Es sind doch zunächst einmal die schulischen Leistungen, die darüber entscheiden, mit welchem Abschluss eine Schullaufbahn beendet werden kann.
Und wir befinden uns mit dieser Auffassung übrigens völlig in Übereinstimmung mit der Beschlusslage in der Kultusministerkonferenz,
die in ihrer Vereinbarung über die Schularten und Bildungsgänge im Sekundarbereich I vom 3. Dezember 1993 festlegt - ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin: "Am Gymnasium kann am Ende der Jahrgangstufe 10 nach den Bestimmungen der Länder der mittlere Schulabschluss oder ein ihm gleichgestellter Abschluss erworben werden."
Wenn wir nicht wollen, dass zwischen unseren Gymnasien und den Regelschulen eine erhebliche Schieflage entsteht und Schülerinnen und Schüler bzw. deren Eltern in weit größerer Zahl, als dies durch die individuelle Neigung und Leistungsfähigkeit gerechtfertigt wäre, eine Schullaufbahn am Gymnasium wählen, dürfen wir nicht zulassen, dass der mittlere Schulabschluss der Beliebigkeit unterfällt oder gar am Gymnasium einfacher zu erlangen ist als an der Regelschule.
Und ich darf an dieser Stelle - mit Erlaubnis der Präsidentin - aus einem Brief von Regelschulleitern zitieren. Sie fragen in aller Deutlichkeit: "Ist das gegenwärtige Geschrei nach Realschulabschlüssen an Gymnasien nicht nur der Schrei derer, die die falsche Laufbahnentscheidung getroffen haben?"
Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben von der PDS einen zweiten Antrag zum gleichen Thema und mit vergleichbarer Zielrichtung auf der Tagesordnung. Auch er verweist auf die Notwendigkeit, dass den Schülerinnen und Schülern, die zum Ende des Schuljahres 2002/2003 ihren Abschluss anstreben, Rechtssicherheit hinsichtlich der gesetzlichen Regelungen gegeben werden muss. Ich glaube, es besteht Einigkeit in diesem Haus, dass wir bereits diesen Schülern diese Möglichkeit zum Erwerb von Abschlüssen einräumen wollen. Unsere Bemühungen müssen deshalb darauf zielen, notwendige Regelungen zu schaffen, bevor die Zeit der Prüfungsvorbereitungen und der Prüfungen gekommen ist. Wie diese Regelungen im Einzelnen aussehen könnten, wird unter anderem im Kultusministerium bereits geprüft und über den Sommer sorgfältig auszuarbeiten sein, so dass Eltern, Schüler und Lehrer sich rechtzeitig auf die neuen Bedingungen einstellen können. Zu der notwendigen Detailarbeit liefern die vorliegenden Anträge von SPD und PDS keinen einzigen Beitrag.
Schnelle Lösungen zu fordern und gleichzeitig nur im Allgemeinen zu bleiben, das passt schlecht zusammen.
Das Kultusministerium plant für den August und den September die Durchführung von Regionalkonferenzen in den Schulamtsbereichen und die Durchführung eines Bildungssymposiums Ende September. Die laufende Auswertung der Anhörung zur Novelle des Thüringer Schulgesetzes wird auch auf diesem Weg erheblich an Qualität gewinnen. Eine Notwendigkeit zum Abkoppeln der Diskussion um die Abschlüsse an Gymnasien und Regelschulen von der umfassenden Überarbeitung des Schulgesetzes besteht nicht. Sie wird auch der Bedeutung der im Zusammenhang stehenden Änderungen im Gesetz nicht gerecht.
Wenn wir die veränderte Schuleingangsphase wollen, den Fremdsprachenunterricht an den Grundschulen obligatorisch machen und Praxisklassen sowie freiwillige 10. Klassen für Schüler mit Hauptschulabschluss an der Regelschule einführen wollen, wenn wir die einjährige Berufsfachschule für Schüler mit Hauptschulabschluss und ohne Ausbildungsverhältnis neu einführen, die Regelungen zur Festlegung der Schulbezirke öffnen, die Selbständigkeit der Schulen erhöhen wollen und die Partnerschaft zwischen Schule sowie Kinder- und Jugendhilfe fördern wollen - ich nennen hier nur einige Beispiele aus dem anstehenden Gesetzesvorhaben -, so geht es uns um ein ganzes Maßnahmebündel, mit dem die Zukunftsfähigkeit des Thüringer Bildungswesens auch weiterhin gesichert werden soll. Es muss uns um den bildungspolitischen und vor allem bildungsplanerischen Zusammenhang gehen und wir dürfen die Komplexität und Sensibilität des Schulsystems in seiner Gesamtheit nicht aus den Augen verlieren,
indem wir uns auf das Bedienen von einzelnen Gruppeninteressen beschränken. Deshalb ist es mir wichtig, gerade anlässlich zweier Anträge der Opposition zum mittleren Schulabschluss am Gymnasium ausdrücklich auf notwendige Maßnahmen zur weiteren Stärkung unserer Regelschulen hinzuweisen.
