Protokoll der Sitzung vom 22.11.2002

Sie reden wie ein Blinder von der Farbe, aber das doch immerhin recht gut.

(Beifall bei der CDU)

Nein, wesentlich für die Stabilität und Zukunftsfähigkeit unserer freiheitlichen Gesellschaft sind doch die politischen Grundeinstellungen und dazu sagt der Monitor sehr Klares und auch das ist erfreulich. Ich zitiere: "Die Autoren stellen fest, dass der demokratische Verfassungsstaat und das Vertrauen in seine Institutionen in Thüringen fest verankert ist." Das ist erfreulich und dafür sind wir denen dankbar, die das sagen, aber auch denen, die das festgestellt haben.

(Beifall bei der CDU)

Nun müssen wir darüber diskutieren, warum denn im Einzelnen auch beunruhigende Tendenzen festgestellt werden - Ansehen der Politik unter Jugendlichen, Demokratiezufriedenheit oder -unzufriedenheit, ist die Demokratie die Beste aller Staatsideen, wie funktioniert die Demokratie und welches Ansehen haben Parteien? Aber wenn der Monitor zu dem Fazit kommt, das demokratische Fundament bekommt feine Risse, dann ist das kein Grund zum Pessimismus, sondern ich finde das eine sehr gute Beschreibung, um deutlich zu machen, wo jetzt Politik ihre Aufgaben zu definieren hat. Das werden wir auch tun. Ich werde einige dieser Aufgaben auch sehr deutlich benennen. Wie kommt denn Politikerfahrung junger Menschen zustande? Doch durch die aktiven Politiker und durch die aktive Politik, die in Bund, Land und im kommunalen Bereich gestaltet wird. Da werden Erfahrungen gesammelt und dort werden auch Politiker in ihrer Glaubwürdigkeit oder in ihrer Unglaubwürdigkeit erlebt. Als Zweites sind die Institutionen der Gesellschaft wichtig und da gehören auch wieder Familie, Schule, aber auch die Medien zu wesentlichen Institutionen, die für die Demokratie eine Verantwortung tragen. Glaubwürdigkeit ist das Stichwort. Sie ist ein hohes Gut und da sind wir bei einem sehr zentralen Thema, nämlich die Erfahrung mit Politikeraussagen und Resultaten. Das steht zur Diskussion und das ist für junge Menschen, auch das ist im Monitor klar ausgedrückt, zuallererst die Erfahrung mit Arbeit und Wirtschaft, weil das der direkte Lebensbezug ist, den sie erfahren. Da darf ich an die Mahnung von Bundespräsident Rau zu Beginn dieser Woche erinnern. Er hat sehr deutlich und sicher nicht unbedacht genau in dieser Zeit die Politik aufgerufen zu "Klarheit und Wahrheit", so wörtlich. Bischof Wanke hat das vor einigen Tagen beim Elisabeth-Empfang mit "Wahrhaftigkeit" bezeichnet. Zu den gleichen Stunden wird in dieser Bundesrepublik Deutschland der Bundeskanzler aus der eigenen Reihe mit "Haushaltslüge", "Steuerlüge" und "Rentenlüge" überzogen. Glauben Sie, dass das zu Wahrhaftigkeit und zu Klarheit führt? Nein, das führt dazu, dass die Menschen durch die eigene Reihe der SPD vorgeführt bekommen, dass die Politik der SPD unglaubwürdig ist, dass sie unwahrhaftig ist, und das wird von einem Mann ausgedrückt, der bis vor wenigen Jahren der große Vorreiter der Sozialdemokratie in Deutschland war.

(Beifall bei der CDU)

Wie nervös Sie reagieren, macht mir deutlich, der Mann hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Nein, Schuld ist nicht die Lage in Deutschland, Schuld sind die, die die Lage zu verantworten haben, aber nicht ausdrücken, dass sie die Lage zu verantworten haben und welche Konzepte sie entwickeln, um die Lage zu verändern.

(Beifall bei der CDU)

Glaubwürdigkeit misst sich natürlich an den Aussagen von gestern, verglichen mit den Aussagen von heute.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, da können Sie nun drum herumreden oder nicht, gestern hat Herr Höhn fast tiradenhaft hier vorn versucht, das Thema Rotgrün von sich zu weisen.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Sie waren doch gar nicht dabei.)

