Protokoll der Sitzung vom 27.01.2000

(Zwischenruf Abg. Dr. Pidde, SPD: Aber die Junge Union sieht das anders.)

es ist richtig, dass man zwar nicht zuerst, aber zuletzt doch auch an die eigene Arbeitsfähigkeit denkt.

Die Junge Union, Herr Gentzel, wenn Sie mir versprechen, dass Sie in Zukunft alle Vorschläge der Jungen Union zu Anträgen der SPD machen,

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Das mei- nen Sie doch nicht im Ernst.)

dann sind wir in der Auseinandersetzung schon ein bisschen weiter. Ich will hier

(Beifall bei der CDU)

nur sagen, meine Damen und Herren, und ich habe das auch bei den Beratungen gesagt, ich bin zwar anderer Meinung als die Junge Union, aber ich verteidige das Recht der Jungen Union, sich in dieser Weise zu äußern. Ich wünsche mir, dass möglichst viele Mitglieder des heutigen Landesvorstandes, wenn der blaue Plenarsaal fertigt ist, Mitglieder im Landtag im neuen Plenarsaal sind.

(Beifall bei der CDU)

Herr Trautvetter hat in der Einbringung zu diesem Haushalt gesagt, er sei der Einstieg in den Ausstieg aus dem Schuldenmachen. Ich kann das auch anders sagen, Frau Kollegin Neudert, auch die Sozialpolitik ist darauf angewiesen, dass wir bezahlen können, was wir ausgeben wollen.

(Beifall bei der CDU)

Ohne Absicherung der vorgesehenen Ausgaben ist eine Sozialpolitik nicht möglich. Ohne gute Wirtschaftspolitik wird niemand in der Welt eine gute Sozialpolitik zustande bringen.

(Beifall bei der CDU)

Das Dumme ist nur, für ein, zwei Jahre kann man das ja versprechen, aber nicht für fünf und nicht für zehn Jahre. Und meistens sind die dann nicht mehr da, die zur Ver

antwortung gezogen gehörten, weil man sie nicht rechtzeitig darauf aufmerksam gemacht hat. Um es wieder ganz klar zu sagen: Wir dürfen unseren Kindern nicht die Last eines unübersteigbaren Schuldenberges hinterlassen. Die Verantwortung gegenüber der kommenden Generation beschränkt sich nicht auf die Ökologie, sondern bezieht sich auch auf die Finanzwirtschaft. Wer seinen Kindern aufbürdet, ein Leben lang zu arbeiten und Steuern zu zahlen, um die Schulden der Eltern abzutragen, der handelt unverantwortlich.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen beginnen wir mit diesem Haushalt eines unserer wichtigsten Aussagen vor der Wahl, Sie können es auch Wahlversprechen nennen, umzusetzen, und wir lassen es dabei nicht bewenden. Der Doppelhaushalt 2001 und 2002 wird bereits heute vorbereitet und wird das fortsetzen, verstärkt und umfassender mit Struktur- und Einsparungsmaßnahmen, was wir in der Kürze der Zeit mit ersten Schritten mit dem Haushalt 2000 begonnen haben.

Meine Damen und Herren, wir freuen uns, dass in der Tat die Wirtschaftsentwicklung in Thüringen gut ist. Die gute Wirtschaftsentwicklung, von der ich bei der Regierungserklärung sprach, hat sich fortgesetzt, neue Firmen siedeln sich an - Amitec in Eisenach, Luc in Arnstadt, INA in Eisenach, PVT in Ohrdruf. Und ganz besonders erfreulich ist die Meldung dieser Tage, dass ein israelisches Unternehmen Hightech in Altenburg fertigen wird und dort etwa 80 Arbeitsplätze schafft. Lassen Sie mich ruhig sagen, im Vordergrund der Bemerkung jetzt steht der wirtschaftliche Gesichtspunkt, aber am 27. Januar darf man auch sagen, es freut mich auch, dass das ein israelisches Unternehmen ist, meine Damen und Herren

(Beifall bei der CDU, SPD)

ein gutes Zeichen. Und selbstverständlich, wenn ich hier gute Beispiele nenne, dann will ich auch heute nicht vergessen, dass draußen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Firma Simson sind, die um ihre Arbeitsplätze fürchten. Bilanzen sind nie nur eine Seite. Sie wissen, dass gegen vielen Rat aus der Regierung, ich damals darauf bestanden habe, der Firma Simson eine weitere Chance zu geben. Sie hat sie für ein halbes Jahr bekommen. Die erbetenen Gutachten sind angefertigt worden. Die Ergebnisse müssen aber auch zur Kenntnis genommen werden. In meinem Gespräch mit dem Betriebsrat vor ein paar Tagen ist das auch geschehen. Wir müssen jetzt mit dem Konkursverwalter, wir müssen jetzt mit den Mitarbeitern, wir müssen jetzt mit dem Arbeitsamt und wir müssen mit einer ganzen Reihe von Investoren, die sich gemeldet haben, deren Qualität ich aber nicht aus dem Augenblick heraus beurteilen kann, die natürlich geprüft werden muss, erreichen, dass der Name "Simson" nicht untergeht,

