Dennoch war es enttäuschend, was Sie gebracht haben. Meine Damen und Herren, wenn ich es auf eine Kurzfassung bringen kann: Der Sozialbericht jammert Ihnen zu wenig, Sie haben es dafür nachgeholt.
Ich muss Ihnen sagen, sowohl Frau Bechthum als auch Frau Thierbach, es ist eigentlich eine Beleidigung für das
Institut, das diesen Sozialbericht erstellt hat, was Sie hier so losgelassen haben. Frau Thierbach möchte beispielsweise Wissenschaftler mit in den Ausschuss holen, damit die aus einer anderen Position heraus den Bericht des Instituts, das diesen Bericht gemacht hat, zerpflückt. Frau Bechthum spricht gar von unabhängigen Experten, die beauftragt werden sollen. Unabhängige Experten sind nur diejenigen, die für Sie die Berichterstattung machen, habe ich den Eindruck. Sie wollen eben keine unabhängigen Experten haben, sondern Sie wollen die haben, die den Bericht zerrupfen.
Meine Damen und Herren - Frau Arenhövel hat schon darauf hingewiesen -, das ist ein durchaus renommiertes Institut, das dieses gemacht hat, und natürlich haben wir eine Ausschreibung gemacht und natürlich haben wir gesagt, was wir denn wissen wollen.
Wir haben zum Beispiel auch gesagt, dass manche Themen nicht so intensiv abgehandelt werden müssen, weil wir zu diesen anderen Themen eigenständige Berichte haben.
(Zwischenruf Abg. Buse, PDS: Eine Kritik am Bericht ist keine Beleidigung der Mitar- beiter des Instituts.)
Was die Beleidigung angeht, das ist etwas ganz anderes. Die Beleidigung geht an, wenn Sie da richtig hingehört haben, die Beleidigung ist das, dass man hier verlangt, es müssten unabhängige Experten diesen Bericht auseinanderpflücken, es müssten andere Wissenschaftler das ist die Beleidigung.
Meine Damen und Herren, ich denke, wir sollten uns mit Daten, Zahlen und Fakten auseinander setzen. Ein Bericht dient der Information und die Landesregierung, aber auch jeder Leser - und ich hoffe, dass sehr viele Leser diesen Bericht lesen - muss sich seine eigene Meinung bilden und die entsprechenden Schlussfolgerungen daraus ziehen. Ich sage es noch einmal: Die Grundlagen für den Sozialbericht sind von einem unabhängigen wissenschaftlichen Institut erarbeitet worden und ich verwahre mich ausdrücklich gegen die Formulierung "Hofberichterstattung". Die gibt es in Thüringen im Augenblick jedenfalls nicht, die gab es mal.
Was heißt na, na? Herr Gentzel, ich gehe nicht nur fünf und nicht nur acht Jahre zurück, sondern etwas weiter und richte diese Formulierung insbesondere an die Abgeordnetenkollegen rechts von mir.
Meine Damen und Herrn, wenn im Rahmen der wissenschaftlichen Grundlagen zum Sozialbericht festgestellt und dies mit entsprechenden Zahlen auch bewiesen wird, dass Thüringen gerade auch im Sozialbereich besser dasteht als manches andere Land,
dann mag Ihnen von der Opposition dies nicht gefallen, aber, ich denke, die Fakten sprechen eindeutig dafür. Hier zitiere ich einige wenige Passagen aus dem Materialband, von dem Sie ja sagen, es ist Hofberichterstattung.
Nicht aus dem Bericht der Landesregierung, sondern aus dem Materialband des unabhängigen Instituts, wenn dort bereits der zweite Satz lautet: "Infolgedessen konnte der Strukturwandel nach der Wiedervereinigung teilweise er
folgreicher bewältigt werden als in anderen neuen Ländern." Oder wenig weiter: "Die Abwanderung ist in Thüringen ein geringeres Problem als in anderen neuen Ländern." Oder: "Im Laufe der 90er-Jahre haben zudem viele Haushalte die Einkommensarmut überwunden."
