Protokoll der Sitzung vom 11.10.2002

Sie haben hier von der Deregulierung gesprochen, von dem Ruck, der durch Deutschland gehen muss. Sie haben es anders genannt und Sie haben darauf hingewiesen, was alles an den Lohnnebenkosten herunterreduziert werden müsste. Sie verschweigen dabei, dass die Urlaubstabelle in Thüringen niedriger ist als in allen anderen Ländern, die Lohnnebenkosten hier geprägt sind von den Sozialkassen, Rentenkassen und von dem Staat, der die Steuern erhebt, wo keiner über Steuerreduzierung bei Arbeitnehmern diskutiert, wo niemand hier diskutiert und sagt, welche Freibeträge bei Arbeitnehmern eigentlich alle eingeführt werden müssten, gerade dann, wenn es Niedriglöhne sind. Meine Damen und Herren, da verhalten Sie sich sehr janusköpfig. Ich verweise auf den Superkandidaten Herrn Späth, der einerseits durch die Talkshows getingelt ist und gesagt hat, was alles abgeschafft werden müsste, damit die Arbeitsplätze in Massen kommen. Da will ich nur darauf hinweisen - zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Wer selbst mehr Jahreseinkommen - und, Frau Vopel, das ist jetzt an Sie gerichtet, meine persönliche Neiddebatte -, wer ein höheres Vorstandsvorsitzendengehalt bekommt wie bei MAN, wie bei Thyssen/Krupp oder bei der Lufthansa, wer 1 Mio. /"#   leicht zu talken über Niedriglöhne. Meine Damen und Herren, lassen Sie sich uns doch einmal in die Situation hineinversetzen. Herr Minister Trautvetter, versuchen Sie doch einmal, Ihre Familie mit einem Gehalt zu finanzieren, das ein durchschnittlicher Wachmann hier im Hause bekommt.

(Beifall bei der PDS)

Ich denke, darüber müssten wir uns unterhalten. Ich habe den SPD-Antrag als einen Hinweis darauf verstanden, dass wir uns sehr differenziert denen zuwenden sollten, die mit ihrem täglichen Arbeitsgang versuchen ihre Familie zu ernähren, die aber durch ihre Arbeitsleistung keinen Arbeitslohn erzielen, der ausreichend ist. Niedriglöhne in Thüringen sind eine Realität. Werte Kollegen von der SPD, das will ich schon sagen. Ich beobachte mit großer Sorge die Wiedereinführung der Low-Budget-Jobs der Geringverdiener. Die CDU wird sich darüber freuen, dass die 500-Euro-Jobs wieder eingeführt werden. Jetzt sollen sie nur gekoppelt sein an die Haushaltsversorgung. Ich erinnere aber daran, dass wir im Einzelhandel in Thüringen die Situation hatten, von 65.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Einzelhandel, die sozialversicherungspflichtig entlohnt waren, gab es gleichzeitig 120.000 Geringverdiener nach dem alten Pauschalreglement. Durch die rotgrüne Bundesregierung der letzten Legislatur ist dem ein Riegel vorgeschoben worden. Wenn jetzt von hinten der Riegel wieder geöffnet wird, schaffen wir wieder am unteren Eingang der Entlohnung neue Billiglöhne und damit Armut im Alter von Frauen, die solche Jobs in Thüringen dann wahrzunehmen haben. Bei der HartzKommission werden wir noch sehr kritisch darauf achten müssen, ob die neuen Jobcenter tatsächlich dem Flächentarifvertrag entsprechen oder - wie gestern Abend im Fernsehen ein Beitrag gezeigt hat - gesagt wird, dann stellen die Unternehmen keine Leute ein. Wenn es bedeutet, die Hartz-Kommission zulasten des Flächentarifvertrags umzusetzen, dann haben wir den Menschen einen Bärendienst erwiesen.

Meine Damen und Herren, niedrige Löhne sind keine Antwort auf 4 Mio. Arbeitslose. In Thüringen ist es bewiesen, dass niedrige Löhne keine Arbeitsplätze schaffen.

