Protokoll der Sitzung vom 22.08.2002

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vorab folgende Bemerkung: Wer von Ihnen in der CDU ist auf die glorreiche Idee gekommen, dieses wichtige Thema auf die Aktuelle Stunde zu setzen? Frau Vopel war ja noch nicht einmal richtig warm mit ihrem Verriss.

(Beifall bei der SPD)

Herr Ramelow hätte sicherlich auch noch vieles Interessantes zu sagen gehabt an dieser Stelle, aber fünf Minuten Redezeit pro Redner. Aber jetzt einmal ganz ehrlich, wenn man mit dem Thema selbstkritisch, sage ich ausdrücklich, umgehen will, ist das das ungeeignetste Instrument für dieses Papier, was man wählen konnte, aber Sie sind traumsicher da wieder hineingetappt.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der PDS, SPD)

Aber ich sage dazu, das kann man nicht respektieren,

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Antrag lesen!)

das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. Es ist halt Wahlkampf und im Wahlkampf brauchen eben manche manches.

Meine Damen und Herren, die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist nicht zu beschönigen, die war nicht in Ordnung und ist nicht in Ordnung, dort ist einiges zu tun. Ich unterstelle sehr vielen von allen Seiten hier im Haus, dass sie die letzten Monate, ja Jahre unterwegs waren auf dutzenden von Veranstaltungen und nach Problemlösungen gesucht haben. Wenn die Problemlösungen gar viele waren, ich habe auf vielen Veranstaltungen dann auch in anschließenden Gesprächen immer eines gehört: Wir bräuchten jemanden, der das alles einmal zusammenfasst und sortiert. Dann kommt immer der Nebensatz: Da sollte nicht allzu viel Partei mit dabei sein, da sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammensitzen, da sollte die Wissen

schaft zusammensitzen. Genau das ist jetzt einmal an einer Stelle passiert. Andere haben das ja vorher anscheinend nicht auf die Reihe gebracht und das ist jetzt an einer Stelle Papier. Ich verstehe nicht, dass teilweise dieses Papier mit so einer Polemik übergossen wird.

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU)

Die Polemik geht ja bis dahin, dass die Hartz-Kommission eine SPD-Kommission gewesen ist. Man hört ja teilweise einen Unfug dazu. Ich will Ihnen einmal erzählen, weil einige auch hier in dem Raum es gar nicht wissen, wer da alles dringesessen hat. Natürlich saßen zwei Sozialdemokraten drin, ich will aber an der einen Stelle davon ausgehen, dass man beim Oberbürgermeister Tiefensee parteiübergreifend zu der Erkenntnis kommt, das ist nicht der schlechteste.

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Aber der einzige aus dem Osten.)

1. Peter Hartz natürlich, Personalvorstand bei Volkswagen,

2. Dr. Norbert Bensel, Vorstand der Daimler-ChryslerTochter Debes,

3. Dr. Jobst Fiedler, Unternehmensberater bei Roland Berger - in der CDU sehr oft und sehr gern für Argumentationen herangezogen -,

4. Heinz Fischer, Personalmanager bei der Deutschen Bank,

5. Prof. Dr. Werner Jann, Wissenschaftler der Universität Potsdam,

6. Peter Kraljc, Unternehmensberater bei MCKinsey auch etwas, auf was sich die CDU sehr gern beruft -,

7. Klaus Luft, Geschäftsführer bei Market Access for Technology Service,

8. Hanns-Eberhard Schleyer, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks,

9. Prof. Dr. Günther Schmid, Arbeitswissenschaftler am Wissenschaftszentrum Berlin,

10. Eggert Voscherau, BASF-Vorstand.

Es gibt viele, die behaupten, dass allein in dieser HartzKommission mehr wirtschaftliche Kompetenz ist als im gesamten Kompetenzteam eines Kandidaten. Fest steht, mehr wirtschaftliche Kompetenz als in der Thüringer CDU steckt in diesem Team auf jeden Fall. Da die Zeit - ich habe es gesagt - verdammt kurz ist, kann ich wirklich nur im Rasenmäher über die fünf wichtigsten Punkte gehen. Es gibt ja noch einen PDS-Antrag zum Arbeitsmarkt, da kann man vielleicht noch ein bisschen intensiver darauf ein

(Beifall bei der SPD)

1. Wir bauen die Bundesanstalt für Arbeit um, dass die dort Beschäftigten sich wirklich zukünftig auf ihre wichtigste Aufgabe konzentrieren können, nämlich das Vermitteln von Arbeitslosen.

