Protokoll der Sitzung vom 06.03.2003

Nun bringt eine solche Routineprobe eben diesen Zustand zutage, das ist für niemanden eine Freude, und das sage ich ausdrücklich in Anerkennung dessen, was die Mitarbeiter von Untersuchungsanstalten, was auch in Ihrem Haus, ich sage das ganz bewusst, trotz aller Angriffe, die es hier geben muss, in den letzten Wochen, Monaten dann geleistet wurde, um Dingen hinterherzurennen. Was aber noch nicht geschafft wurde, das ist eine ausreichende mentale Änderung in der Herangehensweise an diese Probleme. Es gibt, Gott sei Dank, schon Regionen in Deutschland und in Europa, wo es in diesen Bereichen besser gelungen ist, auch in Thüringen, mental sich auf die wirklichen Gefahren und Risiken einzustellen, leider in dem Haus, das heute hier durch den Staatssekretär vertreten ist, noch nicht ausreichend.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, was passiert? Es kommt zu einer ersten Verzögerung am 16. Januar - ist hier benannt worden. Das kann man kleinreden, da kann man sagen, da hat einer seinen Job nicht richtig gemacht. Wissen Sie, ich kenne viele der Kollegen, die in diesem Hause arbeiten, ich war selber mal einige Monate in der Aufbauphase dort tätig und bin voller Hochachtung und allerdings auch in Kenntnis der zum Teil hervorragenden Qualifikation derjenigen, die dort auch Referatsleiter sind und auch auf anderen Ebenen. Deswegen spreche ich hier auch das so ernsthaft und eindringlich an. Ich bin erschrocken, als ich wirklich verarbeiten musste, wie diese zeitlichen Abläufe gelaufen sind. Ich kann nämlich eines nicht glauben, dass ein verantwortlicher Referent, der all das, was ich Ihnen hier nur kurz in Erinnerung gerufen habe und auch einige Vorredner, der das übersehen hat, tatsächlich schlicht und

einfach versäumt hat, den Telefonhörer zu nehmen, um die entsprechenden Kollegen in diesem Haus des verehrten Herrn Sozialministers am selben Tag per Telefon, per EMail oder über einige hundert Meter per Fuß zu informieren, aber nicht auf dem Postweg und auch nicht mit irgendwelchen Monate später hier im Plenarsaal nachgereichten Entschuldigungen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Das ist unakzeptabel. Ich möchte hier auch ausdrücklich, meine Damen und Herren, in meiner Funktion als Mitglied des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten etwas sagen. Keine Information am Rande der Grünen Woche, keine Information anlässlich einer Sondersitzung des Ausschusses am 31.01. - Freitagmorgen Plenartagung hier in diesem Haus - 8:00 bis 9:00 Uhr, "Gemeinschaftsaufgabe" ein wichtiges Thema - Mittelverteilung - angesichts der Probleme, aber eigentlich hätte es nicht das wichtigste sein dürfen, da war der Ausschuss beieinander. Erst nach dem 07.02. auf unser Anliegen hin, wie das herabgewürdigt wurde, Herr Primas, das ist für mich absolut inakzeptabel angesichts der Bedeutung dieses Problems.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Durch uns angeregt, Sondersitzung am 13.02., meine Damen und Herren, ich sage es noch einmal, es waren kluge Köpfe, die diesem Ausschuss diese Reihenfolge des Namens gegeben haben. Das ist der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, nicht umsonst steht an erster Stelle "Ernährung". In Richtung meiner ehemaligen Fachkollegen, hoch geschätzt in der TLL, erlaube ich mir von hier aus auch zu sagen, Ernährung hat nicht nur etwas mit der Menge und der Anzahl von Kohlenhydraten, Vitaminen, Eiweißen, Fetten etc. zu tun, sondern eben auch mit solchen möglichen Rückständen und Belastungen. Insofern erachte ich es als unerträglich, als frei gewählter Volksvertreter der Bevölkerung dieses Freistaats Thüringen als einer der Letzten über einen solchen Zustand, eine solche Gefährdung informiert worden zu sein. Ich protestiere hier noch einmal in aller Form.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Ich möchte, da Sie das natürlich so, wie Sie es zum Teil schon getan haben, in eine parteipolitische Richtung lenken, mal von einer unpolitischen Instanz, die auch nicht dafür bekannt ist, dass sie die Sperrlanzen für die SPD bricht, mit Genehmigung der Präsidentin etwas zitieren. Es handelt sich um den Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes, Herrn Sonnleitner, parteilos, aber engagiert, das darf ich hier sagen und sehr gut bekannt, im Interesse der Landwirte jedenfalls insgesamt ein sehr engagierter Mann und

