetzt werden, warum gibt man ihnen dann nicht Gesetzeskraft? Diese Leitlinien sind nur eine Handhabung für die Polizei und sie liegen noch unter der Verwaltungsvorschrift. Auch der Landesfrauenrat hat sich in dieser öffentlichen Anhörung zu diesem Thema ausdrücklich dafür eingesetzt und gefordert, zur Absicherung der Polizei und der Opfer den § 18 a in das Polizeiaufgabengesetz aufzunehmen. Meine Kollegin Wolf hat schon dazu gesprochen. Auch die Landesarbeitsgemeinschaft Frauenhäuser, die nun wirklich Basiserfahrungen hat, hat sich ganz ausdrücklich dafür eingesetzt. Die Gewerkschaft der Polizei erhebt ebenfalls die Forderung nach landeseinheitlichen Regelungen in diesem polizeilichen Bereich und nach Rechtsvorschriften.

Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass es den Polizistinnen und Polizisten gegenüber unverantwortlich ist, ihnen so viele Entscheidungen im rechtsfreien Raum aufzubürden. Einsätze bei häuslicher Gewalt sind kompliziert und schwierig. Da brauchen die Beamtinnen und Beamten Rechtssicherheit. In diesem Jahr gab es in Thüringen bereits 140 Platzverweisungen. Als der erste in Sondershausen war, da hat man darüber sehr ausführlich geschrieben. 84 Männer gehörten auch zu denen, die in Gewahrsam genommen wurden. Wir haben erst im Gleichstellungsausschuss auf Anfrage am 7. Juni erfahren, wie viele Platzverweise es denn schon gab, aber über die Wirksamkeit dieser Platzverweise, auch der Ingewahrsamnahme haben wir bis jetzt noch nichts erfahren. Wir werden das sicherlich auch noch erfragen.

Der Innenausschuss hat am 30. Mai 2002 unseren Gesetzentwurf mit CDU-Mehrheit leider abgelehnt und der Gleichstellungsausschuss als mitberatender Ausschuss am 07.06.2002 ebenfalls mit CDU-Mehrheit. Fazit: Die Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes für Thüringen ist nur erfolgreich, wenn ein entsprechender Maßnahmenplan zur Bekämpfung häuslicher Gewalt vorliegt, und eine ständige Fortbildung speziell für den Einsatz von bei häuslicher Ge

walt geeigneten Polizistinnen und Polizisten ist unbedingt zu gewährleisten.

Meine Damen und Herren, abschließend erinnere ich an einen Vorfall vom 13. August vorigen Jahres, der im März dieses Jahres im Landgericht Erfurt verhandelt wurde. Eine 49-jährige Frau wurde in Erfurt von ihrem zehn Jahre jüngeren Lebensgefährten, der mehrfach vorbestraft ist, regelrecht zu Tode getrampelt. Die Nachbarn schilderten als Zeugen vor Gericht, was sie am Tatabend vernommen hatten: dumpfe Geräusche, auch Schreie, Splittergeräusche, als ob man einen Schrank zerlegt. Sie habe nicht schlafen können, sagte eine 65-jährige Frau. "Es war furchtbar, aber ich wusste nicht, was ich tun sollte. Die Polizei war doch schon so oft da." Machen Sie sich Ihre eigenen Gedanken darüber. Erkennen, was ist Familienstreit, was ist Gewalt in der Familie, wo bahnt sich vielleicht sogar eine tödliche Tragödie an. Das erfordert Erfahrungen und Schulung. Und in diesem Fall hat die Polizei total versagt. Es war peinlich, die Polizei in diesem Prozess zu erleben. Das kann ich Ihnen nur sagen. Wir haben jetzt das Gesetz, vielleicht ändert sich da etwas. Man ist schon geschulter.

Meine Damen und Herren, wenn die erste Gerichtsverhandlung gegen einen Polizisten, der einen Verweis aus der ehelichen oder der gemeinsamen Wohnung angewiesen hat, stattfindet, dann werden auch Sie von der CDU vielleicht für dieses Thema mehr als bisher sensibilisiert.