(Beifall bei der PDS)

Ich widerspreche Ihnen in einem Punkt ganz deutlich: Der Wachstumsfetischismus der 60er- und 70er-Jahre, zu glauben, dass aus reinem Wachstum neue Arbeit entsteht, der hat sich überholt, der ist abgelaufen. Wachstum geht einher mit Produktivitätssteigerung und Produktivitätssteigerung vernichtet Arbeit, weil rationelles Arbeiten und rationelles Wirtschaften dem einzelnen Unternehmen dient und damit richtig ist. Aber gleichzeitig müssen wir gesellschaftlich eine Antwort geben, wie wir mit den Menschen in diesem Land umgehen. 4 Mio. Menschen brauchen einen Arbeitsplatz und dazu geben Sie mit Ihren alten Konzepten von Billiglohn keine Antwort.

(Beifall bei der PDS)

Frau Abgeordnete Vopel, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, vor einigen Monaten, es war schon ungefähr vor einem halben Jahr, wurde ich in meinem Wahlkreisbüro von einem älteren Herren angerufen, er müsse mich ganz dringend sprechen. Und weil es ein älterer Herr ist, ich bin ja ein freundlicher Mensch, bin ich zu ihm hingefahren und habe nicht erwartet, dass er zu mir ins Büro kommt. Da hat er mir erklärt, in seinem Wohngebiet, wo er wohnt, ist jetzt der Kaufmarkt zugemacht worden. Er hätte Pleite gemacht und jetzt hätten sie da keinen Kaufmarkt mehr. Und ich müsse doch sofort den Bürgermeister anweisen und der Bürgermeister müsse dann sofort jemanden suchen, der diesen Kaufmarkt wieder aufmacht und dann außerdem, wenn der neue Betreiber dann da ist, muss das einer sein, der die Verkäuferinnen ordentlich bezahlt, denn die letzten, die da gearbeitet hätten, die hätten nicht genügend verdient. Das Ganze war ein Gespräch von anderthalb Stunden und das ist mir so eindrücklich in Erinnerung geblieben. Als ich nämlich diesen Antrag von der SPD im Vorabdruck, den ich hier mithabe, in die Hand bekommen habe, fiel mir das sofort wieder ein. Mir ging es ähnlich wie Herrn Ramelow. Wir haben nun wirklich wenig gemeinsam, aber in dem Fall. Ich wusste auch nicht so richtig, was die SPD mit dem Antrag bezweckt. Es stimmten auch die Begründung und das, was im Antrag steht, irgendwo nicht überein. Was Frau Pelke vorhin hier gesagt hat, das ist ein bisschen was anderes. Aber dazu sagt mein Kollege Bergemann nachher noch etwas. Nun unterstelle ich ihr nicht, er ist unterschrieben von Frau Pelke, dass sie nicht weiß, dass es eine Tarifautonomie gibt. Ich unterstelle Frau Pelke auch nicht, dass ich ihr in anderthalb Stunden erklären muss, wie Marktwirtschaft einigermaßen funktionieren sollte. Das unterstelle ich ihr alles nicht. Der Herr Minister hat ja zu der Lohnentwicklung einiges gesagt, ziemlich viel sogar. Im Übrigen, wir bekommen monatlich die statistischen Hefte. Da ist die Lohnentwicklung immer dargelegt. Wir haben das Statistische Jahrbuch, wir haben diesen Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung, wir haben dieses - ich habe es extra mitgebracht - Startheftchen, was wir eben immer bekommen, wo auch immer über die Lohnentwicklung berichtet wird. Da sind dann interessante Sachen jetzt bei den letzten Statistiken dabei. Es stimmt, Herr Ramelow, wir sind im Moment Schlusslicht vor Sachsen. Man muss allerdings auch dazu sagen, das macht ganze 33  0 Positives wiederum, die Frauen in Thüringen verdienen etwas mehr als die sächsischen Frauen. All das kann man aus diesen Statistiken herauslesen. Ich möchte das jetzt nicht weiter vertiefen.