(Beifall bei der CDU)

denn er ist noch mehr als nur Arbeitsplätze. Ob das geht, werden wir in den nächsten Wochen hoffentlich wissen. Die Prognosen in wirtschaftlicher Hinsicht sind gut. Drei Viertel der Unternehmer im Bereich der IHK Erfurt sagen nach einer Umfrage, dass die wirtschaftliche Situation gut oder zufrieden stellend sei. Ich zitiere die IHK mit Erlaubnis der Präsidentin: "Der konjunkturelle Aufschwung gewinnt sichtbar an Dynamik. Mittlerweile arbeiten 86 Prozent der befragten Industrieunternehmen mit Gewinn oder zumindestens kostendeckend."

Meine Damen und Herren, das ist gut, aber das ist auch dringend notwendig. Denn was auch alles gesagt wird, die dringlichste Aufgabe ist und bleibt die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und die Schaffung neuer produktiver Arbeitsplätze. Das ist der absolute Vorrang.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Die Bilanz sieht ja leider nach einem Jahr nicht gut aus. Die Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik hat sich so gut wie nicht verändert. Wenn Sie die frohe Botschaft des Kollegen Eichel für die Entwicklung im nächsten Jahr richtig lesen, dann heißt es ja, sie wird sich auch im nächsten Jahr nicht ändern, denn die 200.000 Abnahme, mit der Herr Eichel rechnet, ist genau die Zahl, die sich aus demographischen Gründen aus dem Arbeitsmarkt verabschiedet. Das heißt also, die Bundesregierung sagt schon heute, es wird sich an der Arbeitslosigkeit nicht nur im ersten, sondern auch im zweiten Jahr der Regierung Schröder nichts Wesentliches ändern.

Das Bündnis für Arbeit, meine Damen und Herren, ich kann dazu nur sagen, der Repräsentant des Handwerks, der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks hat Recht gehabt, dass er diese letzte Vereinbarung nicht unterschrieben hat, denn sie hat ja nur 24 Stunden gehalten. An Schauveranstaltungen sollte sich zumindestens das Handwerk nicht beteiligen.

(Beifall bei der CDU)

Was wir brauchen, darüber herrscht wohl hier im Haus Einigkeit, ist die Steuerreform. Immerhin liegen jetzt zwei Konzepte auf den Tischen, die Diskussion ist wieder in Gang und Sie kennen mich genau genug, um zu wissen, dass ich nicht am Wiederbeginn der Diskussion bereits mein Schlusswort dazu spreche. Wer das tut, verhält sich unverantwortlich und beherzigt nicht, dass wir uns vorgenommen haben, nicht zu blockieren, aber nur zuzustimmen, was wir auch mittragen können. Wir wollen eine Steuerreform, die die Personalgesellschaften nicht schlechter als die Kapitalgesellschaften behandelt.

(Beifall bei der CDU)

Das heißt zu Deutsch, wir wollen eine Steuerreform, an deren Ende der Mittelstand nicht schlechter dasteht als die Großen.

(Beifall bei der CDU)

Der Satz gilt aus ganz grundsätzlichen Erwägungen für ganz Deutschland, aber aus speziellen Ergebnissen wegen der besonderen mittelständischen Struktur Thüringens gilt er insbesondere für Thüringen. Ich wäre froh aber ich sage noch einmal, das ist jetzt noch nicht das Schlusswort, das sprechen wir dann im Vermittlungsausschuss, denn wenn je in einer Sache das letzte Wort der Vermittlungsausschuss hat, ist es dieser -, wenn wir ganz am Ende einen Eingangssteuersatz von 15 und einen Spitzensteuersatz von 35 Prozent hätten.

Meine Damen und Herren, die wirtschaftliche Entwicklung ist nach wie vor die zentrale Aufgabenstellung für dieses Jahr. Dazu trägt dann mit und neben allen Änderungsanträgen für diesen Haushalt natürlich entscheidend der Landeshaushalt bei. Es ist schon wahr, dass das irgendwie das wichtigste Gesetz im Laufe eines Jahres ist, das ein Landtag zu verabschieden hat. Bedenken Sie bitte, ob Sie zustimmen oder nicht, fast noch wichtiger ist die Umsetzung des Haushalts. Fast noch wichtiger ist vor allem, dass der hohe Prozentsatz investiver Maßnahmen rasch auch investiv wirkt und dass nicht erst im nächsten Dezember wieder das Dezemberfieber ausbricht, sondern dass wir - deswegen ist eben Verlässlichkeit und Berechenbarkeit so wichtig - diesen ersten Monat des Jahres 2000 nicht abschließen, ohne allen Beteiligten sagen zu können wo sie dran sind. Aus diesem Grund noch einmal herzlichen Dank für die zügige Beratung und die Bitte, dem Haushalt morgen zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU)