Nun möchte ich doch noch einmal zu den Äußerungen, die der Justizminister heute früh gegenüber der Bundesregierung getan hat, die er heftig attackierte, insbesondere den Bundeskanzler, etwas sagen, wegen Untätigkeit bei der Verschärfung des Gesetzes zur Sicherungsverwahrung und für rückfallgefährdete Straftäter. Hier haben Sie eigentlich auf Landesebene eine Möglichkeit, gesetzlich gegen häusliche Gewalt zu agieren, die ja auch die Ursache dafür ist und die oftmals sehr perverse Blüten treibt, vergeben. Sie lehnen es als CDU einfach ab, das als Gesetz aufzunehmen. Ich muss Ihnen sagen, das ist doppelzüngig und auch scheinheilig. Sie legen gesetzliche Regeln immer genau so aus, wie sie Ihnen gerade passen. Da nennen Sie Baden-Württemberg, von denen Sie nun dieses Sicherungsverwahrungsgesetz auch übernehmen wollen, als vorbildlich. Aber dass Baden-Württemberg über den Platzverweis hinaus eine gesetzliche Regelung in das Polizeigesetz aufnimmt, das nehmen Sie für Thüringen nicht als Vorbild. Der Justizminister von Baden-Württemberg betonte, dass er absolute Rechtsklarheit schaffen will, weil die Landesregierung dieses dem Polizei- und Justizbeamten, aber vor allem den betroffenen Frauen und Kindern schuldig ist. Außerdem werde durch eine gesetzliche Klarstellung ein Zeichen gesetzt und deutlich gemacht, dass Gewalt im häuslichen Bereich nachhaltig bekämpft wird.

Wie wichtig unserem Nachbarland Hessen das Thema häusliche Gewalt ist, das beweist, dass alle im Hessischen Landtag vertretenen Fraktionen Gesetzentwürfe zur Verbesserung des Schutzes vor häuslicher Gewalt vorgelegt

haben. Das zeigt, wie wichtig ihnen dieses Thema ist. Und hier haben Sie als CDU die zunächst praktikabelste und schnellste Lösung, allein den § 18 a in das Polizeiaufgabengesetz aufzunehmen, abgelehnt. Schade, Sie haben eine große Chance vertan. Danke.

(Beifall bei der SPD)

Frau Tasch, Sie wollen? Bitte schön, Sie haben das Wort, Frau Abgeordnete.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, auch wenn ich keine Rede vorbereitet habe, die ich jetzt ablesen möchte, muss ich mich doch noch einmal zu Wort melden, um einiges klarzustellen, was jetzt hier im Raum steht, was Frau Wolf und Frau Bechthum gesagt haben.

Das von der Landesregierung vorgelegte Gesetz zur Änderung des Polizei- und Sicherheitsrechtes schafft die Rechtsgrundlage, um Platzverweise, Unterbindungsgewahrsam der Polizei aussprechen zu können, und ich möchte hier einmal mit dem Märchen aufhören, seit dem 01.01.2002 kann das Gewaltschutzgesetz in Thüringen angewandt werden und es wird angewandt.

(Beifall bei der CDU)

Die Leitlinien - Sie vermischen das immer alles mit dem § 18 Polizeiaufgabengesetz -, diese Leitlinien, wer sie noch nicht kennt, das sind Handlungsanweisungen, Handlungsrichtlinien für die Polizisten vor Ort. Dass es schwierig ist, das streitet niemand ab. Wenn man nach Hause gerufen wird als Polizei und sich dort, wie wir es ja auch immer gesagt haben, was wir nicht mehr sagen wollen, in Familienstreitigkeiten einschreitet, das ist schwierig für die Polizisten, darauf müssen sie vorbereitet werden und dafür sind diese Leitlinien da.

Ich möchte noch einmal sagen, das Gewaltschutzgesetz kann angewendet werden und wir können im Polizeiaufgabengesetz nicht für jeden Einzelfall Regelungen schaffen. Wichtig ist der Opferschutz und die Sicherheit der Polizeibeamten.

(Beifall bei der CDU)

Das ist in dem Gesetzentwurf der Landesregierung verankert und damit hat die Polizei klare Handlungsanweisungen und wir wissen auch, die Frauen und die Männer, Herr Sonntag, die im Gleichstellungsausschuss mitarbeiten, dass diese Checkkarten demnächst vorgelegt werden, die die Polizei dem Opfer, egal, ob es nun Mann oder Frau ist, 97 Prozent der Opfer sind Frauen, und da haben wir uns ja auch an dem BIG in Berlin orientiert, die sind in Kürze oder vielleicht sind sie auch schon fertig, das wird

uns der Innenminister sagen, also, Thüringen ist gut gerüstet. Dass man mit einem Gesetz häusliche Gewalt nicht eindämmen kann, das wissen wir auch, deswegen haben wir ein Maßnahmepaket abgefordert von der Landesregierung, darüber werden wir morgen noch debattieren und dort können wir die ganze Form häuslicher Gewalt und auch die vielen Lösungsansätze noch einmal in aller Ausführlichkeit debattieren, aber hier geht es um § 18, um die Handlungsgrundlage der Polizei. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Innenminister, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Landtag behandelt heute in zweiter Lesung diesen Entwurf des Thüringer Gesetzes zur Änderung des Polizei- und Sicherheitsrechts. Wenn man den Debattengängen hier aufmerksam gefolgt ist, dann bewegen die sich zwischen zwei Polen.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Ohne "h")

Ohne "h", gut.