Der Herr Minister hat es angesprochen. Wir müssen uns nach den Gründen fragen, warum in Thüringen nicht mehr verdient wird. Da müssen wir uns einmal die Struktur der Thüringer Wirtschaft anschauen. Ich spreche wieder Frau Pelke an, sie hat diesen Antrag nun einmal unterschrieben. Frau Pelke, ich weiß nicht, wie intensiv Sie sich mit dem Bericht der Enquetekommission befasst

haben. Wenn Sie es noch nicht getan haben, sollten Sie es vielleicht einmal tun. Da würden Sie nämlich einmal sehen, dass unsere Betriebe in der Mehrzahl viel zu klein sind, dass sie wachsen müssen, dass sie Wachstum brauchen, der Betrieb an sich, und dass größere Betriebe, das hat der Herr Minister dargestellt, meist mehr bezahlen als kleine. Das ist Fakt. Wir haben ein großes Potenzial an Handwerksbetrieben, die sich in den vergangenen 10, 11, 12 Jahren ungemein bemüht haben, ihre Firmen aufzubauen, Lehrlinge auszubilden, mehr als sie selbst gebraucht haben. Nur eines konnten sie nicht, sie konnten nie so viel Kapital ansammeln, dass sie Durststrecken überwinden. Im Moment haben wir eine Riesendurststrecke. Ich kenne viele Handwerksmeister, die gern ihren Leuten mehr bezahlen würden. Die können einfach nicht. Es mag auch welche geben, die wollen nicht, aber gerade viele von diesen kleinen Betrieben, die würden gern mehr bezahlen. Da müssen wir uns einmal die wirtschaftliche Situation im Moment anschauen. Durch Deutschland geht eine Pleitewelle, die wir so noch nicht gehabt haben. Da sieht nun wiederum Thüringen gar nicht so schlecht aus. Vor Thüringen oder nach Thüringen, je nachdem, von welcher Seite man es sieht, steht Niedersachsen, das muss man auch einmal sagen. Niedersachsen ist nicht so viel besser, was die Pleiten anbelangt, als Thüringen. Es liegt übrigens auch über dem Bundesdurchschnitt. Einer Firma, die Konkurs anmelden muss, die in die Insolvenz geht, geht meistens eine lange Durststrecke voraus. Ich kenne in meinem Bereich viele Betriebe, aber das kann Herr Ramelow nicht verstehen, wahrscheinlich will er das auch nicht verstehen, da haben die Arbeitnehmer zu ihrem Chef gesagt: "Chef, wir schaffen das und wenn wir alle den Gürtel enger schnallen und wenn wir ein paar Jahre brauchen, aber wir schaffen es." Viele haben es geschafft. Wir haben eine Reihe von Betrieben, die haben wirklich Gehaltsverzicht geübt bis an die Schmerzgrenze, das sage ich hier auch, aber die haben es geschafft. Viele haben es eben nicht geschafft, die gehen in die Pleite. Das sind natürlich auch alles Gründe für niedrige Löhne.

Meine Damen und Herren, wenn man dann aber sieht, was im Moment passiert, wer entlässt am meisten und oftmals mit dem Segen der Gewerkschaft - ich habe die FAZ von gestern hier: Die Telekom hat vor, ca. 50.000 Menschen zu entlassen und viele auch in den jungen Bundesländern, auch viele junge Thüringer haben bei der Telekom eine Lehrstelle bekommen. Die sind sehr glücklich und sehr froh gewesen. Die haben mit Sicherheit dort eine gute Ausbildung bekommen und hatten die Hoffnung, anschließend bei der Telekom einen Job zu bekommen, indem sie eine gute Arbeit leisten wollten und wo sie auch gut verdienen können. Was passiert jetzt? Die sind geopfert worden, damit die Telekom ihren verbleibenden Mitarbeitern in diesem Jahr eine vier vor dem Komma präsentieren konnte - 4,1 Prozent Lohnabschluss -, dafür sind diese Personalserviceagenturen eingeführt worden. Alle, die jetzt fertig werden, werden sofort dort hineingehen müssen, die werden gar nicht erst angestellt, die kommen sofort in diese Personalserviceagenturen, meine Damen und Herren.

