Protokoll der Sitzung vom 07.03.2003

Thüringen wird in den kommenden Monaten weitere Deregulierungsschritte auf den Weg bringen. Dies wird wie bisher über Gesetzesinitiativen im Bundesrat oder über Landesgesetze geschehen, die befristet an die Stelle bundesgesetzlicher Regelungen treten sollen. Dabei ist auch die Thüringer Wirtschaft gefordert. Informationen aus der Wirtschaft, welche Regelungen sich in der Praxis als besonders problematisch erweisen, sind für eine zielgerichtete Gestaltung des Prozesses der Deregulierung und Entbürokratisierung unverzichtbar. Ich habe deshalb die Thüringer Kammern, Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften angeschrieben und sie um weitere Unterstützung und um weitere Vermittlung von Vorschlägen für den Abbau überflüssiger Regulierungen gebeten. Sehr dankbar bin ich auch dafür, dass sich immer wieder Unternehmen direkt an mich wenden, um mich auf bestehende Probleme hinzuweisen.

Der Abbau von Bürokratie und Regulierungen ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Die Bewältigung dieser Aufgaben verlangt gemeinschaftliches Handeln der Politik, der Unternehmens- und der Arbeitnehmervertreter. Die Thüringer Landesregierung wird deshalb ihre Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften fortsetzen.

Verehrte Damen und Herren, das Thema "Deregulierung und Entbürokratisierung" eignet sich allerdings nicht für parteipolitisches Geplänkel,

(Beifall Abg. Becker, SPD)

dazu ist es viel zu wichtig.

Ich möchte nun einige Anmerkungen zum zweiten Teil des Antrags der SPD-Fraktion machen: Hier werden in den so genannten Forderungen Themen aufgerufen, die nicht neu sind. Vieles von dem, was Sie hier fordern, ist längst erledigt. Dies gilt z.B. für die Empfehlungen der Enquetekommission. Ich darf Sie auf die Diskussion im September dieses Jahres über den Stand der Umsetzung dieser Empfehlungen verweisen. Zur Neuordnung der Landesgesellschaften gibt es klare Beschlüsse der Landesregierung, und zwar zu jeder einzelnen Gesellschaft. Der Landtag ist über diese Beschlüsse jeweils unterrichtet worden. Wie es mit allen Fraktionen dieses Hauses abgestimmt wurde, werde ich Anfang April im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik zu diesem Thema Stellung nehmen. Die Arbeiten am neuen Landesentwicklungsplan werden fortgesetzt. Es muss aber eine eingehende Diskussion in der Öffentlichkeit geführt werden, um einen breiten gesellschaftlichen Konsens zu ermöglichen und um die spezifischen Entwicklungsmöglichkeiten der Kommunen zu berücksichtigen. Der Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei wird als für Raumordnung und Landesplanung zuständiges Mitglied der Landesregierung im April eine Regierungserklärung zu Eckpunkten der Landesplanung abgeben.

Der in dem Antrag geforderte Ausweis von Testregionen innerhalb Thüringens, diesen Antrag lehnt die Landesregierung ab, und zwar aus den oben genannten guten Gründen. Sie hält die Einrichtung solcher Regionen unterhalb der Landesebene für einen Irrweg.