Die überwiegende Mehrheit unserer Schülerinnen und Schüler besucht diese Schulart, die deswegen, aber auch wegen ihrer innovativen und zukunftsfähigen inhaltlichen Ausrichtung und Struktur zu Recht als das Herzstück unseres Schulwesens bezeichnet wird. Hier Weiterentwicklung in den Blick zu nehmen muss über gesetzliche Regelungen hinaus z.B. auch die Überprüfung der Stundentafeln und des Systems der Wahlpflichtfächer sowie die Intensivierung des Förderunterrichts umfassen.
Auch wird zu überlegen sein, wie die Bedingungen für additive und integrative Organisationsformen des Unterrichts zukünftig gestaltet werden sollten.
Es sind Fragen zu stellen hinsichtlich der Verbesserung der Zusammenarbeit der Regelschulen mit unterschiedlichen Kooperationspartnern, insbesondere den Berufsschulen und der regionalen Wirtschaft. Hier müssen wir an den identifizierten Stärken unserer Schüler ansetzen, wie sie im vergangenen Winter in der vom Kultusministerium in Auftrag gegebenen Studie zur Ausbildungsfähigkeit der Regelschüler deutlich zu Tage getreten sind. Das vorhandene Lern- und Leistungspotenzial in den Bereichen Kreativität, Kommunikations- und Teamfähigkeit ist bei der notwendigen Verbesserung der Sachkompetenzen vorrangig zu nutzen, sowohl von Regelschulen als auch von Ausbildungseinrichtungen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Qualitätssicherung und -entwicklung sind auch der Maßstab zur Weiterentwicklung der gymnasialen Oberstufe. Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal die Frage des mittleren Abschlusses am Gymnasium aufgreifen, birgt sie doch in der Qualitätsdebatte die Gefahr in sich, dass wir das Pferd von hinten aufzäumen und über Auffangnetze sprechen, wo doch in der weit überwiegenden Mehrzahl Schüler das Bild des Gymnasiums prägen, die den Leistungsanforderungen der gymnasialen Oberstufe sehr wohl entsprechen.
Auch deren Interesse an einer verbindlichen Zwischenbilanz am Ende der Klassenstufe 10 sollte geweckt werden. Das setzt voraus, dass auch für diese Mehrheit der Schüler eine solche Regelung einen Mehrwert darstellt, einen Gewinn im Sinne einer Stufe der Qualifizierung auf dem Weg zum Abitur, im Sinne einer allgemeinbildungsorientierten Zwischenbilanz.
Das ist auch und gerade deshalb sinnvoll, weil mit dem Übergang zur Kursstufe auch der Übergang zur Spezialisierung der Schüler vollzogen wird. Hier können entscheidende Hinweise für die individuelle Planung der Oberstufe erwartet werden, die auch unter dem Aspekt der notwendigen Überprüfung des Kurssystems insgesamt von Bedeutung sind. Hat doch die von der Universität Erfurt kürzlich für uns erarbeitete Studie zum Kurswahlverhalten unserer Abiturienten gezeigt, dass eine Profilierung des Kurssystems hinsichtlich der Belegungspflichten und Abwahlmöglichkeiten anzustreben ist. Auch daran wird gearbeitet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Fragen der Weiterentwicklung des Bildungswesens stellen sich nicht nur im Kontext unseres Landes. So sind die soeben disku
tierten Fragen auch im Zusammenhang mit dem jüngsten Beschluss der Kultusministerkonferenz zu sehen, in dem Bildungsstandards und Vergleichstests vereinbart wurden. Der von Thüringen bereits vorbereitete Weg, Kompetenztests in den Klassenstufen 3 und 6 einzuführen, ist Teil einer Qualitätssicherungs- und -entwicklungskonzeption, in die sich der hier thematisierte mittlere Abschluss am Gymnasium auch einfügen muss.
Die Fragen, die uns bewegen, erfordern abgestimmte Antworten. Wir sollten uns die Zeit nehmen, diesen Fragen in der gebotenen Tiefe nachzugehen. Es wird der Thüringer Schule nicht gerecht, wenn sie schlechtgeredet und der Beliebigkeit unterworfen wird.
Es wird der hervorragenden Arbeit der weit überwiegenden Mehrheit der Lehrerinnen und Lehrer genauso wenig gerecht
wie der motivierten, leistungsbereiten Mehrzahl unserer Schüler und der konstruktiven Einstellung der meisten Eltern.
sie bieten jedoch kaum die Gewähr für langfristig tragbare Konzepte, Herr Döring. Genau diese sind es jedoch, die wir in erster Linie unseren Schülern, aber auch allen anderen an Schule Beteiligten schuldig sind. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Verehrte Damen und Herren, warum hörte sich der Schlussapplaus wie das Trommeln im Walde an oder das Pfeifen im Walde?
Verehrter Herr Minister, warum wirkte das auf mich so sehr aufgesagt, so wenig glaubwürdig, so viel abgelesen, so vorgetragen, als wenn es gar nicht von Ihnen mit persönlicher Überzeugung hier vertreten wird?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich habe mich zu Wort gemeldet zu unserem Entschließungsantrag Drucksache 3/2487.