Auf den Lohnzuwachs kann ich gern verzichten und sicher auch die Jugendlichen, die das jetzt alles miterleben. Unterhalten Sie sich mit denen einmal, Herr Ramelow, ob die das genauso sehen und immer nur meinen, wir müssen mehr verdienen. Denen wäre der sichere Job sicher mehr wert. Sie wissen ganz genau, dass das die neuen Bundesländer mehr betrifft, weil natürlich der alte Stamm der Telekommitarbeiter vorwiegend verbeamtet ist. Die kommen nämlich noch von der alten Post und das sind Beamte, die können nicht entlassen werden. Aber die, die von uns dazugekommen sind, sind die Ersten, die in diese Serviceagenturen gehen.

Meine Damen und Herren, dann habe ich in diesem Antrag gelesen, dass nicht zuletzt die Landesregierung Schuld ist. Gut, das haben wir nun gestern von Herrn Ramelow gehört. Ich habe mir das gestern auf einen Schmierzettel geschrieben, woran die Landesregierung, speziell der Ministerpräsident, Schuld ist. Er ist Schuld daran, dass nicht genügend investiert wird, dass nicht genügend verbraucht wird, dass nicht genügend verdient wird, dass nicht genügend gebaut wird, dass nicht genügend Touristen nach Thüringen kommen. Eins hat bei Ihrer Aufzählung gefehlt, Herr Ramelow, dass wir nicht genügend schönes Wetter haben, das hatten Sie vergessen zu sagen.

(Beifall bei der CDU)

Ich fand es mehr als zynisch, was Sie gestern hier abgelassen haben. Man kann anderer Meinung sein, aber so, wie Sie gestern und eben hier gestanden haben, das ist diesem Land nicht zuträglich.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Soll ich mich bedanken oder was oder wollen wir uns raus machen?)

(Zwischenruf Trautvetter, Finanzminister: Letzteres ist gut.)

Wenn Sie so weitermachen, schaffen wir das, da brauchen wir gar nichts dazu tun.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Die Freude werden wir Ihnen nicht machen.)

Herr Ramelow, da komme ich auf meinen 83-jährigen Mann zurück. Der Einkaufsmarkt, der ist heute noch zu. Aber mittlerweile kommt ein ambulanter Händler, der zweimal in der Woche Lebensmittel, frisches Brot und Fleisch und so etwas verkauft und jetzt hat er mich angerufen und gesagt, es wäre wunderbar, der Händler würde ihm das sogar vor die Haustür liefern. Eigentlich hätte ich doch Recht gehabt. Herr Ramelow, es gibt vielleicht noch zu viele Leute, die Ihnen glauben, der Staat könne alles richten und der Staat könne alles bestimmen, aber ich glaube, die Zahl derer nimmt ab. Und selbst 83-jährige Menschen sind in der Hinsicht lernfähig. Der hat mir noch etwas Schönes zum Schluss gesagt, nämlich,

früher hat die Partei das immer gemacht, weil ich gesagt habe, das mache ich nicht und das kann ich auch nicht. Ja, das Früher ist Gott sei Dank vorbei.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Was hat das denn mit Niedriglohn in Thüringen zu tun?)

Es hat viel mit Niedriglohn in Thüringen zu tun, weil natürlich die Verkäuferinnen nach wie vor nicht viel verdienen. Ich will die Zahlen nicht alle vorlesen, das können wir zwar machen, aber es macht doch keinen Sinn. Wir sind doch alle des Lesens mächtig. Wir brauchen uns doch nur einmal die Spreizungen im Dienstleistungsbereich anzusehen. Das Bruttojahresentgelt eines Angestellten im Dienstleistungsbereich ist 27.132  7     Durchschnitt so eine Sache. Ich bin mit einem Chirurgen verheiratet, der hat da eine ganz drastische Erklärung, aber die bringe ich hier lieber nicht. Im Kredit- und Versicherungsgewerbe sind es 32.676  sind es im Handel nur 23.203      #   "  nicht alles so über den Kamm scheren und auch nicht sagen, Thüringen ist insgesamt ein Niedriglohnland.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Statis- tisch kann man das sagen; die Statistik sagt das.)

