Protokoll der Sitzung vom 13.09.2002

Meine Damen und Herren der Landesregierung, für uns als PDS-Fraktion ist überhaupt nicht nachzuvollziehen, dass Sie keinerlei konkrete Angaben über die Hinzuziehung von Angehörigen zur Finanzierung eines Pflegeplatzes machen können. In den zuständigen örtlichen Sozialämtern des Freistaats Thüringen gibt es Angaben, denn dies ist die Stelle, und das müssten Sie als Aufsichtsbehörde wissen, die zuerst prüft, ob alle anderen Möglichkeiten der Finanzierung eines Pflegeheimplatzes ausgeschöpft wurden, bevor Sozialhilfe für den zu Pflegenden gewährt wird.

Meine Damen und Herren, wohl formuliert und vollmundig haben Sie aufgeschlüsselt, welche Hilfen Familien mit behinderten Kindern zur Unterstützung gewährt werden. Dies ist richtig und wichtig und regional verschieden, aber auch hier steckt der Teufel im Detail und Sie wissen, dass gerade die Eingliederungshilfe gemäß § 39 Bundessozialhilfegesetz für viele Eltern ein Hemmnis darstellt.

(Beifall bei der PDS)

Die PDS ist der Meinung, dass Eltern, deren Kinder im ambulanten Bereich betreut werden und die Härtefallgrenze der Eingliederungshilfe überschreiten, nicht mehr den vollen Betreuungsbetrag bezahlen müssen. Es kann nicht sein, dass Eltern ein Leben lang für behinderte Kinder, und dies bleiben sie, so lange sie leben, aufkommen müssen. Hier fordern wir ein Leistungsgesetz für behinderte Menschen, das die Eingliederungshilfe von ihrer Nachhaltigkeit befreit und aus dem Bundessozialhilfegesetz herausgelöst wird.

Ein Blick in den Einzelplan 08 lässt bei mir immer wieder Zweifel aufkommen, ob die Landesregierung wirklich gewillt ist, Familien mit behinderten Kindern in Gänze zu unterstützen. An dieser Stelle möchte ich nur den Hickhack zwischen den Kostenträgern bei der Früherkennung und Frühförderung von Kindern, die systematische Reduzierung der Zuschüsse für den familienentlastenden Dienst, die Streichung der Finanzierung der halben Personalstelle bei integrativen Kindertagesstätteneinrichtungen durch das Land und zum Schluss die immer geringer werdenden Zuschüsse des Landes für Erholungsmaßnahmen für Behinderte aufzählen. Das ist nicht gerade Spitze, wie Sie, Frau Arenhövel, hier behauptet haben.

(Beifall bei der PDS)

Sehr geehrte Damen und Herren, die Arbeit der Schuldnerund Verbraucherinsolvenzberatungsstellen in Thüringen hat dieses hohe Haus schon des Öfteren beschäftigt, aber ich muss schon sagen, mit einer Dreistigkeit erwecken Sie den Eindruck, dass mit den vorhandenen 41 Beratungsstellen oder - anders gesagt - mit den ca. 55 Vollbeschäftigungseinheiten alle Probleme gelöst werden. Das Gegenteil ist der Fall. In den Auswertungen der verschiedensten Träger von Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatungsstellen wird immer wieder darauf hingewiesen, dass kein bedarfsgerechtes Angebot in Thüringen existiert. Wartezeiten von Klien

ten von vier bis sechs Monaten, außer bei bestimmten Krisensituationen, sind hier leider keine Seltenheit, sondern die Regel. Die PDS-Fraktion fordert an dieser Stelle die Landesregierung auf, in dem in den nächsten Wochen zu beratenden Doppelhaushalt 2003/2004 auch die Zuschüsse für diese Beratungsstellen wieder mindestens auf das Niveau von 1999 zu heben,

(Beifall bei der PDS)

wo 3,48 Mio. DM zur Verfügung standen; in diesem Jahr sind es bloß 2,9 Mio. DM oder - anders gesagt 1,48 Mio.    +    3&  den, wie mit dem auslaufenden Modellprojekt zur Förderung von Personal- und Sachausgaben für eine juristische Zentralstelle zukünftig umgegangen werden soll.

