Protokoll der Sitzung vom 14.06.2002

Weil das Ergebnis, wenn man hier vorn steht und jetzt schon Ihre Zufriedenheit sieht, weil Sie schon wissen, wie das Ergebnis sein wird. Es macht es nur so traurig und so zynisch, weil es über die Menschen hinweggeht, meine Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Das sind Unterstellungen!)

Das mögen Unterstellungen sein, Herr Zeh. Die Lehrer, die Eltern und die Schüler sehen es anders.

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Sie sprechen doch nicht für alle Lehrer?)

Die Lehrer, ja. Eine große Anzahl von Lehrerinnen und Lehrern fühlt sich nicht wohl und sich in diesem Landtag, in der Mehrheit des Landtags, zurzeit nicht gerecht behandelt.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Obwohl sich unser Entschließungsantrag auf einen Antrag zum Erwerb von Abschlüssen im Realschulbildungsgang und im gymnasialen Bildungsgang bezieht, ist das Problem der Schulabschlüsse nicht ausschlaggebend für den Entschließungsantrag über die Entlassung des Kultusministers. Auch die Verletzung der Rechte von Schülerinnen und Schülern im Schulamtsbezirk Weimar ist nicht der Hauptgrund für unsere Entschließung. Unabhängig davon, ob ich Herrn Dr. Krapp als Mensch sympathisch finde

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Och!)

oder ob ich ihn nicht sympathisch finde, ob ich mit ihm gut klarkomme oder auch nicht, nein, darum geht es nicht. Vielmehr geht es darum, dass Herr Dr. Krapp seine Ministerverantwortung insgesamt nicht wahrzunehmen in der Lage ist und deshalb entlassen werden muss.

(Beifall bei der PDS)

Das ist der Kern unseres Antrags.

Am 1. Oktober 1999 gab der Ministerpräsident auf der konstituierenden Plenarsitzung die Ernennung von Dr. Michael Krapp zum Kultusminister von Thüringen bekannt. Er leistete dann seinen Amtseid und heute müssen wir die

Amtsausübung analysieren. Ohne mich in Einzelheiten verlieren zu wollen, nur im Sinne der Bitte von Dr. Vogel auf der ersten Sitzung des Landtags: Die Opposition bitte ich um kritische Begleitung. Nicht berücksichtigen will ich bei dieser Analyse die Medienpolitik, denn für uns versagt der Minister mit seiner Verantwortung für die Bildungspolitik. Als Minister für Kultus debütierte Dr. Krapp in der Haushaltsdebatte für das Haushaltsjahr 2000. Er ging davon aus, Thüringen habe ein leistungsstarkes gegliedertes Schulsystem und stabile strukturelle Rahmenbedingungen, also eine solide Ausgangsbasis.

(Zwischenruf Abg. Schwäblein, CDU: Richtig.)

Das war ein Irrtum, der heute keinem Thüringer mehr verborgen geblieben ist und den die Opposition schon damals ansprach. Das hier zu erwähnen, ist aber deshalb notwendig, weil das von Herrn Krapp übernommene Erbe seines Vorgängers Althaus erhebliche Mängel aufwies.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Richtig.)

Für diese Mängel trägt natürlich Althaus und nicht Krapp die Verantwortung und insoweit wäre Krapp entlastet. Dr. Krapp kann und muss aber vorgeworfen werden, diese Mängel nicht rechtzeitig und teilweise bis heute nicht erkannt zu haben.

(Beifall bei der PDS)

Es erfolgte kein Umsteuern in der Bildungspolitik und bezogen auf die damalige Haushaltsdebatte für das Jahr 2000 ist Herrn Krapp vorzuwerfen, er beugte sich hier erstmals dem Sparkurs von Ministerpräsident Dr. Vogel und Minister Trautvetter.

(Zwischenruf Ministerpräsident Dr. Vogel: Unerhört.)

Das finde ich auch, Herr Dr. Vogel, dass er sich dem untergeordnet hat, denn vor den Schülern hat er etwas anderes behauptet: Die Opposition sei Schuld gewesen. In Wirklichkeit waren das die Vorgaben von Ihnen und Herrn Trautvetter. Sie haben aber noch damals in Ihrer Regierungserklärung von 700 Neueinstellungen von Lehrkräften gesprochen. Das kann man nachlesen, Herr Ministerpräsident. Das mag Ihnen unangenehm sein, dass Sie mal so etwas vor diesem hohen Haus versprochen haben und dass dann anschließend von Herrn Krapp gesagt worden ist, man habe nicht genügend Bewerbungen gefunden. Auf der Sitzung im Mai 2000 musste dann die Zusage auf 700 Neueinstellungen wieder aus der Welt geschaffen werden.

(Zwischenruf Abg. Krauße, CDU: Was redet der denn für einen Schmarren?)

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Wie immer.)

Wir können es gern nachlesen, ob 700 Neueinstellungen zugesagt waren. Der Einstellungskorridor - Herr Trautvetter hat es begriffen. Also, statt 700 Neueinstellungen organisierte er den Personalabbau bei Pädagogen über einen kontraproduktiven Stellenabbaupfad. Überhaupt unterlag Krapp der Illusion, man schafft mehr Computer in die Schulen und besorgt Internetanschlüsse und in Bildung und Erziehung der Schülerinnen und Schüler wird alles gut - ein konzeptioneller und folgenreicher Irrtum.

