Protokoll der Sitzung vom 31.01.2003

Meine sehr verehrten Damen und Herren, weltweit, auch in den USA, werden die Proteste gegen den geplanten Krieg immer größer. Auch in Thüringen wird der Ruf nach Frieden immer lauter. Wir Sozialdemokraten begrüßen dies nicht nur, wir selbst sind Teil dieses Bündnisses gegen die Unvernunft. Gemeinsam mit Kirchen, Gewerkschaften, mit Vereinen und Verbänden, mit einigen Thüringer Parteien sagen wir: Schließt euch uns an, der Krieg ist noch zu verhindern!

(Beifall bei der SPD)

Ich sage aber auch: Für Antiamerikanismus und plötzliche Glorifizierung des Verbrechers Saddam Hussein sind wir nicht zu haben.

(Beifall bei der SPD)

Arbeiten, hoffen, beten wir dafür, dass die Vernunft siegt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, neben den aktuellen Fragen nach Krieg oder Frieden im Nahen Osten dürfen zwei wesentliche Fragen nicht in den Hintergrund gedrängt werden, weil sie prinzipieller Natur sind.

Erstens, die Frage zur Rolle der Vereinten Nationen: Die demokratische Welt muss ein grundlegendes Interesse nach einer Friedensweltordnung haben. Es muss Angelegenheit eines unabhängigen demokratischen Staatenbundes sein, insbesondere in Konfliktfällen, aber auch immer deutlicher in Fragen der Nachhaltigkeit, Entscheidungen zu treffen,

die uns alle berühren. Ich sage, nur die Vereinten Nationen können dieses Instrument sein, 1945 gegründet, die Gründerväter - das wissen wohl alle hier im Raum - sind die Alliierten. 50 Staaten entwarfen die Charta und die Präambel, die hier jeder kennt, muss nicht noch einmal zitiert werden. In drei Jahren feiern wir den 60. Jahrestag der Gründung der Vereinten Nationen und nicht nur dieser Jahrestag muss uns Deutschen, uns Europäern weiter Ansporn sein, die Rolle der Vereinten Nationen noch klarer und deutlicher darzustellen. Aber dieses bedarf auch einer weiteren Auseinandersetzung mit dem Freund Amerika. Schon immer war das Verhältnis zwischen den Vereinten Nationen und Amerika nicht ohne Spannung, obwohl doch die Amerikaner einer der Gründerväter waren. Bill Clinton hat das einst so umschrieben: "Wir handeln zusammen, wenn wir können. Wir handeln allein, wenn wir müssen." Meine Damen und Herren, diese Grundeinstellung Amerikas zu den Vereinten Nationen ist problematisch und auch darüber muss gesprochen werden. Es kann und darf neben den Vereinten Nationen kein zweites Gremium, kein Land mit gleichen Rechten und Befugnissen geben, nicht Russland und nicht China und auch nicht die Vereinigten Staaten von Amerika.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Wird dieser schwelende Konflikt nicht bereinigt, drohen den Vereinten Nationen schwere Zeiten. Zur Erinnerung, weil das eine oder andere ja immer vergessen wird in diesem Zusammenhang, ich spreche hier nicht nur über die Frage von Krieg und Frieden, die Konvention zur Ächtung von chemischen Waffen haben die USA erst 1997 unterschrieben. Dem Vertrag über die Ächtung von Antipersonenminen ist Washington bis heute nicht beigetreten. Und unter einer Konvention über die weltweiten Kinderrechte fehlen nur zwei Unterschriften, die von Somalia und die von Amerika. Das Kioto-Protokoll zum Klimaschutz soll nicht unerwähnt bleiben, genauso wie der Widerstand der Vereinigten Staaten gegen die Gründung eines Weltgerichtshofs.

