Meine Damen und Herren, gerade deshalb ist die Landespolitik gefordert, dort, wo die rechtlich-sozialen Ansprüche der Flüchtlinge auf den Unwillen oder auch auf den Widerstand von örtlichen Ausländerbehörden oder der Betreiber von Unterkünften stoßen, die rechtlichen Voraussetzungen eben dort zu schaffen, diese Ansprüche gegebenenfalls auf diesem Weg über rechtliche Vereinbarungen zur Geltung zu bringen. Frau Groß, da haben wir oftmals weitaus mehr Möglichkeiten auch auf Landesebene als beispielsweise der erste Blick in die bundesgesetzlichen Regelungen offenbart. Uns liegt dabei natürlich in erster Linie der Anspruch zugrunde, die Flüchtlingsunterbringung in Thüringen nach humanen Kriterien zu organisieren. In zweiter Linie betrachten wir natürlich auch die gegenwärtige Praxis der Unterbringung von Flüchtlingen einschließlich der damit verbundenen begleitenden Regelungen als zumindest rechtlich bedenklich, nämlich dort, wo das durch das Grundgesetz und die Thüringer Verfassung verbriefte Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit entweder eingeschränkt oder unter einen Antragsvorbehalt gestellt wird.
Zur so genannten Residenzpflicht: Nach § 56 des Asylverfahrensgesetzes haben sich Asylbewerber in dem Bereich der Ausländerbehörde aufzuhalten, dem sie zugewiesen worden sind. An den Beispielen der Gemeinschaftsunterkünfte Zella-Mehlis und Struth bei Suhl wird beispielhaft deutlich, wie wirklichkeitsfremd und restriktiv die Präsenzpflicht in das Leben der Flüchtlinge eingreift. Die Gemeinschaftsunterkunft Zella-Mehlis liegt nur rund 100 bis 200 m von der Stadtgrenze Suhl entfernt, hingegen liegt die Gemeinschaftsunterkunft Struth bei Suhl wiederum nur 100 m von der Stadtgrenze Zella-Mehlis entfernt. Der Weg in die nahe gelegene Stadt, die Teilnahme am sozialen Leben, die Nutzung des nahe gelegenen Nahverkehrsknotens ist für die Flüchtlinge verwehrt und obwohl die beiden Unterkünfte auf Sichtweite liegen, können die Flüchtlinge sich nicht ohne einen zu beantragenden Urlaubsschein besuchen. Suhl und Zella-Mehlis, meine Damen und Herren, sind keine Einzelfälle in Thüringen, eine ähnliche Situation besteht für die Gemeinschaftsunterkunft in Markersdorf, aber auch für die Gemeinschaftsunterkunft in Gangloffsömmern. Bei all diesen Problemen hat der Innenminister am Anfang dieser Legis
latur zwar angekündigt, darauf zu drängen, dass eine Einigung zwischen den beteiligten Kommunen und den Landkreisen erzielt wird, eine eigene Verantwortung, die Möglichkeit hat er ja nach Asylverfahrensgesetz, lehnt er bis zum heutigen Zeitpunkt ab. Ich hoffe, aufgreifend des Flüchtlingsberichts, dass wir auch in diesem Punkt, wieder zu einer Bewegung kommen können.
Vielen Dank. Herr Abgeordneter Dittes, Sie verwenden mehrfach bereits den Begriff "wirklichkeitsfremd" im Zusammenhang mit der Präsenzpflicht. Muss ich das so verstehen, dass die Bevölkerungsgruppe, von der Sie sprechen, in Wirklichkeit sich nicht an die Präsenzpflicht hält?
