Ich lege Wert darauf, dass man die Gründe abwägt und nicht einfach sagt, öfter mal etwas Neues und weil wir gestern so gesagt haben, müssen wir heute anders sagen. Wir wollen ändern, ich will das ausdrücklich noch mal betonen, aber wir wollen überlegt und nach gründlicher Diskussion ändern. Meine Damen und Herren, Thüringen kann sich mit seiner Schule, weiß Gott, sehen lassen. Thüringens Schulen brauchen den Vergleich mit keinem der anderen 15 Länder zu scheuen.
Wer nicht mit Scheuklappen durch die Diskussion läuft, sondern sich die Ländervergleiche anschaut, findet uns doch in sehr vielen Bereichen in guter und zum Teil in Spitzenposition. Stundentafel, das ist schon gesagt worden, unter der Bundesrepublik Deutschland, meine Damen und Herren, haben wir nach Bayern den zweiten Platz, in Nordrhein-Westfalen sind es mehr als 1.000 Schulstunden weniger, die den Schülern dort gegeben werden. Meine Damen und Herren, es hat ja auch etwas mit Kosten zu tun und deswegen, der Finanzaufwand je Schüler ist unter den neuen Ländern in Thüringen mit Abstand der größte.
Die Klassengrößen sind die kleinsten, die Dauer des Gymnasiums von 8 Jahren ist zum Leuchtturm geworden Sachsen und wir -, dass es jetzt schrittweise in allen anderen Ländern Deutschlands eingeführt wird. Die Lehrer
dichte, die Spezialgymnasien, meine Damen und Herren, die hohen Ansprüche an die Schulleistungen, das ist eine der wesentlichen Stärken unseres Schulsystems.
Wir novellieren, aber, meine Damen und Herren, wir haben überhaupt keinen Grund einen Neubeginn zu fordern. Das wäre ein großer Fehler.
Außerdem hätten es die vielen Tausend von Lehrerinnen und Lehrern, aber auch die Eltern und Schüler der letzten 10 Jahre nicht verdient, die unter großen Anstrengungen dieses Bildungswesen in Thüringen aufgebaut haben, das keinen Vergleich zu scheuen braucht. Auch dann nicht, wenn man an dieser oder jener Stelle in der Tat gut daran tut, eine Gesetzesnovellierung vorzusehen.
Es gab gestern eine Aktuelle Stunde hier wegen der ärgerlichen Vorgänge im Schulbezirk Weimar. Sie wissen, dass ich in Berlin zu sein hatte, darum gestatten Sie mir, weil das ja etwas mit den anderen Themen zu tun hat, hier eine Anmerkung zu machen. Es ist ein Fehler gemacht worden, ein sehr ärgerlicher Fehler, ein sehr bedauerlicher Fehler, es ist eindeutig das Schulgesetz und die Schulordnung nicht eingehalten worden und erstaunlicherweise auch der Grundsatz, der ja doch nicht an Schulen, sondern überall im Leben gilt, ist nicht eingehalten worden, dass man jede Prüfung einmal wiederholen kann, was richtig ist, selbst wenn es nicht klar und eindeutig im Schulgesetz stände. Es bleibt jetzt nur, soweit es noch möglich ist, denen gegenüber, die Schaden genommen haben, den Fehler wieder gutzumachen. Das Kultusministerium, der Kultusminister hat sich entschuldigt und ich bedaure es ebenfalls, was da vorgefallen ist, aber, meine Damen und Herren, das ist für mich kein Grund, von der dialogischen Schulaufsicht Abschied zu nehmen.
Mein niedersächsischer Ministerpräsidentenkollege Gabriel hat gestern unter großem Beifall gesagt: "Die deutschen Schulen brauchen mehr Freiheit und weniger Kultusministerkonferenz." Meine Damen und Herren, was heißt denn der Satz? Der Satz heißt doch, dass wir wollen, dass eigenständig verantwortet wird, und ich sehe deswegen trotz des ärgerlichen Vorgangs nicht den geringsten Grund, dass wir jetzt Kadavergehorsam an dessen Stelle einführen.
Nein, es bleibt bei der dialogischen Schulaufsicht. Nur, in einer solchen Situation muss man, das ist jedenfalls meine Auffassung, dem verantwortlichen Minister den Rücken stärken und darf ihm nicht Knüppel zwischen die Beine werfen. Es ist zwar ein beliebtes Ritual jeder Opposition, Ministerrücktritte zu fordern, meine Damen und Herren, hilfreich und nützlich ist das zumindest in diesem Fall jedenfalls nicht.
