Protokoll der Sitzung vom 07.03.2003

Die zweite Frage war, zu prüfen, inwieweit ein auf Thüringen bezogenes Versicherungsmodell zur Einführungsreife geführt werden kann, falls sich andere Bundesländer und der Bund nicht beteiligen wollen. Hier geht es uns um die Prüfung. Wir verlangen nicht, dass es eingeführt wird, aber man muss doch wenigstens mal prüfen, inwieweit so etwas machbar ist. Zu den Finanzierungen und Auswirkungen auf den Landeshaushalt komme ich in meinem Redebeitrag.

Um am Anfang noch mal darzustellen, wie notwendig diese Mehrgefahrenversicherung ist, möchte ich von einem Anruf, den ich vor kurzem erhalten habe, berichten, ein Anruf aus der Agrargenossenschaft in Rüdersdorf in Ostthüringen. Diese Agrargenossenschaft war von BSE betroffen. Hier musste ein Teil des Rinderbestands vernichtet werden. Es kam zu massiven Einnahmeausfällen, weil auch die Milch nicht mehr da war. Es war ein Betrieb, der von der Milchproduktion lebte. Jetzt hatten sie auch noch das Problem, dass sie Futtermittel aus dem Thüringer Trockenwerk in Apolda verwendet haben. Ihre Milch wurde gesperrt und sie hatten über mehrere Tage die Einnahmeverluste. Sie wussten zum damaligen Zeitpunkt auch nicht, ob ihre Milch wieder entsperrt werden könnte. Dieser Betrieb war in der nackten Existenznot. Es waren beides Dinge, die er nicht selbst verschuldet hatte. Meine Damen und Herren, das ist es gerade, was unsere Landwirtschaftsbetriebe heute immer häufiger trifft. Ich möchte an das Hochwasser im August, an das Hochwasser im Januar erinnern, wo zigtausende Hektar in Thüringen überflutet worden waren, wo Einnahmeverluste, wo Ernteverluste vorprogrammiert sind - Dinge, mit denen wir in der nächsten Zeit häufiger zu rechnen haben, gerade durch diese Klimaveränderungen. Da kommen auch noch andere Fragen mit hinzu. Ich möchte nur daran erinnern, im vorigen Jahr die verregnete Ernte, Probleme im Obstbau, Witterungskapriolen, die auch immer häufiger werden. Die Zunahme von Extremereignissen wird durch Klimaforscher als gesichert dargestellt.

Das ist nur die eine Seite, die die Landwirtschaft gefährdet. Die andere Seite ist die Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union, die zu massiven Einnahmeverlusten führen wird. Ich möchte hier nur an die Umsteuerung durch die Modulation erinnern, wo Mittel aus der ersten Säule der Landwirtschaftsförderung, also aus der Produktionsförderung, in die zweite Säule, in die Entwicklung ländlicher Räume, umverteilt werden. Ich möchte daran erinnern, dass geplant ist, die Preise für Milch zu verringern und dass die Roggeninterventionspreise wegfallen sollen. Das ist für eine Branche, die die niedrigsten Löhne mit in diesem Land hat, natürlich schon eine sehr brisante Geschichte. Wenn bei niedrigeren Einnahmen die Risiken immer größer werden, ist natürlich das Risiko für landwirtschaftliche Unternehmer auch sehr groß. Ich denke, wenn Politik die Forderung an die Landwirtschaft stellt, dass eine flächendeckende Landbewirtschaftung stattfinden soll und dass die Kulturlandschaft durch unsere Landwirtschaftsbetriebe erhalten werden soll, dann muss Politik auch die Verantwortung für die Sicherheit der unternehmerischen Existenz mit übernehmen. Deshalb, meine Damen und Herren, ist eine Landes- und Bundesunterstützung für die Mehrgefahrenversicherung notwendig.