Sehen Sie, ich habe gerade die Beispiele Suhl und ZellaMehlis genannt und auch Greiz, wo im Landkreis Greiz die Gemeinschaftsunterkunft Markersdorf, wie Sie sicherlich wissen, liegt im Zusammenhang mit der Stadt Gera. Dort ist es rein praktisch gar nicht möglich, die Präsenzpflicht einzuhalten, Herr Sonntag. Allein die Beantragung eines Urlaubsscheines im Landratsamt in Greiz würde erfordern, gegen die Präsenzpflicht verstoßen zu müssen, weil die Anreise nach Greiz nur über Gera möglich ist. Das sollte man zur Kenntnis nehmen und das ist wirklichkeitsfremd. Es ist auch wirklichkeitsfremd anzunehmen, dass Menschen, die in Markersdorf untergebracht sind, ferngehalten werden können von gewerblichen, von kulturellen, von religiösen Angeboten der Stadt Gera. Ich denke, mit dem Begriff des Wirklichkeitsfremden sind wir durchaus in Übereinstimmung auch mit den Untersuchungsergebnissen des Thüringer Beauftragten für die Ausländer hier in Thüringen.
Meine Damen und Herren, es ist verschiedentlich bereits angeklungen, lediglich in besonderen Ausnahmefällen können die Ausländerbehörden, wenn der Antrag begründet gestellt wird, Flüchtlingen eine Genehmigung zum Verlassen des Landkreises erteilen. In einigen Landkreisen wird für die Erteilung einer solchen Genehmigung zudem noch eine Verwaltungsgebühr erhoben, die in kei
nem zu rechtfertigenden Verhältnis zu dem monatlich erhaltenen Taschengeld in Höhe von 41 Gebühr, Herr Sonntag, und das hat auch etwas mit Wirklichkeitsfremdheit zu tun, wird damit zu einer weiteren Hürde für Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die Residenzpflicht einzuhalten, weil allein diese finanzielle Hürde provoziert, den Landkreis - und damit natürlich seine existenzielle Lebensgestaltung vorzunehmen - ohne Genehmigung zu verlassen.
Diese damit verbundenen Rechtsverstöße, die Ordnungswidrigkeiten die bei Wiederholung zu Straftaten werden, sind natürlich mit ihrem Einfluss in die Thüringer Kriminalitätsstatistik auch mit ursächlich verantwortlich für den Eindruck, dass Flüchtlinge überproportional beteiligt sind an Ordnungswidrigkeiten und Straftaten. Die Reisebeschränkungen, meine Damen und Herren, für Asylbewerber stellen einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Freizügigkeitsrecht der Betroffenen dar. Das Antragsverfahren unterwirft sie zudem einer subjektiven Beurteilung ihrer eigenen Lebensgestaltung durch die zuständige Behörde. In der Kommentierung zum Grundrecht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit in der Thüringer Verfassung kommen die Autoren Linck, Jutzi, Hopfe zu der Auffassung, dass, und das ist ein Zitat: "Einschränkungsversuche entweder mit Blick auf Artikel 1 Abs. 1 überflüssig oder wegen drohender Bevormundung des Einzelnen und entstehender grundrechtlicher Schutzlücken abzulehnen" sind. Das Grundrecht, meine Damen und Herren, wird in diesem Kommentar ausdrücklich auch in Thüringen lebenden Ausländerinnen und Ausländern zugestanden, was bei anderen Grundrechten, die ganz explizit nur Deutschen vorbehalten sind, nicht der Fall ist.
Ein Erlass auf Grundlage des § 58 Abs. 6 des Asylverfahrensgesetzes zum erlaubnisfreien vorübergehenden Aufenthalt von Flüchtlingen in den Landkreisen und kreisfreien Städten Thüringens, Frau Ellenberger, und damit in allen Landkreisen und kreisfreien Städten Thüringens würde nicht nur den örtlichen Verhältnissen in Thüringen Rechnung tragen, sondern den Flüchtlingen ermöglichen, problemlos Rechtsanwälte und Beratungsstellen, Freunde und Verwandte jederzeit aufzusuchen, kulturelle und gewerbliche Einrichtungen zu besuchen, sich in Vereinigungen zu organisieren sowie an kulturellen, religiösen und auch politischen Veranstaltungen teilzunehmen.
Ein entsprechender Erlass oder eine entsprechende Rechtsverordnung entlastet die Behörden, die bisher mit der Bearbeitung von Reiseanträgen und der Ausstellung von Urlaubsscheinen befasst waren, und beseitigt den beständigen Anlass zur Kriminalisierung von Flüchtlingen.