Herr Ramelow, Sie können nachher gern noch einmal hierher gehen. Ich denke, es ist durchaus sinnvoll, sich mit solchen Dingen zu befassen. Solche Anträge, bei denen man zunächst gar nicht weiß, worum es geht, dass es hier z.B. um das Wachgewerbe geht, habe ich in diesem Antrag vermisst.

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Wenn Sie das nicht wissen, haben Sie sich noch nie um Niedriglöhne gekümmert.)

Mein Kollege Bergemann wird, wie gesagt, dazu noch Stellung nehmen, auch zu dieser Veranstaltung. Wir haben Tarifautonomie, die wollen wir bitte schön auch beibehalten. Man kann nicht auf der einen Seite so tun, als könne der Staat alles richten. Es geht nicht. Das wissen Sie so gut wie wir. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Herr Abgeordneter Dr. Müller, bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zunächst erst einmal ein paar Vorbemerkungen: Es ist schon ein bisschen bedauerlich, dass die Diskussion einen solchen Verlauf nimmt. Frau Pelke hat vorhin eine Einbringung gemacht

und eigentlich dargestellt, um was es geht. Wenn ein Außenstehender die Diskussion verfolgt, muss er eigentlich den Eindruck gewinnen, dass die drei Gruppierungen in diesem Haus zu drei verschiedenen Themen sprechen.

(Beifall Abg. Pelke, SPD)

Anlass für unser Berichtsersuchen war natürlich die Veranstaltung, auf die Kollegin Pelke Bezug genommen hat. Es sind zwei Aspekte, die hier zu berücksichtigen sind. Es geht einmal um die Existenzsicherung und die entsprechend notwendigen Einkommen und es geht um den Aspekt, in dem Land und Kommunen als öffentlicher Auftraggeber handeln.

(Beifall Abg. Pelke, SPD)

Gerade zu diesem Aspekt habe ich hier überhaupt noch nichts gehört und schon gar nicht in dem Bericht vorhin.

Wie wir alle wissen sind die Preise in Ostdeutschland, abgesehen von Mieten, nicht sehr unterschiedlich von denen in den alten Bundesländern. Lebensmittel, Energie, Fahrtkosten und alle anderen lebensnotwendigen Dinge kosten nicht nur die Hälfte oder 60 oder 70 Prozent der dort zu zahlenden Preise, wie es bei den Löhnen in vielen Branchen ist. Der hier erzielte Lohn entspricht mitunter nur 50 Prozent. Die Thüringer Allgemeine hat letztens erst einen Bericht über eine Frisöse in Erfurt gebracht im Vergleich zu ihrer Kollegin in Stuttgart. Über die Bedingungen im Wach- und Geldtransportgewerbe und die dort erzielten Einkommen, 5,81    *# # 6" schon gesprochen. Ich sage noch einmal, dies war eigentlich der Anlass für dieses Berichtsersuchen. Mit solchen Einkünften haben Arbeitnehmer große Probleme sich ein einigermaßen vernünftiges Leben einzurichten, erst recht Familien mit Kindern. Deshalb meine ich, dass wir Abschied nehmen sollten von der Vorstellung, dass eine derartige Lohnstruktur dazu beiträgt, mehr Wachstum und Beschäftigung zu erreichen. Die im Vergleich zu den neuen Bundesländern etwas bessere Beschäftigungssituation, Herr Minister Schuster, ist einzig und allein den Pendlern in Süd- und Westthüringen, nicht aber den Niedriglöhnen zu verdanken. Unsere niedrigen Löhne in Thüringen drücken sogar die Löhne in den Grenzregionen Thüringens in Bayern und Hessen. Ich habe das hier schon öfter angesprochen. Ich bin zwar für Erfurt hier im Landtag, aber ich komme nun einmal aus dem Sonneberger Raum und alle meine arbeitsfähige Verwandtschaft arbeitet in Franken und ich weiß, was ich sage. Schauen Sie nach Ost- und Nordthüringen und Sie werden feststellen, dass sich kein Unterschied zu der Arbeitsmarktsituation in den anderen neuen Ländern ergibt. Ihre von der Staatskanzlei zitierte Aussage müsste eigentlich lauten: Insgesamt hat die Lohnstruktur in Thüringen ohne Frage dazu beigetragen, dass immer mehr Thüringer Arbeitnehmer, vor allen Dingen junge Arbeitnehmer, in die alten Bundesländer abwandern. Das würde den Tatsachen eher entsprechen. Ich freue mich, dass der Wirtschaftsminister das Problem inzwi

