Protokoll der Sitzung vom 14.06.2002

Deswegen bleiben wir auch mit unserem Antrag zur Enquetekommission, der im August eingereicht wird, bei dieser grundsätzlichen Debatte, weil wir glauben, dass Schule seine Aufgabe nur gut erfüllen kann, wenn auch in der Gesellschaft der Konsens existiert, dass Erziehung und Bildung Vorleistungen und Mitleistungen braucht. Diese Vor- und Mitleistung kann nicht durch Schule allein geleistet werden, sondern sie wird durch die vielen geleistet, die in dieser Gesellschaft für junge Menschen mit die Verantwortung tragen, das sind die Eltern, das sind die Medien, das sind alle gesellschaftlichen Gruppen, die sich in diesem Land um Erziehung, Bildung und Jugendarbeit bemühen. Deswegen werden wir diese Grundsatzdebatte führen. Wir werden es nicht zulassen, dass in den nächsten anderthalb Jahren immer wieder auf Schule verengt wird, weil Thüringen ein hervorragendes, ein leistungsfähiges und beispielgebendes Schulsystem in Deutschland aufgebaut hat.

(Beifall bei der CDU)

Nehmen Sie doch bitte zur Kenntnis, bei allen Problemen, die ich sehe, die ich kenne, auch um den Schulausfall, Thüringen hat, wenn es um die Frage der Stundentafel geht, nach Bayern die höchste Unterrichtsstundenzahl in ganz Deutschland. Das ist Einsatz für Bildung, der kostet Geld, den haben wir immer gewollt und den wollen wir auch in Zukunft.

(Beifall bei der CDU)

Trotzdem ist jede Stunde, die ausfällt, zu viel. Das weiß ich. Aber gehen Sie doch in die Länder, wo von vornherein 5 Prozent Ausfall mit geplant wird und dort die Statistik anfängt und fangen Sie nicht bei uns an. Wenn wir eine der höchsten Stundentafeln haben, dann hat das auch seinen Preis. Gerade in einer schwierigen demographischen Entwicklung müssten Sie mithelfen, dass wir diese Probleme meistern, statt Salz in eine Wunde zu streuen, die abheilen muss.

Ich will ein ganz deutliches Wort auch an Sie als Vorsitzender und ehemaligen Gewerkschaftler sagen: Unter dieser neuen Bundesregierung ist zum ersten Mal ein Tarifabschluss zustande gekommen, der keine Angleichung zwischen Ost und West im öffentlichen Dienst zur Folge hatte. Das ist eine Fehlentwicklung, weil dadurch unser Problem

im Blick auf Lehrer, auf Polizisten und all die anderen öffentlich Bediensteten in Deutschland noch erhöht wurde. Da hätten Sie stärker kämpfen sollen.

(Beifall bei der CDU)

Nun noch einmal, weil es hier wieder steht, 13 Prozent Schüler ohne Hauptschulabschluss. Ich weiß, dass Statistiken natürlich auch interpretiert werden müssen, jede Statistik, gerade auch Statistiken, die die Kultusministerkonferenz sehr zu Recht erhebt. Man kann nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Deswegen sage ich hier noch einmal: Wir liegen genau auf dem deutschlandweiten Niveau mit gut 9 Prozent, wenn man die Schülerinnen und Schüler betrachtet, die wirklich ohne Hauptschulabschluss, sprich die Hauptschule vor der Klasse 9 verlassen. Wir sind da auf dem normalen Level. Dass Sie immer wieder z.B. die Schülerinnen und Schüler, die die Lernbehindertenschulen verlassen, die nach Klasse 10 oder 11 das Gymnasium verlassen, mit in den Nichtabschluss hineindefinieren, macht für mich deutlich, dass Sie keine Ahnung von der konkreten Materie haben.

(Beifall bei der CDU)

Oder Sie wollen es nicht.

(Unruhe bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Das liegt doch an euch.)

Ich kann Ihnen gern sagen, wie viele unsere Lernbehindertenschulen verlassen, 2,6 Prozent und um die müssen wir uns mühen, um viel mehr mühen mit der Wirtschaft.

(Beifall bei der CDU)

(Unruhe bei der PDS)

Wer das Gymnasium in Klasse 10 oder 11 verlässt, der hat natürlich die Berufsreife, kann jeden dualen Beruf anstreben und ihn auch ausführen und kann seine Ausbildung erfolgreich in Thüringen absolvieren. Das ist auch gängige Praxis in Thüringen.

(Beifall bei der CDU)

Ich will gern auch den großen Komplex, den Sie hier aufgeführt haben, zum Personal, ganz kurz aufgreifen, weil das nun wirklich an die Substanz geht. Es ist ja heute vom Bildungsexperten sehr deutlich geworden, wo das eigentliche Ziel Ihrer Bestrebungen liegt.

Herr Döring, dass weniger Bildungsexperten mitreden, ist vollkommen klar, es gibt nur einen Bildungsexperten in Thüringen, das sind selbstverständlich Sie. Diese Ehre müssen Sie auch in Zukunft bei sich behalten.

(Heiterkeit bei der CDU, SPD)

Aber dass die PDS in ihrem Antrag unter der Begründung schreibt: "Es fehlt an Kapazität für die Lehrerbildung, Massenkündigungen von Pädagogen sind unbegründet und wegen Kündigungsschutzklagen nicht durchsetzbar aber teuer, das herrschende Floatingsystem demotiviert die Pädagogen und senkt das Unterrichtsniveau", macht für mich fatalerweise deutlich, dass Sie nichts von der Dramatik verstanden haben, die mit unserer demographischen Entwicklung zusammenhängt.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben einen Schülerrückgang in wenigen Jahren von 60 Prozent, der innerhalb von vier Jahren in den Schulen zu bewältigen ist. In dieser Situation habe ich in großem Einvernehmen mit Gewerkschaften in diesem Land ein Floatingsystem vereinbart, das den Lehrerinnen und Lehrern ein solidarisches Modell anbieten wollte, das uns diese schwierigen Probleme gemeinsam überbrücken hilft. Ich bin dankbar, dass die Gewerkschaften mitgetragen haben und dass über 70 Prozent der Thüringer Lehrerinnen und Lehrer auf dieses solidarische Modell eingegangen sind.