2. Mit dem so genannten Job-Floater holen wir privates Kapital und kurbeln somit Investitionen an.

3. Wir machen aus den Arbeitsämtern wirkliche Serviceagenturen und verknüpfen bzw. verzahnen die mit den regionalen Akteuren des Arbeitsmarkts. Einzelne Arbeitsämter haben dies übrigens schon vorher gemacht. Ich frage mich, was ist daran so schlecht, wenn wir uns bei diesen einzelnen Arbeitsämtern etwas abgeschaut haben?

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Warum habt ihr die Studie nicht schon ein paar Jahre früher gemacht?)

4. Das ist für mich das Wichtigste, wir haben das Prinzip "Fordern und Fördern" nicht verlassen. Wir formulieren Zumutbarkeitsmöglichkeiten und Sanktionen, das heißt, diejenigen, die gutwillig sind und sich auch zukünftig mühen, denen werden Leistungen eben nicht gekürzt.

5. Mit der Ich-AG gehen wir einen Weg zu einer Kultur von echter Selbständigkeit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die SPDLandtagsfraktion wird hier in diesem Raum am 6. September 2002 auch mit externem Sachverstand umfangreich diese Reformvorschläge besprechen und erläutern. Ich möchte Sie dazu recht herzlich einladen. Ich möchte Sie auch ausdrücklich einladen, kritische, aber an der Sache orientierte Beiträge auf so einer Veranstaltung zu leisten. Wir werden dann das öffentlich tun, was hier im Rahmen einer Aktuellen Stunde überhaupt nicht zu leisten ist. Aber eines muss klar sein, wir brauchen den Gestaltungswillen aller, wenn wir das umsetzen wollen, was dort aufgeschrieben ist. Da sage ich ganz deutlich, da hilft uns eines nicht, eine noch so intellekte Teilkritik an Seite 234 Abs. 24 Zeile Nr. 3.

Herr Gentzel, auch Ihre fünf Minuten sind um.

Aber ich habe, wie alle anderen, noch einen letzten Satz.

Wir alle müssen dieses Reformwerk - und wenn ich sage alle, meine ich alle Bereiche der Gesellschaft - angehen und müssen es umsetzen. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Es hat jetzt Abgeordneter Bergemann, CDU-Fraktion, das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Gentzel, bitte einmal den Antrag lesen. Der Antrag sagt, wir reden über die Arbeitsweise der Kommission.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Aber die Ar- beitsweise hat keine Auswirkungen auf Thü- ringen.)

Ich nehme es jetzt schon einmal vorweg, wir werden über die Ergebnisse von Hartz deutlich reden müssen, das ist völlig klar, dass das in einer Aktuellen Stunde hier nicht dargestellt werden kann,

(Beifall Abg. T. Kretschmer, CDU)

aber die Katz ist aus dem Sack. Nachdem man sieben Wochen lang einem geeigneten Publikum gegenüber versucht hat, ständig durch Informationenstreuen jeden Tag, jede Woche etwas Neues, einmal so ein bisschen Leben ins Sommertheater reinzubringen, ist es nun endlich einmal gelungen, nach Wochen irgendein Ergebnis auf den Tisch zu legen. Man hat das ja auch gut im französischen Dom in Berlin inszeniert. Man hat 500 auf Hochglanzpapier gedruckte Einladungen verschickt. Da frage ich mich einmal, weil hier viele Kollegen aus der Enquetekommission "Wirtschaftsförderung in Thüringen" sitzen, da tut es einem schon ein bisschen weh, Thomas, vielleicht auch in welch bescheidenem Rahmen wir der Präsidentin unser Ergebnis präsentiert haben, in welchem Stil das hier vom Bund gefahren wird.