Wenn wir dann zu der Frage kommen, wie wir uns das bei einer schlechten Haushaltslage leisten können, dann möchte ich hier eine Ausführung der Vereinigten Hagelversicherung Gießen bringen, dass die landwirtschaftlichen Schäden im Jahr 2002 in Deutschland 970 Mio.    gen haben. Von diesen 970 Mio.  !"#$ durch die Hagelversicherung beglichen worden, 60 Mio.  durch Schadensausgleich vom Bund und den Rest trug die Landwirtschaft fast komplett selbst. In Thüringen ist die Ernährungswirtschaft der bedeutendste Wirtschaftszweig. Wir haben hier Umsätze, da geht es um weit mehr als 10 Mio.  hier geht es um 1 Mrd. $%  &  schaftszweig sollten uns existenzsichernde Maßnahmen schon als notwendig erscheinen. Vielleicht kann man ja eine Versicherung wie diese Mehrgefahrenversicherung auch in Thüringen ansiedeln, was natürlich auch noch mal Einnahmen erbringen würde. Die Finanzierung der Mehrgefahrenversicherung würde nicht nur durch das Land erfolgen, auch durch die Landwirtschaft. Die landwirtschaftlichen Unternehmen hätten hier natürlich schon noch den großen Teil zu tragen und wären dazu sicherlich auch bereit, denn zu Teilen, die nachher in diese Mehrgefahrenversicherung eingehen würden, gibt es ja schon landwirtschaftliche Versicherungen und werden von vielen Unternehmen wahrgenommen. Ich möchte hier nur an die Hagelversicherung erinnern oder auch an Versicherungen, die gerade zu BSE-Zeiten abgeschlossen wurden, um sich vor diesem Schaden zu schützen. Auch die Banken und Versicherungen können hier mit einbezogen werden, entsprechende Modelle gibt es. Beispiele für die Mehrgefahrenversicherung gibt es auch nicht nur in den USA, wo sie schon eingeführt wurde, nein, sie existiert auch in Kanada, Spanien, Österreich, Griechenland, Portugal, Israel und anderen Staaten.

Das sächsische Modell, auf das schon eingegangen wurde, ist gemeinsam mit dem Deutschen Bauernverband entwickelt worden. Eine Befragung unter Landwirten ergab in Sachsen eine große Bereitschaft, dieses Modell auch anzunehmen. Ich denke, auch unter Thüringer Landwirten wird es nicht anders sein.

Versichert werden sollen mit diesem Modell Ertragsausfälle für verschiedene Risiken wie Hagel, Auswinterung, Frost, Sturm, Starkniederschlag und Trockenheit. Aber ich denke, gerade eine Versicherung gegen den Ausbruch von BSE, wie in der Vereinigten Tierversicherungsgesellschaft schon angeboten, sollte dazukommen. Dazu möchte ich kurz aus einem Schreiben der R & V vom 21. Dezember 2000 zitieren, worum es in dieser Versicherung geht: "Gegen die finanziellen Folgen einer Bestandskeulung infolge BSE sind die betroffenen Landwirte durch das Tierseuchengesetz nur teilweise abgesichert. Die Lücken, die hierdurch entstehen, können durch eine Ertragsschadensversicherung geschlossen werden. Das Tierseuchengesetz sieht vor, dass die Tierseuchenkasse im Falle der Tötung eines Tierbestands den so genannten gemeinen Tierwert erstattet; die wesentlich umfangreicheren Erlöseinbußen und Folgekosten dagegen werden von der Tierseuchenkasse nicht ersetzt. Diese entstehen beispielsweise, wenn Erträge aus dem Milchverkauf bis zur Neubeschaffung von Kühen wegfallen, oder resultieren aus weiter gehenden tierseuchenrechtlich angeordneten Maßnahmen wie z.B. der Desinfektion der Stallgebäude." Sie sehen also, in der Mehrgefahrenversicherung geht es um viel mehr als in den bisherigen Versicherungen, wie auch in der Tierseuchenkasse angesprochen.

(Zwischenruf Abg. Wackernagel, CDU: Das wissen wir doch.)

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Das wissen wir doch.)