(Beifall bei der CDU)

Ich weiß sehr wohl, wovon ich rede, wenn ich sage, natürlich bringt das auch Demotivation. Aber sehr geehrte Frau Sojka, erklären Sie einmal, wie Sie das Problem lösen würden, wenn Sie regieren wollten, was Gott verhindern möge.

(Beifall bei der CDU)

Erklären Sie das einmal - Sprüche, nichts als Sprüche. Schauen Sie sich Mecklenburg-Vorpommern an, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, selbst Sachsen, kein einziges Land hat ein so langfristiges, solidarisches und am Ende auch für jeden Einzelnen, der dieses Modell unterschreibt, wieder zur Vollbeschäftigung sicher führendes Modell erfolgreich absolviert. Kein einziges der eben genannten Länder, sondern sie haben alle nur auf Legislaturperioden geschaut und sich das Problem vom Hals geschafft, indem sie Zwei- oder Dreijahresverträge absolviert haben, z.B. 50 plus x und 60 plus x und im Jahr 2002, 2003 oder 2004 wird neu verhandelt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe 1996 die Verhandlung mit dem Ziel aufgenommen, kein Legislaturproblem daraus zu machen, sondern ein Problem zu lösen, das für die Lehrer positiv gelöst wird. Ich erwarte dafür Respekt von Ihnen. Von den Lehrerinnen und Lehrern wird es nämlich mitgetragen, aber Sie demotivieren die Lehrerinnen und Lehrer, indem Sie ihnen einreden, es gäbe auch andere Möglichkeiten. Nach meiner festen Überzeugung gibt es keine anderen Möglichkeiten und ich bin dankbar, dass so viele Floating unterschrieben haben.

(Beifall bei der CDU)

Nun will ich Ihnen auch ganz klar sagen, die nicht unterschrieben haben, da habe ich auch Respekt. Trotzdem, es gibt einen kleinen Teil der Lehrer, die haben über Jahre den Rücken an die Wand gestellt, die haben weder das erste Teilzeitmodell für sich überlegt noch das zweite Teilzeitmodell, noch das Floatingmodell. Manche hatten gute Gründe, aber manche haben auch schlicht abgewartet und sich auf dem Rücken der anderen Lehrerinnen und Lehrer ausgeruht. Dass da der Kultusminister handelt, halte ich für hoch verantwortlich.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie uns doch lieber darum streiten, wie wir junge Menschen in einem Land motivieren, wo Erziehung und Bildung selten diskutiert - und wenn, dann meist auf Stammtischniveau - wird, sich für den Beruf der Lehrerinnen und Lehrer zu entscheiden und wieder zu studieren.

(Beifall bei der CDU)

Das ist unser Problem. Wenn ein Ministerpräsident in diesen deutschen Landen Lehrer als faule Säcke bezeichnet hat und das die Biertischebene befruchtet hat, dann entscheiden sich eben immer weniger junge Menschen für diesen Beruf, der so wichtig ist.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben in ganz Deutschland das Problem, dass zu wenig Bewerber da sind.

(Heiterkeit Abg. Döring, SPD)

Herr Döring, Ihr Gelache verstehe ich überhaupt nicht, weil Sie es besser wissen sollten. Wir haben einen echten Standortnachteil, nicht nur Thüringen, sondern in allen jungen Ländern. Deswegen hat die Union als einzige Partei, ein Vierteljahr später dann auch die SPD, schon im letzten Jahr beschlossen, wir wollen die Tarifangleichung bis 2006, weil wir wissen, das ist für die Polizei, für die Lehrer und für eine gut funktionierende Verwaltung notwendig.

(Beifall bei der CDU)

Auch wenn es schwer zu tragen ist, auch das will ich deutlich sagen, und die jetzige Bundesregierung macht es uns ja nun wahrlich nicht leichter, wie wir gestern wieder umfassend beraten konnten. Ja, was wahr ist, muss auch wahr bleiben und muss auch gesagt werden.

(Unruhe bei der SPD)

(Zwischenruf aus der Fraktion der SPD)

Dass uns Rotgrün Fortschritte in Deutschland gebracht hat, kann man ja nun wirklich nicht behaupten.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie den letzten Platz in der europäischen Entwicklung als Fortschritt bezeichnen, dann mag das Ihrer Philosophie entsprechen - unserer nicht. Wir würden gern weiter vorn mitspielen in Europa.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe das gestern schon alles verstanden, auch die Nachhilfe in Sachen Steuerrecht. Ich glaube nur, dass die Realitäten anders sind, als sie Herr Höhn hier dargestellt hat.

Ich will den letzten Punkt noch aufnehmen, der ebenfalls nach meiner Auffassung fatal ist, dass er sich in dieser Begründung wiederfindet. Aber er drückt eben auch den Geist aus, aus dem Sie diesen Antrag geschrieben haben.

Schulamtsbezirk Weimar - gestern wurde darüber gesprochen. Ich sage hier ganz klar, ein ärgerlicher unentschuldbarer Vorgang, unverantwortlich von denen, die so etwas verantwortet haben.