Protokoll der Sitzung vom 14.06.2002

(Beifall bei der CDU)

Allen Betroffenen muss immer wieder vor Augen geführt werden, dass sie nicht allein sind und dass es professio

nelle Hilfe sowie Schutz gibt. Entsprechende Check-Karten und Faltblätter sind bereits entworfen. Weiterhin sind wir dabei, die schulischen Präventionsmaßnahmen weiter auszubauen und über die Intensivierung der Präventionsmaßnahmen an den Kindergärten möglichst früh für die Thematik zu sensibilisieren.

Meine Damen und Herren, auch die Täterarbeit wird neu konzipiert. Ab dem Haushaltsjahr 2003 sollen soziale Trainingskurse für gewaltbereite und gewalttätige Männer zum Beispiel über eine mobile Beratungsstelle angeboten werden.

(Beifall bei der CDU)

In die Aus- und Fortbildung aller Berufsgruppen wird das Thema häusliche Gewalt noch gezielter eingebunden werden. Insbesondere die gezielte Fortbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Polizei, Justiz, Sozial- und Jugendämtern, den sozialen Einrichtungen im Bildungsbereich sowie im Gesundheitswesen seien hier genannt. Im Rahmen der Statistiken wird die polizeiliche Kriminalstatistik bundeseinheitlich bis zum Jahr 2004 um das Deliktfeld häusliche Gewalt erweitert. Mit Erlass vom 15.02.2002 hat das Thüringer Innenministerium die Einrichtung eines Schlagworts häusliche Gewalt in der polizeilichen Vorgangsverwaltung aller Polizeidirektionen geregelt, um schon jetzt auf Datenmaterial zurückgreifen zu können. Das Maßnahmepapier hat eine Vernetzung im polizeilichen, straf- und zivilrechtlichen sowie im sozialen Bereich zum Ziel und soll ein abgestimmtes und effektives Vorgehen bei häuslicher Gewalt gewährleisten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch der Aus- und Aufbau von neuen regionalen Netzwerken. Die Umsetzung der aufgeführten Maßnahmen muss in den Bereichen Bildung, Justiz, Polizei, Soziales und Gesundheit erfolgen. Eine nachhaltige Bekämpfung häuslicher Gewalt ist nur mit einem breiten gesellschaftlichen Konsens möglich und bedarf eines abgestimmten Vorgehens aller mit dieser Thematik befassten Institutionen und Organisationen.

(Beifall bei der CDU; Abg. K. Wolf, PDS)

Wie bereits mehrfach gesagt, stellt die Vernetzung einen wichtigen Punkt in diesem Maßnahmepaket dar. Diesem Sachverhalt tragen auch die Lenkungsgruppe und die Arbeitsgruppen Rechnung. Bereits im Mai 2001 hat sich auf Initiative der Koordinierungsstelle Gewaltprävention diese Lenkungsgruppe mit dem Titel "Wege aus der häuslichen Gewalt" gebildet. Die Betreuung und Organisation der Lenkungsgruppe obliegt der Koordinierungsstelle Gewaltprävention in enger Zusammenarbeit mit meinem Büro. Beteiligt sind die landesweiten Gremien, die sich mit häuslicher Gewalt als Schwerpunktthema beschäftigen. Diese sind konkret die Landesarbeitsgemeinschaft Frauenhäuser und -schutzwohnungen, Frauenzentren, Kinderund Jugendschutz, Mädchenpolitik, Kommunale Gleichstellungsbeauftragte sowie die Liga der Freien Wohlfahrtsverbände und der Landesverband der Pflege- und Adop

