Protokoll der Sitzung vom 14.06.2002

Zu I. Nr. 4 - die Schaffung eines befristeten Versorgungssystems - ich habe das auch jetzt zum ersten Mal gelesen "sui generis": Diese Forderung steht voll im Widerspruch der vom Bundesverfassungsgericht im April 1999 ausdrücklich bestätigten Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers, die Ansprüche aus den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen einheitlich in die gesetzliche Rentenversicherung zu überführen. Dies ist eine Vorgabe aus dem Staatsvertrag der Bundesrepublik Deutschland mit der ehe

maligen DDR in Artikel 20.

Zu I. Nr. 5 - Schaffung eines eigenständigen Frauenrentenrechts: Unsere Aufgabe kann und muss nicht die Schaffung eines eigenständigen Rentenversicherungszweiges für Frauen sein, sondern vielmehr müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, dass Frauen ihre Rentenansprüche durch Teilnahme am Arbeitsleben selbst erwerben können.

(Beifall Abg. Wackernagel, CDU)

Familienbedingte Lücken in der Erwerbsbiografie sind auszugleichen, da sind wir uns auch alle einig. Bereits jetzt sind diese Familien- und Kinderkomponenten in der gesetzlichen Rentenversicherung enthalten. Hier ist ständig zu kontrollieren, ob durch diese Familienkomponenten noch ein realer Ausgleich geschaffen wird.

Zwei Bemerkungen noch zum Schluss: Erwartungen, dass ein in der ehemaligen DDR zurückgelegtes Erwerbsleben nach der Wiedervereinigung vollständig so, wie in der alten Bundesrepublik zurückgelegtes, gleichgestellt werden müsste, konnte und musste der Gesetzgeber nicht erfüllen. Die Unterschiede in den Rentengesetzen waren zu groß. Dies wurde auch durch das bereits erwähnte Urteil des Bundesverfassungsgerichts am 28. April 1999 bestätigt.

Die zweite Bemerkung: Jede und jeder hier in diesem hohen Hause würde eine Rentenanpassung an das Westniveau lieber heute als morgen sehen. Voraussetzung ist und bleibt aber die Angleichung der Arbeitseinkommen der aktiv Beschäftigten an das Westniveau. Aber hier ist zu bedenken und da gebe ich dem Minister Pietzsch auch voll Recht -, dass die Folge einer unabhängig von der tatsächlichen Lohnangleichung vorgenommenen Angleichung der aktuellen Rentenwerte wäre, dass unseren jetzigen Beschäftigten in den neuen Ländern, die mehrheitlich in ihren Arbeitseinkommen unter dem Westniveau liegen, die Chance auf das Erreichen einer gleich hohen Rente wie bei einem Versicherten aus den alten Bundesländern mit relativ gleicher Lebensarbeitsleistung genommen würde. Das Vertrauen in das Rentensystem wäre dann wohl endgültig zerstört. Das kann nicht in unserem und auch nicht im Sinne der jetzigen Rentengeneration sein. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Arenhövel, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Frau Kollegin Bechthum, Sie haben so viel Richtiges gesagt,

(Beifall Abg. Lippmann, SPD)

dass Sie mir eigentlich hier auch ersparen, noch intensiv auf die Dinge einzugehen.

(Beifall bei der SPD)

Auch ich möchte aber sagen, dass die PDS hier natürlich aus der Bundestagsdrucksache 14/9045 vom 15.05.2002 abgeschrieben hat. In dieser Bundestagsdrucksache wird ausführlich und auch ziemlich kraus das gesamte Rentenrecht noch einmal durchgewälzt. Der eigentliche Grund, weshalb ich das erwähne, ist, ich möchte gern, Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis, aus dieser Bundestagsdrucksache einmal zitieren, weil man da nämlich deutlich sieht, worum es der PDS hier wirklich geht.

In Punkt 2 heißt es: "Das zweite AAÜG ist mit der Maßgabe zu ändern..."

Punkt 2 b - "Die politisch-motivierten Entgeltbegrenzungen für ehemalige staats- und systemnahe Mitglieder entsprechender Zusatz- und Sonderversorgungssysteme aufzuheben und..."

Punkt 2 c - "Die Rentenansprüche ehemaliger Mitarbeiter des MfS, AfNS bis zur Hälfte des über dem Durchschnittsentgelt im Beitrittsgebiet liegenden Entgelts anzuerkennen."