Es steht, meine Damen und Herren, weil auch das angesprochen worden ist, in keinerlei Widerspruch zur Praxis in anderen Bundesländern. So gilt z.B. im Bundesland Hessen die Beschränkung für die einzelnen Regierungsbezirke, die durchaus vergleichbar sind mit dem Freistaat Thüringen, zumindest in der Größe. Demnach würde unseres Erachtens, die von uns vorgeschlagene Regelung auch nicht gegen den ursprünglichen Willen des Gesetzgebers verstoßen, denn dessen Ziel war es nicht etwa, eine weitestgehende Beschränkung der Bewegungsfreiheit vorzunehmen, sondern vielmehr ein vernünftiges Maß zwischen der rechtlich garantierten Freizügigkeit von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern den Anforderungen an diese während eines laufenden Asylverfahrens zu finden.
Meine Damen und Herren, von einem vernünftigen Maß sind wir in Thüringen mit der gegenwärtigen Rechtslage noch weit entfernt.
Verschweigen will ich an dieser Stelle nicht unsere grundsätzliche Ablehnung der bundesgesetzlichen Regelung in § 58 Asylverfahrensgesetz. Aber das vernünftige Maß, von dem ich gesprochen habe, ist auch die von uns vorgeschlagene Rechtsverordnung, die eben in Thüringen möglich ist, ohne tatsächlich bundesrechtliche Regelungen anzugreifen oder denen gar widersprechende Regelungen hier in Thüringen umzusetzen.
Meine Damen und Herren, zum Schulbesuch von Flüchtlingskindern: Minderjährige Flüchtlinge sind zuerst Kinder und bei allen Entscheidungen über die Art der Unterbringung, der Betreuung und zuerkannter Bildung muss eine positive Entwicklung der Persönlichkeit eines Heranwachsenden Vorrang haben vor dem Asylrecht oder auch vor dem Ausländerrecht. Die Bundesrepublik hat den internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte der Vereinten Nationen unterzeichnet. Darin wird ausdrücklich das Recht eines jeden auf Bildung und die Grundschulpflicht festgeschrieben. In Thüringen besteht für alle Kinder, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Thüringen haben, die Schulpflicht. Ein Rundschreiben an die Landesschulämter vom 5. Dezember 1999, das bereits von Frau Ellenberger angesprochen worden ist, verneint die Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts bei Flüchtlingskindern ausdrücklich. Zwar soll ein Schulbesuch aus humanitären Gründen entsprechend des Rundschreibens ermöglicht werden - was noch lange, Frau Ellenberger und Frau Groß, kein Rechtsanspruch ist -, aber auch nur dann, wenn dies von den Eltern ausdrücklich gewünscht und soweit dieser nach den Verhältnissen des Einzelfalles durchführbar ist. Was auch immer Letzteres in der konkreten Anwendung vor Ort bedeuten mag, die negativen Folgen für die Kinder sind vielfältig. Schulen können mit dem Hinweis auf zu große Klassen und fehlende Fördermöglichkeiten Schüler ablehnen. Kinder werden nicht altergemäß in Schulklassen aufgenommen und haben keinen Anspruch auf Integrationshilfe. Auch bei gu
ten Noten bleiben den Kindern oftmals weiterführende Schulen verschlossen. Von einer Möglichkeit der Berufsausbildung kann überhaupt nicht die Rede sein. Dort, wo die Eltern aus Unwissenheit oder religiösen Vorurteilen Schulbesuche ihrer Kinder ablehnen, findet kein gezieltes Hinwirken auf Abänderung der Haltung statt. Auch wird in einigen Unterkünften die Nichtbeschulung der Kinder durch die Betreuer leider hingenommen oder es fehlen die Transportmöglichkeiten für die Kinder von den weit entfernten Unterkünften zu der nächsten Schule.
Das Thüringer Schulgesetz, meine Damen und Herren, steht der Schulpflicht für Kinder von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern nicht im Weg. Sie muss deshalb auch nicht eingeführt werden. Es reicht eine korrigierte Auffassung der Landesregierung zu der Frage des gewöhnlichen Aufenthalts von Flüchtlingskindern. Damit ist praktisch der bereits angesprochenen faktisch mehrjährigen Aufenthaltsdauer von Flüchtlingskindern in Gemeinschaftsunterkünften Thüringens unseres Erachtens unzweifelhaft entsprochen.