tivfamilien. Im Dezember 2001 wurde eine gemeinsam erarbeitete Kooperationsvereinbarung für die nächsten drei Jahre geschlossen. Die Lenkungsgruppe hat zwischenzeitlich Arbeitsinhalte zu bestimmten Schwerpunktthemen erarbeitet, Ziele definiert, Abläufe festgelegt und Mitglieder für die Arbeitsgruppen vorgeschlagen. Ab Juni 2002 werden Arbeitsgruppen eingesetzt, die sich den einzelnen sachlichen Aspekten widmen und sich mit folgenden Themen beschäftigen: "Statistik", "Gewaltschutzgesetz", "Kinder als Betroffene", "Täterarbeit", "Aus- und Fortbildung" und "Gewaltbetroffene Frauen". Diese Arbeitsgruppen bestehen aus Experten, deren langjährige praktische Erfahrungen unverzichtbar sind. Es handelt sich also nicht um Verwaltungsstrukturen. Die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppen werden den zuständigen Fachressorts und den entsendenden Institutionen als Handlungsempfehlungen unterbreitet. Es ist vorgesehen, Wissenschaftlerinnen für die Beratung der Arbeitsgruppen zu gewinnen.

Meine Damen und Herren, die Maßnahmen der Thüringer Landesregierung gegen häusliche Gewalt werden keineswegs als statisch angesehen, vielmehr verstehe ich sie als laufenden Prozess, den es zu untersetzen gilt und der laufend aktualisiert und konkretisiert wird. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank für den Bericht. Es wird Aussprache gewünscht, Frau Abgeordnete Nitzpon?

Die PDS beantragt die Aussprache.

Gut. SPD auch? Gut. CDU auch. Es beantragen offensichtlich alle Fraktionen die Aussprache, dann hat Frau Abgeordnete Bechthum, SPD-Fraktion, als Erste das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, parteienübergreifend sind wir uns einig, dass die Gewalt im häuslichen Bereich ansteigt und dass Politik gefordert ist, dieser Entwicklung mit gesetzlichen Maßnahmen entgegenzuwirken. Dabei beinhaltet häusliche Gewalt nicht allein Gewalt gegen Frauen, sondern Gewalt in der Familie, vor allem Gewalt gegen Kinder. Kinder sind am meisten schutzbedürftig und müssen deshalb besonders geschützt werden. Die Thüringer Landesregierung hat drei Jahre nach dem "Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen" der Bundesregierung endlich gehandelt und Maßnahmen gegen häusliche Gewalt festgeschrieben. Die Grundlage dafür sollten Forderungen an einen Thüringen Aktionsplan, die in einer Anhörung am 1. Dezember 2000 vor dem Gleichstellungsausschuss hier in diesem Saal genannt wurden, sein.

Ich möchte Ihnen die Forderungen mal nennen, die waren auch für uns eigentlich entscheidend für einen Aktionsplan oder Maßnahmeplan, wie man das sagte: Gründung eines Landesbeirats in der Koordinierungsstelle für Gewaltprävention, in dem z.B. Basisorganisationen wie Frauenhäuser und Institutionen, Wohlfahrtsverbände mitarbeiten; Einsatz hauptamtlicher Opferschutzbeauftragter; Verbesserung zivilrechtlicher Schutzmöglichkeiten für Opfer; Vernetzung der Hilfs- und Beratungsangebote von Frauenhäusern, Polizei und Justiz auf allen Ebenen; praxisorentierte Handlungsaufträge; Intensivierung der Täterarbeit - hat einen ganz großen Stellenwert, weil wir da noch am meisten hinten anstehen -; Sensibilisierung der Öffentlichkeit gegen häusliche Gewalt; spezielle Weiterbildung und Fortbildung der Polizei- und Justizbeamten. Das waren die Hauptforderungen an einen Thüringer Aktionsplan.