Im nächsten Punkt fordern Sie, die lange überfällige Verwaltungsreform für Thüringen in Angriff zu nehmen. Das ist wieder so ein Schlagwort. Was meinen Sie eigentlich genau damit, wenn Sie eine Verwaltungsreform fordern? Auf den in Thüringen laufenden Prozess der Verwaltungsmodernisierung habe ich schon an anderer Stelle hingewiesen. Die Landesregierung hat bereits am 25. Juni 2001 das Rahmenkonzept zur Weiterentwicklung der Verwaltungsreform und der Organisation der Landesverwaltung verabschiedet. Darüber hinaus hat die Landesregierung am 14. August 2001 ein Arbeitsprogramm "Fortsetzung der Behördenstrukturreform" beschlossen, in dem Grundsätze und Ziele der Aufgabenüberprüfung festgeschrieben sind. Über die auf diesen Programmen basierenden Einzelmaßnahmen hat die Landesregierung gemäß Beschluss des Landtags vom 14. September 2000 bislang insgesamt viermal berichtet. Im Dezember 2002 hat sie Schwerpunkte zur Fortsetzung der Verwaltungsmodernisierung im Freistaat Thüringen festgelegt, die an die Vorarbeiten der im Jahr 2001 geschaffenen Gremien der Verwaltungsmodernisierung anknüpfen. Ähnlich wie mit der Verwaltungsreform verhält es sich auch mit der Forderung nach Einrichtung so genannter One-Stop-Offices. Auch hier stellen Sie ein Schlagwort in den Raum, ohne dass ein Konzept zu erkennen wäre. Ich denke, dass wir uns im entscheidenden Punkt einig sind. Es kommt darauf an, Investoren und Existenzgründern eine qualifizierte und umfassende Betreuung aus einem Guss anzubieten. Genau das wird in Thüringen aber praktiziert. Dass die Landesregierung hier professionelle Arbeit leistet, bestätigt einmal mehr die Entscheidung der Firma Merck für den Standort Jena. Der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens hat bei der Pressekonferenz am vergangenen Montag ausdrücklich hervorgehoben, dass die effektive Zusammenarbeit mit den staatlichen Stellen in Thüringen die Standortentscheidung maßgeblich beeinflusst hat. Keinen Bedarf gibt es auch für die von Ihnen geforderte Einberufung einer Kommission mit Vertretern der Sozialpartner. Die Landesregierung ist mit den Vertretern der Wirtschaft, der Gewerkschaften und der Kammern regelmäßig im Gespräch. Der Ministerpräsident leitet diese Gespräche. Auch in dem aktuellen Diskussionsprozess über Deregulierung und Entbürokratisierung sind diese Organisationen bereits eingebunden. So wurde im Rahmen der Organisation des Verwaltungsmodernisierungsprozesses zu diesem Zweck der Beirat moderner Verwaltung eingerichtet. Er besteht aus Repräsentanten der Wirtschafts- und Interessenverbände sowie der Gewerkschaften. Dessen Mitglieder haben die Möglichkeit, eigene Vorschläge zur Verwaltungsreform einzubringen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie erwarten zu Recht, dass die Landesregierung bei dem Thema "Deregulierung und Entbürokratisierung" konstruktiv mit der

Bundesregierung zusammenarbeitet. An Bereitschaft dazu fehlt es wahrhaft nicht. Die Landesregierung wird sich dem nicht verschließen und sich aktiv auf der Bundesebene einbringen. Aber, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, die Landesregierung bittet Sie, Ihre Fraktion, in Zukunft ebenfalls konstruktiv mitzuarbeiten und substanziellere Anträge einzubringen, als sie hier vorliegen. Vielen Dank.

(Zwischenruf Abg. Huster, PDS: Das war hart.)

(Beifall bei der CDU)

Frau Abgeordnete Nitzpon.

Die PDS-Fraktion beantragt auch die Aussprache zu dem für das gesamte Haus überraschenden Bericht des Ministers.

Ich werde jetzt erst einmal Folgendes klarstellen: Im Punkt 3 des Antrags der Fraktion der CDU - Drucksache 3/3159 - steht, dass die Landesregierung aufgefordert wird, die Überprüfung von Verwaltungsvorschriften des Landes auf ihre Notwendigkeit in der dafür eingerichteten Stabsstelle konsequent umzusetzen und dem Landtag über die Ergebnisse zu berichten. Das ist seitens des Kabinetts als Aufforderung zu einem Sofortbericht betrachtet worden. Dieser Bericht ist gegeben worden. Sie haben alle gemerkt, dass der Minister nicht nur zu diesem Berichtsersuchen berichtet hat, sondern zu den Anträgen und auf die verschiedenen Positionen aus den einzelnen Anträgen eingegangen ist. Zu diesen Punkten, außer dem Punkt 3 des Antrags, wird jetzt die Aussprache eröffnet. Nun frage ich, soll zu dem Punkt 3 - Berichtsersuchen - auch die Aussprache eröffnet werden?