Meine Damen und Herren, in diesen beiden Punkten sehen Sie, worum es der PDS wirklich geht. Wenn wir von Überführungs- und Gerechtigkeitslücken im Rentenrecht überhaupt sprechen wollen, dann sind sie nämlich hier zwischen Opfern und Tätern.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Während die Opfer zum größten Teil in bescheidenen Verhältnissen leben müssen, haben sich gerade die durch das Bundesverfassungsgerichtsurteil ergebenden Nachzahlungen außerordentlich vorteilhaft für die Altkader der SED ausgewirkt, die sich zum Teil ein Einfamilienhaus davon kaufen können.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Jawohl!)

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Pfui!)

Dieser Zustand ist für mich einfach unerträglich, politisch betrachtet.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Insgesamt gesehen muss man sagen, dass gerade die Rentenüberführung in die Bundesrepublik Deutschland eine einmalige und, ich glaube, mit die großartigste Leistung gewesen ist, die es überhaupt im Zuge der deutschen Einheit gegeben hat.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Meine Damen und Herren, nennen Sie mir einen europäischen Staat, der in der Lage gewesen wäre, dieses so zügig und so zeitnah und auch mit den hervorragenden Konsquenzen für die Rentner umzusetzen. Ich glaube, das wäre nirgendwo so gelungen, wie es die Bundesregierung damals wirklich vollendet hat. Das, finde ich, muss immer wieder erwähnt werden. Es stimmt, die Rentner sind die Gewinner der deutschen Einheit. Trotzdem muss ich sagen, auch wir verkennen nicht, dass es in dem einen oder anderen Fall schon auch Unterschiede gibt, die man den Leuten nur schwer erklären kann. Der Minister hat auch z.B. das Problem der vor 1992 geschiedenen Witwen erwähnt. Frau Bechthum, das, was wir hier anmahnen, ist allerdings, dass seit Monaten auf die Prüfungsergebnisse der Bundesregierung gewartet wird. Natürlich kostet das Geld. Natürlich muss man eine solche Lage auch erörtern, das ist schon richtig, aber wir würden uns ein Mehr an Energie wünschen, damit wir dieses Problem auch einmal vom Tisch bekommen. Die geschiedenen Witwen sind hier wirklich arg benachteiligt. Ähnliches gilt für das Auseinanderklaffen von Ingenieuren und naturwissenschaftlicher Intelligenz oder auch Professoren, die, sagen wir, am Aufbau mitgearbeitet haben. Die stehen sich schlechter als diejenigen, die bei der Evaluierung rausgefallen sind und noch zu günstigeren Konditionen ins Rentensystem eingegangen sind als andere.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie können davon ausgehen, dass die CDU-Fraktion des Thüringer Landtags an diesen Problemen auch dranbleiben wird. Dazu haben wir die Ermutigung der PDS weder nötig noch ist sie für uns hilfreich, sondern ganz im Gegenteil, deswegen lehnen wir diese Anregungen hier rundheraus ab. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die PDS-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Thierbach zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Katze ist aus dem Sack, die Wahrheiten sind gesagt. Es ist egal, was die PDS für Anträge zur Rente bringt, es kommen die Klamotten des Kalten Krieges.

(Heiterkeit bei der CDU)

Es wird abgesprochen, dass wir ein Recht hätten, uns um soziale Belange von Rentenansprüchen zu kümmern. Das ist so alt wie die PDS versucht, Probleme im Rentenrecht zu klären. Ihre Vorwürfe sind so alt, wie Bundesverfassungsgerichtsurteile auch Sie dann belehren, dass Ihre Vorwürfe an uns nicht haltbar waren, weil am Ende Bundesverfassungsgerichtsurteile im Interesse der Rentner gesprochen wurden.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Anfrage durch den Abgeordneten Schwäblein?

Am Ende, Herr Schwäblein.