Das im Kabinett verabschiedete Papier hat sich gegenüber dem Entwurf wenig verändert, d.h., die von den verschiedenen Gremien eingegangenen Vorschläge - Frau Dr. Meier hat die Gremien genannt, z.B. die Stellungnahme des Landesfrauenrats und dessen Forderungen - wurden wenig berücksichtigt. Es wurde etwas berücksichtigt, aber sehr wenig. Das betrifft auch die Stellungnahme der Liga der Freien Wohlfahrtspflege. Worum geht es konkret? Der Entwurf und die verabschiedeten Maßnahmen sind nicht präzise genug dargestellt. Schon der Titel "Maßnahmen" und nicht wie es gewollt war, entweder "Aktionsplan" oder zumindest dann "Maßnahmeplan", deutet darauf hin, dass dieses Papier nicht konkret genug ist. Man kann es nicht packen. "Es stellt keine Handlungsgrundlage dar, weil inhaltliche Darstellung und eigentliche Maßnahmen vermischt sind" (aus der Stellungnahme des Landesfrauenrats). Es fehlt eine klare Gliederung. Die fehlende Berücksichtigung von Vorschlägen aus der Praxis, die der Landesfrauenrat und auch die Liga der Freien Wohlfahrtspflege gemacht haben, zeigt sich hier besonders. Das Papier ist meines Erachtens eine Aneinanderreihung von Willenserklärungen, Erkenntnissen, vorgesehenen Maßnahmen und Aufgaben ohne detaillierte konkrete Festlegungen. Alles ist richtig, aber nichts ist einforderbar. In den Maßnahmen ist zum Beispiel als ausreichend der § 18 des Polizeiaufgabengesetzes "Platzverweis" enthalten. Plätze sind öffentlich. Wie ist es aber mit der Privatsphäre, der Wohnung, dürfen da dieselben Maßnahmen wie auf Plätzen, in Parks usw. durchgeführt werden? Verständlicherweise sind viele Beamtinnen und Beamte unsicher, wie sie damit umzugehen haben. Das alles enthält der § 18 a, der zwar vom Landesfrauenrat gefordert, aber von der CDU-Mehrheit abgelehnt wurde, wozu ich bereits gestern Stellung genommen habe. Es gibt in der Auffassung und Anforderung an einen Maßnahmeplan gegen häusliche Gewalt ein grundsätzliches Missverständnis von Frau Dr. Meier und, glaube ich, nicht nur mir, auch den Auffassungen, die von Frauenverbänden auch mit geäußert wurden. Für die Landesfrauenbeauftragte steht der Schutz von Frauen nach ihren Aussagen an erster Stelle. Sind die Kinder denn keine Schutzbedürftigen? Wenn wir hier nicht sensibilisiert hätten, dass häus

liche Gewalt sich vor allem auch gegen Kinder richtet und die Kinder betroffen sind, dann hätte auch dieser Landtag sich nie so intensiv damit befasst. Da wollen wir doch auch ehrlich sein. Es ging darum, wir wollen die Frauenhäuser, wir wollen Frauenschutz, da sagen Sie, jetzt fangen die schon wieder mit ihren Frauen an. Deshalb war es so wichtig zu sagen, häusliche Gewalt oder Gewalt im sozialen Nahraum. Betroffene bei häuslicher Gewalt sind eben Frauen und vor allem auch Kinder. Dass wir hier seit dem 02.11.2000 ein Gewaltächtungsgesetz haben, das Kinder vor Gewalt schützen soll, ist mit keiner Silbe erwähnt, obwohl in dem Papier auf Seite 9 darauf hingewiesen wird, dass auch eine Weiterbildung für Eltern angedacht ist, um gewaltfreie Erziehung einzufordern. Warum bringt man es dann nicht fertig zu sagen, es gibt dieses Gewaltächtungsgesetz. Wir fordern die Landesregierung zum wiederholten Mal auf, dieses Gesetz mit seinem Inhalt bekannt zu machen.

(Beifall bei der SPD)

An der Aktion "Mehr Respekt vor Kindern" hat sich Thüringen im Grunde überhaupt nicht beteiligt. In anderen Ländern hat man da sehr viel gemacht. Im Jahr 2001 gab es in Thüringen 853 schutzbedürftige Kinder, das sind 9,1 Prozent mehr als im Jahr 2000 und bei 19,0 Prozent waren die Eltern einfach überfordert, das heißt, man weiß, ungefähr 20 Prozent der Eltern sind erziehungsunfähig. Zerrüttete Familienverhältnisse, häusliche Gewalt machen Kinder schon in frühesten Jahren besonders anfällig für spätere, auch fremdenfeindliche Gewalt. Frau Meier, Sie haben Professor Frindte genannt, das stimmt genau überein. Deshalb sagt er, dass es vor allem für Kinder entscheidend sein muss, Gewalt in der Familie zu verhindern. Das sind die Ergebnisse dieser Studien einmal des Deutschen Jugendinstituts und der Universitäten in Jena und München. Wie gehen wir damit um? Ich war gestern nun bei dieser Debatte leider nicht dabei. Ich denke aber, Sie haben eine ganze Menge dazu gesagt, auch zum Jugendschutz und was hier erfolgen soll.

