Ich möchte nur einige Punkte nennen: Die EU soll mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit ausgestattet werden. Das steigert die Transparenz. Die EU wird dadurch leichter als politischer Akteur wahrgenommen. Allerdings wird in der weiteren Debatte im Konvent darauf zu achten sein, dass unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit erhalten bleiben. Das bedeutet, dass wir die Formen der intergouvernementalen Zusammenarbeit für spezifische Fragen, z.B. im Bereich der Innen- und Justizpolitik, fortführen wollen. Wir wollen nicht den Weg zu einem europäischen Superstaat beschreiten.
Das Konventspräsidium hat einen einheitlichen Vertrag mit drei Teilen vorgeschlagen. In der Konsequenz setzt der einheitliche Verfassungsvertrag nach unserer Auffassung auch ein einheitliches Änderungsverfahren für alle Teile des Verfassungsvertrags voraus. Die Mitwirkungsrechte der nationalen Parlamente dürfen - so steht es im Antrag - bei Änderungen der konstitutionellen Grundlagen der EU keinesfalls beschränkt werden.
Die europäische Kompetenzordnung muss systematischer und transparenter werden. Im Rahmen einer reformierten Kompetenzordnung muss eine klarere Abgrenzung zwischen den Aufgaben, d.h. der sachlichen Zuständigkeit bzw. dem Regelungsumfang, und den Befugnissen, d.h. der Regelungstiefe, möglich werden. Ergänzt werden soll diese so reformierte Kompetenzordnung durch verfahrensrechtliche Absicherungen, z.B. durch die Einführung eines Frühwarnsystems und eines eigenen Klagerechts für Regionen mit Gesetzgebungsbefugnissen, wenn sie in ihren Zuständigkeiten betroffen sind.
Von fundamentaler Bedeutung ist die Stärkung der Regionen, denn die Stärkung ist die notwendige Ergänzung zum europäischen Einigungsprozess. Den Forderungen, die sich zur Änderung des Ausschusses der Regionen (AdR) in dem Antrag wiederfinden, kann ich nur zustimmen. Die Stärkung der Regionen ist nach unserer Auffassung ohne starke Städte und Gemeinden nicht möglich. Diese sind durch zahlreiche Entscheidungen der EU unmittelbar betroffen. Denken Sie nur an den Öffentlichen Personennahverkehr, das öffentliche Auftragswesen oder die Qualität der Wasserversorgung.
Trotzdem ist das Recht auf kommunale Selbstverwaltung bislang nirgendwo im europäischen Verfassungsvertrag verankert. Selbstverständlich wird sich die Landesregierung für eine Verankerung der kommunalen Selbstverwaltung in einem europäischen Verfassungsvertrag einsetzen.
Eine reformierte Kompetenzordnung in der EU führt unweigerlich auch zu einer veränderten Stellung der Landtage. Wir wollen starke Landesparlamente. Das bedeutet: Frühzeitige Unterrichtung der Landesparlamente über das, was in Europa geschieht, frühzeitige Unterrichtung über den Standpunkt der Landesregierung.
Die Ausschussberatungen in den letzten drei Jahren belegen, dass die Landesregierung dieser verfassungsrechtlichen Verpflichtung stets in vollem Umfang nachgekommen ist, insbesondere auch während der Erarbeitung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und im Verlauf der Regierungskonferenz zum Vertrag von Nizza. Ich suche frühzeitig den intensiven Austausch mit den Abgeordneten. Auch deswegen bin ich dankbar für den vorliegenden Antrag. Er bietet eine wertvolle Grundlage, an der wir unsere Position überprüfen und die Ergebnisse des Konvents bewerten werden.