Ich möchte auf die Klamotten des Kalten Krieges, wie sie Herr Pietzsch formuliert hat, nicht eingehen. Dafür ist die Problematik entschieden zu kompliziert. Ich stehe hier auch nicht für irgendwelche Altparteimitglieder, wie Sie es formuliert haben, sondern ich verspreche Ihnen allen, dass die Protokolle natürlich in dem Umfang in die Öffentlichkeit verschickt werden, wie es auch tatsächlich gebraucht wird. Sie können mir dabei helfen. Das ist die beste Wahlvorbereitung, die alle machen können, indem Sie der Bevölkerung sagen, auch Rentnern, wie Ihre Ansprüche betitelt werden. Ich möchte zu einigen Problemen trotzdem Stellung nehmen. Unser Rentenantrag heute ist tatsächlich in einer sehr langen Kette von immer wieder anderen Klärungsbereichen. Nicht ein Punkt, der hier steht, obwohl von Frau Arenhövel und Frau Bechthum zum Teil behauptet, ist bisher durch ein Bundesverfassungsgerichtsurteil entschieden worden. Nicht eins davon ist endgültig entschieden worden. Es gibt kein Problem in diesem Antrag, das sich etwa zu Ungunsten anderer Personengruppen artikuliert. Unser Antrag heißt nicht, erstens, zu Ungunsten z.B. von SED-Unrechtsopfern irgendeinen anderen Rentner zu bevorzugen. Diese Unterstellung weisen wir weit weg.

(Beifall bei der PDS)

Dieser Rentenantrag heißt nicht, bestehendes Rentenrecht verschlechtern oder gar entleeren. Dieser Rentenantrag heißt aber, die Landesregierung benennt ihre Positionen, ihre Lösungsansätze zu den von uns hier aufgezeigten Problemfeldern und welche Position sie zur Beseitigung der Probleme einnimmt oder was sie nicht regeln möchte. Genau dies hat Minister Dr. Pietzsch getan. Er hat genau an dieser Stelle das Berichtsersuchen erfüllt. Unser Antrag heißt auch, dass die Landesregierung Aktivitäten nennen soll zu Rentenansprüchen, die eben verfassungsrechtlich bereits entschieden sind. Hier möchte ich auf ein paar Probleme aufmerksam machen. Da bin ich mir vollkommen bewusst, dass die Landesregierung Teile schon in Angriff genommen hat. Die Hinterbliebenenwitwenrente ist genannt worden, die wird blockiert gegenwärtig in der Lösung durch die Bundesregierung, sind wir d'acord.

Es gibt aber auch noch etwas anderes, was die Landesregierung unmittelbar auf Rechtsgrundlage des Bundesverfassungsgerichts endlich mit anschieben könnte, das sind nämlich die Dienstbeschädigtenausgleiche für ehemalige Angehörige von Sonderversorgungssystemen. Sonderversorgungssystem heißt nicht MfS, hier sind Unfallrenten,

(Zwischenruf Abg. Arenhövel, CDU: Das steht doch im Antrag deutlich drin.)

die am Ende hier geklärt werden. Hier sind Bundesverfassungsgerichtsurteile erlassen, dass den Betroffenen diese Rentenansprüche zustehen. Wo ist die Aktivität unserer Landesregierung für die Leute, die hier in Thüringen in der Polizei arbeiten und gearbeitet haben? Das ist ein ganz konkreter Landesbezug, wo nämlich Dienstversehrtenansprüche geregelt werden müssen. Dieses ist das Einzige, wozu Herr Dr. Pietzsch nichts gesagt hat, ich nehme an, weil er nicht genau weiß, wie er damit umgehen soll, denn eins war gestern sehr deutlich an einer Stelle, wo ich es nicht erwartet hatte. Es ist im Lande Thüringen nicht möglich, vollständige Zahlen zu bekommen über die Beanspruchung von Rentenleistungen aus den unterschiedlichen Versorgungssystemen, dazu einzelne Zahlen zu bekommen. Minister Trautvetter machte aber gestern eine sehr interessante Bemerkung, und zwar im Rahmen der Haushaltsdebatte. Er sagte, monatlich kommen 4.200 Sonderversorgungsanspruchberechtigte im Lande Thüringen hinzu. Diese 4.200 monatlich zusätzlich hinzu kommenden Sonderversorgungsberechtigte in Renten, das sind Menschen, denen Rentenansprüche zugeordnet wurden, die das Land zu bezahlen hat. Es kann doch daraus nicht beschlossen werden, dass, weil es zu viele sind, weil es teuer ist, man Rentenansprüche, die tatsächlich bestehen, etwa nicht mehr nach Haushaltslage realisieren will. Hier müsste doch die Landesregierung die Erste sein, die ein Interesse daran hat, dass eben die Entscheidungsgrundlagen dann mit dem Bund finanziell anders geklärt werden. Wir wissen doch, dass Sie aufgrund von Haushaltslagen an mancher Klärung des Rentenrechts kein Interesse mehr haben. Sie wissen doch um die Kostenumverlagerung, die stattfindet. Ich frage mich an dieser Stelle, warum haben Sie zu diesem Problem in dem Bericht nichts gesagt, weil dann wird nämlich außerhalb des Parlaments noch deutlicher, dass auch die Klärung von Rentenproblemen nach Haushaltslage in Angriff genommen wird und nicht nach Grundsatz des Sozialrechts, dass Ansprüche, die erworben wurden, auch zu realisieren sind.