Wie richtig unsere Auffassung im Gleichstellungsausschuss zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt war und ist, zeigt die jüngste Entwicklung. In der Presse war am 8. Juni dieses Jahres zu lesen - Herr Minister Pietzsch hatte sich dazu geäußert -, die Jugendminister von Bund und Ländern haben sich für eine verstärkte Anwendung des Gewaltschutzgesetzes im Interesse der Kinder ausgesprochen. Also, das ist keine fröhliche Meinung, die wir so haben, es geht vor allem - und mir auch ganz besonders - um die Kinder. Frauen können sich trotzdem helfen, die können anrufen, die können die Hilfsangebote annehmen, die Kinder sind aber den Familien ausgeliefert. Deshalb ist mein Interesse, bei häuslicher Gewalt vor allem den Kindern zu helfen.

(Beifall bei der SPD)

Es sei - Sie haben das selbst auch gesagt, Herr Dr. Pietzsch - zu wenig bekannt, dass nicht nur schlagende Lebens

partner, sondern auch gewalttätige Elternteile der Wohnung verwiesen werden können.

(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für So- ziales, Familie und Gesundheit: Selbstver- ständlich tun wir das.)

Sie können doch dann sprechen, Frau Tasch. Moment, das ist ganz wichtig, das Gewaltschutzgesetz vor allem auch anzuwenden, um Kinder mit zu schützen. Frau Arenhövel, regen Sie sich doch nicht so auf, Sie können doch dann auch sprechen.

Zugleich sprachen sich die Minister für eine Verbesserung der elterlichen Erziehungskompetenz vor allem in puncto Mediennutzung durch Schulungen aus. Doch nicht nur Frauen und Kinder sind hilfsbedürftig. Den Tätern selbst, meist Männern, muss geholfen werden. Seit Jahren sagen wir, wer Frauen, die von Gewalt betroffen sind oder Gewalt ausgesetzt sind, helfen will, der muss sich mit denen beschäftigen, die im Grunde die Gewalt ausüben. Das sagen wir seit Jahren. Mir gefällt der Ausdruck "therapiert" nicht besonders, sondern besser, dass man sagt, man sollte soziale Trainingskurse einleiten und die mit denen durchführen. Ich denke, das ist eigentlich die richtige Formulierung dafür. Sie müssen "therapiert" werden. In dem betreffenden Punkt 3.5 "Täterarbeit" sind Trainingskurse für gewaltbereite und gewalttätige Männer vorgesehen, ein Gesamtkonzept liegt jedoch nicht vor. Die Initiierung eines Projekts "Täterarbeit" - in Zahlen: 1 - und die Überprüfung der Wirksamkeit eines solchen Angebots ist vorgesehen. Also, das ist eine Lachnummer, muss ich Ihnen sagen. Wir stehen doch nicht am Punkt Null.

(Zwischenruf Abg. Arenhövel, CDU: Das ist es ja.)

Haben wir überhaupt dafür die geeigneten Fachkräfte in Thüringen? Seit der Anhörung, auf die ich schon hingewiesen hatte, besteht das konkrete Angebot der Fachhochschule Erfurt zur Vorbereitung von Projekten zur Täterarbeit und Männerberatung. Die Vorgängerin der Landesfrauenbeauftragten, hat das ja alles schmählichst übergangen, sie hat es nicht ernst genommen

(Zwischenruf Köckert, Innenminister: Na, na!)

und wir stehen jetzt an dem Punkt... Ja, das stimmt so, natürlich. Sie haben es ja leider erst zu spät erkannt und sie entlassen.

