Meine Damen und Herren, wenn wir nun hoffentlich gemeinsam der Auffassung sind, dass die Arbeitsmarktentwicklung im Freistaat Thüringen keinerlei Anlass zur Entwarnung gibt und dass wir trotz der bekannten Nöte öffentlicher Haushalte auf allen Ebenen der Beseitigung von Arbeitslosigkeit höchster Priorität einräumen müssen, wenn wir weiter erkennen, dass wir in vielen Fällen der hier genannten förderfähigen Strukturen nach wie vor einen großen Nachholbedarf haben, dann, meine Damen und Herren, sollten wir sofort im Sinne dieses Antrags handeln. Es würde der Landesregierung gut zu Gesicht stehen, die Haushaltssperren aufzuheben, die Kompetenzen der Regionalbeiräte zu stärken und die Prioritäten der kommunalen Gebietskörperschaften sowie Fachverbände zu achten. Ausreichend förderfähige Anträge für Strukturanpassungsmaßnahmen liegen in großer Zahl vor. Hier könnte kurzfristig zum Abbau von Arbeitslosigkeit beigetragen werden. Es wäre endlich an der Zeit, dass die Landesregierung tätig wird, um die durch den 2. Nachtragshaushalt vorgenommenen Kürzungen zurückzunehmen. Mindestens das sind wir den Arbeitslosen in unserem Land schuldig. Arbeitsmarktförderung als Sparbüchse zu missbrauchen und allein auf die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft zu bauen, funktioniert eben nicht, wie wir es ständig erleben müssen und bestätigt finden. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.
Ich eröffne die Aussprache und bitte als erste Rednerin Frau Abgeordnete Vopel ans Rednerpult. Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Kollege Müller, dass SAM in Thüringen einen hohen Stellenwert hat, das können noch nicht einmal Sie abstreiten. Ich empfehle Ihnen, einmal zu schauen, wie die Verteilung in den neuen Bundesländern ist. Auf 100 Arbeitslose entfallen in Mecklenburg-Vorpommern 22 Personen in
der Arbeitsförderung. In Sachsen-Anhalt 21, in Brandenburg 18, in Sachsen 17 und in Thüringen 24. Es ist nach wie vor der höchste Wert.
Ich finde es schon ein Stück anmaßend, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, wir fahren das absichtlich herunter wegen der Bundestagswahl.
Selbst auf die Gefahr hin, dass ich einen Ordnungsruf bekomme, so viel Dummheit kann man eigentlich überhaupt nicht verbreiten.
Die Frage der Rücknahme der Haushaltssperre, ich habe das heute Morgen erklärt, ich möchte es mir ersparen, dasselbe noch einmal zu sagen. Es geht um 5 Prozent. Der Minister hat es vorhin auch noch einmal dargelegt. Das Geld ist nicht da. Wir haben schon 100 Mal gesagt, warum es nicht da ist. Nun tun Sie etwas dafür, dass wir die Wirtschaft in Gang bekommen, dass wir wieder Steuereinnahmen haben und dass wir Rahmenbedingungen haben und dass wir Wirtschaftswachstum haben.
Der Punkt 2, Verlagerung der Entscheidungskompetenz: Die Regionalbeiräte sind vor nun fast drei Jahren neu konzipiert worden. Da ist eine vernünftige Arbeit gemacht worden. Aber wenn Sie jetzt erwarten, dass wir vielleicht die Regionalbeiräte zu einem Förderinstrument machen, das kann es überhaupt nicht sein. Das geht förderrechtlich schon gar nicht, weil natürlich die Regionalbeiräte ein beratendes Gremium sind und die nicht anfangen und Fördermittel verteilen können. Wir können auch demnächst einmal hingehen und können sagen, GA-Fördermittel verteilen wir gleichmäßig unter den IHKs in Thüringen oder ich weiß nicht, wie Sie das meinen. Ich denke, das kann wohl so nicht sein.