Wir haben nicht die falschen Versprechungen vor den Wählerinnen und Wählern in diesem Land getätigt. Ich zitiere einmal ein Beispiel, Herr Höhn, es gibt Fernsehen und es gibt Übertragungen und da Sie so emotional geredet haben, konnte ich gar nicht ruhig arbeiten, sondern musste Ihren wichtigen Ausführungen folgen.

(Beifall bei der CDU)

Am 26. Juli 2002 in der ARD der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland: "Steuererhöhungen sind in der jetzigen konjunkturellen Situation ökonomisch unsinnig. Deswegen ziehen wir sie nicht in Betracht." Wenn wenige Wochen später über 40 Steuererhöhungen in den Deutschen Bundestag eingebracht werden, dann ist das nicht "Wahrheit und Klarheit", sondern dann ist das Lüge.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Herr Eichel am 1. September 2002, also noch näher am Wahltag, bei Sabine Christiansen sagt, ich zitiere: "Wir machen keine Schulden, das haben wir klar gemacht, wir weichen nicht in Schulden aus." und dann aber jetzt für das nächste Jahr die zweithöchste Neuverschuldung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zu verantworten hat, dann ist das auch nicht "Wahrheit und Klarheit", sondern schlicht Lüge.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen bleibe ich bei dem, was Johannes Rau gesagt hat - "Klarheit und Wahrheit" - und zwar deshalb, weil das Politikeinstellungen bewirkt, und Politikeinstellungen auch beeinflusst. Ich will gern auch das Thema "Außenpolitik" kurz benennen, weil das ein ganz zentrales Thema für die Frage "wie stehen wir zur Demokratie" ist. Vor einem Jahr die "uneingeschränkte Solidarität" zu den USA

- ein unsinniges Wort, weil Solidarität ausgereicht hätte, das heißt nämlich dann auch, dass man kritisieren und streiten darf über den Weg. Dann nach einem Dreivierteljahr aus wahltaktischen Gründen der "deutsche Weg" - das hätte die Union einmal formulieren sollen, ich hätte das Geschrei von allen Seiten nicht mehr aushalten können

(Beifall bei der CDU)

Und dann wenige Wochen später müht sich die Bundesregierung um schöne Bilder, heute in der TA wieder eines zu sehen. Nein, da bleibe ich schon bei dem, was Außenminister Fischer am 31. Oktober am Ende seines Besuchs in den USA gesagt hat: "Wir müssten jetzt versuchen, das zerschlagene Porzellan wieder zu kitten". Das trägt nicht zur Glaubwürdigkeit von Politik bei, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage das auch aus einem anderen Grund, nicht nur, weil es unglaubwürdig ist, sondern auch weil es falsch ist. Mit Freunden und Partnern geht man anders um, erstens - und zweitens, es gibt keinen "deutschen Weg", sondern es gibt nur einen europäischen Weg an der Seite der NATO und der UNO, das hätte der Kanzler auch vor der Wahl sagen können, dann wäre aber sein Wahlpopulismus nicht möglich gewesen.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die politischen Haltungen oder die politischen Erfahrungen unserer jungen Menschen speisen sich nicht im virtuellen Raum, sondern sie speisen sich aus ihren ganz konkreten Erfahrungen. Und deshalb will ich auch sehr gern deutlich machen, dass ich glaube, wir sind an einer Stelle, wo nicht nur pragmatische Wirtschaftsfragen zu stellen sind, sondern auch: Haben wir es wirklich geschafft, die Ideologien hinter uns zu lassen? Ich glaube nicht; ich glaube, wir sind derzeit in einer sehr ernsthaften Auseinandersetzung, ob nicht neue ideologische Versprengungen in diesem Land verwurzelt werden sollen. Ich glaube, wir sollten uns als Demokraten dafür einsetzen, dass keine Ideologie wieder Politik bestimmt, weil es immer menschenverachtende Folgen hat, wenn Ideologie Politik bestimmt. Deshalb werden wir uns dagegen auch ganz deutlich aussprechen. Manchmal kommt die Ideologie auf Samtpfötchen, aus Nettigkeiten, aus Freundlichkeiten - und plötzlich ist sie fundamental da. Und deshalb will ich dazu auch etwas ganz Deutliches sagen: Es ist nicht der Wertewandel, der unser Problem ist, die Werte bleiben Werte, sonst waren sie es nicht. Es ist der Einstellungswandel und wie wir ihn beeinflussen. Und deshalb sage ich ganz klar, die Union bleibt dabei, wir stehen zu Familie, auch weil es eine traditionelle und zukünftige inhaltliche und organisatorische Einheit in dieser Gesellschaft ist.

