Protokoll der Sitzung vom 21.11.2002

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Die Wahrheit.)

sondern der Antrag zur Aktuellen Stunde geht um die gerade erst im September wiedergewählte Koalition aus rotgrün am 22. September. Dort hat die Regierung mit knapper Mehrheit ihre Mehrheit bestätigt. Und dann taugt es natürlich schon, auch vor 100 Tagen Schonfrist nachzufragen, was denn eine Regierung, die schon vier Jahre Verantwortung hatte und dann wiedergewählt wurde, besser machen will für dieses Land? Wir meinen, aus Sicht auf diesen Koalitionsvertrag, wie er allen vorliegt, dass wir noch nie so viel Depression gehabt haben und noch nie so viel Unsicherheit bei den Menschen gehabt haben wie so kurz nach einer Bundestagswahl.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen auch die Frage beantworten, durch welche Brille wir den Koalitionsvertrag sehen wollen. Wir wollen ihn halt nicht durch eine rosarote Brille sehen, sondern wir wollen ihn aus der

Brille des Bürgers sehen, weil der Bürger hat einen Anspruch darauf, dass man ihm auch sagt und dass man darüber debattiert, welche Ergebnisse hat so eine Koalition in den nächsten vier Jahren mit sich zu bringen. Da gibt es eins, der erste Ausfluss aus dem Koalitionsvertrag, der ganz klar für dieses Jahr feststeht: 48 Steuererhöhungen und Gebührenerhöhungen kommen auf dieses Land, kommen auf die Bürger auch in den neuen Ländern und besonders auch in Thüringen zu. Das muss gesagt sein. Wer so kurz schon zwei Wochen nach der Wahl seine ersten Versprechen bricht, das, was er noch im Koalitionsvertrag, zum Beispiel was die Rentenbeiträge betrifft, mit 19,3 Prozent festgeschrieben hat, schon zwei Wochen später trotz leichten Aufmuckens jüngerer Abgeordneter in der Koalition, war der Beitrag schon auf 19,5 Prozent festgeschrieben. Und jetzt ist es nicht mal einen Monat her, jetzt redet man schon von 19,9 Prozent Rentenbeitragserhöhung. Wir meinen, das ist ungerecht, das ist unfair und das ist falsch, das muss gesagt sein.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, da kann man in den Koalitionsvertrag gucken und man kann sich auch noch die Haushaltsrede des Bundesfinanzministers zur Einbringung des Haushalts für das Jahr 2003 hernehmen. Da werden sie vor allen Dingen in der Haushaltsrede des Bundesfinanzministers feststellen, er hat nicht ein Wort, nicht eine Silbe, nicht einen Satz zum Aufbau Ost verloren. Aus Thüringer Sicht muss ich sagen und sagen wir als CDU-Fraktion, es ist unerhört, weil wir natürlich erwarten, dass eine Bundesregierung, egal ob rot oder schwarz oder schwarzgelb oder rotgrün, die die Verantwortung für das gesamte Land hat, für den Osten wie den Westen wie den Norden und den Süden, da kann es einfach nicht sein, dass der Osten, der noch im Aufholprozess steckt und wo die Wiedervereinigung gerade im Infrastrukturbereich nicht abgeschlossen ist, dass der einfach nicht stattfindet. Das muss mit Blick auf den Koalitionsvertrag gesagt sein. Es muss vor allen Dingen deshalb gesagt sein, weil, wenn es nicht im Koalitionsvertrag drinsteht, wird auch in den nächsten vier Jahren nicht mehr in dem Bereich zu erwarten sein. Sie wissen, es war vor allen Dingen aus Thüringer Sicht eine ganz große Forderung, ein Sonderprogramm Ost aufzulegen. Wir haben es vor der Wahl gefordert, reichlich davor.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt überhaupt keinen Anlass, auch nach der Wahl dieses Programm nicht weiter zu fordern, weil erhebliche Infrastrukturmaßnahmen noch abgeschlossen werden müssen. Dafür fehlt das Geld. Dass Geld fehlt, wissen wir im Landeshaushalt nur zu gut und das weiß sogar auch die Bundesregierung. Eins ihrer wichtigen Versprechen und eins ihrer großen Ziele in der vorhergehenden Wahlperiode war doch, die Schulden abzubauen. Und wenn der Herr Gentzel natürlich aufzählt, wie viele Schulden der Waigel vielleicht in seiner Koalition gemacht hat, da muss man auch dazu sagen, dass diese Bundesregierung jetzt mit