(Unruhe bei der PDS)

Aber so weit, so schlecht. Ich will es auch gar nicht weiter beleuchten. Die Arbeitsmarktpolitik ist verschleppt worden, es ist auch keine Kritik in dem Punkt dran, wir müssen dafür sorgen, dass es hier vorwärts geht. Nach wie vor, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Hauptproblem in Deutschland ist nicht die schnelle Vermittlung von Arbeitslosen in Stellen, die wir nicht haben, sondern wir müssen dafür sorgen, dass wir Stellen schaffen. Das ist das Problem.

(Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin Vopel hat ja die 52 Gutachten angesprochen. Wer sich das wirklich einmal anschaut, was die Benchmarking-Gruppe mit der Bertelsmannstiftung zusammen gemacht hat, Heide Pfarr übrigens dabei, andere auch - das könnte ich Herrn Gentzel einmal empfehlen, das soll er einmal lesen. Es ist aus gutem Grund verschlossen worden, weil nämlich genau die Kritik drin stand, die man hätte berücksichtigen müssen, um Arbeitsplätze zu schaffen. Genau das ist nicht passiert und nun hat man natürlich, wie gesagt, auf dem Tiefstand der Arbeitslosenzahlen der letzten Jahre versucht, mit Herrn Hartz da noch ein bisschen was zu reparieren. Erstaunlich, das möchte ich an der Stelle auch einmal sagen, ist für mich auch gewesen, der DGB Thüringen, unser Kollege Spieth, hat gesagt, es kann ja jeder das Gegenteil sagen, Hartz geht an der Ostrealität vorbei. Kollege Ramelow hat es auch gesagt, wir sehen es als Fraktion ganz genauso, mit einem Menschen wie Herrn Tiefensee kann man die Probleme des Ostens nun wirklich nicht bearbeiten. Aber man höre und staune, ein paar Tage später sagt Herr Spieth, das Konzept ist genial. Da kann ich nur die parteipolitische Neutralität des DGB irgendwo in Frage stellen oder es ist Wahlkampfzeit, wie Herr Gentzel ja immer sagt, das muss man einfach einmal so zeigen, das verwundert einen doch ein bisschen. Ich kann dem auch nur beipflichten, die Kommunen kratzen jeden Cent zusammen, wir haben Steuerausfälle in Größenordnungen, da verspricht er uns, wir machen einmal so im Vorbeigehen 150 Mrd. für den Osten locker. Das ist ja einfach nur so aus der Portokasse zu machen. Wenn ich die Einkünfte der Arbeitnehmer in Thüringen und den neuen Ländern kenne, wenn ich die Kapitalausstattung der Unternehmen kenne, da kann ich nur sagen, ausschlafen. Vom Osten, von der Situation, von den Problemen in den neuen Ländern im Osten nichts verstanden, liebe Freunde.

(Beifall bei der CDU)

Zum Schluss noch einmal: Gerade in den neuen Ländern, da bin ich anderer Meinung, Kollege Ramelow. Ich glaube schon, dass wir darauf achten müssen, dass wir wirtschaftliches Wachstum voranbringen. Es wird uns trotz Rationalisierung nur wirtschaftliches Wachstum helfen, auch Arbeitsplätze zu schaffen. Ich denke, es ist einer der geeigneten Wege und die Rahmenbedingungen müssen wir ändern. Da hat die Hartz-Kommission bisher nichts getan. Und das bedeutet viel, viel Kleinarbeit, deshalb sage ich für meine Fraktion, als CDU werden wir einen entsprechenden Antrag einbringen, dass wir im September hier im Haus wirklich eine Debatte auch über Ergebnisse führen können. Denn wie hat der Herr Hartz am 16. August gesagt, es war genau zur Stunde 11 Uhr: "Innerhalb von drei Jahren werden wir die Arbeitslosigkeit halbiert haben." Und das kann man mal so schön herunterrechnen. Bis dahin im September haben wir zwei Monate geschafft, da müsste ja die Zahl sich schon deutlich verändert haben. Das sind die Aussagen und deshalb, liebe Freunde, meine ich, wir haben allen Grund, wir müssen, wie gesagt, Arbeitsplätze schaffen und das geht nur, wenn wir alle an einem Strick ziehen und wir werden in der Debatte hier das Für