Es ist ja schön, wenn Sie das alles wissen, dann müssten Sie vielleicht auch ein entsprechendes Handeln ermöglichen.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, auch der Dioxinskandal zeigt die Notwendigkeit einer solchen Versicherung. Wir haben in diesem Fall noch mal Glück gehabt, weil das Unternehmen eine entsprechende Versicherung hatte, eine Produkthaftung, so dass die Schäden der Landwirtschaftsbetriebe ausgeglichen werden konnten, aber es ist nicht verpflichtet, eine solche Produkthaftung zu haben. Beim nächsten Mal trifft es uns vielleicht, dass die Schäden der Landwirtschaftsbetriebe nicht beglichen werden können. Wie gesagt, die Landwirtschaftsbetriebe konnten nichts dafür.

Deshalb möchte ich Ihnen zum Abschluss noch kurz vom Forum "Chancen für das Risikomanagement der Landwirtschaft" am 16.01. in Berlin im Rahmen der Grünen Wo

che die Ausführungen von einem Herrn Weinberger von der österreichischen Mehrgefahrenversicherung nahe bringen. Er sprach sich dafür aus, dass eine neue Qualität des Sicherheitsbedürfnisses der Landwirte zu beobachten ist, gerade im Rahmen der Klimaveränderung, und stellte fest, dass es in Österreich eine Versicherung im Bündel, wie sie also die Mehrgefahrenversicherung bei uns werden könnte, schon gibt, wovon der Staat 50 Prozent bezahlt, davon 25 Prozent aus Katastrophenfonds und 25 Prozent, die von den Bundesländern getragen werden. Der Vorteil für den Staat, den er ausgeführt hat, also der Vorteil, der in Österreich aufgrund der bestehenden Versicherung ersichtlich ist, ist, dass diese Versicherung planbar ist und dass der Staat im Schadensfall keine Entschädigungen weiter zahlen muss. Der Versicherungsnehmer beteiligt sich selbst und auf einen langen Zeitraum gesehen, wird hier von Österreich ausgeführt, ist dieses Modell für den Staat sogar billiger. Die Vorteile für den Landwirt, darauf ist meine Kollegin Frau Dr. Klaus schon eingegangen: Er hat einen Rechtsanspruch auf Entschädigung, er ist kein Bittsteller mehr. Er ist nicht mehr abhängig von der politischen Lage und Stimmung und hat den Versicherungsschutz über 365 Tage im Jahr und nicht nur für die Zeit einer Naturkatastrophe.

Meine Damen und Herren, 10 Mio. ' ( allein wenn Schäden von 50 Mio.    cherung im Jahr ausgeglichen werden, würden sich diese Schäden zum großen Teil auch lohnwirksam und gewinnwirksam in den Betrieben auswirken und damit hätten wir aus diesen 50 Mio. (      Staat und Solidarsysteme, meine Damen und Herren. Das ist kein Problem für den Staat, sich solche Gedanken wirklich einmal zu machen. Ich fordere Sie auf, tun Sie etwas für unsere Landwirtschaft und lassen Sie es wenigstens einmal prüfen, wie es in unserem Antrag verlangt wird.

(Beifall bei der PDS)

Für die Landesregierung hat sich Staatssekretär Baldus zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, zu dem Antrag der Fraktion der PDS möchte ich für die Landesregierung Stellung nehmen, dieser Stellungnahme aber vier Anmerkungen vorausschicken.

Erste Anmerkung: Risiken, wie sie aus der Verwendung von Futtermitteln entstehen können, kann man mit bereits bestehenden Versicherungssystemen wirksam begegnen.

Zweite Anmerkung: Den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Kummer war eine Zielrichtung zu entnehmen, die aus dem fixierten Antrag nicht zu erkennen war, nämlich über die Versicherung von Elementarschäden hinausgehend eine Gewinnversicherung anzustreben. Dies wä

re allerdings eine neue Qualität, die es zu prüfen gäbe. Ich nehme an, dass die PDS dieses nicht so ohne weiteres mit ihrem Antrag auch beabsichtigt.

Dritte Anmerkung: Die Dioxin-Problematik, mit der wir uns in den letzten Wochen zu befassen hatten, ist gerade das falsche Beispiel für eine Mehrgefahrenversicherung. Hier handelt es sich um einen ganz anderen Fall. Würden wir eine Mehrgefahrenversicherung, die die Landesregierung ebenfalls anstrebt, auf solche Fälle ausdehnen, nähmen wir die Produzenten ja völlig aus der Haftung heraus. Das ist genau das, was wir nicht wollen mit der Mehrgefahrenversicherung. Bei der Mehrgefahrenversicherung geht es um Elementarschäden, die aus dem natürlichen Umfeld der Landwirtschaft erwachsen und nicht aus Fehlhandlungen einzelner Personen oder Firmen.