(Beifall bei der CDU)

Und wir stehen zu einer wertorientierten und auch differenzierten Schule und wir stehen auch zu den Kirchen, weil sie in diesem Land dazu beitragen, dass Werthaftes wieder sichtbar wird.

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir dazu stehen, heißt es übrigens auch, sie zu stärken und uns als Land auch selbst zu stärken - ich erinnere an den gestrigen Tag. Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Orientierungspunkte in dieser Gesellschaft sind nicht virtuell, sie machen sich daran fest, was Menschen erfahren, wie die Politik mit ihren Sorgen und mit den Institutionen in der Gesellschaft umgeht. Deshalb, glaube ich, ist es sehr wichtig, auch über die Gefährdungen ganz deutlich zu reden. Der Spruch von Gerhard Schröder im Wahlkampf "Nur Reiche können sich einen schwachen Staat leisten, der kleine Mann aber braucht einen starken Staat" war sozusagen das Entree für diese heimliche Ideologisierung der Gesellschaft. Das ist falsch, was Gerhard Schröder gesagt hat, schlicht und ergreifend falsch, es folgt einem etatistischen Ansatz. Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen einen handlungsfähigen Staat, der dem Bürger etwas zutraut und auch seiner eigenen Entscheidungsfähigkeit die Chance gibt.

(Beifall bei der CDU)

Wenn ich noch ganz recht liege, dann ist die ererbte Pädagogik doch von diesem Prinzip auch geprägt. Nicht der Vater, nicht die Mutter sind stark, die ihrem Kind alles vorgeben und für das Kind alles entscheiden, sondern diejenigen Eltern sind stark, die dem Kind Fundamente ermöglichen, Orientierungen mitgeben, dass es sich selbst entfaltet und selbst entscheidet. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn diese Grundlage der Pädagogik Rotgrün lernen würde, wären wir ein Stück weg von der Ideologisierung in dieser Gesellschaft.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb will ich ganz kurz auf Politikfelder eingehen, bei denen ich glaube, dass die Politikerfahrung für junge Menschen am deutlichsten wird, aber auch für uns alle existenziell spürbar. Das Allererste ist die Wirtschaft - die Wirtschaft ist nun mal, und Gott sei Dank, das Band, wo Menschen erfahren, ob sie in dieser Gesellschaft Zukunft haben. Und deshalb gilt es, und das bleibt richtig, Wachstumskräfte müssen endlich wieder freigesetzt werden und dafür muss Politik sorgen. Rotgrün tut das nicht derzeit in Deutschland. Nun können Sie sagen, das ist wieder die berühmte Rhetorik der Union, die wäre falsch - nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, nehmen Sie doch bitte die Tatsachen einmal als Tatsachen zur Kenntnis und mogeln Sie sich nicht länger darum herum. Wenn doch die Wirtschaftsweisen in der letzten Woche sehr klar Rot

grün ins Stammbuch geschrieben haben, wie sie die derzeitige Situation einschätzen, dann ist das nicht die Union, sondern dann ist das die Beschreibung der realen Situation. Ich will Ihnen zwei Zitate aus dem Papier, das Sie einmal lesen sollten, zu Gemüte führen.

Erstens: "Die Koalitionsvereinbarungen zur Anhebung von Steuern und Sozialabgaben sind das Gegenteil dessen, was wachstumspolitisch geboten ist."