(Unruhe bei der CDU)

- hören Sie zu, sollten Sie nicht versäumen, meine Damen und Herren bei der CDU

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Zitie- ren Sie dann.)

wenn der sagt,

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Was hat er denn nun gesagt?)

er hat sich äußerst verärgert gezeigt über die Kontrolldefizite im Zusammenhang mit dem jüngsten Dioxinskandal in Thüringen.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Was hat er denn nun gesagt?)

"Dabei müsste nicht nur die Öffentlichkeit schneller und umgehend informiert werden, sondern auch die betroffenen Wirtschaftsbereiche sowie die Landwirte selbst. Schließlich hätten die betroffenen Landwirte den Schaden des Dioxinskandals und bräuchten dringend Unterstützung. Bei den Dioxinverschmutzungen von Futtermitteln in Thüringen habe es seit Auffinden der ersten Funde zu lange gedauert, bis reagiert wurde.", kritisierte Sonnleitner.

(Beifall bei der PDS, SPD)

(Unruhe bei der CDU)

Ich habe hier die zeitlichen Verzögerungen noch mal aufgezählt. Ich möchte zu unserem Antrag, da zu anderen Punkten Frau Dr. Klaus gesprochen hat, noch zu Punkt a etwas sagen, und das in meiner Funktion als agrarpolitischer Sprecher, denn über Gesundheit und Verbraucherschutz, denke ich, haben wir hier eindeutig Position bezogen. Als agrarpolitischer Sprecher kann ich nicht akzeptieren, keinen einzigen Tag von eingetretener Verzögerung, und ich glaube, intern haben Ihnen das die Landwirtschaftsbetriebe inzwischen auch gesagt und auch die Mischfutterhersteller. Jeder Tag, der hier verloren wurde, bevor die Öffentlichkeit informiert wurde, war ein Tag, an dem ein Landwirt sich frei von sich aus entscheiden konnte, welchen Sack oder welches Silo er öffnet, um seine Tiere hier zu veredeln, im besten Sinne des Wortes. Das heißt, durch Verschuldung von Behörden, auch in Ihrem Haus, Herr Staatssekretär, sind hier Schäden eingetreten. Wir vertreten die Auffassung, dass natürlich zurzeit noch nicht in Kenntnis endgültiger Schäden, eine solche Anmaßung kann ich natürlich heute noch nicht treffen, dass ich sage, wie hoch die Schäden sind, schon gar nicht nun in Thüringen, aber es gibt Schäden. Wenn sie aufgetreten sind in einer Höhe, so dass Einzelbetriebe dadurch in ernsthafte Liquiditätsprobleme bzw. zumindest vorübergehend durch juristische langjährige Auseinandersetzung gelangen sollten, dann besteht zumindest die moralische Pflicht des Ministeriums, hier einzugreifen. Wenn ich betroffener Landwirt wäre, das muss ich Ihnen ganz klar sagen, ich wüsste, wo ich einen guten Rechtsanwalt herbekomme und recherchieren lasse, mit wel

cher zeitlichen Verzögerung hier welche Verbreitung von Futtermitteln auch letzten Endes in diesem Haus zu verantworten ist.

Und ich möchte zu unserem Punkt c - Entschuldigung, das war der Punkt c -, ich möchte noch mal den Punkt a eindeutig unterstützen, dass wir insgesamt die Öffentlichkeit als Ganzes schneller und zügiger informieren. Die jüngere Geschichte - voriges Jahr Nitrofenskandal, Mecklenburg-Vorpommern stark betroffen - hat eindeutig gezeigt, dass die "Flucht nach vorn" im Interesse aller Betroffenen, auch wenn es eventuell etwas zu weit gehen sollte, die richtige Antwort auf solche Probleme darstellt.