Letzte und vierte Anmerkung: Herr Abgeordneter Kummer, persönlich trage ich ja den dritten Absatz der Begründung Ihres Antrags voll inhaltlich mit, ich kann nur nicht erkennen, dass sich diese Begründungen im Antragstext wiederfinden. Denn in Ihrer Begründung weisen Sie ausdrücklich darauf hin, dass der Bund für eine Mehrgefahrenversicherung mit ins Boot genommen werden soll und auch mitgenommen werden müsste. Dieses ist etwas, was der Bund ja derzeit genau ablehnt.

Nun komme ich zur Stellungnahme der Landesregierung. Kernpunkt des Antrags ist die Risikovorsorge für die Landwirtschaft. Der Gefahr, durch Witterungsunbilden, Seuchen, Krankheiten oder andere Ereignisse Schäden zu erleiden, sollte mit dem Instrument einer Mehrgefahrenversicherung ein Gegengewicht gesetzt werden. Auch ich bin der Auffassung, dass dem Risikomanagement in der Landwirtschaft verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Zum einen, und hier unterscheiden wir uns nicht in der Analyse, ist innerhalb der letzten zwei Jahre eine Häufung von Schadensereignissen zu verzeichnen. Die Stichworte BSE und Hochwasser sind hier zu nennen. Zum anderen lässt die Situation der öffentlichen Haushalte immer weniger Spielraum, um mit außerplanmäßigen Soforthilfen den unverschuldet Betroffenen Unterstützung zu gewähren. Angesichts dessen erscheint die Mehrgefahrenversicherung als eine der wichtigsten Optionen zur Lösung dieses Problems. Jedoch bin ich nicht der Überzeugung, dass uns der im Antrag der PDS vorgezeichnete Weg hier weiterhilft. Dafür sehe ich drei Gründe. Es ist erstens nicht erforderlich und auch nicht sinnvoll, für Thüringen ein eigenes Modell der Mehrgefahrenversicherung zu entwickeln. Diese Modelle - darauf haben ja meine Vorredner bereits hingewiesen - existieren bereits. Sie liegen vor, entwickelt im Freistaat Sachsen und daneben von einem Konsortium von Versicherungsgesellschaften unter Führung der Vereinigten Hagelversicherung. Hier muss das Rad nicht noch einmal neu erfunden werden. Es bedarf zweitens keiner Bundesratsinitiative, die wegen fehlender Unterstützung durch die anderen Länder keine Erfolgsaussichten hat. Was wir benötigen, ist zunächst eine abgestimmte gemeinsame Auffassung der Länder, um ggf. eine

Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" oder des Modulationsgesetzes zu initiieren. Hier sind die Agrarminister bereits im Gespräch und zur nächsten Agrarministerkonferenz Ende März steht das Thema der Gefahrenversicherung auf der Tagesordnung. Was mir aber die größten Probleme mit dem Antrag der Fraktion der PDS bereitet, ist drittens die Tatsache, dass bezüglich der Finanzierung eines solchen Modells nur vage Andeutungen gemacht werden. Dabei ist die Finanzierung oder genauer ausgedrückt - die Beteiligung der öffentlichen Hand an den Versicherungen Dreh- und Angelpunkt dieser Lösung. Gemäß dem Gemeinschaftsrahmen der Europäischen Union für staatliche Beihilfen im Agrarsektor sind öffentliche Hilfen für Versicherungsprämien zulässig, und zwar bis zu 80 Prozent bei Versicherung gegen Naturkatastrophen und bis zu 50 Prozent bei Versicherung gegen Witterung, Seuchen und Pflanzenkrankheiten. Für die Versicherungen und für deren Zuschüsse dürfen nur nationale Mittel eingesetzt werden. Eine Mitfinanzierung aus Gemeinschaftsmitteln der Europäischen Union ist derzeit nicht möglich. Eine Versicherungslösung macht nur dann Sinn, wenn auch möglichst viele, wünschenswert wären alle, Landwirtschaftsbetriebe entsprechende Verträge abschließen. Anderenfalls verpufft der Effekt der Versicherung, wenn nach einem Schadensereignis trotzdem eine große Anzahl von Landwirten nach Ad-hoc-Lösungen verlangen. Dieses wäre auch der Fall, wenn alle Landwirte versichert wären, z.B. in einer Pflichtversicherung, die Versicherungshöhe aber nicht ausreichen würde, um alle Elementarschäden abzudecken. Um aber die notwendige breite Beteiligung zu erreichen, sind hohe staatliche Zuschüsse erforderlich. Das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft und die Versicherungswirtschaft, dieses wurde bereits ausgeführt, gehen übereinstimmend für Deutschland von einem Zuschussbedarf von 250 Mio. )*   $+, (  demzufolge mit einem Zuschussbedarf von 8 bis 10 Mio.  pro Jahr gerechnet werden. Eine solche Summe nur aus Mitteln des Freistaats Thüringen zu finanzieren, erscheint uns nicht möglich und wenn in den vorausgegangenen Redebeiträgen davon gesprochen wird, dass man ja im Gegenzug Ad-hoc- und Direktfinanzierungen aus dem Landeshaushalt einsparen könnte, sei an dieser Stelle angefügt, dass diese Summe, die der Freistaat Thüringen pro Jahr anteilig für einen Versicherungsbeitrag einzusetzen hätte, der Summe entspricht, die der Freistaat Thüringen in den letzten zehn Jahren insgesamt an Direktentschädigungen gezahlt hat. Wir würden also eine zehnfache Summe einsetzen gegenüber der, die in den letzten zehn Jahren erforderlich war. Das bedeutet, ohne eine Mischfinanzierung aus Mitteln des Bundes und der Länder sind Mehrgefahrenversicherungssysteme in Deutschland nicht finanzierbar. Anzustreben wäre zudem eine Änderung des europäischen Gemeinschaftsrechts, so dass eine Kofinanzierung auch mit EU-Mitteln möglich wäre.

Frau Dr. Klaus, ich darf einen Einschub zum Thema Modulationsmittel bringen. Es ist sicherlich zutreffend, dass wir aus den Mitteln der nationalen Modulation keine ausreichenden Mittel freisetzen können zur Kofinanzierung einer wirksamen Mehrgefahrenversicherung. Es ist aber genauso sicher, dass, wenn die Modulation so kommt, wie sie von Fischler derzeit vorgeschlagen wird, wir die dann frei werdenden Mittel in Thüringen, weil wir bereits fast alle Möglichkeiten der Förderung ausschöpfen, nicht mehr sinnvoll einsetzen können und in diesem Bereich durchaus zu prüfen wäre, inwieweit wir zusätzliche Modulationsmittel dann in die Mehrgefahrenversicherung einbringen können. Hinzu kommt, und das ist bereits ausgeführt, dass die Bundesregierung eine Mitbeteiligung an der Mehrgefahrenversicherung in den letzten Haushaltsberatungen abgelehnt hat. Im Zusammenhang mit der Finanzierung von Versicherungsmodellen wird sehr schnell deutlich, dass es angesichts des bereits umfangreichen Instrumentariums der Agrarpolitik der EU, des Bundes und der Länder nicht darum gehen kann, ein weiteres Instrument hinzuzufügen. Die Einführung einer umfassenden Risikovorsorge über Versicherungen ist ein alternativer Politikansatz. Dies wird im Übrigen auch von Mitgliedstaaten der EU, die bereits heute im umfangreichen Maße Versicherungen aus öffentlichen Mitteln finanzieren, so gesehen. So hat z.B. die spanische Regierung im Rahmen ihrer Ratspräsidentschaft im letzten Jahr zu einem mehrtägigen internationalen Kongress über Versicherungen in der Landwirtschaft in Madrid eingeladen. Damit sollte die Europäische Kommission sensibilisiert werden, Versicherungssysteme als Politikansatz aufzugreifen. Als Fazit halte ich fest, dass die Landesregierung den Antrag der Fraktion der PDS ablehnt. Wir benötigen in Bezug auf die landwirtschaftlichen Mehrgefahrenversicherungen keinen Thüringer Alleingang, der wegen unzureichender finanzieller Voraussetzungen zum Scheitern verurteilt ist. Was wir brauchen ist ein deutschland- und EU-weiter Konsens zur Notwendigkeit von Mehrgefahrenversicherungen und die Sicherung einer soliden Finanzierung solcher Systeme. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Herr Abgeordneter Kummer, ist noch eine Redemeldung signalisiert worden? Ja, bitte.