Der Philosoph Hermann Lübbe hat in seiner Bewertung des Vertrags von Maastricht geschrieben: "Das künftige Europa muss föderal organisiert sein oder es wird überhaupt nicht zustande kommen." Mehr Föderalismus, mehr Gestaltungsspielraum für die europäischen Regionen - das muss unser Ziel für die Zukunft Europas bleiben. Diesem Ziel haben sich Landesregierung und Landtag verpflichtet und deshalb wünsche ich mir, dass der Antrag die breite Zustimmung dieses Hauses findet. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es ist gut so, dass der Landtag sich heute mit dem Konvent zur Zukunft der Europäischen Union beschäftigt, denn die Fortentwicklung des europäischen Vertragswerks für eine föderale Europäische Union ist in aller Munde. Doch es gibt viele Fragen: Was passiert denn da eigentlich? Ich hatte das Glück mit dem Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten Anfang des Monats in Brüssel zu sein und mit Mitgliedern des Konvents ins Gespräch zu kommen. Höhepunkt war für uns alle die Teilnahme an einer Konventssitzung auf der Besuchertribüne. Dort waren wir uns einig und sehr neugierig. Wir erlebten die Akteure vor Ort, wie sie am Konvent arbeiten. Druckfrisch erhielten wir die Dokumente zum Vorentwurf des Verfassungsvertrags und Arbeitsgruppenberichte.
Am 28. Oktober, also vor drei Wochen, wurde im Konvent der Vorentwurf des Verfassungsvertrags eingebracht. "Ein Skelett ohne Fleisch und ohne Hirn" äußerte sich in Brüssel Dr. Klaus Hänsch, Mitglied des Europäischen Parlaments und des Konvents. Umso spannender ist es doch jetzt für uns, eigene Positionen hier einzubringen. Während unseres Besuchs des Europäischen Parlaments in Brüssel landet die CDU-Fraktion Ihren Antrag hier im Abgeordnetenbriefkasten in Erfurt. Perfektes Timing muss ich sagen, denn zur gleichen Zeit war ja schon ein Antrag der SPDFraktion zum Thema anberaumt, auch dieses Thema auf die Tagesordnung des Auschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten zu setzen.
Wer nun aber glaubt, dass durch das gemeinsame Erlebnis in Brüssel Thüringer Positionen, die nun im CDU-Antrag vorliegen, im Ausschuss Punkt für Punkt einmal besprochen werden, der irrt. Im Gegenteil, der Antrag steht und erschrocken musste ich zur Kenntnis nehmen, dass Ausschussüberweisung ja gar nicht vorgesehen ist. Die Thüringer Positionen sollen heute verabschiedet werden. Wer Änderungen wünscht, der muss sie halt im Plenum beantragen, so die Auskunft im Ausschuss. Und in wessen Hände sie dann liegen, das haben wir eben alle verspürt. Sie werden mit Mehrheit im Plenum gar nicht zugelassen. Dem großen Thema Europa, muss ich Ihnen sagen, ist diese Arbeitsweise nicht gerecht. Ich wünsche mir eine allseitige Diskussion.
Leider kam sie an diesem Antrag nicht zustande. Herr Gnauck, Sie sagten gerade, mit einer Stimme reden, sagen Sie doch ehrlicherweise, es ist die Stimme der CDU.