In Nordhausen arbeitete Thüringens einzige verbliebene Beratungsstelle für gewalttätige Männer. Dort wurden im Jahr 2000 75 Männer und Familien beraten. Ich habe die große Pressemitteilung von dem einzigen Mann, der das dort noch macht. Er sagt, meistens waren es Arbeitslose, materiell in Not geratene Männer, es gibt aber auch viele materiell besser gestellte Männer, aber an die kommt man nicht heran, so wie das jetzt bei uns in Thüringen läuft. Es

ist alles irgendwie nicht geplant, nicht gezielt in diese Richtung bei uns ausgerichtet. Ich frage deshalb auch: Gibt es diese Beratungsstelle noch oder wird es sie geben? Sie wissen selbst, noch vor Jahren gab es einen Haushaltstitel für Männerberatung. Herr Sonntag hatte sich viel Prügel dafür eingeholt.

(Zwischenruf Köckert, Innenminister: Auch von Ihnen!)

Weil kaum in Anspruch genommen und diese Richtlinie dazu... Nein, ich habe auch die Prügel dafür bekommen, weil ich das richtig fand. Ich habe meine Pressemitteilungen dazu noch, die kann ich Ihnen zeigen. Sie wissen selbst, die autonomen Frauenhäuser haben uns mächtig beschimpft, aber wir haben damals gesagt, wir müssen anfangen, um diese Männer zu erreichen. Jetzt bestätigt es sich, dass es richtig war, aber es ist zu wenig unternommen worden. Wir könnten ganz anders dastehen.

Er wurde, weil er eben kaum in Anspruch genommen wurde und die Richtlinien im Grunde genommen unpraktikabel waren, kaum angewendet. Frau Dr. Meier hat ja schon angekündigt, einige Richtlinien zu ändern, vielleicht wird sich damit etwas mehr tun. Deshalb kann ich Sie eigentlich auch nur auffordern, sich mit um die Betreuung von Tätern zu kümmern und dass hier auch etwas geschieht und dass auch ganz schnell, schnellstens, Projekte zur Aufarbeitung von Gewalt und soziale Trainingskurse geschaffen werden.

Wir fordern klare Richtlinien für die Thüringer Polizisten bei der Konfrontation mit häuslicher Gewalt. Ich habe dazu gestern einiges gesagt. Die Beamten müssen auf den Umgang mit Gewalttätern vorbereitet sein, das heißt, sie müssen auch psychologisch gut ausgebildet sein. Eine ständige Fortbildung geeigneter Polizistinnen und Polizisten speziell für den Einsatz bei häuslicher Gewalt muss gewährleistet werden. Ein junger Beamter, er hat extra seinen Namen nicht genannt, sagte - ich zitiere ihn wörtlich: "Wir wurden 13 Monate mit Gesetzen zugeschüttet, haben aber nicht gelernt zu reden, mit Stresssituationen umzugehen." Vielleicht ist das auch ein Indiz, sagte mir eine Psychologin, dass so viele Selbstmorde geschehen. Wenn ein junger Polizist irgendwie durch eine beendete Liebschaft oder Liebe sich auf einmal das Leben nimmt, dann ist er irgendwie nicht ausgebildet als Polizist, um auch mit Gewalt umgehen zu können. Das sind schon mit Ursachen. Die Leitlinien für die Thüringer Polizei sind eine begrüßenswerte Arbeitsgrundlage, aber sie ersetzen in keiner Form die ständige Fortbildung der Polizistinnen und Polizisten beim Umgang mit häuslicher Gewalt.