Ja, es geht auch ganz kurz. Herr Staatssekretär, weil Sie vorhin sagten, die Dioxin-Geschichte wäre hier nicht angebracht; unsere Fraktion hat nicht die Absicht, irgendjemanden aus der Haftung für Schäden, die er verursacht hat, zu entlassen. Aber eines sage ich Ihnen ganz deutlich, wenn ein Unternehmen keine Versicherung hat und hat einen Schaden verursacht, wie jetzt in diesem Fall, dann ist doch absehbar, dass es diesen Schaden, auch wenn es in Konkurs geht, nicht begleichen kann. Die übrig gebliebenen Restbelastungen für die Landwirtschaftsbetriebe

um die geht es uns - die könnten dann in einem solchen Fall mit einer Versicherung abgefedert werden. Das hat nichts damit zu tun, irgendjemanden aus der Verantwortung zu lassen.

Die andere Geschichte, die ich noch anbringen wollte: Wir fordern kein extra Thüringer Modell, wir sagen nur, es soll geprüft werden, ob denn, wenn andere nicht bereit sind, eine Mehrgefahrenversicherung zu unterstützen, wir sie in Thüringen einführen können. Da sage ich Ihnen ganz deutlich, wie lange wollen wir denn warten? Bis dann irgendwann ein Geldregen von woanders herkommt? Wir werden vielleicht noch größere Probleme unserer Landwirtschaftsbetriebe in nächster Zeit auf uns zukommen sehen. Ich denke, eine solche Versicherung ist einfach notwendig. Vielleicht, es gibt ja ganz gute Beziehungen zum Freistaat Sachsen, kann man es ja mit dem Freistaat Sachsen zusammen machen, da wäre die ganze Geschichte schon ein bisschen größer und ließe sich vielleicht besser finanzieren. Ich denke, es muss endlich mal gehandelt werden, statt nur zu reden und zuzugucken, wie sich die Probleme unserer landwirtschaftlichen Betriebe immer weiter vergrößern. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Es gibt keine weiteren Redeanmeldungen. Ausschussüberweisung ist nicht beantragt worden. So kommen wir unmittelbar zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der PDS in der Drucksache 3/3254. Wer dem zustimmt, den bitte... Frau Abgeordnete Nitzpon?

Die PDS-Fraktion beantragt, die Punkte 1 und 2 getrennt abzustimmen.

1 und 2, habe ich das akustisch richtig verstanden?

Ja, das ist so.

Die Punkte 1 und 2 sind getrennt abzustimmen, so dass wir also zuerst über den Punkt 1 aus der Drucksache 3/3254 abstimmen. Wer diesem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen, bitte. Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Gibt es Stimmenthaltungen? Das ist nicht der Fall. Demzufolge ist dieser Punkt 1 des Antrags abgelehnt.

Über den Punkt 2 der Drucksache 3/3254 wird jetzt abgestimmt. Wer zustimmt, dass aus dem PDS-Antrag dieses geschieht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte. Das ist eine Mehrheit. Gibt es hier Stimmenthaltungen? Das ist nicht der Fall.