(Zuruf Abg. Kretschmer, CDU: Es gibt ja noch keinen.)

Das habe ich beantragt.

Das beantragt die PDS-Fraktion und ich frage die einreichende CDU-Fraktion, ob sie dem zustimmt.

(Zuruf Abg. Groß, CDU: Ja.)

Sie stimmt dem zu, also wird auch zu diesem Bericht zum Punkt 3 des Antrags die Aussprache geführt. In dieser Aussprache rufe ich als Erstes den Abgeordneten Gerstenberger, PDS-Fraktion, auf.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das Medienecho über die Möglichkeit zur Ausweisung von Sonderwirtschaftszonen oder Testregionen, über die Bundeswirtschaftsminister Clement Anfang Februar pressewirksam nachdachte, hat nun auch den Landtag erreicht und das gleich im Doppelpack. Nach dem Kabinettsbeschluss der Bundesregierung zum Masterplan Bürokratieabbau hat die SPD reagiert und einen Antrag vorgelegt zur Unterstützung der Bemühungen der Bundesregierung mit einer Aufforderung an die Landesregierung, aktiv zu werden. Allerdings müssen wir nach dem Märchen vom Hasen und dem Igel feststellen, die CDU war schon da, nämlich am 25. Februar, also vor dem Kabinettsbeschluss, und bittet die Landesregierung in den Antragspunkten 2 und 4, aktiv zu werden und verschärfend fordert sie im Punkt 3 auf, die Überprüfung von Verwaltungsvorschriften auf ihre Notwendigkeit konsequent umzusetzen und über die Ergebnisse im Landtag zu berichten. Wir haben hier einen Teil davon gehört, offensichtlich gab es dazu allerdings einigen Unmut, auch in den Reihen der CDU-Fraktion, was den Inhalt betraf.

Aber, meine Damen und Herren, ich mache in den Formulierungen des CDU-Antrags völlig neue Töne aus. Braucht etwa diese Landesregierung, um aus ihrer Erstarrung gegen Ende der Legislaturperiode aufgerüttelt zu werden, eine Aufforderung? Braucht etwa diese Fraktion im Ringen um Profilierung des Kronprinzen vor der nächsten Wahl als Ersatz für den geforderten Amtsbonus den Anschein von Führungsstärke?

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Fällt Ihnen nichts anderes ein?)

Soll der Minister, der die Handlungsschritte der Landesregierung vor Medien und per Verordnung verkündet hat, sagen, ich weiß es besser, mein Freund. Sei es, wie es sei. Wenn die Opposition jedenfalls die Landesregierung aufforderte, in irgendeiner Weise aktiv zu werden, kam prompt aus den Reihen der CDU-Fraktion der bestimmt vorgetragene Hinweis, dass diese Landesregierung schon aktiv ist und nicht der Aufforderung der Opposition bedarf. Im stattfindenden Prinzenwettlauf scheint diese Aufforderung notwendig geworden zu sein. Zu Recht, wie mir scheint, nach dem zumindest ungeschickten Agieren des Wirtschaftsministers gegenüber dem Präsidenten der IHK Erfurt und dessen Vorstoß zur Errichtung einer Sonderwirtschaftszone und dem notwendig gewordenen Hinweis auf die 21-Punkte-Vorschlagsliste der IHK-Organisation zum Abbau bürokratischer Hemmnisse.