Wer Europa will, muss den Menschen Gelegenheit geben daran mitzuwirken im Großen wie im Kleinen und da bezeichne ich uns heute einmal als die Kleinen. Meine Damen und Herren, trotz des feierlichen Namens "Konvent" besteht keine Ähnlichkeit des Europäischen Konvents mit dem berühmten Konvent, der vom Mai bis September 1787 in Philadelphia tagte. Gemessen an dem bescheidenen Auftrag, die Artikel der einzigen staatlichen zentralen Institution in der Konföderation der ehemaligen britischen Kolonien und Nordamerika des Kongresses zu revidieren, war das Ergebnis dieses Konvents von Philadelphia, nämlich die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika, eine echte Revolution. Gleiches können wir realistischerweise vom Europäischen Konvent nicht erwarten. Der in der Überschrift zum Antrag der CDU zum Ausdruck gebrachte Wunsch nach einer föderalen Europäischen Union wird der Europäische Konvent aller Voraussicht nach nicht erfüllen können. Eine föderale Europäische Union würde zum einen voraussetzen, dass sich die Union eine föderale Regierungsstruktur mit einem Europäischen Parlament mit zwei verschiedenen Kammern gibt, einer vom europäischen Volk direkt gewählten Volkskammer und dem in eine Staatenkammer umgewandelten bisherigen Rat. Bei dieser bundesstaatlichen Lösung würde die Kommission die Regierung der Europäischen Union werden. Ein solch großer Schritt zum europäischen Bundesstaat würde allerdings aber auch voraussetzen, dass der europäische Haushalt erheblich aufgestockt werden müsste. Natürlich ist beides zum gegenwärtigen Zeitpunkt politisch nicht realisierbar, obwohl es auch aus demokratischer Sicht doch die beste Lösung wäre. Eine föderale Europäische Union lässt sich nur langfristig in einzelnen Stufen verwirklichen. Was zur Bewältigung der Globalisierung und der Erweiterung der EU aus unserer Sicht und der Fraktion der Vereinten Linken Nordischen Grünen Linken im Europaparlament - bei der anstehenden Revision der Verträge erreicht werden müsste und erreicht werden könnte, wäre eine Stärkung der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments - kombiniert mit einer Reform der Koordinierungsverfahren zur Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik. Die Koordinierungsverfahren müssten gemeinsam mit der Umweltdimension der Gemeinschaft in einem einzigen integrierten Verfahren gebündelt werden. Wie bisher geht es dabei um eine Koordinierung von Politiken der Mitgliedstaaten entlang gemeinsam vereinbarter europäischer Grundzüge und Leitlinien.
Mit EU-Leitlinien für eine nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung können verbindliche Ziele für die Politik der EU und der Mitgliedstaaten formuliert und mit einem multilateralen Überwachungsverfahren nach dem Muster der Koordinierung der Wirtschaftspolitik nach Artikel 99 EG-Vertrag ihre Umsetzung organisiert und evaluiert werden. Das Vorschlagsrecht für die Leitlinien hätte die Europäische Kommission. Tarifparteien und Nichtregierungsorganisationen könnten im Rahmen eines
transparenten Konsolidierungsverfahrens Stellung beziehen. Die Mitgliedstaaten sollten sich verpflichten, den Vorschlag der Kommission in einem parlamentarischen Anhörungsverfahren in den nationalen, ggf. auch in den regionalen Parlamenten zu beraten. Das Europäische Parlament wäre in einem dem Mitentscheidungsverfahren in der EU-Gesetzgebung nachgebildeten Verfahren an der Beschlussfassung der Leitlinien durch den Rat beteiligt. Für den künftigen europäischen Verfassungsvertrag würde dies bedeuten, dass unter Aufnahme eines Titels "europäische Wirtschaftsregion für Nachhaltigkeit und Solidarität" die bisher im EG-Vertrag enthaltene Koordinierung der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik sowie die offene Koordination im Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung und die Göteborg-Strategie für die nachhaltige Entwicklung zusammengeführt werden müssen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich jetzt noch einige Anmerkungen zu den Licht- und Schattenseiten im vorliegenden Antrag der CDU-Fraktion machen. Die Formulierung der Überschrift "Position des Thüringer Landtags zur Fortentwicklung des europäischen Vertragswerks für eine föderale und subsidiäre Europäische Union" regt uns schon zum Schmunzeln an. "Subsidiäre Europäische Union", diese Formulierung ist nicht nur komisch, ich vermute, dass sich hier auch ein handfestes Wunschdenken einiger Damen und Herren von der CDU verbirgt, die sich die Europäische Union so eher als ein Europäisches Rotes Kreuz vorstellen, das bei Notlagen mit Subsidien oder Notpflastern aushilft, im Übrigen aber in Ruhe gelassen werden will. Wir schlagen eine Änderung der Überschrift vor, was ja bereits hier abgeschmettert wurde. Positiv ist die Forderung im Antrag, die Charta der Grundrechte der EU unverändert in den europäischen Verfassungsvertrag aufzunehmen. Ebenfalls begrüßen wir es, dass der EU nach diesem Antrag eine eigene Rechtspersönlichkeit zugewiesen werden soll. Damit könnte die EU der Europäischen Menschenrechtskonvention und anderen internationalen Verträgen, wie etwa der vom Europarat verabschiedeten Sozialcharta von Turin, beitreten. Ganz am Rande bemerkt, Herr Minister Gnauck, angesichts der Tatsache, dass Sie sich auf unserer Reise nach Brüssel so sehr mit dem europäischen Abgeordneten Hänsch über die aktuelle Verbindlichkeit des Maastricht-Urteils stritten, kann ich es nicht nachvollziehen, wie Sie es einfach durchgehen lassen können, dass die Fraktion Ihrer Partei hier eine föderale Europäische Union mit einer Rechtspersönlichkeit fordert. Sie sollten die CDU-Fraktion darauf aufmerksam machen, dass sie sich damit in Widerspruch zum Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts begibt.
