Protokoll der Sitzung vom 14.06.2002

Bereits im Jahre 1991 wurden in Thüringen Frauenhäuser und Frauenschutzwohnungen gebaut. Wir haben gehört, was Schritt für Schritt hinzukam, über die Aus- und Fortbildung der Polizei, die Weiterbildung von Beratungslehrern, die Errichtung von Sonderdezernaten, sogar ein Zeugenbetreuungsprojekt bis hin zur Koordinierungsstelle Gewaltprävention im Jahr 2000.

Am 14. November 2000 haben wir im Landtag eine Anhörung zur Gewalt im sozialen Nahraum durchgeführt. Es wurde schon des Öfteren darauf hingewiesen. Die 16 Verbände, die wir eingeladen hatten, haben auch dazu Stellung genommen und die Fachkompetenz der Anzuhörenden, auch wenn das hier nicht so rübergekommen ist, ist in das Maßnahmepaket eingeflossen. Das muss man einfach noch mal sagen.

(Beifall bei der CDU)

Wir sehen, dass es sich um einen laufenden Prozess handelt und die von der Landesregierung vorgelegten Maßnahmen sind ein Teil dieses Prozesses. Wir stehen nämlich nicht am Anfang oder am Ende dieses Prozesses, sondern wir stehen mittendrin und wir müssen ihn weiterführen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es sind wesentlich neue Bestandteile hinzugekommen, die eben aus den Dingen der Anhörung und aus den Arbeiten in der breiten Basis, die wir vor Ort getätigt haben, aufgenommen wurden.

Was mir besonders am Herzen liegt, möchte ich hier noch einmal kurz benennen. Ein Ziel ist es, und das haben wir heute auch schon gehört und es ist auch ein Ziel der CDU, dahinter stehen wir, dass die Opferschutzbeauftragten in den Polizeidirektionen aus dem Nebenamt in ein Hauptamt verändert werden. Das ist unser Ziel und dafür kämpfen wir auch.

(Beifall bei der CDU; Abg. K. Wolf, PDS)

Von der Täterarbeit haben wir auch schon einiges gehört. Sie muss auf jeden Fall gestärkt werden, denn ich habe aus den ganzen Gesprächen, die wir geführt haben, einen Slogan herausgehört, der so heißen könnte: Schlage nicht, aber rede. Es ist wirklich so, dass man über die Dinge reden muss und es ist ganz wichtig, dass die Täter die Chance bekommen, sich zu öffnen. Dazu benötigen wir die Beratungsstellen. Frau Staatssekretärin hat in ihrem Bericht schon darauf hingewiesen, dass sie sich mit dem Gedanken trägt, den ich nur unterstützen kann, mobile Beratungsstellen einzurichten. Wie das sein wird, müssen wir noch im Einzelnen sehen. Aber ich kann das nur ausdrücklich unterstützen und ich kann mir das auch so vorstellen, dass es erst mal ein Einstieg ist in die Dinge, auf die wir zugehen müssen. Von der Opferinformation haben wir auch schon gesprochen, die müssen wir stärken. Viele Opfer fragen sich: Wo wende ich mich hin, wie gehe ich damit um, an wen kann ich mich wenden? Dafür sind die Faltblätter und die Checkkarten gedacht. Die weisen darauf hin, wo ich mich hinwenden kann. Es ist natürlich jetzt noch eine Frage, wo legt man sie aus, wie komme ich da ran. Die Möglichkeit besteht, die Bereiche des öffentlichen Lebens zu nutzen und in Arztpraxen z.B. oder beim Friseur oder an anderen öffentlichen Einrichtungen, da, wo man die Chance hat, zuzugreifen, ohne dass man beobachtet wird, sich die Hilfe da zu holen.

Eine weitere wichtige Forderung ist die Weiterbildung der verschiedenen Berufsgruppen; dazu haben wir auch schon einiges gehört. Die Polizei, Beamtinnen und Beamten müssen unbedingt weiter qualifiziert werden, die Mitarbeiterinnen von Frauenhäusern, Lehrerinnen und Lehrer, auch die Kindergärtnerinnen, vor allen Dingen auch Jugendund Sozialarbeiter bis eben auch hin zu Mitarbeitern in Arzt- oder Kinderarztpraxen, da ja da der Zugang für Kinder da ist und dort auch die Dinge von Gewalt festgestellt werden können.