Ganz abgesehen davon, dass es sich bei dem Mann, gegen den sich Ihr Antrag richtet, um eine Persönlichkeit handelt, die ihre Fähigkeiten Probleme zu erkennen und zu lösen seit 12 Jahren in höchsten Funktionen zum Wohl dieses Landes unter Beweis gestellt hat.
Ein Mann, der seine Pflicht tut und der mit seiner ganzen Kraft dem Land dient, der so gar nicht aufgesetzt und so gar nicht distanziert wirkt, sondern glaubwürdig. Er war beispielsweise als erster Repräsentant des Landes an der Unglücksstelle beim Gutenberg-Gymnasium am 26. April. Dieser Mann leistet gute Arbeit und ich wünsche mir, dass er sie noch lange fortsetzen kann.
Ich könnte das natürlich jetzt speziell auf die Kultusarbeit beziehen, die Ausstattung der Schulen mit Computern, die Einführung der Mediennutzung, die Einführung neuer Lehrpläne, die Investitionen in die Lehrerfort- und Weiterbildung, die Beratungsaufgaben für Schulen und Schüler, die Koordinierungsstellen in Naturwissenschaft und Technik, ich könnte das noch weit fortsetzen, was er in den Jahren als Kultusminister erfolgreich in Gang gesetzt hat.
Meine Damen und Herren, die bildungspolitische Diskussion in der ganzen Bundesrepublik, nicht zuletzt durch PISA und durch das Gutenberg-Gymnasium veranlasst, ist in vollem Gange. Ich habe überhaupt keinen Grund, darin eine Gefahr zu sehen, ich sehe darin eine Chance und ich glaube, wir wissen sehr genau, was jetzt notwendig ist, und niemand soll einen Zweifel haben. Nicht nur die beiden im weiteren Sinne für Bildung und Ausbildung zuständigen Kabinettsmitglieder Dr. Krapp und Frau Schipanski, sondern auch ich werde mich in vollem Maße in diese Diskussion einbringen. Wir haben, was das Land betrifft, dafür einen wohl überlegten Zeitplan, dem wir folgen werden, weil wir nicht schnelle, sondern gute Ergebnisse am Ende dieser Beratung brauchen, damit das Schulsystem auch nach dieser Diskussion zu den Schulsystemen, auf die man in Deutschland schaut, gehört. Herzlichen Dank.
Ich rufe jetzt die Rednerinnen und Redner zu dem Teil c des Tagesordnungspunkts 10 auf, den wir ja im Zusammenhang mit den anderen beiden Teilen des Tagesordnungspunkts beraten wollen. Für die CDU-Fraktion rufe ich den Abgeordneten Wehner auf.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, der vorliegende Antrag der Fraktion der SPD zu den Maßnahmen zur verbesserten beruflichen Orientierung ist mir in vielen Teilen eigentlich gar nicht verständlich geworden, weil vieles von dem, was hier eigentlich gefordert war, bereits Praxis ist. Auf das dort im Antrag hingewiesene Modellprojekt "IMPULS" möchte ich hier noch einmal gesondert hinweisen, weil vieles vom dem, was hier verlangt wird, eigentlich schon abgesichert ist durch dieses "IMPULS"-Projekt. Ich habe den Eindruck, als wenn dieser Antrag entstanden ist aus einem Besuch bei einem privaten Bildungsträger, man dort die Probleme der Auslastung dieser Bildungseinrichtung in der Zukunft erkannt hatte und nun von Seiten der Bildungspolitiker gefordert hat, versucht uns für die Zukunft irgendwie noch eine zusätzliche Existenzberechtigung zu verschaffen, das BVJ wäre hier wohl eine aus meiner Sicht wenig geeignete Maßnahme, das zu tun. Für mich ist die Grundsatzfrage: Will man die Berufsschule stärken oder will man in Zukunft eher Berufsschule schwächen? Das passt auch nicht in den Konsens hinein, dass wir Berufsschule als Kompetenzzentrum sehen, und das war im Ausschuss bis jetzt eigentlich immer von allen Parteien so gesehen worden.