Meine Damen und Herren, nun noch einmal speziell zum Antrag der SPD, zu den Kompetenzen und Aufgaben der Lenkungsgruppe, der KOST, bei der Umsetzung von Maßnahmen gegen häusliche Gewalt. In einer Pressemitteilung vom 15. März dieses Jahres konnte man lesen, dass das Berliner Interventionsprojekt gegen häusliche Gewalt

(BIG) eine erfolgreiche Bilanz seiner Arbeit gezogen hat. Sie können sich noch erinnern, ich habe das mehrfach betont, Frau Nolte als Ministerin, das haben wir damals sehr, sehr geschätzt, hat dieses Projekt 1995 ins Leben gerufen. (Beifall bei der CDU)

Dabei hat sie sich etwas gedacht. Thüringen hatte sich auch beworben, aber Berlin hatte den Zuschlag bekommen. Es ist also auch mit ihr Kind. Es wurde in Berlin dann noch einmal verlängert, weil es so gut war. Es ist den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von BIG gelungen, neue Konzepte zur wirksamen Bekämpfung von häuslicher Gewalt zu entwickeln und bundesweit Maßstäbe zu setzen. Maßnahmen im polizeilichen, straf- und zivilrechtlichen sowie im sozialen Bereich sind vernetzt worden und ermöglichen ein abgestimmtes und effektives Vorgehen. Die ständige Fortbildung von Polizei- und Justizbeamten, aber auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendämter wurde beschlossen. Beschlossen wurde auch die Erstellung von weiteren Handlungsleitfäden, z.B. für die Betreuung von Kindern oder von Gewalt betroffenen ausländischen Frauen. Lernt Thüringen aus diesen Erfahrungen? Wir müssen doch hier nicht alles neu erfinden. Ich möchte noch etwas zu diesem Berliner Interventionsprojekt sagen. Als es darum ging, dass hier Maßnahmen verabschiedet werden sollten, da hat man uns eindringlich aufgefordert, ihr müsst für eine Umsetzung erst einmal ein Interventionsprojekt fordern, wie das in allen Bundesländern geschehen ist. Alle diese Länder oder auch Städte nennen diese ersten Schritte Interventionsprojekt. Ja, Thüringen will es nicht so nennen. Warum? Ich weiß es nicht. Ganz eindeutig sind diese Interventionsprojekte die Grundlage für einen tatsächlichen Aktionsplan. Die Länder oder die Städte, die das gemacht haben, Kiel, Hannover und jetzt Berlin, haben erst einmal dieses Interventionsprojekt erstellt. Vielleicht wird das jetzt die Lenkungsgruppe mit den Arbeitsgruppen. Wir erfinden hier in Thüringen immer neue Begriffe. Warum, weiß ich auch nicht. Es könnte ja vielleicht irgendetwas mit rotgrüner Bundesregierung zu tun haben,

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Das ist doch bald vorbei.)

dass man sich davon unbedingt abschotten will. Man hat also hier auch ganz eindeutig festgestellt, dass dieser Aktionsplan als umfassendes Konzept zur Bekämpfung und zum Abbau von häuslicher Gewalt eine sehr gute Grundlage ist, dass diese Maßnahmen gegen häusliche Gewalt, wie sie hier nun in Thüringen so festgehalten sind, im Grunde weder ein Interventionsprojekt, auch kein Aktionsplan oder Maßnahmeplan sind. Nach dem erfolgreichen Abschluss dieser Projekte werden erst jetzt Aktionspläne oder Maßnahmepläne in den Ländern geschaffen. So hat Berlin am 5. März, nachdem sie feststellen konnten, unser Interventionsprojekt hat sich bewährt, es ist gut gelaufen, einen Berliner Aktionsplan verabschiedet zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt. Und wir bringen hier alles fröhlich durcheinander; das ist leider so.

Deshalb interessiert meine Fraktion sehr, welchen Stellenwert die Koordinierungsstelle Gewaltprävention KOST-G und ihre Lenkungsgruppe hat. Seit Mai 2001 gibt es sie, initiiert durch die Koordinierungsstelle Gewalt, eine Arbeitsgruppe "Wege aus der häuslichen Gewalt". Diese Arbeitsgruppe wird von der Koordinierungsstelle und der Beauftragten für die Gleichstellung von Frau und Mann der Landesregierung geleitet; das hatten Sie schon gesagt.