Der Ministerpräsident hat 5 Minuten über die Grundredezeit hinaus gesprochen, damit verlängert sich die Redezeit der Fraktionen, so dass die CDU jetzt noch 33 Minuten Redezeit hat, die PDS 9 Minuten Redezeit und die SPD-Fraktion 5 Minuten Redezeit. Ich gebe das bekannt, weil im Moment keine weiteren Redemeldungen vorliegen, weil vorhin die Redezeit für die Oppositionsfraktionen im Wesentlichen abgelaufen war. Es signalisiert der Abgeordnete Gerstenberger, PDS-Fraktion, einen Redebeitrag.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, persönliche Beleidigungen und Beleidigungen von hier Anwesenden im Saal und eigene Saubermanndarstellungen waren noch nie so deutlich erkennbar wie diesmal.

(Unruhe im Hause)

Gelassenheit und Souveränität eines Ministerpräsidenten, der mit seiner Fraktion allein regiert, sind aus Ihrer Re

de in keiner Art und Weise erkennbar geworden.

(Zwischenrufe aus der CDU-Fraktion: Ach, ach.)

Das zeugt wohl eher von der ungeheuren Nervosität und auch dem fast krampfhaften Bemühen

(Zwischenruf Abg. Arenhövel, CDU: Machen Sie sich doch nicht lächerlich.)

von wesentlich anderen Ereignissen und Problemen, die Sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt beschäftigen, abzulenken.

(Beifall bei der PDS)

Herr Jaschke, dazu gehört auch, dass Sie eine Scheindiskussion führen um den Neubau eines Landtagsgebäudes. Wir reden hier ganz locker über Verpflichtungsermächtigungen für die Folgejahre, die hätte man viel besser in einem Doppelhaushalt verpacken können, dann nämlich, wenn etwas Konkretes bekannt wäre. Wir reden hier über Summen, die noch nicht einmal durch eine vernünftige HU-Bau untersetzt sind, das wissen Sie so gut wie wir. Sie führen hier ein Scheingefecht, ohne überhaupt für dieses Gefecht schon die entsprechenden Unterlagen in der Hand zu haben, um abzulenken, abzulenken von den tatsächlichen und konkreten Problemen dieses Haushalts. Ich will es an zwei Dingen - die Zeit ist knapp - festmachen.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Ist das so?)

Nehmen Sie doch die Realitäten zur Kenntnis, Herr Kretschmer, wenigstens die, die Sie in diesem Haus vorfinden und nicht immer die, die Sie sich selber schaffen.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Ach, Herr Gerstenberger,...)

Die Wirtschaftsentwicklung, meine Damen und Herren, ist mit Erfolgsstorys in der Beherrschung der Prozentrechnung durch diese Landesregierung gepflastert, aber in den konkreten Fällen sieht die Realität etwas anders aus. Da bedauert man zum einen das Dahinscheiden des Betriebes Modedruck in Gera, auf der anderen Seite erwägt der Sequestor die Klageerhebung gegen die Thüringer Aufbaubank wegen unterlassener Unterstützung. Wenn draußen vor der Tür - unsere Fraktionsvorsitzende hat an den Gesprächen teilgenommen, auch der Wirtschaftsminister - Simson seine Situation noch einmal nachdrücklich der Landesregierung in Erinnerung ruft, stellt sich hier drin der Ministerpräsident hin und erklärt: Meine Damen und Herren das liegt eigentlich nur daran, dass der Wirtschaftsprüfer ein Gutachten erstellt hat, in dem steht, mit dem Unternehmen gibt es ein paar Schwierigkeiten und es ist nicht so richtig überlebensfähig. Er ver

gisst nur eins, meine Damen und Herren, das ist der Vorwurf, Herr Ministerpräsident, der Vorwurf, dass Sie mit Halbwahrheiten arbeiten, um auf diese Art und Weise von Ihren Problemen und Ihrer Verantwortung abzulenken. Er vergisst zu sagen, dass die Thüringer Industriebeteiligungsgesellschaft seit über einem Jahr, ja nahezu zwei Jahren, in diesem Unternehmen eine hohe Verantwortung hatte, die hier nachhaltige Gestaltungs- und Einflussmöglichkeiten auf die wirtschaftliche Tätigkeit in diesem Unternehmen gestattet. Wenn also davon geredet wird, dass bei Simson die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben ist, liegt das einmal an der Verantwortung der Thüringer Industriebeteiligungsgesellschaft, diese nicht hergestellt zu haben, und als Zweites an Ihrer Verantwortung, weil Sie nicht in der Lage waren, zu prüfen und Aufsicht zu üben über die Gremien, die Sie im Land geschaffen haben.

(Beifall bei der PDS)