Und weil ich gerade bei Ihnen bin, Herr Minister Schuster, ich halte es auch im Zusammenhang mit den von der CDU-Fraktion begrüßten bisherigen - ich möchte betonen bisherigen - Initiativen der Landesregierung zur Deregulierung von Gesetzen und Vorschriften bezogen auf die Ernsthaftigkeit dieser bisherigen Bemühungen schon für symptomatisch, wenn Ihnen auf die Frage zu Beispielen der notwendigen Entrümpelung von Gesetzen und Vorschriften bei der IHK nur das Bergbahngesetz einfällt. Ein Gesetz, das in erster Lesung im Januarplenum behandelt wurde, dessen vorlaufender Referentenentwurf den Abgeordneten aber bereits am 8. August 2002 übergeben wurde. Ein Gesetz, das den Erfordernissen zur Umsetzung der Richtlinie des EU-Rats vom März 1997 über die Umweltverträglichkeit bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten und der Richtlinie über Seilbahnen im Personenverkehr des Europäischen Parlaments und des Rats vom März 2000 folgen soll. Ein Gesetz, das weit über die Anforderungen dieser beiden EU-Richtlinien hinausgeht und damit die Handhabung erschweren wird. Ein Gesetz, das - hätte man den Willen zur Vereinfachung und Deregulierung wirklich bereits gehabt - so das Parlament im Januar nicht hätte beschäftigen müssen. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie, Herr Minister, sich auf reales, die Standortattraktivität bereits beeinflussendes Verwaltungshandeln bezogen hätten. Sie und diese Landesregierung wären in der Darstellung ihrer Bemühungen zur Deregulierung und Entbürokratisierung einfach glaubhafter gewesen. Ich will ausdrücklich auf den SPD-Antrag hinweisen. Nach meiner Auffassung hatte dieses Parlament mit dem Einsetzen der Enquetekommission "Wirtschaftsförderung in Thüringen" die Weichen auf Erhöhung der Standortattraktivität und Unterstützung ansässiger Unternehmen gestellt und der Abschlussbericht eben dieser Enquetekommission ist ein Rezeptbuch für das notwendige Handeln der Landesregierung auf allen Aufgabenfeldern. Auch hinsichtlich der Evaluierung vorhandener Regelungen von Landesgesellschaften - und insbesondere ist der SPD-Antrag zielführend an dieser Stelle, wobei ich mir aber gestatte darauf hinzuweisen, meine Damen und Herren von der SPD, dass Ihr Antragspunkt 6 als Empfehlung 47 Gegenstand eben dieses Enqueteberichts "Wirtschaftsförderung in Thüringen" vom August 2001 ist. Denn die Empfehlung zur Verstärkung der Dienstleistungsfunktion des Staats - die Empfehlungen 45 bis 48 - und die dazugehörigen Erläuterungen insbesondere zur Verkürzung und Vereinfachung von Genehmigungs- und Antrags-, Bewilligungs- und Zulassungsverfahren, zum Abbau bürokratischer Belastungen der Unternehmen, Erhöhung der Transparenz staatlicher Verwaltungsakte, also im Vollzug von Regelungen, und zum unternehmerfreundlichen Zugang zu Leistungen der öffentlichen Einrichtungen sind eindeutig in diesem Bericht formuliert. Es wurde bisher aber der Regierung die Unterstützung von der CDU-Fraktion immer postuliert, dass die Landesregierung bereits auf gutem Wege sei. So geschehen, als wir das im IV. Quartal hier im Haus diskutiert haben, und auch so geschehen, meine Damen und Herren - sollte Ihr Gedächtnis nicht bis gestern reichen -, am gestrigen Tage, als ein Mit

glied dieser Landesregierung feststellte, Frau Präsidentin, ich darf zitieren: "Die Landesregierung braucht sich von Ihnen nicht sagen zu lassen, welche Aufgaben sie hat." Das war gestern, meine Damen und Herren, bei mir stieg die Spannung zu dem Antragstext des heutigen Tages, ob denn das gestern Gesagte für die Landesregierung auch heute noch gilt.

(Beifall bei der PDS)

Interessanterweise - allerdings wenig überraschend - war festzustellen, dass sich ein gewisser Sinneswandel im Laufe der Nacht vollzogen hat. Es mag daran liegen, dass der Antrag nicht aus der Mitte des Hauses, sondern von den Oppositionsbänken kommt. Von der Opposition lässt man sich ungern sagen, was notwendig ist, von Fraktionsseite der CDU, der Mehrheitsfraktion, ist egal, was sie sagt, es ist in jedem Fall richtig. Um den Unsinn dieses Beschlusstextes oder auch Nichtunsinn des Beschlusstextes, sondern nur die Wirkungslosigkeit des Textes deutlich zu machen, verweise ich auf den Punkt 4 des CDU-Antrags: "Die Landesregierung wird gebeten, auch die Kommunen und Landkreise Thüringens weiterhin zur Verfahrensvereinfachung und Entbürokratisierung anzuregen." Herr Lenz vom Gemeinde- und Städtebund, Herr Vetzberger vom Landkreistag, machen Sie sich auf Anregungen der Landesregierung gefasst, Sie haben bisher offensichtlich noch keine bekommen.