Auch die Unvereinbarkeit der jetzt praktizierten Rechtsauffassung mit internationalem Recht kann durch die Zustimmung in diesem Punkt behoben werden.
Meine Damen und Herren, zur Unterbringung in Einzelunterkünften bzw. zur dezentralen Unterbringung: Obwohl Asylbewerberinnen und Asylbewerbern oftmals die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 des 1997 verabschiedeten Flüchtlingsaufnahmegesetzes erfüllen, bekommen viele Flüchtlinge auf ihren Antrag auf Einzelunterbringung keine Genehmigung. Der Bericht spricht von ca. 40 Prozent Asylbewerbern, die unter die Fallgruppen fallen, aber lediglich 14,4 Prozent bewohnen in Thüringen tatsächlich eine Einzelunterkunft. Der Flüchtlingsbericht gibt in Fallbeispielen Auskunft darüber, warum Flüchtlingen, trotz Erfüllung der Kriterien, diese Einzelunterbringung verwehrt wird. So fürchtet beispielsweise die Gemeinschaftsunterkunft Struth bei Suhl eine Unterschreitung der Belegungsquote bei Wegzug zu vieler Asylbewerber, die dort untergebracht sind. Einige dieser Flüchtlinge leben seit der deutschen Einheit, also seit nunmehr 12 Jahren, in der Gemeinschaftsunterkunft. Die Ausländerbehörde des Landkeises Schmalkalden-Meiningen lehnt eine Unterbringung in Einzelunterkünften in Einzelfällen ab, da dann nach dem Gleichheitsgebot allen Flüchtlingen, die die rechtlichen Voraussetzungen erfüllen, eine Einzelunterbringung ermöglicht werden müsse.
Meine Damen und Herren, hier wird wissentlich ein existierender Rechtsanspruch auf Abwägung des Einzelfalls verneint und eigenmächtig in die Rechte und in die privaten Belange der Flüchtlinge eingegriffen. Damit ist festzustellen, meine Damen und Herren, und das ist für den Thüringer Landtag von Interesse, dass fünf Jahre nach InKraft-Treten des Flüchtlingsaufnahmegesetzes dem darin
zum Ausdruck gekommenen Willen, verstärkt Asylbewerberinnen und Asylbewerber in Thüringen dezentral unterzubringen, durch die gesetzliche Regelung nicht ausreichend entsprochen worden ist. Insofern ist es geradezu notwendig, die bestehende Regelung zu überprüfen und gegebenenfalls auch in der ursprünglichen Richtung, wie gewollt, anzupassen und zu verändern.
Das Asylverfahrensgesetz schreibt zwar in § 53 Abs. 1 gleich dem Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetz eine Regelunterbringung in Gemeinschaftsunterkünften vor, stellt diese aber unter den Vorbehalt, dass sowohl das öffentliche Interesse als auch die Belange des Ausländers zu berücksichtigen seien, das heißt, beide Interessen sind gegeneinander abzuwägen.
Zum einen bestreiten wir, dass grundsätzlich eine Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften einem öffentlichen Interesse entspricht, zum anderen ist aber mit dem Flüchtlingsaufnahmegesetz ein Ergebnis dieser Abwägung insofern vorgegeben, dass regelmäßig davon auszugehen ist, dass in den Fallgruppen, denen eine dezentrale Unterbringung zuerkannt werden kann, die persönlichen Belange gegenüber einem wie auch immer begründeten öffentlichen Interesse an einer Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft überwiegen. Dies aufgreifend schlagen wir in unserem Antrag vor, das Flüchtlingsaufnahmegesetz durch eine Verwaltungsvorschrift zu ergänzen, damit der artikulierte Wille des Gesetzgebers auch in der Praxis der Unterbringung von Flüchtlingen Umsetzung findet.
Im Übrigen verweise ich auch an dieser Stelle darauf, dass eine dezentrale Unterbringung auch von denen im Flüchtlingsaufnahmegesetz nicht einbezogenen Fallgruppen im Zuge einer derartigen Abwägung möglich ist. Auch eine unanfechtbare Ablehnung eines Asylantrags führt nicht dazu, dass das öffentliche Interesse an einer Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft zwangsläufig überwiegt, wie das Verwaltungsgericht Meiningen 1999 feststellte.