Zweitens: "In der Arbeitsmarktpolitik setzt die Bundesregierung im Wesentlichen auf das Konzept der HartzKommission... Die Vorschläge der Hartz-Kommission können, selbst wenn sie umgesetzt werden, die hoch gesteckten Erwartungen auf eine rasche Entlastung am Arbeitsmarkt nicht erfüllen, sie können eine ursachengerechte Therapie nicht ersetzen."

Nicht Union - Wirtschaftsweisen - und ich fände es wichtig, dass wir endlich beachten, was sie gesagt haben: "Wachstum ist in Deutschland wieder notwendig." Das schafft dann auch eine positive Politikerfahrung, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Und wenn Sie den Wirtschaftsweisen nicht glauben wollen, dann lesen Sie doch einmal in "Die Zeit" von gestern ein hochinteressantes Interview mit dem EU-Währungskommissar Petro Solbes. Auf die Frage - "Finanzminister Eichel argumentiert, an der Misere sei vor allem die Konjunktur Schuld" - antwortet er aus der europäischen Sicht und Kenner der Haushalte in Europa: "Das deutsche Defizit wächst seit 1999 ganz unabhängig vom Konjukturzyklus, also kann es auch nur zum Teil damit erklärt werden. Einen wichtigen Teil hat die deutsche Regierung zu verantworten. Wegen ihrer Steuerreform sind die Unternehmenssteuern weggebrochen, außerdem explodierten die Kosten im Gesundheitswesen." Das hätte aus einer Wahlkampfrede der Union sein können, das hat aber Petro Solbes gestern in "Die Zeit" gesagt, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Es ist also scheinbar richtig. Und nun hat er eine zweite Frage, sozusagen die zweite Ausrede des Kanzlers, auch beleuchtet: "Und was halten Sie von dem Argument, die Flut in Ostdeutschland sei Schuld?" "Auch mit außergewöhnlichen Ereignissen wie der Flut sollten die Deutschen nicht argumentieren. Die Flutschäden, die die öffentlichen Kassen in diesem Jahr belasten, betragen nur 0,1 Prozent des Bruttoinlandprodukts."

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Politikerfahrung macht sich immer konkret fest und ich wünsche der rotgrünen Regierung, dass sie endlich zu "Klarheit und Wahrheit" kommt. Das würde eine positive Politikerfahrung auch unterstützen.

Lassen Sie mich ein zweites Stichwort ganz kurz aufgreifen, das ist die Familienpolitik, die heute schon mehrfach angesprochen wurde. Auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen, für uns ist der Artikel 6 im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland etwas mehr als nur eine nostalgische Beschreibung.

(Beifall bei der CDU)

Für uns ist er eine Zukunftsaussage und da steht eben nicht "zu tolerieren", sondern da steht "Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz...". Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Grundgesetzmütter und -väter hatten Recht. Das gilt auch heute. Und das ist ein Auftrag für Politik, dem man nicht ausweichen kann.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrte Frau Pelke, auf die Worte kommt es an. Der Bundeskanzler hat es in seiner Regierungserklärung anders formuliert als Sie hier. Er hat eben nicht formuliert, dass heute richtigerweise die Möglichkeit für Frauen, Familie und Beruf miteinander zu verbinden, in vielen Optionen gegeben sein muss. Nein, er hat feinsinniger formuliert. Er hat gesagt: "Wir werden erreichen, dass Frauen jegliche Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf haben." Nein, wir wollen, dass sie nicht die Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf haben, sondern dass sie Familie und Beruf miteinander verbinden können, denn das ist die Option der Stunde.

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube, da hat Thüringen - das ist von meinem Vorredner, Wolfgang Fiedler, sehr umfassend und auch richtigerweise dargestellt worden - eine sehr breite Palette. Der Ministerpräsident hat deutlich gemacht, sie wird auch angenommen. Wir brauchen uns hier nicht zu verstecken,

(Beifall Abg. Arenhövel, CDU)

weder bei der ganztägigen Betreuung noch bei der Frage frühkindlicher Erziehung, noch in der Frage der Unterstützung der Eltern, z.B. durch das Landeserziehungsgeld und ich erinnere auch an die Jugendpauschale. Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben als Thüringer schon darauf geachtet, dass in diesem Land Familie und Beruf miteinander verbunden werden können. Auf dem Weg gehen wir auch weiter.