schen auch anders sieht, als er das vor Jahren noch gesehen hat. Der Handel hat einen Kaufkraftverlust in dramatischem Ausmaß zu verzeichnen und das ist keine Kaufkraftzurückhaltung bei diesen Einkommensgruppen. Arbeitnehmer mit den hier beschriebenen Einkommen können gar nichts zurückhalten, sie müssen alles ausgeben und sie haben allergrößte Schwierigkeit, Monat für Monat irgendwie mit ihrem Einkommen auszukommen. Es gilt also endlich damit ernst zu machen, die Einkommensschere zwischen Ost und West zu schließen, vor allen Dingen dort zu schließen, wo das Einkommen einfach unwürdig ist. Es gilt von dem Gedanken Abschied zu nehmen, Thüringen als Niedriglohnland weiter hochzuloben. Diese Kritik geht an die Arbeitgeber insgesamt in Thüringen. Wer dies will, wird kurzfristig dazu beitragen, dass nach der erfolgten Zerstörung der Industriestruktur in diesem Land auch die Bevölkerungsstruktur unwiderruflich zerstört wird. Der Arbeitskräftemangel, wir wissen es, ab 2006 verlangt hier ein schnelles Umsteuern.

Nun zum zweiten Aspekt, bei dem Landesregierung und andere öffentliche Auftraggeber unmittelbar handeln können, nämlich bei der Auftragsvergabe. Wir sollten die Voraussetzungen dafür schaffen, dass diese Vergabe immer damit verbunden ist, Tariftreue und qualitativ hochwertige Leistungen zu gewährleisten. Die Diskussion über das von der CDU abgelehnte Tariftreuegesetz und das Vergabegesetz muss neu aufgegriffen werden und zumindest die Leistungen im Hochbau, im öffentlichen Personennahverkehr und die Dienstleistungsbranche umfassen. Sie werden sich vielleicht vorstellen können, dass Engagement und Leistungsbereitschaft derjenigen, die in diesem Hause, aber auch andernorts für unsere Sicherheit und für die Sicherheit anderer Menschen und öffentlichen Besitzes zuständig sind, nicht zuletzt davon abhängig sind, welche Arbeitsbedingungen ihnen geboten werden. Sie werden sich auch vorstellen können, dass die Qualität der im Rahmen öffentlicher Aufgaben für die Pflege und Betreuung von Menschen zu erbringenden Leistungen ganz wesentlich von den Arbeitsbedingungen der dort tätigen Arbeitnehmer abhängig ist, wie z.B. in der Kinder- und Jugendhilfe und in der Altenhilfe oder Behindertenhilfe. Derzeit aber wird öffentliche Auftragsvergabe ebenso wie die Umsetzung des in der Sozialgesetzgebung vielfach verankerten Subsidiaritätsprinzips, welches wir ausdrücklich begrüßen, vorrangig unter Kostengesichtspunkten diskutiert und praktiziert. Dies führt in vielen Fällen und offenbar zunehmend zu unzumutbaren Arbeitsbedingungen und es führt immer wieder zu Qualitätsverlusten, die mitunter mit Skandalen einhergehen wie z.B. jüngstens im Altenpflegebereich. Ich bin deshalb der Auffassung, dass die Wirtschaftlichkeit in der Auftragsvergabe ebenso wie die Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips mehr als die Kosten beinhalten muss. Weder die Qualität noch die damit im engen Zusammenhang stehenden Beschäftigungsbedingungen der Arbeitnehmer sind davon abzukoppeln. Wer wirtschaftliche Leistungen haben will, muss Arbeitnehmereinkommen gewährleisten, die tarifvertraglich gesichert sind und die ein menschenwürdi