Meine Damen und Herren, die im März 1992 durch die schwarzgelbe Bundesregierung unter Vorbehalt ratifizierte UN-Kinderrechtskonvention sollte nun nach zehneinhalb Jahren endlich vom Vorbehalt befreit werden,

(Beifall bei der PDS)

um auf breiter Ebene Kinderrechte umzusetzen. In dieser Woche beschäftigte sich der Rechtsausschuss des Bundesrates mit diesem Thema. Die bayerische Landesregierung reichte einen Änderungsantrag ein, der zu einer Verschärfung der Nichtumsetzung der UN-Kinderrechtskonvention führt. Die Thüringer Landesregierung unterstützt natürlich diesen Antrag des Möchtegern-Kanzlers Stoiber und zeigt damit sehr deutlich, welche Haltung sie eine Woche vor dem Weltkindertag gegenüber Kindern einnimmt.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU:... Sie sollten sich schämen!)

Es liegen mir keine weiteren Redewünsche seitens der Abgeordneten vor. Ich frage einmal in Richtung Landesregierung - Herr Minister Pietzsch, möchten Sie? Aber sicher, dann dürfen Sie gleich.

(Unruhe bei der CDU, PDS)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, erst einmal eines: Familienpolitik ist für die CDU-Landesregierung immer schon Schwerpunktthema gewesen.

(Beifall bei der CDU)

Die CDU-Fraktion hat ein Familienforum gemacht, da haben sich andere darum noch gar nicht gekümmert. Ich

könnte ja jetzt sagen, da haben Sie Politik noch mit "ck" geschrieben.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, aber die Landesregierung macht auch Familienpolitik

(Beifall bei der CDU)

so wie Sozialpolitik und Gesundheitspolitik mit Augenmaß und mit Verantwortung. Wenn ich mir das alles aufgeschrieben hätte, was von den Rednern der Opposition in den letzten eineinhalb Stunden hier gefordert worden ist, dann könnten wir jetzt die Bücher zuklappen, nach Hause gehen und brauchten keinen Haushalt mehr, brauchten uns keine Sorgen mehr über den Haushalt zu machen, da wären wir pleite hoch drei, meine Damen und Herren, und das ist unverantwortliche Politik.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Nitzpon, PDS: Ist doch jetzt auch so.)

Ja, Frau Nitzpon, wo Sie in der Verantwortung sind, da werden nicht solche Forderungen erhoben, denken wir doch einmal an das Landeserziehungsgeld in Mecklenburg-Vorpommern, was nur noch zum Blinddarm mutiert ist unterdessen,

(Beifall bei der CDU)

nur noch für studierende junge Familien wird dieses zur Verfügung gestellt, fast nichts mehr. In Thüringen hat sich nichts geändert am Landeserziehungsgeld.

(Beifall bei der CDU)

Wir gewähren es auch in Zukunft, allerdings, meine Damen und Herren, und darauf habe ich hier ja schon einmal hingewiesen, wer meint, dass er zwischen Erziehungszeit und Kindergarten eine Pause machen will, das heißt, dort eine Lücke hineinlässt, wo wir eine durchgehende Betreuung installiert haben, wer meint, dort eine Lücke machen zu müssen, der hat dann auch keinen Anspruch mehr auf das Erziehungsgeld.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen haben wir gesagt, wer dieses Blockmodell in Anspruch nimmt, nur ein Jahr Bundeserziehungsgeld und dann nicht mehr, der kann dann auch nicht ein Landeserziehungsgeld in Anspruch nehmen, meine Damen und Herren, und das ist, meine ich, eine korrekte Angelegenheit.