Demzufolge ist der Antrag, da die beiden Einzelpunkte schon abgestimmt worden sind, in seiner Gänze abgelehnt worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 14 und komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 15

a) Durch Deregulierung und Entbürokratisierung die Attraktivität des Standortes Thüringen stärken Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 3/3159

b) Verbesserung der Qualität des Wirtschaftsstandortes Thüringen durch Abschaffung von Verwaltungshemmnissen und Umsetzung von Deregulierungsmaßnahmen auf Bundes- und Landesebene Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 3/3162

Die Landesregierung hat angekündigt, dass der Sofortbericht gegeben wird und die antragstellenden Fraktionen verzichten auf die Begründung. Ich bitte Minister Schuster zur Berichterstattung.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, gestatten Sie mir zum Antrag der CDU-Fraktion einen Sofortbericht zu erstatten und zum Antrag der SPD-Fraktion Stellung zu nehmen. Die Forderung nach Deregulierung und Bürokratieabbau ist seit langem ebenso berechtigt wie populär. Der Weg von der Erkenntnis zur tatsächlichen Umsetzung erweist sich allerdings gerade bei diesem Thema als außerordentlich schwierig. Schließlich können für jede Vorschrift, die in Frage gestellt wird, plausible Argumente angeführt werden, mit denen die Einführung eben dieser Vorschrift einmal begründet worden ist. Entsprechend regt sich bei beinahe jedem konstruktiven Deregulierungsschritt massiver Protest dahin gehend, dass mit der Abschaffung der jeweiligen Vorschrift schützenswerte Interessen beschnitten würden. Genau das haben wir in den letzten Tagen im Zusammenhang mit den Bundesratsinitiativen zur Verlängerung des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes und zur Aussetzung der Möglichkeit von Verbandsklagen wieder erlebt.

Offenkundig ist es mit der Deregulierung wie mit dem Sparen. Alle sind dafür, aber nur solange sie nicht selbst betroffen sind. Die Landesregierung betrachtet den Abbau von Regulierungen und Bürokratie angesichts der Komplexität dieser Thematik als Daueraufgabe. Vor allem vor diesem Hintergrund begrüße ich es ausdrücklich, dass wir uns heute im Landtag mit diesem wichtigen Thema beschäftigen. Zu begrüßen ist auch, dass die Bundesregierung zukünftig der Deregulierung größeres Gewicht einräumen will. In der Vergangenheit hat sie den Betrieben z.B. durch die Öko-Steuer, das Scheinselbstständigengesetz und die Neuregelung der geringfügigen Beschäftigung in erheblichem Umfang zusätzliche bürokratische Belastungen aufgebürdet. Jede Aktivität, die in diesem Zusammenhang entwickelt wird, kann dazu führen, dass Widerstände überwunden und Fortschritte in der Sache erreicht werden. Aus der Sicht der Landesregierung kommt es aber vor allem darauf an, dass über Bürokratieabbau nicht nur diskutiert wird, sondern dass den Diskussionen auch Taten folgen. Die Landesregierung wird daher den von ihr eingeschlagenen Weg der Umsetzung konkreter Maßnahmen weiterverfolgen. Ich möchte an dieser Stelle nur einige aktuelle Beispiele nennen:

Der Prozess der Verwaltungsmodernisierung wird, wie im 4. halbjährlichen Bericht der Landesregierung an den Landtag vom 31. Januar 2003 beschrieben, fortgesetzt. Die unabhängige Stabsstelle "Verwaltungsvereinfachung, Entbürokratisierung" hat ihre Arbeit aufgenommen. Alle in Thüringen geltenden Verwaltungsvorschriften werden der Stabsstelle in einem zeitlich abgestuften Verfahren zur Überprüfung vorgelegt. Vorschriften, die im Zuge dieser Überprüfung nicht ausdrücklich bestätigt werden, treten außer Kraft. Neben den Verwaltungsvorschriften überprüft die Stabsstelle auch neue Entwürfe von Gesetzen und Rechtsverordnungen. Zukünftig sollen sowohl Verwaltungsvorschriften als auch Gesetze und Rechtsverordnungen in der Regel zeitlich befristet und nur ausnahmsweise unbefristet gelten.

