Protokoll der Sitzung vom 14.06.2002

(Unruhe bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Lesestunde oder was?)

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU: Der ist doch uninteressant.)

"Die Thüringer SPD hat sich nach dem 26. April zunächst sehr zurückhaltend zur oftmals - lassen Sie mich zurückhaltend formulieren - nicht gerade glücklichen Rolle des Thüringer Kultusministers verhalten. Ich war und bin überzeugt, dass die im Thüringer Landtag vertretenen Parteien das brennende gesellschaftliche Problem von Bildung und Erziehung gemeinsam in konstruktiver Weise lösen können. Ich habe auch geglaubt, dass dieses gemeinsam mit Ihrem Kultusminister Herrn Krapp geschehen kann."

Doch nach einem Rückblick auf die letzten Ereignisse und Vorfälle in Thüringer Schulen kommt der Landesvorsitzende ebenso wie meine Fraktion zu dem Schluss: "Ich bin überzeugt, dass es einen Neuanfang in der Thüringer Bildungspolitik geben muss. Ein solcher Neuanfang ist aber mit Minister Krapp nicht mehr glaubhaft möglich." Diese Auffassung teilen mittlerweile, wie uns eine große Anzahl von Zuschriften zeigt, neben vielen Pädagogen und

Eltern auch breite Kreise der Öffentlichkeit, Verbände und Organisationen. Wenn Presseberichte zutreffen, so bewegen Herrn Krapp selbst Rücktrittsüberlegungen, das respektieren und achten wir.

(Unruhe bei der CDU)

Herr Abgeordneter Döring, wir warten erst einmal, bis sich die Mitglieder des hohen Hauses beruhigt haben, damit man Ihnen zuhören kann.

Meine Damen und Herren, Sie haben es wohl noch gar nicht gemerkt, ich habe Herrn Matschie mit einem Satz zitiert, soll ich dann sagen, Anführungsstriche oben oder was, ehe Sie das mitbekommen? Meine Damen und Herren, wenn Presseberichte zutreffen, so bewegen Herrn Krapp selbst Rücktrittsüberlegungen und das respektieren und achten wir. Wir geben uns aber keinen Illusionen hin, der Ministerpräsident hat bereits im Vorhinein in einer Äußerung im Fernsehen ohne jede sachliche Argumentation Rücktrittsforderungen als oppositionelles Ritual diskreditiert. Mit keinem Wort ist er dabei auf die berechtigten Sorgen breiter Kreise der Bürgerinnen und Bürger über die Schulkrise in Thüringen eingegangen. Offensichtlich befürchtet er, dass die Fehlleistungen anderer Minister dann zu ähnlich berechtigten Forderungen nach personellen Veränderungen führen könnten.

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Was ist mit einem Antrag bezüglich Scharping?)

Deshalb breitet er ein Schutzschild über seine Ministerriege aus und wird sicher auch kritische Stimmen in der CDUFraktion zur Raison bringen. Wir müssen uns schon die Frage stellen, was denn im Thüringer Schulwesen noch alles passieren muss, bevor umgesteuert wird. Das fragen sich mit uns nicht nur Lehrer, Schüler, sondern auch eine breite Öffentlichkeit. Ich erspare mir an dieser Stelle die Aufzählung der langen Liste von Fehlleistungen des Kultusministers. Wir werden den vorliegenden Entschließungsantrag unterstützen.

Noch wichtiger ist uns allerdings die aus seinem Rücktritt erwachsenden Chancen für einen Kurswechsel in der Thüringer Bildungspolitik. Dementsprechend appelliert unser Landesvorsitzender in seinem offenen Brief, ich zitiere: "Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ich möchte Ihnen im Namen der SPD anbieten, gemeinsam vorurteilsfrei über notwendige Neuorientierungen der Thüringer Bildungslandschaft zu reden. Lassen Sie uns versuchen, einen Bildungskonsens der Demokraten in Thüringen herzustellen, ein Konsens, der ungeachtet der jeweiligen Mehrheitsverhältnisse im Thüringer Landtag tragfähig bleibt. Herr Krapp tut gut daran, dafür den Weg frei zu machen."