(Beifall bei der CDU)

Was gerade dieses Modell der frühkindlichen Erziehung angeht, nämlich Bundeserziehungsgeld, Landeserziehungsgeld, Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz, ab zweieinhalb Jahre übrigens, bundesweit einmalig ab zweieinhalb Jahre, und auch Rechtsanspruch auf die Hortbetreuung, meine Damen und Herren, das ist ein Konzept, wovon andere Länder in Deutschland nur träumen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn dann hier immer noch zusätzliche Forderungen aufgemacht werden, dass dieses kostenfrei sein muss, obwohl die soziale Staffelung, die in den einzelnen Landkreisen, in den einzelnen Kommunen stattfindet, es Sozialhilfeempfängern natürlich freistellt, nicht zu zahlen, und das wird ja auch gemacht, dass man Kindergartenplätze kostenlos zur Verfügung stellt für diejenigen, die es sich sozial sonst nicht leisten können. Wenn 94 Prozent unserer Kinder im vorschulischen Alter in Kindergärten gehen und im letzten Jahr vor der Schule sogar 97 Prozent, meine Damen und Herren, dann ist das für mich ein Zeichen dafür, dass hier ein gutes Kindergartenbetreuungssystem vorhanden ist und dass es sich die Eltern auch leisten können.

Übrigens, Frau Nitzpon, wenn Sie davon gesprochen haben, dass wir die Kindergartenplätze aus DDR-Zeiten übernommen haben, also, sie waren schlecht genug, das wollen wir erst einmal sagen, und zum Zweiten könnte man natürlich darüber nachdenken, weshalb so viele Kindergartenplätze da waren, weil nämlich der Staat die Erziehung der Kinder übernehmen und sie möglichst dem elterlichen Einfluss entziehen wollte.

(Beifall bei der CDU)

Zum Dritten, da kann ich ganz persönlich ein Lied von singen: Wenn die Frau nicht berufstätig war, dann kam sie erst einmal herunter von der Liste und da gab es eben keinen Kindergartenplatz.

(Beifall bei der CDU)

Wir geben einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für alle, ob jemand berufstätig ist oder nicht. Das passt Ihnen nicht, das weiß ich.

(Zwischenruf Abg. Buse, PDS: Sie wider- sprechen sich in zwei Sätzen, Herr Minister.)

Ich widerspreche mir überhaupt nicht in zwei Sätzen.

(Zwischenruf Abg. Buse, PDS: Auf der einen Seite wollte der Staat die Kinder haben, auf der anderen Seite schickte er nicht berufstä- tige Mütter weg. Was wollte er denn nun?)

(Unruhe bei der CDU, PDS)

Herr Buse, Sie haben es nicht kapiert, ich habe bei einigen Rednern der Opposition heute sowieso gemerkt, dass die da einiges nicht kapiert haben. Frau Bechthum hat Widersprüche konstruiert, die so nicht bestanden haben. Frau Bechthum, deswegen wollte ich nämlich auch noch einmal darauf hinweisen, was die Ganztagsschule angeht. Sie haben den Beschluss der Jugendministerkonferenz hier vorgelesen. Lesen Sie es sich genau durch, in dem Beschluss der Jugendministerkonferenz steht drin, "ein Ganztagsangebot zur Verfügung stellen", da steht nicht die Ganztagsschule im Beschluss drin. Denn Bayern und Thüringen, in Thüringen heißt das, Minister Pietzsch hat dafür gesorgt, dass dieser Begriff "Ganztagsschule" aus dem Beschluss herauskam. Wir wollen ein Ganztagsangebot machen für die Betreuung von Kindern.

(Beifall bei der CDU)

Dazu haben wir übrigens heute auch zusammengesessen, der Kultusminister und ich. Wir wollen gemeinsam dieses Ganztagsangebot für Kinder an den Schulen zur Verfügung stellen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend sagen, für uns ist Familienpolitik ein Schwerpunkt. Dennoch, Familienpolitik ist eine ergänzende Leistung des Staates. Im Vordergrund steht noch immer die Familie, die für die Erziehung verantwortlich ist.