Meine Damen und Herren, es muss ein langer und ein qualvoller Weg sein, wenn man, wie die Begründung des CDUAntrags aussagt, die aktuelle wirtschaftliche Lage ausschließlich am Reformstau und der ungenügenden Verantwortungswahrnahme der Bundesregierung festmacht, den eigenen Handlungsspielraum aber nur sehr zögerlich erkennt. Vom Nutzen dieser Spielräume wollen wir dabei gar nicht erst reden. Ich halte es auch für bedenklich, wenn man die aktuelle wirtschaftliche Lage ausschließlich am Reformstau und an der ruhigen Hand festmacht. Die Landesregierung, aber auch Vertreter der CDU-Fraktion haben bisher immer die globalen Einflüsse einschließlich der Währungsparität zumindest als mitverantwortlich für die Stagnation der wirtschaftlichen Entwicklung ausgemacht. Was gilt denn nun? Je nach Bedarf, oder gibt es auch einige objektive Gesetzlichkeiten? Deshalb, wenn Ihr Antrag, Herr Althaus, aber dazu gedient hätte, das Tempo im Handeln der Landesregierung zu erhöhen, wäre er richtig gewesen. Als notwendig hätten wir es dann jedoch erachtet, um aus der Unverbindlichkeit des Antragstextes herauszukommen, dass zumindest in dem Punkt 3 Anforderungen an den Bericht und Termine zum Bericht genannt worden wären. Das, was wir heute als Berichterstattung zur Verfahrensvereinfachung gezeigt bekommen haben, zeigt, wie dringend notwendig ein solches gewesen wäre, denn das heute war blauer Dunst und zu nichts zu gebrauchen.

Da Ihr Antrag, Herr Althaus, aber dazu diente, im Entrümplungsbestreben ohne Analyse der bisherigen Wirksamkeit die Sense anzulegen, ist er sogar falsch. Wer zum Beispiel im Zusammenhang mit Existenzgründungen den Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen verlängern will, muss erst einmal die mögliche Behinderung der Existenzgründung unter den bisherigen Bedingungen von möglichen 3-Jahres-Befristungen prüfen. Das ist nicht erfolgt. Wenn Ihr Antrag, Herr Althaus, dazu dienen würde, die Wirtschafts- und Sozialpartner ernsthaft in den Prozess der Deregulierung einzubeziehen, ohne sich in die Tarifhoheit einzumischen, hätte er sogar unsere Zustimmung. Und wenn Ihr Antrag, Herr Althaus, so zu verstehen ist, dass Evaluierung allen gegenwärtig staatlichen Handelns auch wirklich unabhängig erfolgt, ist er richtig. Das fordern wir allerdings seit Jahren. Das würde aber zum Beispiel die kritische Nachfrage zum gegenwärtig vorliegenden Entwurf des Halbzeitbewertungsberichts der infrastrukturellen Förderung implizieren. Wer ernsthaft an der Überwindung der Infrastrukturlücke gegenüber den alten Bundesländern arbeiten will und wer bis 2006 vor dem Hintergrund des wie auch immer gearteten Abfederns des statistischen Effekts solche Rahmenbedingungen schaffen müsste, dass die EU-Erweiterung keine Kollateralschäden für die Thüringer Wirtschaft mit sich bringt, kann nicht wirklich solche Einschätzungen bestellen, wie sie in diesem Bericht vorliegen.