Wir haben Prioritäten. Danach wird verfahren. Ich denke, das läuft an sich auch sehr ordentlich. Wenn Sie sich einmal die Mühe machen und sich einmal anschauen, wie die Verteilung im Moment ist, so sind 6 Prozent der SAMTeilnehmer in der Verbesserung des Wohnumfeldes, in der Denkmalpflege, 9 Prozent in der Verbesserung der wirtschaftlichen und touristischen Infrastruktur, 12 Prozent,
in der Umweltsanierung arbeiten 15 Prozent, bei den sozialen Diensten 13 und in der Jugendhilfe, Breitensport und in der Kulturarbeit 15 Prozent. Ich denke, das sind Zahlen, die können sich sehen lassen und man kann durchaus einmal schauen, wie das in Thüringen läuft. Wenn Sie wieder den Rückgang ansprechen, dann kann ich Ihnen auch noch eine Zahl nennen. Im vorigen Jahr hatten wir bei SAM OfW 5.680 Menschen in Arbeit und in diesem Jahr sind es noch 3.721, also fast 2.000 weniger. Ich habe es nun schon zum wiederholten Male gesagt, die Reduzierung der Fördersätze, die haben nicht wir zu verantworten. Wir haben damals darauf hingewiesen, dass sich die Zahlen reduzieren. Wir sind damals dafür beschimpft worden. Damals hieß es Mitnahmeeffekte. Wir haben gesagt, das ist aber genau das Instrument, was zu Arbeitsplätzen führt und was am besten angenommen wird und wo der Klebeeffekt am größten ist. Uns ist nicht geglaubt worden. Jetzt wiederum beklagen Sie, dass wir da weniger in Arbeit haben. Was möchten Sie denn nun?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zu den beiden Punkten des SPD-Antrags. Zu Punkt 1: Heute Morgen gab es den Antrag der PDS-Fraktion in Drucksache 3/2625, der stammt vom 09.04.2002. Zu dem Antrag haben SPD und PDS in namentlicher Abstimmung im Punkt 1 Ja gesagt. Der Punkt 1 dieses Antrags, der fünf Tage später eingereicht wurde, ist nahezu identisch. Wir sehen keine Veranlassung, nur weil er von der SPD kommt, diesem Antrag nicht zuzustimmen. Insofern ohne Probleme unsere Zustimmung, aber nicht, ohne noch einige Beispiele anzuführen, die das Ganze untermauern. Das hatte ich Ihnen heute Morgen versprochen. Es waren keine Einzelfälle, Frau Vopel, die ich heute Morgen angeführt habe.
Nein, wir können das viel breiter fächern. Das hat gar keine große Arbeit gemacht, Herr Kretschmer. Ein Träger in Gotha hatte im Jahr 2000 24 Beschäftigte in SAM, derzeit noch 13. Im gleichen Zeitraum hat sich die Zahl der Beschäftigten in ABM von 233 auf 100 reduziert. Im näch
sten Jahr werden höchstens noch 33 Beschäftigte in ABM tätig sein. Einem Träger in Erfurt sind bis Mitte 2001 etwa 57 Prozent seiner SAM-Anträge bewilligt worden, waren es im Jahr 2002 nur noch 35 Prozent, wobei nur noch ein Viertel der bewilligten Maßnahmen ältere Menschen über 55 betraf - Ihr tolles Sonderprogramm, was angeblich ohne Beschränkung bewilligt wird. Einem Träger wurde von der GfAW schon zu Beginn des II. Quartals 2002 mitgeteilt, dass die für die entsprechende Region bereitgestellten SAM-Mittel für Sozialdienste bereits ausgeschöpft seien. Soviel zur Angemessenheit Ihrer Haushaltsmittel. Ein Träger aus Mittelthüringen, ihm wurde eine SAM-Stelle aufgrund der - so die GfAW - Haushaltssituation nicht verlängert, und ein Träger, der vor einem Jahr einen Förderantrag bei der Kommunalentwicklung GmbH eingereicht hat, vor einem Jahr, Frau Vopel, der wartet immer noch auf eine verbindliche Entscheidung zu seinem Antrag. Er wäre ja auch mit einer Ablehnung einverstanden. Sie müsste nur einmal erteilt werden. Meine Damen und Herren, von Seiten des Wirtschaftsministeriums wird dann am 30.08.2002 auf einer Veranstaltung mitgeteilt, dass zurzeit nur noch SAM, die auf den ersten Arbeitsmarkt führen, förderbar sind, aufgrund der Mittelsituation im Landeshaushalt könnten nicht einmal mehr alle Maßnahmen gefördert werden, die in höchster Priorität eingestuft wurden. Die Verpflichtungsermächtigungen sind vollständig gesperrt und werden möglicherweise, so das Ministerium zu diesem Zeitpunkt, in etwa vier bis fünf Wochen, also kurz nach der Wahl, entsperrt werden. In der gleichen Zeit stellt Herr Schuster fest - Sie haben mitbekommen, Herr Schuster, dass diese Aussagen Ihres Ministeriums vom 30. August waren? -, vor einigen Stunden sagten Sie hier von diesem Pult, ich darf zitieren, Frau Präsidentin: "Herr Gerstenberger, zwischen dem damaligen Rundbrief" Sie meinten der GfAW vom Juni dieses Jahres - "und der Situation heute, sind Wochen vergangen, in denen gehandelt wurde." Wie wahr, das Handeln war am 30.08. zu hören; es wird besser, meine Damen und Herren, nach der Wahl, sofern richtig gewählt wurde.