einem Nachtragshaushalt dieses Jahr abschließt und weitere 15 Mrd. &  -   $ !  heißt in Summe: Es ist nach dem Krieg die zweithöchste Nettoneuverschuldung in einem Jahr seit 1945. Auf diesen Zustand muss hingewiesen werden und das muss laut gesagt werden. Es ist auch eine Frage der Generationengerechtigkeit, nicht nur bei der Frage der Rente, wo man Probleme einfach verschiebt und die Koalitionsteilnehmer damit vertröstet, dass man sagt, man will nächstes Jahr eine Reform beginnen, sondern mit weiteren Schulden belastet man auch noch Jahre von Generationen von Kindern, die noch gar nicht geboren sind, weil die Zinslasten Handlungsspielräume einschränken werden. Bei dieser gravierenden Abkehr von der eigenen Politik vier Jahre zuvor, muss man mit Blick auf den Koalitionsvertrag sagen, jetzt schon zu Beginn der Legislatur wird alles das bestätigt, was wir befürchtet haben, nämlich, dass dieser Vertrag ein Arbeitsverweigerungsprogramm der rotgrünen Bundesregierung ist und dass er nichts anderes erwarten lässt außer höhere Steuern, steigende Sozialabgaben und mehr Schulden.

Meine Damen und Herren, 48 Steuererhöhungen, ich sage es noch einmal, sprechen da für sich ganz allein.

Meine Damen und Herren, wir wollen nicht davon reden, dass gerade erst die Bundesregierung, die in der vorhergehenden Legislaturperiode, die gewesen ist, die das Körperschaftssteueraufkommen auf null mit ihrem Steuerrechtsänderungsgesetz geschafft hat, weil man gemerkt hat, dass plötzlich Milliarden in der Kasse fehlen und in den Ländern riesen Löcher da sind, kommt man jetzt plötzlich auf die Idee eine Mindeststeuer bei den Unternehmen einzuführen - eine Mindeststeuer. Das muss man sich mal überlegen, wenn man weiß, dass dieses Land 80 bis 90 Prozent vom Mittelstand getragen wird. In ihrem wirtschaftlichen Aufschwung fällt dieser Koalitionsregierung nichts besseres ein, außer eine Mindeststeuer einzuführen und damit jeden Unternehmer und vor allem die kleinen Mittelständler noch mehr zu belasten. Dann will dieselbe Regierung erwarten, dass mehr Arbeitsplätze entstehen. Dieses Horrorszenario muss man ja einem erklären. Es ist ja noch Zeit, vielleicht kann einer aus ihrer Fraktion die restlichen fünf Minuten nutzen, dazu noch mal zu sprechen.

Denn Ihre sind um, Herr Mohring.

Genau, Frau Präsidentin. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt haben wir Herrn Abgeordneten Höhn, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, die Niederlage muss schon sehr tief sitzen, die muss ganz tief sitzen, denn sonst könnte ich mir einen solchen Antrag zur Aktuellen Stunde nicht erklären. Ich bedanke mich im Übrigen aber dennoch ausdrücklich für die Gelegenheit hier vor dem Plenum und vor der Öffentlichkeit noch einmal, wenn auch holzschnittartig und in aller Kürze, die wichtigsten Kernpunkte dieser Koalitionsvereinbarung Ihnen darlegen zu dürfen, damit Sie sie auch wirklich einmal für sich verinnerlichen.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der SPD)

Wie sind denn nun die Weichen in der Tat gestellt, jenseits von jeglicher Polemik und jenseits Ihrer fehlenden Alternativen, meine Damen und Herren von der CDU?

(Beifall bei der SPD)

Diese Regierung hat für die nächsten vier Jahre ein wahres Mammutwerk sich auferlegt. Dazu gehört erstens, Deutschland wird kinder- und familienfreundlicher.

(Zwischenruf Abg. von der Krone, CDU: Ach.)