(Beifall bei der PDS, SPD)

Für die PDS-Fraktion hat sich zu dem Thema Entschließungsantrag noch einmal Frau Abgeordnete Sojka gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Althaus, ich freue mich, dass Sie das Thema doch noch zu interessieren scheint. Herr Emde, für Sie ganz speziell noch einmal die erste Zeile unseres Antrags, sie heißt: "Die Landesregierung wird aufgefordert, dem Landtag Entwürfe rechtlicher Regelungen zu unterbreiten, die es erlauben..." usw. usf. Ich bin übrigens auch Kommunalpolitikerin und deswegen auch ganz pragmatisch. Wenn wir das heute beschließen, können wir im August inhaltlich darüber reden.

(Zwischenruf Abg. Zitzmann, CDU: Ach, hört auf.)

Gerade wegen der Notwendigkeit eines überfraktionellen Konsens haben wir keine konkreten Vorschläge, die wir durchaus haben, in den Antrag hineinformuliert, um eben hier kein parteipolitisches Hickhack zu veranstalten, sondern um den Fachausschuss inhaltlich arbeiten zu lassen und es dann dem Landtag vorzulegen.

(Unruhe bei der CDU)

Frau Abgeordnete, einen Moment bitte. Ich habe vorhin schon darauf hingewiesen, dass die Zuhörer im Hause auch zuhören sollten, das hat übrigens auch etwas mit Bildung zu tun. Das könnte ich auch mit einem Zitat belegen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Die berühmte Werteerziehung.

Um eben hier kein parteipolitisches Hickhack zu veranstalten, sondern um den Fachausschuss inhaltlich arbeiten zu lassen und es dann dem Landtag vorzulegen, genau deshalb haben wir den Antrag so formuliert. Noch einmal: "Die Landesregierung wird aufgefordert, dem Landtag Entwürfe rechtlicher Regelungen zu unterbreiten." Wenn Ihrem Antrag auf Ausschussüberweisung gefolgt würde, hieße das, im August darüber zu reden, ob gearbeitet werden soll. Welch Unsinn! Seit April spielt das Thema PISAAbschlüsse in unserem Ausschuss Bildung und Medien überhaupt keine Rolle. Es wird Zeit!

(Zwischenruf Dr. Krapp, Kultusminister: Wer ist denn Ausschussvorsitzende?)

Drittens: Auf die Novelle zu warten, Herr Krapp, das wiederum heißt, im September in die ersten und meist einzigen Elternversammlungen eines Schuljahres in die Klassen hineinzugehen und wieder als Lehrer keine Aussagen treffen zu können über das, was die älteren Schüler am Jahresende erwartet.

(Beifall bei der PDS)

Welche Auswirkungen das haben kann, habe ich gestern, glaube ich, plastisch beschrieben. Also, Herr Krapp, schafft es die Landesregierung trotz Urlaub eine Vorlage bis August vorzulegen, über die wir im Ausschuss reden können oder nicht? Lassen Sie uns ohne parteipolitisches Geplänkel zügig arbeiten. Wir fordern namentliche Abstimmung! Oder machen Sie den Stuhl frei!

(Beifall bei der PDS)

Herr Abgeordneter Althaus, Sie hatten sich jetzt zu Wort gemeldet? Dann ist Ihre Redemeldung jetzt dran.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin, mein Eindruck in den letzten Wochen hat sich am heutigen Tag weiter verfestigt. Dass Sie Ihre bildungspolitischen Ideologien in Thüringen nicht durchsetzen konnten und können, hat Sie immer schwer getroffen und deswegen suchen Sie jede Möglichkeit, um die Thüringer Bildungspolitik schlecht zu reden.

(Beifall bei der CDU)

Thüringen hat unter den jungen Ländern und in Deutschland eines der anerkanntesten Bildungssysteme

(Beifall bei der CDU)

und unsere jungen Menschen werden mit großer Freude an deutschen Universitäten, z.B. als Absolventen der Gymnasien, aufgenommen und sie studieren erfolgreich.

(Beifall bei der CDU)

Sie werden in wenigen Tagen, so hoffe ich, über PISA-E erfahren, dass Sie guten Grund hätten, in den Ländern etwas zu tun, wo Sie mitregieren.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Sehr gut.)

(Beifall bei der CDU)

Zur SPD-Fraktion sage ich: Wir haben eine Krise in diesem Land; das ist aber keine Schulkrise, das ist eine SPDKrise. Sie sollten inhaltlich wieder arbeiten, statt sich zu unsinnigen Anträgen zu versteifen.