Wenn in der 3. Legislaturperiode im Landtag Bildungspolitik zur Debatte stand, dann auf Initiative der Opposition. Es gab nur eine Ausnahme, auf die komme ich noch zurück. Seitens der Landesregierung wurde nicht ein einziger Gesetzesantrag eingebracht. Das bedeutet, man sah keinen Reform- bzw. Verbesserungsbedarf. Es herrschte Reformstau oder, anders gesagt, reale Stagnation. Die Opposition, ob PDS oder SPD, brachte zahlreiche schriftliche oder mündliche Anfragen zur Bildungspolitik ein. Sie stellte Anträge und setzte Aktuelle Stunden auf die Tagesordnung. So wurden ständig bildungspolitische Debatten ausgelöst, die den Unwillen der Regierungsfraktion erregten und diese oft genervt reagieren ließ. Man sah sich, wie der Minister, gestört beim Verharren in der Meinung, alles ist gut. Nur einmal ergriff die Landesregierung die Initiative, sie gab am 26. Januar 2001 die Regierungserklärung "Zukunft durch Bildung - Bildung der Zukunft" ab.

Entgegen dem der Überschrift nahe liegenden Anschein wurden die wirklichen Probleme in der Thüringer Bildungslandschaft kaum angesprochen. Selbstzufrieden wurde ausgeführt, pro Schüler geben wir in Thüringen jährlich 10.000 DM aus und damit seien wir die Spitze bei den neuen Bundesländern. Von Realismus war wenig erkennbar und zutreffend sprach der SPD-Abgeordnete Döring das Wort vom Wolkenkuckucksheim aus. Noch konnte keiner ahnen, dass die Realitätsferne eine solch große Dimension aufwies, wie sie später sichtbar wurde. Ich nenne nur die Stichworte: Überstunden in der Berufsschule, Schulausfall in der Berufsschule, PISA-Studie, Gutenberg-Gymnasium usw. Unkritisch, fast blind, verfolgte man den einmal eingeschlagenen Weg. Man redete sich selbst einen Bildungsstandortvorteil ein. Das Denken wurde nicht auf bessere Varianten oder Alternativen orientiert. Dafür trägt natürlich der Minister nicht die alleinige Verantwortung, aber als Minister eben die Hauptverantwortung.

Was muss eigentlich in Thüringen noch passieren, damit das Bildungssystem verbessert wird? Es gab die Katastrophe am Gutenberg-Gymnasium, die sicherlich nicht kausal...

(Unruhe bei der CDU)

Schreien Sie nur rum, nennen Sie das nur "schamlos", aber erlauben Sie mir, den Satz zu Ende zu führen, dann könnten Sie sich wieder abregen. Aber Sie sitzen hier so

wieso nur als Verteidigung der Regierung, nicht als mitdiskutierende Abgeordnete.

(Beifall bei der PDS, SPD)

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: So ein Flegel.)

(Unruhe bei der CDU)

Sie sind wirklich zwischendrin mit Schreihälsen versetzt, das ist unglaublich.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Meine Herren!)

Es gab die Katastrophe am Gutenberg-Gymnasium, die sicherlich nicht kausal aus Mängeln der Schulpolitik erklärt werden kann, die aber solche Mängel deutlich hervorhob. Ich denke dabei an das Problem der Schulabschlüsse, über das wir gerade intensiv geredet haben und das auch eingeräumt wurde, an den Umgang mit Schülern an den Schulen, an unzureichende Förderung der Schüler usw. Übrigens fiel der Minister ob seines Führungsstils, denn ein Lavieren und Durchmogeln ist eben kein Führungsstil, im Zusammenhang mit der genannten Katastrophe äußerst unangenehm auf. Er verlor dann in der einsetzenden Bildungsdebatte das Vertrauen von Schülern, Eltern und Pädagogen,

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Da biegen sich die Balken.)

weil seine Antworten auf die dringenden Fragen nur als zynisches "weiter so" zu verstehen waren und verstanden wurden. Eben haben wir gerade wieder so einen Vortrag hier gehalten bekommen. Warum glauben das die Menschen draußen nur einfach nicht, was er sagt?

Meine Damen und Herren Abgeordneten, in den drei Wahlperioden des Thüringer Landtags gab es bisher noch nie eine solche Flut von Briefen, Zuschriften, Protesten und Kritiken aller Art, wie in der letzten Zeit und noch jetzt. Die Bildungspolitik der Landesregierung wird nicht nur kritisch betrachtet, sie wird auch abgelehnt. Es wird entschieden eine Änderung eingefordert. Ich erinnere auch an die Demonstration Tausender Schüler in Erfurt am 7. Mai unter dem Motto "Schrei nach Veränderung". Die Thüringer fragen: Wo bleibt die Veränderung?

(Beifall bei der PDS)

Da wurde im Januar der Antrag auf eine Enquetekommission zur Bildung abgelehnt, was die CDU heute zu wiederholen angekündigt hat. Das, Herr Minister und Herr Ministerpräsident, bedeutet Stillstand, Warten, Nichtstun. Man vertrödelt trotz dringendem Handlungsbedarf die Zeit. Auch dafür trägt der Kultusminister eine große Verantwortung. Niemand in Thüringen traut ihm zu, dass er eine

Reform von Bildung und Erziehung in Gang setzt. Er hat keine Ideen, er hat keine Durchsetzungsfähigkeit und er hat kein Vertrauen der Schüler, Eltern und Pädagogen.

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Sie können frei reden.)

Wenn das so ist, wie es ist, dann muss das Ministeramt neu besetzt werden.

(Beifall bei der PDS)

Herr Ministerpräsident, handeln Sie endlich. Die Thüringer Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und Eltern haben etwas Besseres verdient, einen Neuanfang, der auch personell zu spüren sein muss.

Meine Damen und Herren in der mittleren Sitzreihe, Rechthaberei kann warten, unsere Kinder nicht.

(Beifall bei der PDS)

Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Döring zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, in seinem offenen Brief an den Ministerpräsidenten schreibt Christoph Matschie, der Landesvorsitzende der SPD Thüringen:

(Unruhe bei der CDU)