Herr Dittes hat sein Motto ausgegeben und das lautete nach seiner Rede durchaus auch mit dem Hinweis auf die doppelte Bedeutung: "Freiheit stirbt mit Sicherheit". Ich setze das Wort von Humboldt dagegen, der sagt: "Ohne Sicherheit ist keine Freiheit", meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Ich denke, dass der Gesetzentwurf der Landesregierung, der eine lange Diskussion im Innenausschuss erfahren hat und der über einen längeren Zeitraum in Arbeit war - deshalb ja auch noch Ergänzungen im Innenausschuss, die die neue Gesetzeslage im Bund berücksichtigten -, dass dieses Gesetzesvorhaben ein sehr wichtiges Vorhaben ist auf dem Weg, für unser Land die Sicherheit zu gewährleisten und auch mehr Sicherheit den Bürgerinnen und Bürgern des Freistaats zu geben. Die Reform unseres Polizei- und Sicherheitsrechts, meine Damen und Herren, ist ein weiterer Baustein in unserer konsequenten rechtsstaatlichen Politik und unserem Bemühen um diese Sicherheit. Sie wissen, im Oktober hat der Freistaat als konsequente Antwort auf die terroristische Bedrohung ein Sicherheitsprogramm vorgelegt, das ohne höhere Verschuldung, ohne Entnahmen aus den Rücklagen durch Einsparungen bei den Ausgaben finanziert wird. Der Freistaat stellt sich den Herausforderungen des Terrorismus neuer Qualität, aber er stellt sich auch den Herausforderungen der dynamischen Kriminalitätsentwicklung, vor allem der dynamischen Entwicklung im Bereich der organisierten Kriminalität. Wir unterstreichen damit deutlich unsere Bemü

hungen um die Sicherheit.

Herr Fiedler hat dankenswerterweise schon darauf hingewiesen, diese Bemühungen haben ja schon Früchte getragen. Bundesweit liegt Thüringen auf einen der vorderen Plätze im sicherheitspolitischen Ranking.

(Beifall bei der CDU)

Laut Kriminalitätsstatistik liegen wir bei der Aufklärungsquote nach Bayern auf Platz 2, bei der Verbrechenshäufigkeit bundesweit auf Platz 5.

Meine Damen und Herren, in Thüringen lebt man sicherer als anderswo und Thüringen ist eines der sichersten deutschen Länder.

(Beifall bei der CDU)

Das ist Resultat unserer konsequenten Sicherheitspolitik im Land, aber vor allen Dingen auch Resultat der konsequenten und kontinuierlichen Arbeit der Polizei, den Beamtinnen und Beamten im Freistaat, denen wir sehr zu Dank verpflichtet sind. Nur, meine Damen und Herren, das Verbrechen schläft nicht. Wir wollen unsere Polizei noch effizienter machen. Wir wollen angesichts neuerer Herausforderungen der Polizei zusätzliche Mittel in die Hand geben, vor allen Dingen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Denn wir müssen dem organisierten Verbrechertum auf Augenhöhe gegenüberstehen können. Dies gilt im technischen, aber auch im rechtlichen Bereich. Die Kriminalität nutzt zunehmend die Vorteile des Rechtsstaats für ihre Zwecke. Das scheint z.B. Herr Dittes ständig zu übersehen. Kriminalitätsverfolgung und vor allem präventive Aufklärung dürfen daher nicht immer hinter der Kriminalität hereilen, denn sie müssen bei der organisierten Kriminalität gerade im Vorfeld der Straftat tätig werden können, um Schlimmeres zu verhüten.

Die wichtigsten Punkte dieses Gesetzes sind hier ja schon ausführlich erörtert worden: der Platzverweis und das Aufenthaltsverbot, die Videoüberwachung, die präventive Telekommunikationsüberwachung zur Gefahrenabwehr, wobei ich die Zahlen aus den USA und Deutschland, dieser Vergleich, der hier zweimal genannt wurde, für abenteuerlich halte. Ich bitte mir diese Quelle einmal zu nennen. Ich glaube, hier werden Äpfel mit Birnen verglichen.