Ich muss nur den Antrag wechseln. Wenn Herr Gentzel, der nicht da ist, Ihre Fraktion mit dem vorgelegten Antrag explizit auf konkrete Maßnahmen in den Punkten 1 bis 4 eingeht und auch im Punkt 8 einen Termin für die Berichterstattung der Landesregierung benennt, so ist die Konkretheit gegenüber dem CDU-Antrag deutlich höher und zustimmungsfähig. Beide Anträge, meine Damen und Herren, folgen dem Zeitgeist,

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Zeitgeist, nein, nein, nein.)

dass sich etwas verändern muss, um die Stagnation in der wirtschaftlichen Entwicklung zu überwinden. Beide Anträge, meine Damen und Herren, kaprizieren sich vorrangig auf die rechtsstaatliche und rechtliche Seite des Handelns. Sie sparen aus, wenn auch bei der SPD mit der Anbindung an die Ergebnisse der Enquetekommission angedeutet, dass auch in anderen Bereichen, wie zum Beispiel der finanziellen Sicherstellung der kommunalen Selbstverwaltung, in der Aufbau Ost- oder Infrastrukturoffensive, in einer Innovationsoffensive oder in einer Neudefinition des Begriffs "Arbeit", einer aktiven und tatsächlichen Verzahnung von Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- mit Strukturpolitik Potenziale liegen, die die wirtschaftliche Entwicklung in Thüringen beflügeln könnten. Insofern wollen wir Deregulierungsbestrebungen mit aktiver Wirtschaftspolitik als Schlüssel für die Stärkung des Wirtschaftsstandorts Thüringen verstanden wissen. In beiden Bereichen sehen wir Nachholbedarf. Wir sprechen uns für eine Innovationsoffensive aus, für Innovationszonen, nicht für Deregu

lierungszonen à la Dr. Gillo aus Sachsen, auf die im Bericht von Herrn Minister Schuster auch eingegangen wurde.

Meine Damen und Herren, wir halten beide Anträge ohne Überweisung an die Ausschüsse für abstimmungsfähig. Auch in den Ausschüssen werden sich angesichts der Mehrheitsverhältnisse keine Änderungen in den Haltungen der Angreifer und der Verteidiger der Bundesregierung ergeben. Das Prozedere zur Ausschussüberweisung - Beratung und Empfehlung und Wiederaufruf im Plenum - würde nur zur Verzögerung im notwendigen Handeln der Landesregierung und in der Berichterstattung gegenüber diesem Parlament führen. Im Prinzenstreit, meine Damen und Herren, werden sich neue Felder finden, eine Aufwärmung dieser Runde ist dazu nicht nötig. Ich bedanke mich.

(Beifall bei der PDS)

Für die CDU-Fraktion rufe ich den Abgeordneten Kretschmer auf.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich kann Herrn Gerstenberger dankbar sein für seinen Beitrag. Er hat es geschafft, mich wieder zu beruhigen. Ich war etwas unruhig wegen des Missverständnisses eines Sofortberichts. Natürlich war der Sofortbericht in dem Sinne, wie er hier vorgetragen war, nicht Anlass des Antrags - ich werde aber gleich noch etwas dazu sagen. Aber, Herr Gerstenberger, Sie haben mich wieder beruhigt, weil Sie Ihre alten Bilder hingestellt haben, abgenutzten Bilder, ohne Verständnis eigentlich des inhaltlichen Teils des Antrags.

(Beifall bei der CDU)

Wissen Sie, Herr Gerstenberger, Sie brauchen hier nicht irgendwelche Nebeldiskussionen zu dramatisieren, um Ihre Ablehnung unserer Wirtschaftspolitik deutlich zu machen. Das Thema "Sonderwirtschaftszone", das Thema "Arbeitsmarktpolitik", das Thema "Wirtschaftspolitik" ist doch so offensichtlich, dass wir uns auch dazu äußern müssen. Die Kollegen des Landtags Sachsen-Anhalt haben sich zum Thema "Sonderwirtschaftszone" mit einem eigenen Antrag geäußert. Die Kollegen in Sachsen äußern sich mit Bundesratsinitiativen in dem Problemfeld Deregulierung und deshalb ist es für meine Fraktion ganz sinnfällig, sich auch dazu zu äußern und nicht still zu sitzen und zu sagen, mal sehen, was die anderen erreichen, sondern zu sagen, wir leisten unseren Beitrag auch in dieser derzeit anstehenden Diskussion von Deregulierung und Entbürokratisierung. Was für mich am Allerschlimmsten war, wissen Sie, bei dieser desolaten Wirtschaftslage, bei dieser fatalen Situation auf dem Arbeitsmarkt zu sagen, wir frönen dem Zeitgeist, indem wir versuchen daran etwas zu ändern. Das diskreditiert Sie von vornherein, lassen Sie es ein