Was für mich ganz wichtig über die neuen Maßnahmen hinaus ist, ist die Vernetzung; dazu haben wir heute auch schon einiges gehört. Sie muss erfolgen und es muss wirklich Grundlage für das Papier sein, dass alle miteinander reden und arbeiten und die Landesregierung auch beim Wort genommen wird.

Es sind alle Bausteine, die wir heute hier zusammengetragen haben, die wir von Frau Staatssekretärin gehört haben, sehr hilfreich. Eine verbesserte Rechtsgrundlage ist hilfreich und das allein reicht eben nicht aus, um gegen die häusliche Gewalt vorzugehen. Es muss vielfältige Aktivitäten geben, die wir miteinander verzahnen müssen und vor allen Dingen, darauf weise ich immer wieder hin, die vor Ort gewonnenen Erkenntnisse, die wir, wie fraktionsübergreifend sie auch sind, Frau Bechthum, alle eingebracht. Es liegt an uns, wie wir sie umsetzen und wie wir mit der Landesregierung unsere Forderungen verdichten und untersetzen.

(Beifall bei der CDU)

Wir wissen das alle, wie wir hier sitzen, dass das Thema heute und morgen nicht abgeschlossen sein kann; wir müssen noch einige Aktionen starten. Es dauert sicher noch einige Jahre, bis sich das Problem häusliche Gewalt etwas verändert hat. Wir müssen stetig daran arbeiten und die Wege, die aus der häuslichen Gewalt führen, mit Dingen begleiten, wir müssen sehr flexibel sein, um immer wieder auf die Sachen einzugehen, die uns jeden Tag erreichen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass dieses Thema enttabuisiert wird, weil eben die bereits eingeleiteten Maßnahmen ein Grundstein dafür sind, dass wir schneller Hilfe bieten für die Opfer, dass Täter nicht unbedingt zu Wiederholungstätern werden, das muss unser Anliegen sein, und dass es weniger Gewalt geben wird.

(Beifall bei der CDU)

Aus den Dingen, die wir in der Diskussion gehört haben, möchte ich einfach sagen, ich sehe den Antrag als erfüllt an, den Arbeitsauftrag, den wir der Staatssekretärin und der Landesregierung gegeben haben. Wir haben im Gleichstellungsausschuss darüber diskutiert. Es hatte jeder eine Möglichkeit, seine Dinge einzubringen. Frau Bechthum, den Kinderschutz, schade, dass Sie gestern nicht da waren, wir haben hier eine Stunde diskutiert darüber und ich denke, wir sind einen Schritt weitergekommen und der Zusatzrechtsanspruch auf Hilfe und Beratung für die Kinder, ich denke, wir sind einen Schritt weiter. Es ist eben schade, dass Sie immer alles, und das erlebe ich halt auch im Ausschuss, in einen Topf werfen, mal drin rumrühren und dann haben wir alles vermischt und wir haben eine Suppe und wissen nicht einmal, wie wir da rauskommen. Das ist natürlich nicht so sehr gut. Das Thema wird dadurch immer wieder verändert und Sie sagen zu uns zwar Wischiwaschi, aber ich denke, Sie tragen auch dazu bei.

(Beifall bei der CDU)

Für meine Fraktion kann ich nur sagen, dass der Entschließungsantrag der PDS abzulehnen ist. Ich sehe also die Punkte, die da aufgeführt sind, nicht unbedingt so an, dass wir die jetzt noch so konkretisieren müssen oder einfließen lassen müssen. Frau Staatssekretärin hat zu den einzelnen Punkten Hinweise gegeben, die Benennung der Ar

beitsgruppenmitglieder im Lenkungsausschuss, die erfolgt. Wir haben das Papier, wir wissen davon, wir kennen das. Gestern haben wir sehr ausführlich über die speziellen Regelungen, die im Polizeiaufgabengesetz enthalten sind... brauchen wir nicht, wie von Ihnen gewünscht. Die Interventionsstellen, die wir auch als CDU sehr wünschen, die müssen nicht unbedingt in das Maßnahmepaket, darüber hatten wir uns ja auch im Ausschuss verständigt. Und die vom PDS-Antrag unter Punkt 4 gewünschte spezifische Zielgruppenarbeit, da kann ich nur sagen, es ist schön, wenn wir an Behinderte denken, wenn wir an Asylbewerber denken, ich weiß schon, in welche Richtung das geht, oder an gleichgeschlechtliche Partnerschaften, aber wir müssen sehr flexibel sein und wir können das einfach nicht so hineinschreiben.

(Zwischenruf Abg. Nothnagel, PDS: Warum denn nicht?)

Ich denke, wir sollten für alle offen sein.