Um deutlich zu machen, dass es dort durchaus einen Zusammenhang gibt, meine Damen und Herren, sei noch auf die Kleine Anfrage 3/2565, die der Abgeordnete Dr. Müller gestellt hatte, verwiesen. Dort antwortete das Ministerium, ich darf noch mal zitieren, Frau Präsidentin: "Im Rahmen der bei SAM möglichen Förderbereiche können für den Freistaat Thüringen wichtige strukturrelevante Arbeiten mit erheblichen Beschäftigungswirkungen verbunden werden. Die landesseitig ergänzende Förderung von SAM erfolgt auf der Grundlage des Kabinettsbeschlusses vom 11. April 2000 in Verbindung mit dem Kabinettsbeschluss vom 18. Juni 2002 nach abgestimmten Qualitätskriterien und Prioritäten in Abhängigkeit von der Haushaltslage."
Nun haben wir mit der Haushaltssperre zur Kenntnis genommen, meine Damen und Herren, die Arbeitsmarktpolitik hatte in diesem Sommer in dieser Landesregierung keine Priorität, denn hätte sie Priorität gehabt, hätte es diese Sperre nicht gegeben, umso berechtigter ist dieser
Zu zweitens, meine Damen und Herren - ich habe es geahnt, Dr. Müller, ich habe es wirklich geahnt. Es konnte nicht gut gehen. Stellen Sie sich mal vor, eine Fraktion, die heute früh sich hier hinstellt und ein demokratisch legitimiertes Gremium durch eine dreiste Beschlussfassung nach Mehrheit aushebelt - ich meine den Ältestenrat, der dafür zuständig ist, eine ordentliche Tagesordnung zu beschließen -, in kluger Weisheit per Mehrheitsentscheid, weil man der Meinung war, das wäre richtig, höhlen Sie diese Tagesordnung aus. Und warum? Weil Sie natürlich gern Ihre Wahlkampfargumentation zu Hartz auf der Tagesordnung gehabt haben, aber Sie möchten nicht die inhaltliche Auseinandersetzung zu den tatsächlichen praktischen und von Ihrer Seite zu verantwortenden Problemen auf der Tagesordnung haben. Das, meine Damen und Herren, war der Grund,
nachdem Sie gemerkt hatten, was hinter diesem Antrag steckt, dass Sie ganz still und leise per Mehrheitsentscheid - das haben Sie sich nämlich im Ältestenrat nicht getraut zu äußern, sonst hätten Sie die Tagesordnung im Ältestenrat dort kippen können - diese Tagesordnung zu verschieben. Dr. Müller, in dieser Phase stellen Sie jetzt den Antrag als SPD-Fraktion, einen Antrag, den PDS und SPD schon in den vergangenen Jahren mehrfach gestellt haben, dass diese Fraktion diese vermeintliche Kompetenz plötzlich an Regionalbeiräte abgeben soll, die eigenständig, selbständig und verantwortungsbewusst in diesem Land entscheiden soll. Das geht bei diesem Demokratieverständnis dieser Fraktion nicht, Herr Müller. Aber trotzdem werden wir als PDS-Fraktion diesem Antrag zustimmen. Ich befürchte nur, die Mitte wird sich dem erneut verweigern.
Ich habe zwar hier rumgezappelt, aber Sie waren so konzentriert und fixiert auf das, was Sie sich dort aufgeschrieben haben, dass Sie es wahrscheinlich übersehen haben. Aber, Herr Gerstenberger, stimmen Sie mir nicht zu, dass der Landtag, der hier einen Beschluss gefasst hat, ein vom Wähler demokratisch legitimiertes Gremium ist, was Sie in Frage gestellt haben?
Nein, Herr Böck. Das tut mir wirklich schrecklich Leid, da kann ich Ihnen nicht zustimmen. Dieser Landtag hat sich eine Geschäftsordnung gegeben und in dieser Geschäftsordnung hat er das demokratisch legitimierte Gremium Ältestenrat damit beauftragt, zur ordnungsgemäßen Vorbereitung seiner Diskussion eine Tagesordnung aufzustellen,
die verbindlich sein sollte für die Arbeit und für das Handeln dieses Parlaments und nicht durch selbstherrliche Entscheidung einer einzelnen Fraktion von der Tagesordnung gewischt werden sollte.
Sie meinen also, dass die Geschäftsordnung des Landtags, nach der genau diese Tagesordnung heute und morgen beschlossen worden ist, nicht demokratisch ist?