Meine Damen und Herren, zu I Punkt 1: Im Satz 2 dieses Abschnitts unterstellen Sie, bei der Reformdiskussion gehe es nur um die Grundrechte "Kompetenzordnung der Verbesserung der demokratischen Legitimität". Sie schließen damit einen großen Teil der Mitglieder des Konvents und der Öffentlichkeit von der Reformdiskussion aus. Bei
diesen von Ihnen ausgegrenzten Personen und Gruppen ist Gegenstand der Reformdiskussion nämlich auch die Solidarität, eine bessere Berücksichtigung der in jeweiligen Artikeln 2 des EU-Vertrags und des EG-Vertrags genannten Aufgaben und Ziele der Integration, wie - ich zitiere: "sozialer Fortschritt, hohes Beschäftigungsniveau und ein hohes Maß an sozialem Schutz, die Gleichstellung von Männern und Frauen, ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität, der Lebenshaltung und der Lebensqualität sowie Stärkung des sozialen Zusammenhangs und der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten." So steht es in den Verträgen. Entsprechend sind daher die Subsidiarität, eine größere Transparenz, eine bessere Rechtsetzung und mehr Rechtssicherheit nicht die einzigen Prinzipien, an denen sich dieser Entwurf orientieren soll. Ebenso gleichwertige Prinzipien sind die Demokratie, die Solidarität und Nachhaltigkeit sowie soziale Grundrechte auf den Zugang zu Universaldiensten von allgemeinem Interesse, auf Bildung und Gesundheitsfürsorge.
Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, ich komme jetzt zu Ihrem Lieblingsthema, der besseren Verteilung und Abgrenzung der Zuständigkeiten in der Europäischen Union. Zu II Punkt 2 Ihres Antrags möchte ich Folgendes bemerken: Zunächst einmal enthält dieser Abschnitt - wie bereits der vorhergehende Abschnitt -, der die in Artikel 5 des EG-Vertrags genannten Grundsätze der begrenzten Einzelermächtigung und Subsidiaritätsprinzips und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit wiedergibt, bis auf einen Punkt nichts Neues, was nicht bereits schon nach gültigen Verträgen gültig ist. Die in Artikel 10 des EG-Vertrags geregelte allgemeine Loyalitätspflicht umfasst nicht nur Pflichten der Mitgliedstaaten gegenüber der Gemeinschaft, sondern auch Pflichten der Gemeinschaft gegenüber den Mitgliedstaaten, die sowohl die Pflicht zu einem mitgliedstaatfreundlichen als auch zu einem regionalfreundlichen Verhalten einschließen. Die Gemeinschaft hat danach auf tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Mitgliedstaaten und ihrer Region sowie auf grundlegende nationale Verfassungsstrukturen und gewachsene, bewältigte Verwaltungsstrukturen und Funktionsweisen des Rechtssystems einzelner Mitgliedstaaten und Regionen Rücksicht zu nehmen.