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir die Zielgruppen so benennen, wird das nichts. Unter Punkt 5 die Umsetzung der hauptamtlichen Opferschutzbeauftragten, das ist ein Ziel von uns, das verfolgen wir und ich denke auch, dass die CDU daran gut getan hat, das als eine ihrer ersten und vordersten Ziele in diesem Maßnahmepaket einzubringen. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Wolf, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, nun liegt auf dem Tisch der lange angemahnte und eingeforderte Maßnahmeplan der Landesregierung gegen häusliche Gewalt. Der entsprechende Bundesaktionsplan wird, wie Frau Bechthum schon ausführte, fast drei Jahre diskutiert. In Thüringen laufen die Uhren scheinbar ein bisschen langsamer; muss aber nicht immer negativ sein.

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Präziser.)

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU: Anders.)

Auf jeden Fall hat Mann und Frau in der Landesregierung sich dem Druck der Notwendigkeit gebeugt. Das ist, gebe ich zu, für mich wirklich positiv zu bewerten. Nach dem Plan, Katalog oder wie auch immer man das nennt, ich denke, daraus sollte man keine Glaubensfrage machen, wird in Thüringen jetzt gehandelt und agiert mit dem Vorrang, Opfer zu schützen, aber auch die Täter nicht aus den Augen zu verlieren. An dieser Stelle möchte ich auf Frau Bech

thum reagieren. Ich denke, der Vorrang in dem Maßnahmeplan, speziell sich auf Frauen zu konzentrieren, ist der richtige Weg.

(Beifall bei der PDS; Abg. Wackernagel, CDU)

Denn nur in dem Moment, wenn ich die Frauen stärke, kann ich auch die Kinder stärken.

(Beifall bei der PDS; Abg. Wackernagel, CDU)

Gewalt gegen Kinder ist natürlich - also speziell Gewalt gegen Kinder und nicht Gewalt, die Kinder miterleben müssen - ein anderes Thema und da muss man natürlich auch der Ehrlichkeit halber dazusagen, dass es vor allem die Frauen sind, die schlagen. Deswegen, denke ich, sind hier auch ganz spezielle Ansätze notwendig. Der Plan sollte genau das nicht mit leisten, die Kinder an der Stelle oder Gewalt gegen Kinder mit zu betrachten.

Es stellt sich zwangsläufig die Frage, ob denn der Plan geeignet ist, um genau das zu erreichen, nämlich die Frauen zu stärken und häuslicher Gewalt damit wirklich zu begegnen.

Meine Damen und Herren, hier sehen wir als PDS-Fraktion die Notwendigkeit, über inhaltliche Schwerpunkte und Ansätze zu reden. Der Maßnahmeplan der Landesregierung ist aus meiner Sicht recht dünn und an vielen Stellen auch unkonkret. Vielleicht steht an dieser Stelle auch die Absicht dahinter, wie das Frau Meier bekundete und ich hoffe, das bleibt dabei, das Ganze im Laufe der Zeit mit Inhalt zu füllen. Ich hoffe es und ich versuche daran zu glauben. Auch wir von der PDS können noch glauben, aber, bitte verstehen Sie mein Misstrauen, die Landesregierung hat sich in den letzten zweieinhalb Jahren nicht dadurch ausgezeichnet, offen zu sein für neue Ansätze, Probleme zu erkennen und zu benennen, gemeinsam mit Expertinnen und Experten, Betroffenen oder gar der Opposition Lösungsansätze zu suchen. Beispiele dafür ließen sich viele finden.

Die PDS-Fraktion fordert von der Landesregierung, wie in der Einbringung bereits erwähnt, eine klare parteiliche und eindeutige Positionierung gegen häusliche Gewalt. Diese Position einzunehmen, bedeutet eben auch, konkrete Maßnahmen vorzulegen. Die Betonung liegt hier auf Maßnahmen. Ich denke, man sollte einen solchen Maßnahmeplan nicht mit einem Rechenschaftsbericht verwechseln.