Die Bundesratsinitiativen zum Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz und zur Beschränkung der Verbandsklagen habe ich bereits erwähnt. Diese Initiativen sind von zentraler Bedeutung dafür, dass der für die wirtschaftliche Entwicklung so wichtige Ausbau der Infrastruktur weiter schnell vorangetrieben wird. Natürlich werden weitere Bundesratsinitiativen folgen und sind bereits in der Planung. Das Innenministerium arbeitet an einer Modernisierung der Thüringer Bauordnung, die das Bauwesen wesentlich beschleunigen wird. Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, hat in den vergangenen Wochen sehr hohe Erwartungen beim Thema "Bürokratieabbau" geweckt. Die Eckpunkte des so genannten Masterplans "Bürokratieabbau", die das Bundeskabinett in der vergangenen Woche verabschiedet hat, fallen daran gemessen enttäuschend aus. Die wenigen konkreten Vorschläge, wie etwa die pauschalierte Gewinnermittlung für Kleinstunternehmen, waren überwiegend schon vorher bekannt. Ansonsten enthält der Masterplan

eine Reihe wohlklingender Absichtserklärungen. Ich hoffe sehr, dass die Bundesregierung hier kurzfristig nachlegen wird, damit diese an sich zu begrüßende Initiative nicht im Sande verläuft. Auf jeden Fall wird sich Thüringen auch auf Bundesebene aktiv einbringen, um notwendige Deregulierungen und den Abbau von Bürokratie zu erreichen. In dieser Frage müssen alle staatlichen Ebenen an einem Strang ziehen.

Auf besondere Zustimmung der Landesregierung stößt die Absicht der Bundesregierung, es den Ländern zu ermöglichen, in bestimmten Bereichen befristet landesspezifische Regelungen einzuführen, die vom Bundesrecht abweichen. Zum einen erhielten die Länder dadurch die Möglichkeit, Regulierungen an ihre Bedürfnisse und vor allem an ihre wirtschaftlichen Entwicklungserfordernisse anzupassen. Dies ist gerade für die neuen Länder von großer Bedeutung. So schreibt der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sinngemäß in seinem aktuellen Jahresgutachten - ich zitiere: "Die ostdeutsche Wirtschaft ist einem Regulierungsniveau, das selbst die hoch entwickelte und routinierte westdeutsche Wirtschaft zunehmend überfordert, nicht gewachsen. Die hohe Regulierungsdichte sei folglich ein wesentliches Hemmnis für den Aufholprozess der neuen Länder. Zum anderen kann es die Durchsetzung von Reformen erleichtern, wenn diese zunächst regional begrenzt unbefristet umgesetzt werden. Liegen erst positive Erfahrungen mit einer Maßnahme vor, dürfte mancher ideologische Widerstand, der heute die bundesweite Einführung wichtiger Reformvorhaben blockiert, in sich zusammenfallen."

Die Landesregierung wird sich gegenüber dem Bund nachdrücklich dafür einsetzen, dass den Ländern gegenüber größere Spielräume bei der Gestaltung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eingeräumt werden. Dabei halte ich es für unverzichtbar, dass, anders als die Bundesregierung offenbar beabsichtigt, auch eine Anpassung arbeitsrechtlicher Bestimmungen auf Landesebene möglich ist. Die Landesregierung unterstützt grundsätzlich das so genannte AHA-Gesetz, den Gesetzentwurf des Freistaats Sachsen; über dessen Einzelpunkte wird allerdings noch zu sprechen sein. Die Einrichtung von Sonderregelungen auf regionaler Ebene macht nur dann Sinn, wenn dort substanzielle Änderungen des sonst geltenden Rechtsrahmens vorgenommen werden können. Es darf nicht dazu kommen, dass am Ende die Abschaffung von Regulierungen, die schon jetzt allgemein als überflüssig und schädlich für die wirtschaftliche Entwicklung angesehen werden, noch durch eine Erprobungsphase hinausgeschoben wird. Im Übrigen sehe ich auch die Gefahr, dass der Bund sich aus seiner Verantwortung für die Ausgestaltung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stehlen will. Die Landesregierung hält nichts davon, Sonderregelungen unterhalb der Landesebene einzuführen. Sie unterstützt aber die Forderung, für strukturschwache Länder Sonderregelungen zu schaffen. Die Landesregierung ist bestrebt, auch eine intensivere Zusammenarbeit mit den Ländern Sachsen und Sachsen-Anhalt zu betreiben; entsprechende Aktivitäten

sind längst im Gange.