(Beifall bei der CDU)

Der Einsatz verdeckter Ermittler im Vorfeld ist ein weiterer wichtiger Punkt, die Rasterfahndung, die Erweiterung des Katalogs der zugelassenen Waffen, die Kostentragungspflicht bei verbotenen Veranstaltungen, auch die Vorfeldbeobachtung der organisierten Kriminalität durch den Verfassungsschutz.

Meine Damen und Herren, ich will diese Diskussion jetzt nicht in den einzelnen Punkten noch einmal aufnehmen, aber lassen Sie mich zu einigen wenigen Themen noch etwas sagen. Das Thema "häusliche Gewalt" ist insbesondere durch die letzten Debattenrednerinnen hier noch einmal besonders in den Vordergrund gerückt worden. In der Diskussion über die Frage, ob es im Kontext mit dem Anfang dieses Jahres in Kraft getretenen Gewaltschutzgesetz flankierender Änderungen im Polizeirecht der Länder bedarf, sind ja die Meinungen aufeinander geprallt. Hier prallen nach meiner Einschätzung zwei unterschiedliche Philosophien aufeinander. Das hat auch die Anhörung im Innenausschuss deutlich zu Tage gebracht. Die einen fordern zusätzliche gesetzliche Regelungen und sei es gegebenenfalls, weil ja eine gesetzliche Regelung ein Symbol, ein Zeichen wäre, wie Frau Bechthum ausführte, die anderen wollen das gleiche Ziel erreichen, nämlich den Schutz des Opfers.

(Beifall bei der CDU)

Sie wollen dieses Ziel ohne Gesetzesänderung erreichen. Da brauchen wir uns nicht vorzuwerfen gegenseitig, hier wären irgendwelche Leute unsensibel. Ich glaube, dieses Thema "häusliche Gewalt" findet quer durch die Fraktionen dieses Landtags

(Beifall bei der CDU)

die Sensibilität im Umgang mit diesem Thema und den Willen, hier an diesem Thema voranzukommen. Aber bei allen unterschiedlichen Ansätzen wurde dabei deutlich, dass eben nicht die angeblich fehlende Rechtsgrundlage das Problem ist, sondern dass das teilweise erst in Ansätzen vorhandene Problembewusstsein und die praktische Befähigung der Beamtinnen und Beamten das eigentliche Problem sind. Gerade deshalb sieht die Landesregierung nicht in der Änderung von Rechtsvorschriften eine geeignete Maßnahme zur Bekämpfung der häuslichen Gewalt, sondern wir müssen in der Aus- und Weiterbildung unserer Polizeibeamtinnen und -beamten etwas tun. Die Dinge sind auch schon in die Wege geleitet.

(Beifall bei der CDU)

Zu diesem Zwecke wurden die Leitlinien für polizeiliche Maßnahmen in Fällen häuslicher Gewalt erlassen, damit sie nun den Beamtinnen und Beamten mehr Souveränität und Sicherheit an die Hand geben im Umgang mit diesem durchaus komplizierten Thema, meine Damen und Herren, und zum Ausschöpfen der bereits vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten sollen hier die Polizeibeamtinnen und Beamten geführt werden zugunsten der Opfer.

Zum Einsatz der verdeckten Ermittler im Vorfeld, meine Damen und Herren, muss meines Erachtens noch deutlich gesagt werden, dass es nicht darum geht, erst irgendwelche Anhaltspunkte zu finden. Es geht nicht darum, in einem bestimmten Personenkreis erst nach Verdachtsmomen

ten zu suchen, um dann tätig werden zu können, nein, die verdeckten Ermittler im Bereich der organisierten Kriminalität können erst dort zum Einsatz kommen, wenn es schon tatsächliche Anhaltspunkte dafür gibt, dass schwere Straftaten geplant sind. Es sind konkrete Verdachtsmomente schon vorhanden, Herr Pohl, nur können diese konkreten Verdachtsmomente noch keiner bestimmten Person zugeordnet werden. Aber wenn man konkrete Verdachtsmomente hat, müssen dann entsprechende Strukturermittlungen aufgenommen werden können, auch wenn uns die konkrete Person noch fehlt.

Des Weiteren noch ein paar wenige Sätze zur Gesetzgebungskompetenz in Fragen der Telekommunikationsüberwachung. Wir haben natürlich die Anhörung im Innenausschuss zum Anlass genommen, die Frage der Gesetzgebungskompetenz des Landes nochmals eingehend zu prüfen. Die Landesregierung bleibt bei ihrem bisherigen Ergebnis, dass eine landesrechtliche Regelung möglich ist, weil nämlich die Gesetzgebungskompetenz für die allgemeine Gefahrenabwehr klar bei den Ländern liegt und nicht beim Bund. Die vom Innenausschuss vorgeschlagenen Änderungen, die durch weitere Präzisierung des Richtervorbehalts die Anwendungssicherheit der Norm erhöhen, tragen noch einmal der besonderen Sensibilität in diesem Bereich der Telekommunikationsüberwachung Rechnung.