fach sein.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Gerstenberger, PDS: Wo ist denn dort etwas Substanzielles, was zu einer Änderung führt?)

Ich kann doch nichts dafür, wenn Sie nicht lesen oder vielleicht auch nicht verstehen können. Das ist doch nicht mein Problem.

(Zwischenruf Abg. Gerstenberger, PDS: Dann lesen Sie es uns mal vor.)

Davon wird auch bei Ihnen kein Verständnis kommen, vom Vorlesen. Das hat etwas mit dem Kopf zu tun, nicht mit Hören. Ja, ich muss mich auch nicht von der Seite so anpöbeln lassen, ich kann da genauso zurückziehen.

(Zwischenruf Abg. Dr. Klaubert, PDS: Aber, aber.)

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Sie sind jetzt keine Präsidentin.)

(Zwischenruf Abg. Dr. Klaubert, PDS: Ich kann aber sagen, dass man "pöbeln" nicht sagen darf.)

Wenn ich alles vortragen würde, was man nicht sagen dürfte, dann stünde ich morgen noch hier. Nein, nein, zurück zum Antrag der CDU-Fraktion. Die speziellen Beiträge zum Antrag der Kollegen der SPD-Fraktion wird der Kollege Kallenbach vornehmen. Es ist, wie ich in der Presse gelesen habe, auch kein neu entdecktes Thema der CDU, sondern die Frage Entbürokratisierung, Deregulierung war Thema unseres Wahlkampfprogramms im letzten Jahr. Es ist wiederzuentdecken in der Frage der Göttinger Erklärung aus dem Januar dieses Jahres. Es wird garantiert auch im Programm der CSU "Sanierungsprogramm Deutschland" wiederkommen; es ist das Thema, was die Wirtschafts- insbesondere, aber auch die Arbeitsmarktpolitik insbesondere angeht. Meine Damen und Herren, wenn Sie es auch nicht hören wollen, mangelnde Wirtschaftsdynamik, hohe Arbeitslosigkeit, Finanzierungsnot der sozialen Systeme, Fehlanreize und volkswirtschaftliche Verzerrung haben ihre Ursache u.a. in den deutschen institutionellen Regelwerken. Die sind dran umzubauen, meine Damen und Herren, denn diese vielen Regulierungen, über 80.000 Regelungen, verursachen Kosten, schränken Entscheidungsspielräume der Bürger und der Unternehmer ein, schützen Altsektoren und Besitzstandswahrer und schaffen diese Fehlanreize und schaffen gravierende Zielverfehlungen, meine Damen und Herren. Wenn Sie heute die Kommentatoren zu den Arbeitslosenzahlen mal so überfliegen, da steht: "ständig angefordert", "Mut zu Reformen", "die Erkenntnis bei der Bevölkerung ist da, dass der wohlfeile Sozialstaat in dieser Form nicht leistbar ist." Das sind alles

Zitate aus den Kommentaren der heutigen Zeitungen. Die Menschen erwarten nicht nur, dass endlich etwas gegen die hohe Arbeitslosigkeit unternommen wird, Umfragen belegen sogar, dass sie dafür auf die Straße gehen würden. Wie gesagt, alles heutige Zeitungen, meine Damen und Herren. Ich würde mich sehr hüten, Herr Kollege Gerstenberger, an dieser Stelle von irgendwelchem Zeitgeist zu reden, sondern die Not in dieser Frage ist so groß, Sanierungsfall Deutschland, dass etwas getan und nicht nur geredet werden muss, meine Damen und Herren.