Kurz einige Worte zur jüngst abgeschlossenen Vereinbarung zur Futtermittelüberwachung zwischen der Landesregierung und dem Deutschen Verband Tiernahrung e.V. Natürlich kann man derartige Schritte nur begrüßen. Sie passen schließlich auch gut, das betone ich hier ausdrücklich noch mal, in das im Aufbau befindliche Qualitätsund Sicherungssystem hinein, das sich ja eben vom Futter bis zur Ladentheke erstrecken soll. Nur muss man hier auch warnend die Stimme heben, meine Damen und Herrn, und zwar aus zwei Gründen: Erstens muss die Schnelligkeit, mit der wir möglichst viele Teilnehmer in einem solchen System begrüßen können, nicht automatisch etwas mit Sicherheit zu tun haben. Wo Sicherheit wirklich beginnen muss, wie komplex wir sie begreifen müssen, das hat uns der aktuelle Fall in Apolda noch mal nachdrücklich klar gemacht. Es kann uns also hier nicht schnell um Quantität gehen, es muss bei der Qualität bleiben.

Und zweitens kann es nicht sein, Herr Staatssekretär, dass die Landesregierung allein durch die Tatsache, dass sie die hohe Zahl der Eigenkontrollen aus der Futtermittelindustrie jetzt verfügbar macht und dadurch die Schlussfolgerung zieht, man sei nun automatisch eine Art Europameister in der Kontrolldichte und damit über jeden Zweifel erhaben. Also, erstens können wir das nicht sofort sein angesichts Ihres Jubels darüber, dass Sie schon die 16 Unterschriften hatten, sondern das muss sich erst bewähren. Aber ich betone, es ist der richtige Weg und wir müssen darauf achten, dass auch die restlichen natürlich dann ihre Bereitschaft dazu zum Ausdruck bringen.

Abschließend auch noch einige Bemerkungen zum PDSAntrag. Wir unterstützen die Einzelpunkte zur Erhöhung der Kontrolldichte, und zwar über das hinaus, was durch die vorher beschriebene Aktivität aus Ihrem Haus heraus erreicht ist. Hier dürfen die Behörden, und natürlich auch die oberste Behörde, nicht nachlassen. Wir unterstützen auch die europaweite Anstrengung, um diese Verfahren nicht mehr zuzulassen, sprich die Trocknungsverfahren. Diese Verfahren, in dem das entsprechende Trocknungsgut direkten Kontakt mit der offenen Flamme, mit dem Rauch hat, weil wir wissen, dass der Kostendruck bleibt, und weil wir wissen, dass der Kostendruck die Temperaturen drückt. Und dann kommt es zu den angeblich

am Schluss immer zufälligen Häufungen von eigentlich nicht zulässigen Dingen.

Die eine Sache, mit der können und dürfen wir immer rechnen, nämlich mit dem Kostendruck, unter dem der Futtermittelhersteller, der Veredler, bis hin an die Ladentheke auch der Handel mit in dieser Kette arbeiten muss. Und deswegen ist es richtig, europaweit die Anstrengungen zu verstärken.

Abschließend, meine Damen und Herren,

(Beifall bei der SPD; Abg. Kummer, PDS)

das sei hier auch gestattet, auch wenn es einige überrascht, Herr Staatssekretär, meinen Respekt vor dem, was Sie als Person in den letzten Wochen hier geleistet haben und leisten mussten. Das möchte ich ausdrücklich sagen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Ganz persönlich, weil Sie sehr, sehr wenig Zeit hatten, aus anderen Gründen, und hier, naja, man darf das so sagen, ins kalte Wasser springen mussten, aber wenn Sie wieder, nehmen Sie das jetzt nicht zu wörtlich, etwas zur Ruhe gekommen sind in dieser Angelegenheit, und diese Botschaft nehmen Sie bitte an den Herrn Minister mit und an die führenden Köpfe in Ihrem Haus, sorgen Sie dafür, dass der mentale Wechsel in diesem Haus nicht als einer der letzten in Deutschland kommt. Sorgen Sie dafür, dass die Vorsorge das Entscheidende ist und dass wir lieber einmal zu viel vorausschauend etwas getan haben, wofür uns die junge Generation und die nächsten Generationen aber dankbar sein können. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Das ist eine Wortmeldung, keine Zwischenfrage? Dann bitte schön, Herr Abgeordneter Sonntag.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Zwischenfrage wäre sinnlos gewesen, denn ich habe selten eine derartig leere und von wenig Fachwissen geprägte Rede gehört, wie die von meinem Vorredner. Mal abgesehen von dem Lob, was den Staatssekretär betrifft, das schließe ich natürlich ausdrücklich aus.