Insoweit stünde daher in dem Antrag der CDU-Fraktion nichts Neues, wenn nicht auch der Schutz der nationalen Identität Erwähnung fände. Ich stelle mir daher die Frage, was die CDU mit nationaler Identität, die unter Schutz gestellt werden müsse, nur meint. Springen wir doch über unseren Schatten. Schließlich gewinnt doch eine europäische Identität immer mehr an Bedeutung. Ich kann es nicht nachvollziehen, dass die CDU-Fraktion ausgerechnet die einer unseligen Vergangenheit angehörende nationale Identität unter Schutz stellen möchte. Lieber hätte ich dagegen gesehen, die CDU fordert statt Schutz der nationalen Identität den Schutz öffentlicher Güter und der öffentlichen Daseinsfürsorge.
Zu II Punkt 4 Ihres Antrags: Dort sagen Sie, dass aus Zielbestimmungen oder Querschnittsklauseln keine Kompetenzen abgeleitet werden dürfen. Ferner müsse der schleichenden Kompetenzausweisung der Europäischen Union auf die Gesetzgebungskompetenz der Länder durch eine extensive Auslegung der Binnenmarktkompetenz durch entsprechende Präzisierung vorgebeugt werden...
Also, es tut mir Leid, dass ich Sie noch ein bisschen langweilen muss, wir hätten es ja im Ausschuss beraten können.
Das war die Formulierung aus dem Antrag. Besonders der letzte Satz lässt doch deutlich den Zusammenhang mit der Tabakwerbeverbotsrichtlinie erkennen, die in der Bundesrepublik Deutschland als das Paradebeispiel für eine Kompetenzüberschreitung der EU vorgeführt wurde. Hier hat sich wohl einiges an Tabakqualm zusammengezogen, was den emotionslosen Blick auf die Rechtsprobleme erschwert. Fakt ist: Der Europäische Gerichtshof hat in vorbildlicher Weise Tatbestandsvoraussetzungen formuliert, bei deren Einhaltung eine schleichende Kompetenzausweitung der Europäischen Union ausgeschlossen ist. Der im CDU-Antrag geforderten Vertragsänderung bedarf es daher also nicht.
Nicht nachvollzogen werden kann die Feststellung, aus Querschnittsklauseln dürfe keine Kompetenz abgeleitet werden. Möglicherweise verwechselt hier die CDU-Fraktion den Begriff "Querschnittsklausel" mit dem Begriff "Querschnittskompetenz". Kann ja passieren. Querschnittsklauseln sind niemals Kompetenznormen, aus denen folglich niemals selbstständige Kompetenzen abgeleitet werden können.
Es überrascht, dass die CDU an dieser Stelle nicht die ebenfalls dynamisch wirkende Kompetenzergänzungsklausel des Artikels 308 EG-Vertrag erwähnt. Ich muss hier konstatieren, dass der CDU-Fraktion offenbar eine Panne unterlaufen ist. Dass der EU-Vertrag anders als das deutsche Grundgesetz Kompetenzen an Zielbestimmungen anknüpft, bedeutet nicht ein geringeres Maß an Rechtssicherheit. Die Tatbestandsvoraussetzungen für den Erlass von Maßnahmen durch die EU-Gesetzgebungsorgane sind überwiegend sehr viel präziser und detaillierter gefasst als die in den Artikeln 73 und 74 des Grundgesetzes formulierten Gesetzgebungskompetenzen.
Zu II Punkt 5 Ihres Antrags, wo Sie fordern, dass die Instrumente der Union zur Rechtsetzung verringert werden müssten. Sofern Sie damit die Anzahl der Handlungsformen meinen, so können wir Ihnen nicht zustimmen. In der Praxis wird eine große Palette an Handlungsformen, auch atypischer Art benötigt. Wenn Sie dagegen die Anzahl der verschiedenen Rechtsetzungsverfahren meinen, so stimmen wir zu. Diese sind in der Tat so zahlreich, dass selbst nach eigener Aussage Experten im Europarecht manchmal den Durchblick verlieren.