(Beifall bei der CDU)

Ich finde es abenteuerlich und gefährlich, dass Sie, Herr Ramelow, in der Rede zu diesem Entschließungsantrag allein schon das Wort Gutenberg-Gymnasium mit aufnehmen, weil es in fataler Weise deutlich macht, was ich von Anfang an befürchtet habe, dass Sie diese schlimme Bluttat ebenfalls instrumentalisieren und ein politisches Süppchen kochen.

(Zwischenruf Abg. Arenhövel, CDU: Jawohl.)

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Unfass- bar!)

(Beifall bei der CDU)

Lesen Sie sich bitte noch einmal die Reden der Bischöfe durch und bleiben Sie bitte auf dem Boden der Realität und instrumentalisieren Sie nicht eine so schlimme Tat, weil damit weder den Opfern noch den Angehörigen, noch den Lehrerinnen und Lehrern ein Recht angetan wird.

(Beifall bei der CDU)

Ich will auch gern noch einen ganz deutlichen Satz sagen: Die Lehrerinnen und Lehrer in diesem Land, die in einer schwierigen Situation, wo sie stark angefragt wurden, wo sie auch viel Neues zu bewältigen hatten, dieses neue Bildungssystem vom ersten Tag an inhaltlich getragen und aufgebaut haben, die sich in schwierigen Zeiten auf Neues eingestellt haben, die in einer schwierigen demographischen Situation, in der wir uns befinden, solidarisch waren, haben mehr Solidarität aus diesem Haus verdient als zu sagen, wir wären in einer Bildungskrise. Wir sind in einer ganz anderen Krise, nämlich in einer Schlechtredekrise. Sie reden das Land schlecht, die Lehrerinnen und Lehrer und damit die Thüringer Schulen.

(Beifall bei der CDU)

Sehr geehrter Herr Ramelow, Sie können sich ja drehen und wenden, wie Sie wollen, aber im Entschließungsantrag stehen nun einmal all die Inhalte und das können Sie dann nicht überhöhen durch irgendeinen Satz, sondern Sie müssen schon die Begründung Satz für Satz auch hier vortragen oder zumindest respektieren, dass wir diesen Satz, der in der Begründung steht, jeden Einzelnen ernst nehmen. Da ist all das aufgeführt, was in der derzeitigen aktuellen politischen Debatte auch im Land sehr zu Recht diskutiert wird. Nur, mein Eindruck war nach der Diskussion im letzten Plenum, dass es in Deutschland und konkret in Thüringen doch darum geht, eine ganz grundsätzliche Debatte um den Wert von Erziehung und Bil

dung zu führen. Das ist weit mehr als Schule, das betrifft die Familien, das betrifft die Kindertagesstätten, das betrifft die Lehrerausbildung, das betrifft die Medien, das betrifft die Schule, das betrifft die Ausbildung und auch das lebenslange Lernen. Da Sie alle Ihre Anträge nur auf Schule verengen einschließlich der Enquetekommissionsanträge ist es ganz deutlich, dass Sie ein parteipolitisches Süppchen kochen und eben nicht diese grundsätzliche Debatte befördern wollen.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen bleiben wir auch mit unserem Antrag zur Enquetekommission, der im August eingereicht wird, bei dieser grundsätzlichen Debatte, weil wir glauben, dass Schule seine Aufgabe nur gut erfüllen kann, wenn auch in der Gesellschaft der Konsens existiert, dass Erziehung und Bildung Vorleistungen und Mitleistungen braucht. Diese Vor- und Mitleistung kann nicht durch Schule allein geleistet werden, sondern sie wird durch die vielen geleistet, die in dieser Gesellschaft für junge Menschen mit die Verantwortung tragen, das sind die Eltern, das sind die Medien, das sind alle gesellschaftlichen Gruppen, die sich in diesem Land um Erziehung, Bildung und Jugendarbeit bemühen. Deswegen werden wir diese Grundsatzdebatte führen. Wir werden es nicht zulassen, dass in den nächsten anderthalb Jahren immer wieder auf Schule verengt wird, weil Thüringen ein hervorragendes, ein leistungsfähiges und beispielgebendes Schulsystem in Deutschland aufgebaut hat.