Meine Damen und Herren, die USA stellen den Staatenbund vor eine weitere Zerreißprobe und das ist das zweite Thema, was ich ansprechen will, von dem ich enttäuscht bin, dass es noch nicht angesprochen worden ist, nämlich die Frage der so genannten präventiven Verteidigung. Das ist ein grundsätzliches Thema, welches auf die politische Tagesordnung gehört, und hier geht es nicht nur um einen möglichen Irak-Krieg. Im September des vergangenen Jahres haben die USA ihre neue Militärdoktrien vorgelegt. Mit der Begründung des 11. Septembers erklärten die Amerikaner, nie wieder das Entstehen einer potenziellen Gefahr für die USA zuzulassen. Notfalls wolle man dies auch durch präventive Militärschläge verhindern oder wie es George Bush sagt: "Wir müssen den Krieg zum Feinde bringen." Um es ganz vorsichtig zu formulieren, eine solche Doktrin ist völkerrechtlich hoch brisant. Denn das Völkerrecht verbietet einen Angriffskrieg, genauso wie das Grundgesetz einen solchen Krieg der

Bundeswehr verbietet. Aber es stehen dann und jetzt noch weitere wichtige Fragen auf der Tagesordnung, zum Beispiel: Wann gefährdet wer, weshalb Amerika? Was ist mit dem Sudan? Was ist mit Somalia? Was mit Nordkorea? Was ist mit Pakistan? Was ist mit Indien? Nein, ich wiederhole es gern, wenn überhaupt, nur den Vereinten Nationen kann eine solche Entscheidung zugestanden werden. Deshalb müssen wir Deutschen, wir Europäer, den Amerikanern auch weiterhin unangenehme Fragen stellen, im Sinne der Charta der Vereinten Nationen, mit dem Ziel, die Vereinten Nationen weiter zu stärken.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin ein Stück enttäuscht, dass es trotz der Aussage aller drei Fraktionen, man wolle keinen Krieg, nicht zu einem gemeinsamen Antrag gekommen ist, ich bedaure dies. Ich will hier noch einmal klarstellen, die CDU-Fraktion hat dies im Ältestenrat abgelehnt, erstens, und zweitens, es gibt in dieser Sache keinen Brief des Fraktionsvorsitzenden Ramelow an die SPD-Landtagsfraktion, es gibt einen Brief, der sich mit einer anderen Thematik der Zusammenarbeit beschäftigt, in der Sache nicht. Ich bedaure, dass die Fraktion der CDU in ihrem Entschließungsantrag der Versuchung unterlegen ist, Bundespolitik mit hineinzuschieben und hier eine bundespolitisch vorgegebene Linie zu fahren. Sehr geehrter Herr Althaus, ich habe Ihren außenpolitischen Diskurs zur Kenntnis genommen, aber das wird Sie nicht verwundern, wenn ich die Wahl habe, Ihnen zu glauben oder Jacques Chirac, dann glaube ich Jacques Chirac.

(Heiterkeit bei der CDU)

(Beifall bei der PDS)

Wenn ich die Wahl habe, was den Druck, den die weltweite Staatengemeinschaft erzeugt hat, Ihnen zu glauben oder dem UN-Inspektor Blix, dann glaube ich dem UNInspektor. Wenn es für Sie ja immer der durchschlagende Beweis ist, dass es Sozialdemokraten gibt, die auch mal anders denken als der Kanzler, vielleicht unterhalten Sie sich bei Ihrem nächsten Zusammentreffen mit diesem Thema einmal mit Herrn Gauweiler oder Herrn Todenhöfer und dann werden Sie merken, dass das, was Sie von der Bundesregierung verlangen, nämlich eine einheitliche Meinung in Europa zu schaffen, nicht mal in der eigenen Partei hinkriegen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich hat Herr Althaus nicht von der gemeinsamen Erklärung der 15 Außenminister vom Montag gesprochen, das hat er vergessen. Natürlich hat Herr Althaus nicht über die 10.000 deutschen Soldaten, die in internationalen Einsätzen überall in der Welt für Frieden sorgen und gegen den Terrorismus kämpfen, gesprochen.

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Das habe ich gleich am Anfang gesagt.)