Meine Damen und Herren, mit der dezentralen Unterbringung wird Menschen erst wieder ermöglicht, Kernbereiche ihrer Lebensgestaltung selbstverantwortlich zu realisieren, sei es die uneingeschränkte Gestaltung sozialer Kontakte einschließlich auch persönlicher Rückzugsräume oder seien es ganz banale Dinge wie Wäsche waschen, Wohnungseinrichtung oder Ähnliches. All diese, meine Damen und Herren, die Individualität des Einzelnen bestimmenden Faktoren bleiben in Gemeinschaftsunterkünften lebenden Personen für einen oft unzumutbar langen Zeitraum verwehrt.
Meine Damen und Herren, wir haben im Antrag sicherlich nicht alle von Herrn Peters angesprochenen Probleme bei der Flüchtlingsunterbringung und -betreuung aufnehmen können. Wir haben uns im Antrag vordergründig den rechtlichen Rahmenbedingungen, auf die das Land unmittel
baren Einfluss hat, gewidmet. Der Bericht sollte uns aber gleichfalls auch Anlass sein, in den entsprechenden Ausschüssen die Anregungen des Ausländerbeauftragten der Landesregierung aufzugreifen, zu diskutieren und entsprechende Umsetzungsvorschläge zu unterbreiten und die Landesregierung in die Pflicht zu nehmen, auch über die hier im Antrag formulierten Teilbereiche hinaus.
An der Reaktion der Landesregierung, die bisher - zumindest für mich wahrnehmbar - öffentlich ausgeblieben ist, wird sich auch zeigen, inwiefern sie die von ihr selbst beauftragten Interessenvertreter für einzelne in Thüringen lebende Menschen ernst nimmt. Das bisherige Schweigen der Landesregierung zum Bericht und zu den Empfehlungen drängt zumindest Zweifel an einer solchen Ernsthaftigkeit auf. Ich hoffe, diese Zweifel können heute ausgeräumt werden. Ich beantrage, den vorliegenden Antrag federführend an den Innenausschuss und mitberatend aufgrund der beinhaltenden Fachspezifik an den Ausschuss für Bildung und Medien zu überweisen. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung ist dankbar für die selbständige kritische Begleitung durch den Ausländerbeauftragten. Insofern haben wir den ersten Bericht des Ausländerbeauftragten auch aufmerksam zur Kenntnis genommen und arbeiten an verschiedenen Punkten. Allerdings kommen wir jetzt hier in die Debatte über einen Antrag der PDS-Fraktion und dieser Antrag ist etwas anderes als die eigentliche Bearbeitung dieses Berichts des Ausländerbeauftragten. Ich bin dankbar, wenn die Möglichkeit besteht, im Innenausschuss auf verschiedene relevante Fragen der Ausländerproblematik in Thüringen insgesamt einzugehen.
Die PDS-Fraktion unternimmt hier in ihrem Antrag den Versuch, unter Ziffer 1 die Aufhebung der Residenzpflicht für Asylbewerber erneut auf die Tagesordnung zu bringen. Das ist keine neue Idee. Der Landtag hat sich bereits vor zwei Jahren im Januar 2000 mit einem ähnlichen Antrag beschäftigt, einem Antrag, der die Erweiterung der Aufenthaltbeschränkungen für Asylbewerber auf das gesamte Gebiet des Freistaats Thüringen forderte. Es wurde sich hier ausführlich mit diesem Antrag auseinander gesetzt. Dieser Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt worden.
Im Innenausschuss konnte ich im Oktober 2000 ausführlich begründen, warum keine Notwendigkeit besteht, die spezifischen örtlichen Probleme der räumlichen Beschränkung für die Bewohner der Gemeinschaftsunterkünfte ZellaMehlis und Markersdorf durch eine Rechtsverordnung
nach § 58 Abs. 6 Asylverfahrensgesetz zu lösen. Insofern, Herr Kollege Dittes, kann ich sicher grundsätzlich auf diese Debatte verweisen, denn neue Argumente gibt es nicht.