(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Aber ja, sie werden nach dem Grundsatz des Sozialrechts bezahlt.)

Genau das ist der Spagat, den Sie heute und hier wieder gelebt haben. Sie haben ein weiteres Problem, das deutet sich an in unserem Punkt vier, ein Gesetz zu erarbeiten, das ein befristetes Versorgungssystem "sui generis" zum Gegenstand hat. Warum wollen wir das? Hochschulangehörige, Minister Dr. Pietzsch nannte es Professoren, die in

der DDR bereits an Hochschulen gearbeitet haben und die dann auch in den neuen Bundesländern weiter an Hochschulen arbeiten, die werden zu ihren Rentenzeiten noch einmal bestraft.

Meine Damen und Herren, alle die Sie vielleicht einmal in der Volkskammer waren, auch. Es gibt auch noch jene, die zur Wendezeit 35 Jahre alt waren, 15 Jahre Rentenansprüche in einem der Versorgungs- oder Zusatzversorgungssysteme erarbeitet haben, die werden mit Renteneintrittsalter merken, ob ihre Rentenansprüche in das Rentenrecht der Bundesrepublik überführt wurden oder nicht. Dieses Problem löst sich nicht durch einmaligen Beschluss, sondern das löst sich letztendlich immer durch Anspruch auf Rente, und zwar durch die Lebensbiografie. Deswegen wollen wir dieses geschlossene Rentensystem bis 2005, weil man dann nämlich über Beitragsleistungen über den Charakter des Sozialgesetzbuches VI, indem man dieses einführt, auch tatsächlich rentenrechtlich einführen kann. Wenn es politisch gewollt wird, lässt genau diese Systematik es zu, ins SGB VI einzuordnen.

Auf ein letztes Problem möchte ich eingehen, weil auf alle kann man gar nicht eingehen. Herr Minister, Sie sagen, auch Sie möchten so schnell wie möglich die Angleichung des Rentenwertes Ost an den Rentenwert West. Richtig, sagen alle, im Bundestag unisono. Da war man sogar so weit zu sagen, dass man die Einkommensentwicklung Ost und West bis zum Jahre 2007 gemeinsam regeln möchte und gleichartig haben kann.

(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Und auch das Rentenrecht und die Rentenerhöhung.)

Und dann passiert doch im Bundesrat, dass der Minister Thüringens einem Antrag der Anpassung des Rentenrechts Ost und West nicht bis 2007, sondern in diesem Jahrzehnt nicht zustimmen kann, sondern einzig Berlin hat dem zugestimmt. Sie haben nicht zugestimmt, und zwar war dies im Mai. Das ist nämlich unglaubwürdig, dass man zum einen sagt, ja, wir sind für die Angleichung Ost und West, erst in den Gehältern und dann im konkreten Verhalten im Bundesrat zu der Rentenangleichung - der Antrag hieß in diesem Jahrzehnt - sich dann eben nicht dazu durchringen kann. Das nenne ich doch ein bisschen sehr den Leuten im Land die Augen zukleistern.

(Beifall bei der PDS)

Sie haben uns einen großen Gefallen getan, alle zwei Fraktionen und Herr Minister Sie, mit Ihren Äußerungen zu unserem Antrag. Soll doch die Bevölkerung, Rentner, zukünftige Rentner diese Problematik selbst bewerten. Spätestens diese Äußerungen, die Sie getan haben, zeigen, dass unser Antrag sehr viel Wert war. Danke.