Nein, Herr Althaus, das haben Sie nicht erwähnt, weil Sie ja eins nicht zugeben wollen, Deutschland ist nicht isoliert, weder in Europa noch in der Staatengemeinschaft.

(Beifall bei der SPD)

Im Gegenteil, wir spielen sowohl in Europa als auch weltweit eine wichtige, eine wesentliche Rolle. Es ist schade, dass wir, wie bereits gesagt, der Versuchung unterlegen sind, dieses zu tun. Es gebe so viele Dinge, die Ihren Antrag zustimmungsfähig gemacht haben, aber insbesondere wegen der Punkte 7 und 9 können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen. Die Konsequenzen haben Sie zu tragen, denn Sie brauchen sich nicht zu wundern, wenn Ihr Nein zum Krieg durch dieses Verhalten von Ihrer Seite immer wieder verwässert wird. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Gibt es noch Wortmeldungen von Seiten der Fraktionen? Liegen mir im Moment nicht vor. Herr Schemmel auch nicht im Moment? Doch.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube es jedem in diesem Haus, wenn er sich persönlich zum Frieden bekennt. Und wir sollten nicht versuchen, uns in diesem Bekenntnis gegenseitig zu übertreffen und einen Wettbewerb zu veranstalten. Ich glaube, das steht uns nicht gut zu Gesicht; viel besser hätte uns zu Gesicht gestanden, wenn wir eine gemeinsame Erklärung auf der Basis des Willens der Bürgerinnen und Bürger des Freistaats Thüringen zustande gebracht hätten.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Aber zwischen abstraktem Pazifismus und der Forderung nach einer Beteiligung an einer militärischen Drohkulisse sehe ich doch erhebliche Unterschiede. Abstrakter Pazifismus ist fragwürdig. Das lehrt die Geschichte, das lehrt uns Bertolt Brecht - "Die Gewehre der Frau Carrar", wer sich noch erinnern kann - und das lehrt uns auch das schon erwähnte Spiegel-Zitat, dass die Konzentrationslager nicht durch Beten oder durch Demonstrationen befreit worden sind, sondern durch Streitkräfte der Anti-Hitler-Koalition. Deshalb stehen wir nicht auf dem Boden des Pazifismus. Auch das Völkerrecht gibt z.B. zum Zweck der Selbstverteidigung die Möglichkeit, einen Krieg zu führen. Die Beteiligung aber an einer militärischen Drohkulisse der Amerikaner wird uns durch die Resolution 1441 natürlich gleichermaßen nicht abverlangt. Ich hoffe, dass viele von Ihnen die Resolution 1441 gelesen haben, ich glaube es aber eher nicht, ich hoffe es nur. Dort ist eigentlich das beschrieben, was man - ich spreche das Wort nicht gern aus - als Drohkulisse bezeichnen möchte, ich darf zitieren:

"Der Sicherheitsrat beschließt, dem Irak mit dieser Resolution eine letzte Chance einzuräumen, seinen Abrüstungsverpflichtungen nachzukommen, beschließt demgemäß, ein verstärktes Inspektionsregime einzurichten mit dem Ziel," - und jetzt hören Sie zu - "den vollständigen und verifizierten Abschluss des eingerichteten Abrüstungsprozesses herbeizuführen." Meine Damen und Herren, das ist, wenn Sie hin und wieder mal ein diplomatisches Dokument lesen, an Klarheit und Präzision nicht zu übertreffen. Daneben ist eine militärische Drohkulisse eines einzelnen Staates, denke ich, unnötig, denn das ist praktisch der Druck, der auf den Irak gewirkt hat, dass er Inspektionen zugelassen hat, diese Inspektionen, die vernünftigerweise verlängert werden und die, hoffe ich, zu genau diesem Ziel führen: zum vollständigen und verifizierten Abschluss des Abrüstungsprozesses. Das heißt also, wir glauben jedem, dass er sich zum Frieden bekennt,

(Beifall bei der SPD)

aber wir sind weder Pazifisten, noch wollen wir uns an einer militärischen Drohkulisse beteiligen.