Unklar ist der Satz: "Künftig sollte häufiger auf die Rahmengesetzgebung zurückgegriffen werden." Meine Damen und Herren, dass zukünftig in den Verträgen die Zahl der Fälle eingeschränkt werden soll, in denen die Organe der EU Verordnungen erlassen können oder beziehen Sie sich auf die Fälle, dass eine Wahlfreiheit zwischen dem Erlass einer Verordnung oder einer Richtlinie besteht. Oder meinen Sie etwa, Richtlinien sollen zukünftig weniger detailliertere Regelungen enthalten, damit den Mitgliedstaaten sowie den Ländern der Region größere Spielräume zu geben.
In den beiden letzteren Fällen handelt es sich nicht um eine Frage der Verfassungsgebung, sondern um eine Frage der Praxis der Rechtsetzung, die nach den konkreten Umständen, unter Berücksichtigung der Gegenstände der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit zu beantworten ist.
Zu II Punkt 6 Ihres Antrags habe ich mich bereits geäußert. Wir, die PDS, treten dafür ein, die Methode der offenen Koordinierung zu vertiefen und unter Einschluss der umweltpolitischen Dimension sie mit den übrigen Koordinierungsverfahren zusammenzuführen und in einem eigenen Titel vertraglich zu verankern. Die Behauptung, die offene Koordinierung sei mit dem Ziel einer klaren, transparenten Kompetenzordnung bzw. - wie es im SPDAntrag heißt, abgeschwächt formuliert ist - sehr oft mit dem Ziel einer klaren und transparenten Kompetenzordnung nicht zu vereinbaren, trifft nicht zu. Die offene Koordinierung ersetzt nicht die herkömmliche Rechtsetzung durch die Organe der EU. Sie soll sie vielmehr ergänzen. Durch Einbindung der Volksvertretungen der Mitgliedstaaten und Regionen sowie von Organisationen der Zivilgesellschaft bei der Entwicklung der Leitlinien wird ein hohes Maß an Transparenz erreicht.
Zuletzt noch eine Bemerkung zu III Punkt 3 Ihres Antrags. Sie fordern in diesem Absatz, dass die Zusammensetzung des Ausschusses der Regionen sich stärker an der Einwohnerzahl der Mitgliedstaaten orientieren müsse, um die Repräsentativität des Ausschusses der Regionen zu verbessern. Mit diesem Vorschlag erreichen Sie aber doch zum Teil das Gegenteil. Der Vertrag von Nizza hat für den Ausschuss der Regionen eine Obergrenze von 350 Mitgliedern festgelegt. Dies würde bei Aufnahme der zwölf Staaten, mit denen zum Zeitpunkt des Europäischen Rates in Nizza Beitrittsverhandlungen geführt wurden, bedeuten, dass die Mitgliederzahlen der bisherigen Mitgliedstaaten unverändert bleiben können und für die Beitrittstaaten linear fortgeschrieben würden. Wie würde das jetzt praktisch aussehen? Gegenwärtig hat Deutschland, das sich aus sechzehn Bundesländern zusammensetzt, 24 Sitze; Italien, das sich aus 20 Regionen zusammensetzt, hat ebenfalls 24 Sitze; Spanien, das sich aus 17 autonomen Gemeinschaften zusammensetzt, hat 21 Sitze und Österreich, das sich mit Wien aus neun Bundesländern zusammensetzt, hat 12. Würde man gemäß Ihrem Vorschlag die Einwohnerzahl der Mitgliederstaaten für die Sitzverteilung für maßgeblich erklären, so wären entweder große,
bevölkerungsreiche Regionen, wie z.B. Lombardei, Kompanien, Catalonien und die autonome Gemeinschaft von Valenzia im Vergleich zu kleinen Bundesländern, wie beispielsweise die Stadtstaaten oder - das werden Sie kennen - das Saarland und Thüringen, deutlich unterrepräsentiert. Oder einige Regionen, wie Italien und einige autonome Gemeinschaften Spaniens, könnten nicht mehr im AdR vertreten sein. Gleiches würde für Österreich gelten. Ein vergleichsweise kleines Land, wo dann - wenn man dem Vorschlag folgen würde - einige Bundesländer nicht mehr im AdR vertreten sein könnten. Die bisherige Verteilung der Sitze im AdR, die kleine Mitgliedstaaten privilegiert, ist schließlich deshalb auch gerechtfertigt, weil es die Vertretung von Regionen an der Peripherie Europas sicherstellt, die aufgrund ihrer Randlage besondere Nachteile haben, wie z.B. die portugiesische Region der Azoren. Diese Regionen müssen auch weiterhin die Möglichkeit haben, ihre spezifischen Anliegen angemessen zur Geltung zu bringen.
Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Der Antrag der CDU-Fraktion weist eine Reihe diskuissionswürdiger Mängel auf. Wir halten den Antrag allerdings nicht für so schlecht, dass der Landtag ihn bereits heute ablehnen müsste.
Ich beantrage daher im Namen meiner Fraktion die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten. Sollten Sie mit Ihrer Ankündigung, den Antrag heute beschließen zu wollen, ernst machen - und das wird ja so sein angesichts der Tatsache, dass Sie unserem Änderungsantrag nicht zugestimmt haben, meine Damen und Herren der CDU-Fraktion -, beantrage ich, über jeden einzelnen Punkt des Antrags einzeln abzustimmen.
(Zwischenruf Gnauck, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Namentlich.)
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, Frau Kollegin Sedlacik, es ist kein Wunder, dass die Zustimmung zu Europa sinkt. Wenn man solch einen Redebeitrag hier hört, kann ich mir gut vorstellen, leider ist die Bühne auch relativ leer, auch das Interesse der Kollegen nicht so sonderlich hoch, was Sie hier vorgetragen
haben, das erstaunt mich, das irritiert mich ja förmlich. Sie sagen und Sie betonen auch immer, Sie sind noch sehr unerfahren in Sachen Europa, das haben Sie in Brüssel so gesagt und haben das im letzten Ausschuss auch dargestellt, das kann ich voll unterstreichen, das dokumentiert Ihr Beitrag auch. Aber wissen Sie, da muss man erst einmal tief Luft holen. Wenn man im Protokoll noch einmal nachliest, was Sie hier vorgetragen haben, der Vorwurf, dass die CDU-Fraktion hier einen Antrag zum Konvent einbringt und dass Sie sich von uns düpiert fühlen, weil wir diesen Antrag heute natürlich beschließen und keine Überweisung an einen Ausschuss vornehmen werden, den Grund habe ich ja bei meiner Einbringung deutlich gemacht, da steht ein handfester Termin dahinter; meine Fraktion möchte natürlich - andere Landesparlamente haben sich mit dem Thema schon etwas länger befasst, da gibt es Stellungnahmen, da gibt es Entschließungen, es wäre schon klug und das ist auch unser fester Wille -, dass der Freistaat Thüringen, wenn die Europaministerkonferenz im Dezember stattfindet und Minister Gnauck dort den Freistaat vertritt, es dazu eine Stellungnahme des Thüringer Landtags geben soll.
Das kann ich Ihnen gleich sagen, weil der Änderungsantrag, den Sie eingebracht haben, das ist weg, weg, weg von Subsidiarität hin zum Zentralstaat, eine Transparenz oder eine abgrenzende Kompetenzanweisung, die wird völlig konterkariert, also das zieht sich wie ein roter Faden durch. Mein Kollege Fritz Schröter wird sich dann mit Ihrem Antrag auch noch einmal inhaltlich ein Stück auseinander setzen.
Herr Abgeordneter Bergemann, Sie haben davon gesprochen, dass das so dringend ist, heute zu beschließen, weil Termine dranhängen. Ist denn das Politikfeld Europapolitik ein Feld, wo die Landesregierung nur arbeitet, wenn der Landtag einen Antrag dazu beschließt?