Nicht zuletzt werden Kommentierungen zum Flüchtlingsbericht des Freistaats Thüringen 2001 gerade an diesen Punkten in Ihrem Antrag aus dem Zusammenhang gerissen. In seiner Kommentierung zum Flüchtlingsbericht 2001 stellt der Landesbeauftragte fest, dass sich ein nicht unerheblicher Teil der Flüchtlinge längere Zeit nicht in den Gemeinschaftsunterkünften aufhält und nur an den Tagen anwesend ist, an denen Sozialleistungen ausgezahlt werden. Das wirft für ihn die, wie ich meine, sehr berechtigte Frage auf, wo die Flüchtlinge denn in der Zwischenzeit wohnen und womit sie ihren Lebensunterhalt bestreiten? Er geht davon aus, dass es in nicht unerheblichem Maße zu Verstößen gegen die Präsenzpflicht und zu Schwarzarbeit in anderen Regionen kommt. Seine Annahme dürfte bedauerlicherweise zutreffend sein. Diese Feststellungen des Landesbeauftragten will nun die PDS-Fraktion jetzt dazu nutzen, die räumliche Beschränkung generell zu erweitern. Dann bitte ich aber genau zu lesen im Bericht des Landesbeauftragten, denn nicht die Präsenzpflicht an sich nennt der Landesbeauftragte - wie von der PDS-Fraktion behauptet - wirklichkeitsfremd, der Landesbeauftragte hält angesichts der örtlichen Verhältnisse lediglich die Durchsetzung der Präsenzpflicht in einigen bestimmten Fällen - und hier nennt er Zella-Mehlis und Markersdorf für wirklichkeitsfremd und hält dort sachgerechtere Lösungen für erforderlich.
Die Landesregierung teilt die Auffassung des Landesbeauftragten, dass die Handhabung der Erlaubnis zum Verlassen der räumlichen Beschränkung besonderen örtlichen Gegebenheiten entsprechen sollte, insbesondere in Zella-Mehlis und Markersdorf. Jedoch ist dafür - entgegen der Auffassung des Ausländerbeauftragten - nicht eine Rechtsverordnung nach § 58 Abs. 6 Asylverfahrensgesetz erforderlich. Regelungen für die betroffenen Heimbewohner können jederzeit durch generelle Erlaubnisse im Einzelfall oder mittels Allgemeinverfügung getroffen werden. Gegenüber den betroffenen Landkreisen und kreisfreien Städten hat das Innenministerium mehrfach solche praktikablen Lösungen angeregt. Das war ihnen ja auch zugesagt worden. Diese an sich Zuständigen haben bislang abgelehnt und bringen dafür respektable Gründe vor. Ich will an dieser Stelle einmal sagen, wenn wir über die Thematik Ausländer in Thüringen diskutieren, dann gehört auch den Ausländerbehörden vor Ort ein Dank zu sagen, denn diese haben einen außerordentlich schwierigen Job.
Sie vollziehen zum einen Bundesrecht - und da wird der Innenminister des Freistaats den Teufel tun und ihnen da hineinreden -, aber sie vollziehen auch Landesrecht. Gerade bei diesem schwierigen Job wäre es ein eklatanter Fehler, von oben herab hineinzureglementieren, sprich also von den oberen Behörden hineinzureglementieren gerade in
diesen schwierigen Bereich, denn sonst werden wir verantwortungsvolles Handeln der einzelnen Behörde vor Ort nicht mehr zu erwarten haben, weil dann generell bei der Durchsetzung dieser schwierigen Problematik nur noch auf Weisung von oben gewartet werden wird.
Deshalb wird es Anweisungen des Innenministeriums an diese Kommunen, wenn sie sich rechtens verhalten, nicht geben. Die Landesregierung sieht daher auch zum jetzigen Zeitpunkt keine Veranlassung, die räumliche Beschränkung der Asylbewerber durch eine Rechtsverordnung nach § 58 Abs. 6 Asylverfahrensgesetz generell zu erweitern. Es kann sicher im Ausschuss besprochen werden, ob man sich mit den betreffenden Kommunen noch einmal selbst ins Benehmen setzt, um diese Gründe näher zu erfahren.