(Beifall bei der SPD)

Dreh- und Angelpunkt sind dabei ein anspruchsvolles und verlässliches Betreuungsangebot für Kinder aller Altersstufen - Stichwort Ganztagsbetreuung.

(Beifall bei der SPD)

Zweiter Schwerpunkt - Bildung hat Vorrang: Davon habe ich bis jetzt von Ihnen noch nichts gehört. Dazu benötigen wir allerdings, und das ist eine Prämisse dieser Regierung, rasch länderübergreifende Strukturreformen für eine echte Qualitätsoffensive und nationale Standards in der Bildungspolitik. Das haben die Ergebnisse der PISAStudie uns gezeigt.

(Beifall bei der SPD)

Denn, meine Damen und Herren, das ist ein Kernpunkt sozialdemokratisch-grüner Politik, alle Kinder in Deutschland sollen unabhängig vom Wohnort und unabhängig vom Geldbeutel ihrer Eltern alle Bildungschancen in diesem Lande bekommen.

(Beifall bei der SPD)

Dritter Schwerpunkt, ein nicht unerheblicher Schwerpunkt, wenn nicht gar der wichtigste - mehr Beschäftigung: Dazu

hat diese Regierung angekündigt, den Abbau der Arbeitslosigkeit

(Zwischenruf Abg. Bergmann, CDU: Die Erhöhung der Arbeitslosenzahl wird das Ergebnis sein.)

durch eine konsequente Umsetzung der Vorschläge der Hartz-Kommission umzusetzen. Ich kann hier die einzelnen Punkte nicht aufführen. Das haben Sie in den letzten Wochen und Monaten sicher zur Genüge gehört, vom JobCenter über Job-Floater, über die Zeitarbeit und Schwarzarbeitsbekämpfung, Langzeitarbeitslosenbekämpfung. Das sind Dinge, die kennen Sie mindestens genauso gut, wie wir auch.

Das alles, meine Damen und Herren, dient dem Ziel Arbeitslose schneller zu vermitteln und mehr Menschen in Arbeit zu bringen, um damit unsere Sozialsysteme wieder zu entlasten.

(Beifall bei der SPD)

Vierter Punkt - von meinem Kollegen Mohring, wo ist er, ich sehe ihn gar nicht - solide Finanzen in schwieriger Zeit: Steuersätze

(Unruhe bei der CDU, SPD)

werden gesenkt, Steuerschlupflöcher werden geschlossen. Das ist ein Hauptschwerpunkt. Die Konsolidierung des Haushalts und auch, wenn wir momentan eine Situation haben, die niemand in diesem Staat gefällt, bleibt diese Regierung bei ihrem anvisierten Ziel bis 2006 einen Bundeshaushalt ohne neue Schulden vorzulegen. Das hat Finanzminister Eichel erst vorgestern vor dem Deutschen Bundestag noch einmal bekräftigt. Und wenn der Mittelstand

(Beifall bei der SPD)

und die Arbeitnehmer mit ihren Familien weiter entlastet werden durch die Stufen der Steuerreform 2004/2005 und wir von diesem Zeitpunkt an ein historisch niedriges Niveau bei den Eingangs- und Höchststeuersätzen haben, dann muss man das auch einmal zur Kenntnis nehmen, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Dafür müssten Sie eine Urkunde kriegen.)

(Beifall bei der CDU)

Wenn der EU-Kommissar Solbes, ich weiß nicht, ob Sie ihn kennen, vorgestern zitiert wird mit den Worten: "Deutschland kann im Jahre 2003 in der Tat noch die Konvergenzkriterien die Grenze von 3 Prozent erreichen, wenn", hören Sie gut zu, "dieser Koalitionsvertrag 1 : 1

umgesetzt wird" - so der EU-Kommissar Solbes.

(Unruhe bei der CDU)

Fünfter Schwerpunkt - Aufbau Ost: Hier werden die Entwicklungspotenziale in den ostdeutschen Regionen besonders in den Bereichen Forschung und Bildung gestärkt. Wir werden hier bei neu einzurichtenden Forschungszentren Ostdeutschland vorrangig berücksichtigen. Der Verkehrswegeplan hat in Ostdeutschland einen ganz klaren Schwerpunkt. Das können auch Sie nicht mehr bestreiten, meine Damen und Herren.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der SPD)

(Glocke der Präsidentin)