Herr Dr. Botz, Herr frei gewählter Abgeordneter, ich freue mich schon darauf, wenn ich Sie dann als, sage ich mal, Don Quichotte im Kampf gegen Dioxin in der Grillsaison in Thüringen durch die Lande ziehen sehe

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Ich grille auch, Herr Sonntag.)

um dann die eigentlichen Dioxinquellen in den Nahrungsmitteln,

(Unruhe bei der CDU, SPD)

und das müssten Sie eigentlich sogar nachgelesen haben, Herr Dr. Botz, als Mitglied des entsprechenden Ausschusses, um diese dann umzustoßen. Aber Sie können schon vorher loslegen, Herr Dr. Botz, Sie können nämlich jetzt in der Saison, wo wieder Abfälle verbrannt werden dürfen, loslegen, mit Wassereimern die Brände ausmachen, denn auch das sind Dioxinquellen, Herr Dr. Botz. Machen Sie sich erst einmal kundig, bevor Sie solchen Müll ablassen.

(Unruhe bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Das kann doch nicht wahr sein. Das ist beleidigend.)

Also, Herr Sonntag, das Letzte hätten Sie sich jetzt sparen können. Das war vielleicht nicht unbedingt sachgerecht.

(Zwischenruf Abg. Buse, PDS: Nicht nur das Letzte.)

Ich will von einem Ordnungsruf absehen. Herr Staatssekretär Baldus, Sie haben das Wort, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine verehrten Damen und Herren, zunächst einmal ganz persönlich eine Anmerkung. Was die Damen und Herren der Futtermittelkontrolle und auch die Damen und Herren der Lebensmittel- und Veterinärkontrolle in den letzten Wochen geleistet haben, seitdem die Dimension des Falls bekannt geworden ist, ist aller Ehren wert. Und ich möchte ausdrücklich hier ansprechen, dass Menschen, die in den letzten Wochen auch persönlich mit Vorwürfen leben mussten, dass sie für zeitliche Verzögerung die Verantwortung trügen, trotz dieser Belastung Tag und Nacht und über drei Wochen ohne freien Tag daran mitgewirkt haben, dass dieser Fall sich nicht weiter ausgedehnt hat und dass er in allen Aspekten in sehr kurzer Zeit aufgeklärt worden ist.

Herr Abgeordneter Kummer, Sie haben ausgeführt, die Regierung habe am 31. Januar von erheblicher Überschreitung gewusst. Ich darf noch einmal auf die Ihnen auch im Ausschuss überreichte Chronologie verweisen und die Ausführungen von Frau Dr. Klaus in diese Bemerkung einschließen.

Am 31. Januar wurde die zuständige Behörde telefonisch darüber informiert, dass in den zur Analyse übersandten Fleischproben ein Dioxinwert festgestellt worden ist, der nicht quantifizierbar sei, bei dem man aber vermuten könne,

dass er in der Nähe des Grenzwerts läge. Schon aufgrund dieses vagen Verdachts hat am gleichen Tag die Überwachungsbehörde ein Verbringungsverbot für die inkriminierten Backwaren erlassen, gegen das mangels eines belastbaren Analysewerts Rechtsmittel, und zwar erfolgreich, eingesetzt worden sind. Erst als am 4. Februar ein belastbarer Analysewert vorlag, konnte das behördliche Verlangen auch durchgesetzt werden und ist auch durchgesetzt worden, so dass am 7. Februar morgens um 7:05 Uhr auch die Landesregierung erstmals Kenntnis davon erlangte, dass in Thüringen mehr als ein Betrieb mit belasteten Futtermitteln beliefert worden sei, die ein Volumen von 20 Tonnen überschreiten.