Vielleicht ein paar konkrete Dinge zu diesen hier geforderten Sachen. Im Projekt "IMPULS" wird gegenwärtig bereits der Unterricht in der Fachpraxis - das ist also ungefähr die Hälfte des durchgeführten Unterrichts - durch die privaten Bildungseinrichtungen - es ist ja keine direkte betriebliche Ausbildung, sondern es sind private Bildungsträger - durchgeführt. Das heißt, die Berufsschule führt nur den allgemein bildenden Unterricht durch und das Verhältnis von normalen BVJ-Klassen, die also komplett an der Berufsschule unterrichtet werden und denen, die im "IMPULS"-Projekt sind, ist etwa 1 : 1. Für das "IMPULS"-Projekt kommen infrage Schüler der Förderschule oder Schüler, die aus der Regelschule kommen, dort allerdings nicht mehr die 9. Klasse besucht haben, das heißt also, aus niederen Klassen abgegangen sind. Eine wesentliche Entlastung der Lehrer und damit eine Behebung der Lehrersituation an den Berufsschulen ist aus diesem Programm von vornherein nicht zu erwarten. Ich möchte Ihnen auch erläutern warum, weil die Leute, die die Fachpraxis im BVJ unterrichten, in der Regel keine Lehrbefähigung für fachtheoretischen Unterricht besitzen und somit anderweitig gar nicht eingesetzt werden können. Es ist also dann mehr oder weniger eine Freisetzung von in den letzten Jahren eingestellten Lehrkräften mit überwiegend Meisterabschluss, Technikerabschlüssen, die im fachpraktischen
Teil unterrichten, bringt aber für den eigentlichen theoretischen Unterricht überhaupt nichts. Übrigens wird bei diesem Antrag auch deutlich - und ich will da noch einmal auf einige Sachen der vorgehenden Debatten eingehen -, dass diese Zahl, 13 Prozent Schüler eines Jahrgangs ohne Abschluss, überhaupt nicht verstanden wird und dass man diese Zahl durchaus interpretieren muss, denn nach dem BVJ hat jeder Schüler die Möglichkeit, auch noch einen Abschluss, den Hauptschulabschluss nämlich, zu erwerben. Aus meiner Praxis ist mir bekannt - und die letzten Zahlen aus unserem Schulamtsbereich habe ich mir gestern noch einmal organisiert -, dass das Verhältnis so ist, dass etwa zwei Drittel der Besucher des BVJ diesen Hauptschulabschluss auch erwerben. Was wird denn dann aus Ihren 13 Prozent, die Sie dann immer wieder nennen? Überwiegend sind die Leute dort. Weiterhin kommt dazu, dass selbst Schüler ohne Berufsabschluss in die Berufsschule können und in der Berufsschule nach erfolgreichem Abschluss dieser gibt es auch noch einmal den Hauptschulabschluss oder bei besser als 2,5 sogar den Realschulabschluss zuerkannt. Also, auch dort sehen Sie wieder, Ihre Statistik trügt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die nächste Frage, die sich hier auftut: Wenn Sie das wirklich in berufliche Bildungsträger verlagern wollen, wer stellt denn dann die Zeugnisse aus? Soll die Berufsschule, die gegenwärtig auch die Prüfungen durchführt nach diesem BVJ, dann irgendwelche Leute wieder hingeschickt bekommen, die den Lehrer, der dort unterrichtet hat, überhaupt nicht mehr kennen, die also überhaupt keinen Bezug zu dieser Berufsschule haben? Dann sollen diese Leute Prüfungen machen. Das ist eine Situation, die Sie gegenwärtig am Gymnasium beklagen, denn dort haben wir ja die Situation, dass die Leute extern an eine Regelschule ihres Einzugsbereichs müssen und dort eine zusätzliche Prüfung ablegen können, um den Realschulabschluss zu erwerben. Den Schwachen würden Sie aber genau dieselbe Situation dann zumuten, dass sie, um Abschlüsse zu erwerben, wieder an die Berufsschule zurück müssten.
Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, was aus diesem Antrag auch hervorgeht und was mir eigentlich auch sehr, sehr Leid tut: Es scheint eine große Unkenntnis darüber zu herrschen, was in unserem Bildungssystem eigentlich für die Schwachen getan wird.
Ich war mit meinen Kollegen des Arbeitskreises neulich zu Besuch in einer vom Arbeitsamt geförderten Bildungseinrichtung, die sich besonders um benachteiligte Jugendliche kümmert. Ich schlage vor, dass wir das vielleicht auch einmal mit dem kompletten Ausschuss machen sollten, eine solche Einrichtung zu besuchen. Ich wäre auch gern bereit, die entsprechenden Kontakte zu vermitteln, damit man überhaupt einmal erkennt, mit welchem Geldaufwand und mit welcher Fürsorge sich um die Schwachen dieser Ge
Wer willens ist, einen Berufsabschluss zu erwerben, kann das unter hervorragenden Bedingungen tun. Bloß den Willen, überhaupt zu einem Abschluss zu kommen, den muss jeder dieser Jungen schon selbst mitbringen.