ges Auskommen mit dem erzielten Einkommen ebenso wie akzeptable Arbeitsbedingungen ermöglichen. Wir sollten also die Diskussion zum Tariftreuegesetz und Vergabegesetz erneut aufnehmen und auf all die Bereiche ausdehnen, in denen öffentliche Auftraggeber unmittelbar oder mittelbar Verantwortung tragen. Wenn wir uns offenbar einig sind, in absehbarer Zeit innerhalb des öffentlichen Dienstes eine Tarifangleichung zu erreichen, dann sollte uns dies dort, wo wir für Auftragsvergaben zuständig sind, genauso am Herzen liegen. Wir können durchaus in eigener Zuständigkeit kurzfristig Verantwortung für bessere Lebensbedingungen von Arbeitnehmern in unserem Land übernehmen. Dies wäre ebenso wie die dann nicht mehr verzerrten Wettbewerbsbedingungen ein wichtiges Signal auch für die gesamte Wirtschaft unseres Landes. Wir können und sollten mehr tun, als Hinweise und Aufforderungen durch Mitglieder der Landesregierung, wie von der Staatskanzlei beschrieben, zu geben. Der heutige Bericht wird ebenso wie auch die ver.di-Initiative sicher noch zu mehr parlamentarischen Initiativen Anlass geben.

Eine Bemerkung noch zu den 500 /#(   ma "Hartz" jetzt hier zu beginnen zu weit führen würde und ich schon sehe, dass wir uns, was diese 500 /#( betrifft, hier offensichtlich mit der PDS und der Gewerkschaft streiten werden. Es geht ja nicht um die Verstärkung im Niedriglohnbereich, sondern um die Kenntnisnahme einer Tatsache, dass wir die Beschäftigung nun einmal in diesem Bereich haben und wenn die Abgaben im unteren Bereich zu hoch sind, das wissen wir doch, dann geht das in die illegale Beschäftigung. Mit der Anhebung der Grenze wird der Versuch gemacht, die Leute wieder in die Sozialversicherung hereinzuholen, denn das ist der einzige Hintergrund und nicht, die Niedriglöhne an sich zu befördern. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Abgeordneter Bergemann, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Pelke, um das gleich richtig zu stellen, was Sie eingangs bezüglich der Veranstaltung gesagt haben, dass das nicht so im Raum stehen bleibt, dass die PDS und Sie dort anwesend gewesen sind. Es ist nachprüfbar, ich bin vor Wochen von Kollegen des Wach- und Schließdienstes angesprochen worden, dass diese Veranstaltung irgendwann stattfinden wird und ob ich teilnehmen würde. Da habe ich spontan gesagt, gar keine Frage, weil es unser aller Anliegen sein muss, in dem Bereich etwas zu tun, das zumindest öffentlich zu machen. Die Zeit verging, es kam keine Einladung. Da habe ich vorige Woche bei denselben Herren vom Wach- und Schließdienst nachgefragt und die haben gesagt, es ist versehentlich falsch gelaufen und ich würde demnächst - wörtlich: Es würde mir

demnächst die Einladung persönlich ins Fach gelegt, damit auch wir als CDU-Fraktion wissen, wann diese Veranstaltung stattfindet. Das vielleicht mal so weit.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb habe ich das gesagt, damit nicht der Eindruck entsteht, dass Sie sich hier um die Menschen kümmern, die niedrige Löhne verdienen und wir jenseits da oben irgendwo schweben würden.

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Das können Sie sich sparen.)

Nein, das kann ich mir nicht sparen, denn Sie erwecken ja offensichtlich diesen Eindruck immer ganz bewusst.

(Beifall bei der CDU)