Meine Damen und Herren, die Rasterfahndung als ein weitere Punkt ist ja hier im Haus schon in der vergangenen Sitzung diskutiert worden. Aus den Erfahrungen der anderen Länder lernend, auch aus den Erfahrungen der Debatte, die in anderen Ländern geführt worden ist, haben wir mit dieser Novellierung Konsequenzen gezogen und haben nicht zuletzt damit auch die Forderung der Innenministerkonferenz von der vergangenen Woche bereits umgesetzt. Die nach unserem Gesetz bisher geforderte Gegenwärtigkeit der Gefahr, wonach nachgewiesen werden muss, dass der Schadenseintritt unmittelbar bevorsteht, zeigt verständlicherweise bei der ganzen Problematik "Suche nach Schläfern" Schwachstellen. Dies verdeutlichen ja auch die in anderen Ländern bisher ergangenen Gerichtsurteile, die das Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr nach dem 11. September 2001 in Deutschland zunächst als nicht gegeben angesehen haben, obwohl ja Deutschland unbestritten Vorbereitungsraum der Terroristen, die diese Anschläge in den Vereinigten Staaten ausgeführt haben, gewesen ist. Schlussendlich, und das wird von den Kritikern der Rasterfahndung dann nicht mehr wahrgenommen, wurde allein in Hessen die Rasterfahndung als unzulässig judiziert. In all den anderen Ländern, auch in Berlin, wo es anfänglich gegenteilige Gerichtsurteile gab, wurden diese Gerichtsurteile, die sich gegen die Rasterfahndung wandten, wieder aufgehoben. Die vorgeschlagenen Änderungen in unserem Sicherheitsgesetz, nämlich eine Neuformulierung unter Verzicht auf das Tatbestandsmerkmal der Gegenwärtigkeit sind deshalb notwendig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Aufgaben des Landesamts für Verfassungsschutz sollen um die Beobachtung der organisierten Kriminalität erweitert werden. Durch seine Aufklärungsarbeit, insbesondere im Bereich der extremistischen und der terroristischen Organisationen, verfügt das Landesamt für Verfassungsschutz über Erfahrungen und über die Möglichkeiten in der strukturellen Aufklärung. Weil es diese Möglichkeiten nun mit der Gesetzesänderung auch ausschöpfen können soll, leistet das Landesamt einen wertvollen Beitrag im Vorfeld von regelmäßig in Straftaten mündenden Handlungen durch die organisierte Kriminalität. Neben den üblichen nachrichtendienstlichen Mitteln des Verfassungsschutzes sollen dabei auch die Mittel der technischen Aufklärung in Wohnräumen zu diesem Zweck ausgeschöpft werden, natürlich immer im Rahmen der zulässigen, auch rechtlichen Möglichkeiten. Weiter soll das Landesamt für Verfassungsschutz künftig auch die Beobachtung radikaler und extremistischer ausländischer Organisationen - hier sind insbesondere die islamistischen Organisationen im Blick - vornehmen können. Das Landesamt erhält das ausdrückliche gesetzliche Mandat mit dieser Novellierung, Aktivitäten zu beobachten, die sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker richten. Ein Anliegen, glaube ich, das wir alle hier im Haus unterstützen können müssten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Entwicklung der Debatte, ich habe es eingangs schon gesagt, ist im vergangenen halben Jahr, seitdem wir dieses Gesetz hier in diesen Landtag eingebracht haben, rasant gewesen. Deshalb bin ich dem Innenausschuss dankbar, dass er diese Entwicklung in seiner Beratung auch mit aufgenommen und hier noch entsprechende Änderungen vorgelegt hat, die die CDU-Fraktion in ihrer Änderungsvorlage eingebracht hat. Diese Beschlussvorlage sieht im Wesentlichen Ergänzungen des Regierungsentwurfs in den Teilen vor, wo das Terrorismusbekämpfungsgesetz des Bundes vom Beginn dieses Jahres Befugnisse erweitert hat. Das sind Befugnisse, mit denen das Bundesamt für Verfassungsschutz und jetzt analog auch das Landesamt für Verfassungsschutz zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben Ersuchen an Kreditinstitute, an Postdienstleister, an Telekommunikationsanbieter und Luftverkehrsunternehmen richten kann.