Meine Frage lautet: Welche Kompetenzen haben die Mitglieder der Lenkungsgruppe? Sie kommen von der Basis einige Forderungen sind ja hier erfüllt worden -, haben also jahrelange praktische Erfahrungen - das wollten wir auch und arbeiten ehrenamtlich. Das will ich dick hervorheben.

Zweite Frage: Was machen eigentlich die 11 hauptamtlichen Mitarbeiter der Koordinierungsstelle? Wie sind die mit eingebunden? Wie soll das eigentlich funktionieren, dass Ehrenamtliche im Grunde diese Lenkungsgruppe darstellen? Die Koordinierungsstelle hat keinen eigenen Haushaltstitel, was sie auch ständig betont. Sie wissen, wir haben darüber gesprochen, die der Frauen, die dort mitarbeiten durch diese Kooperationsvereinbarung, die haben das sehr beklagt. Sie sollen sich jetzt kümmern, sollen dort irgendwie Fachleute heranholen, sollen dort irgendwie... Wie können die das machen, frage ich mich? Wer eigentlich das Gebaren so kennt von den Häusern und den obersten Dienstherrn, der eigentlich hier tätig sein müsste - ich frage mich, wenn eine Frau von der LAG, vielleicht Frauenhäuser, den Minister oder den Professor dort anrufen will oder einladen will zu Gesprächen, wie soll das funktionieren? Das ist mir irgendwie unklar. Werden die Erwartungen vielleicht auch an diese Koordinierungsstelle KOST-G zu hoch geschraubt? Uns ist bewusst, sie kann nur die Symptome, aber selten die Ursachen bekämpfen. Im Grunde müsste Thüringen wie die anderen Bundesländer wirklich ein Interventionsprojekt gegen häusliche Gewalt initiieren, so, wie das in anderen Ländern auch geschehen ist.

Abschließend möchte ich noch sagen, das Bestreben der Landesregierung, häusliche Gewalt einzudämmen und sie zu bekämpfen, das ist zu erkennen. Es fehlt allerdings der Wille, Vorschläge und Anträge von anderen Parteien als der CDU aufzunehmen und umzusetzen und selber kreativ zu werden, wie wir es im Gleichstellungsausschuss im Mai dieses Jahres erlebt haben. Es war formal, es wurde uns dieser Maßnahmeplan vorgelegt. Dann konnten wir zwar unsere Meinung sagen, aber im Grunde ist da schon alles gelaufen gewesen. Wir haben ja auch festgestellt, es war im Grunde unsinnig, hier noch groß Erklärungen einbringen zu wollen. Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Es hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Wackernagel, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin froh, dass wir heute zu dieser Stunde in diesem hohen Haus über so ein Thema sprechen und auf die Tagesordnung genommen haben, welches Frauen und Männer sowie Mütter und Väter betrifft. Ein Thema, über das wir zum wiederholten Male im Landtag reden, nämlich über häusliche Gewalt oder Gewalt im sozialen Nahraum. Ein Thema, das lange Zeit ein Tabuthema war und das wir auch zum Großteil immer noch als Tabu behandeln.

Es kann nicht oft genug gesagt werden, dass häusliche Gewalt die in unserer Gesellschaft am häufigsten auftretende Form von Gewalt ist. Eine Form von Gewalt, die Quelle neuer Gewalt ist. Ich muss das einfach noch mal so betonen, denn die Gewalttätigkeit zwischen Eltern geht nicht spurlos an den Kindern vorüber. Die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder, die Gewalt in der Familie erlebt haben, später versuchen ihre Probleme ebenfalls mit Gewalt zu lösen, egal gegen wen, ist hoch. Häusliche Gewalt ist Gewalt, bei der oft weggeschaut oder weggehört wird. Auch die Opfer, die nun mal in den meisten Fällen Frauen sind, melden diese Taten häufig nicht oder zumindest sehr lange nicht. Bei den Tätern handelt es sich um Partner, Bekannte oder Verwandte. Die Gründe des Schweigens der Opfer sind bestimmt unterschiedlich und reichen von Furcht vor dem Partner bis Unkenntnis über die praktischen und rechtlichen Möglichkeiten aus der Situation auszubrechen.