(Beifall bei der PDS)

Der Plan stellt aus unserer Sicht den Problemaufriss klar dar und das ziemlich umfassend und genau - an dieser Stelle lobe ich Sie ausdrücklich -, aber es sind eben wenig neue Ansätze erkennbar. Im Thüringer Maßnahmeplan mangelt es an der Konzeption eines Projekts zur Intervention. Deshalb erfolgt der Versuch, bestehenden Angeboten

und Projekten zusätzliche Aufgaben zu übertragen. Zweifellos innerhalb von Frauenhäusern und -schutzwohnungen keine Frage der Kompetenz, aber aus politischer Sicht der Versuch, mit wenig konzeptionellem und eben auch finanziellem Aufwand Lücken zu schließen. Die Stärkung der Frauenhäuser und Frauenzentren geht für mich jedoch nur, wenn man sich gemeinsam über Konzeptionen, Schwerpunkte und Spezialisierungen, aber auch gerade über Rahmenbedingungen verständigt. Das geht nicht einfach mit der Änderung einer Richtlinie.

Der Plan der Landesregierung enthält kein explizites Konzept für Aus- und Fortbildung der verschiedenen Berufsgruppen. Auch hier werden keine Verbesserungen oder Veränderungen gegen bisherige Fortbildungsangebote vorgesehen, nicht einmal angedeutet.

Zum letzten Punkt - die Aussagen zu den Finanzierungen: Sie implizieren, dass die Maßnahmen gegen häusliche Gewalt eigentlich nichts kosten dürfen. Mir scheint, dass die Landesregierung dies nicht bis zum Ende denkt. Oder treffen wir an dieser Stelle vielleicht kleinkariertes Ressortdenken an? Wenn wir die finanziellen Folgen von Männergewalt realistisch betrachten, wird die Notwendigkeit einer tatsächlichen Prävention sichtbar. Folgekosten von Männergewalt entstehen unter anderem in den Bereichen Gesundheit, Soziales, Bildung und Justiz. Es entstehen Verluste in den Bereichen der Produktivität und bei Steuereinnahmen. Einer Schätzung der Arbeitsgemeinschaft "Männer- und Geschlechterforschung" aus Berlin zufolge, belaufen sich die jährlichen Kosten von Männergewalt auf etwa 2,9 Mrd. DM. Ich denke, das ist eine gigantische Zahl. Wenn diese Folgekosten bedacht würden, wäre es lohnenswert im wahrsten Sinne des Wortes, präventiv tätig zu werden und häusliche Gewalt auf breiter Ebene gesellschaftlich zu ächten.

Meine Damen und Herren, die PDS-Fraktion will sich in die Qualifizierung des Maßnahmeplans der Landesregierung einbringen. Dies ist ja auch ausdrücklich im Bericht erwünscht und eingefordert. Mit der Einbringung des Entschließungsantrags wollen wir die Landesregierung veranlassen, eine weiter gehende fachliche Debatte zum Problembereich der häuslichen Gewalt zu führen.

(Beifall bei der PDS)

Wir fordern als Grundlage, dass alle Statistiken geschlechtsspezifisch aussagekräftig und vergleichbar zu führen sind. Wir fordern, ein landesweites Interventionsprogramm im Maßnahmeplan festzuschreiben. Dieses soll insbesondere auf die Vernetzung in den Regionen und die Realisierung der Kooperation zwischen Institutionen hinwirken.

Ich möchte Ihnen das Modell kurz vorstellen: Es ist eine landesweit agierende Kooperationsstelle zu konzeptionieren. Diese sollte den Aufbau regionaler Interventionsstellen befördern, diese vernetzen und mit Informationen versorgen, mit den verschiedenen Ministerien kooperieren, Fort

bildung leisten, Konzepte entwickeln, Dokumentationen und Statistiken zusammenführen, Öffentlichkeitsarbeit auf Landesebene machen, für eine bundesweite Vernetzung sorgen und auch als Ressourcenzentrum fungieren. Und, meine Damen und Herren, sie ist an dieser Stelle eben einfach mehr als die KOST, die wir bisher haben, und vor allem ist sie in unserem Konzept unabhängiger.

(Beifall bei der PDS)

Weiterhin sollen in den Regionen agierende Interventionsstellen eingerichtet werden. Diese regionalen Stellen arbeiten selbständig mit den von Gewalt betroffenen Frauen und Kindern, vernetzen die kommunal Agierenden und tragen die Informationen von unten nach oben. Dieses Modell, das gebe ich an dieser Stelle ehrlich zu, ist nicht auf unserem Mist gewachsen, es ist einfach inzwischen wissenschaftlich evaluiert und absolut bewährt in vielen Bundesländern.

Meine Damen und Herren, wir denken, mit einer bloßen Vernetzung vorhandener Einrichtungen und einer Anbindung an die Koordinierungsstelle Gewalt kann den Bedürfnissen und Bedarfen von betroffenen Frauen nicht ausreichend entsprochen werden.

(Beifall bei der PDS, SPD)