Wir werden nie eine Quote von 100 Prozent erreichen, da können wir die Leute hindelegieren, wo wir wollen. Wir können sie nur dahin bringen, dass innerlich die Bereitschaft in ihnen erwächst, zu einem Abschluss selber zu kommen. Der Kultusminister hat das vorhin einmal gesagt: Wir vergeben keine Abschlüsse, sondern es werden Abschlüsse erworben. Das heißt also, eine Mitwirkungspflicht bei den Betroffenen ist letztendlich da. Übrigens, in einem wäre ich mir gar nicht so sicher, die Berufsschullehrer wären über Ihre Regelung sicherlich noch nicht einmal traurig, Frau Pelke. Ich sage Ihnen aber auch bewusst, warum ich sie nicht aus dieser Verantwortung entlassen möchte, denn das Unterrichten im BVJ ist schon die hohe Schule der pädagogischen Kunst und es schadet meinen Kollegen auch überhaupt nicht, wenn sie auch einmal kennen lernen und feststellen, wie schwierig es doch ist mit Schwachen umzugehen und damit auch die notwendige Sensibilität bewahren im Umgang mit den Schwachen der Gesellschaft.
Abschließend zu diesem Antrag: Ich bin auch gern bereit, wie gesagt, über konkrete Details hier noch einmal zu reden. Ich wäre also dankbar, wenn man eine Fortberatung dieses Antrags im Ausschuss ermöglichen würde und dann wirklich einmal konkret die Probleme benennt und sich auch einmal vor Ort informiert, was es eigentlich alles schon gibt. Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, der Antrag der SPD-Fraktion richtet seinen Fokus auf die Benachteiligten in dieser Gesellschaft. Probleme zu benennen, heißt nicht schlechtreden, Probleme zu negieren, dieser Fehler hat schon einmal zum Scheitern einer mächtigen Partei in diesem Land geführt.
Es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass Maßnahmen zur verbesserten beruflichen Orientierung und Berufsvorbereitung junger Menschen dringend notwendig sind. Das berufsvorbereitende Jahr, kurz BVJ genannt, dient den Abschlussklassen derzeit lediglich zur Abschreckung. Einer Einschätzung von Berufsschullehrern nach sei 80 Prozent des Unterrichts in diesen BVJ-Klassen für Abgänger ohne Hauptschulabschluss umsonst, da eine Null-Bock-Einstellung der Teilnehmer keine pädagogische Interaktion zulässt. Dort landen unter anderem die Schülerinnen und Schüler, die bereits über Jahre schulische Misserfolge erlebt haben und oft von Schule gründlich die Nase voll haben. Schulschwänzen bis hin zu Schulverweigerung sind die Folge. Befragen Sie die Schulsozialarbeiter, die es im Moment noch gibt. Auch diese Schulform gehört zum Thüringer Schulsystem und ist aber gründlich gescheitert. Chancen wahrnehmen, muss möglich gemacht werden. Deshalb bin ich aber nicht sicher, ob der vorliegende Antrag der Stein des Weisen ist. Wir brauchen Förderung, die viel eher einsetzt. Wir brauchen lebensnahen und praxisverbundenen Unterricht, der dem polytechnischen Prinzip verpflichtet ist. Wir müssen die Individualität aller, auch Lernschwacher, aber praktisch begabter Schüler, anerkennen und positiv verstärken. Wir brauchen ein Schulsystem, welches diese BVJ-Klassen überflüssig macht.
Wir beklagen seit einiger Zeit den massiven Unterrichtsausfall an berufsbildenden Schulen, der es nicht zulässt, dass gerade die leistungsschwachen Schülerinnen und Schüler mit der notwendigen Konsequenz gefördert werden können. Das ist auch für viele engagierte Berufsschullehrer unbefriedigend und führt oft zum Burn-out. Von den Schülern in den berufsvorbereitenden Klassen, den so genannten BVJ-Klassen, machen etwa nur 5 Prozent den Hauptschulabschluss. Diese Aussage kenne ich, Herr Schwäblein. Viele brechen mittlerweile sogar bewusst ab, da nur so die Teilnahme an einer vom Arbeitsamt geförderten Maßnahme, die in tatsächliche Ausbildung mündet, möglich ist. Das ist eine völlig schizophrene Entwicklung, die endlich zur Kenntnis zu nehmen und zu verändern ist.