Der PDS-Antrag ist nicht unsere Position, denn hier wird gefordert, aus der UN-legitimierten Anti-TerrorismusAllianz auszuscheren. Hier sind Maßnahmen enthalten, die durch den UN-Sicherheitsrat legitimiert sind und die wir Deutschen im Auftrag der UNO durchführen. Dies zurückzudrehen, aus der Anti-Terror-Allianz auszubrechen, ist nicht unsere Position.

(Beifall bei der SPD)

Der CDU-Antrag hingegen übertrifft die Resolution 1441, aus der ich eben zitiert habe, und will uns in die militärische Drohkulisse der USA einordnen. Dies ist angesichts dieses Zitats nicht notwendig. Dann wäre doch unser Antrag eigentlich, glaube ich, die Basis gewesen für einen gemeinsamen Antrag in unserem Hause. Nenne mir einer aus diesem Haus einen Satz, ein Wort, ein Zitat, eine Wendung, die er nicht persönlich hätte unterschreiben können.

(Zwischenruf aus dem Hause: Aus Ihrem Antrag?)

Aus unserem Antrag. Dem einen fehlt dies, dem anderen fehlt das. Bitte schön. Herr Althaus, dann nennen Sie bitte das, was Sie aus unserem Antrag nicht unterschreiben können.

(Zuruf Abg. Althaus, CDU: Es fehlt eindeutig die internationale Verpflichtung, an dieser Drohkulisse teilzunehmen bis zum Ende.)

Ich kenne keine internationale Verpflichtung außer dieser Resolution 1441. Haben Sie denn eine Vorstellung, ob Deutschland dieser Resolution zugestimmt hat oder nicht?

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Nein, die war gar nicht über...)

Sie haben gut aufgepasst, aber sie wird demnächst mit Sicherheit darüber mit abstimmen.

(Heiterkeit im Hause)

Diese Feststellung ist also zu treffen, dass unser Antrag 100-prozentig auf der Basis dieser Resolution 1441 beruht. Unseren Antrag könnte jeder in diesem Haus unterzeichnen. Was Ihnen fehlt, ist natürlich auch eine Kritik am Bundeskanzler, eine Kritik, die sich in dieser Wahlkampfzeit doch etwas fragwürdig anhört.

(Beifall bei der SPD)

Eigentlich war mein Auftrag hier nur darzustellen, dass wir Ihrem und Ihrem Antrag aus...

(Heiterkeit bei der CDU, PDS)

Was gibt es denn da zu lachen? Der Auftrag meiner Fraktion war, dass wir Ihrem und Ihrem Antrag nicht folgen können aus den bekannten Gründen und dass wir um Zustimmung für unseren Antrag werben, weil er der vernünftigste von allen dreien ist. Danke.

(Beifall bei der SPD)

Von Seiten der Abgeordneten sehe ich keine weiteren Wortmeldungen, dann darf ich Sie, Herr Ministerpräsident, bitten.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich melde mich zu Wort, weil ich glaube, wenn dieses Parlament über dieses Thema diskutiert, dann dürfte der Ministerpräsident dazu nicht schweigen. Ich lege allerdings Wert darauf, dass nach meiner Ansicht für diese Debatte keine Zuständigkeit im Thüringer Landtag gegeben ist. Ich glaube auch nicht, dass es zielführend ist, ständig von Entmischung der Zuständigkeiten zu sprechen und dann andererseits jede Verantwortlichkeit durcheinander zu mischen.

(Beifall bei der CDU)

Dennoch, niemand soll über die Position des Kabinetts und über meine Position im Unklaren sein. Was Herr Trautvetter vorhin vorgetragen hat, hat er im Namen des Kabinetts vorgetragen und das, was ich jetzt sage, ergänzt dieses.

Ich möchte einige Bemerkungen machen: 1. Niemand will Krieg; jeder Krieg bringt Leid und Tod.