Meine Damen und Herren, das sind klare und deutliche Aussagen. Die mögen dem einen passen und dem anderen nicht passen, aber es sind klare und deutliche Aussagen. Ich bleibe überhaupt nicht stehen bei diesen Aussagen, ich bleibe nicht stehen dabei, dass ich sage, dann brauchen wir ja nichts zu tun, wenn junge Leute abwandern.
Ich bleibe nicht dabei stehen, dass ich beispielsweise sage, der Strukturwandel ist schon bewältigt bei uns in Thüringen. Und ich bleibe nicht dabei stehen, dass ich sage, wir haben unter den neuen Bundesländern die geringste Arbeitslosigkeit, die ist auch bei uns noch viel zu hoch, aber dennoch können wir dieses doch wohl zur Kenntnis nehmen. Der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung geht es in unserem Freistaat wesentlich besser als noch vor 10 Jahren und dies sollte man in der Öffentlichkeit nicht schlechtreden. Tatsache ist, dass in Thüringen eben der Strukturwandel, so wie ich es vorgelesen habe, nach der Wiedervereinigung in vielen Bereichen erfolgreicher bewältigt worden ist und die Leistungsfähigkeit der Infrastruktur hat wesentlich zugenommen. Das verarbeitende Gewerbe ist gewachsen, die Unternehmen haben an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen und die Arbeitskräfte verfügen über eine hohe Qualität.
Meine Damen und Herren, was die Ausbildung angeht, das ist auch angesprochen worden. Wir haben hohe Ausgaben für Forschung und Entwicklung, eine vielfältige Forschungs- und Hochschullandschaft und wir haben eine günstige Schüler-Lehrer-Relation an den Schulen. Das ist doch etwas, was auch wichtig ist für die zukünftige Entwicklung, eine solide Grundlage für Thüringen für die Zukunft.
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schaffen auch die Möglichkeiten für eine Sozialpolitik und, meine Damen und Herren, das sollten wir nicht außer Acht lassen. Sozialpolitik findet nicht im luftleeren Raum statt und die Sozialpolitik versteht sich nicht als Reparaturbetrieb der Gesellschaft,
sondern als gestaltende Strukturpolitik. Der Dritte Thüringer Sozialbericht thematisiert die bisher praktizierte Politik der Thüringer Landesregierung. Dabei orientiert er sich weit gehend am inhaltlichen Aufbau des letzten Sozialberichts. Neue inhaltliche Akzente liegen unter anderem in der Familienpolitik, der Förderung des ehrenamtlichen
Engagement und insbesondere in den Bemühungen für den Erhalt und die Weiterentwicklung unserer bewährten sozialen Sicherungssysteme. Nicht alle Themen kann man in einem solchen Sozialbericht aufgreifen. Der Dritte Thüringer Sozialbericht setzt inhaltliche Prioritäten und es wird - und ich habe dieses vorhin eingangs schon gesagt - ausdrücklich kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und Themen, die in anderen Berichten behandelt werden, zum Beispiel in den Thüringer Gesundheits- und Arbeitsmarktberichten, wurden deshalb nur überblickartig integriert. Dem Bericht liegt eine wissenschaftliche Untersuchung der sozialen Situation zu Grunde.
Meine Damen und Herren, Sie alle wissen um die demographische Entwicklung in Deutschland und insbesondere um den Bevölkerungsrückgang im Osten. Vor diesem Hintergrund ist es besonders erfreulich, dass die Abwanderung in Thüringen ein geringeres Problem darstellt. Aber sie ist ein Problem und sie wird in der Zukunft ein Problem bleiben, wenn nicht die Rahmenbedingungen auch noch intensiver verbessert werden. Dieser Sachverhalt wird durch die Tatsache unterstrichen, dass die Zahl der Erwerbspersonen in Thüringen nach dem anfänglichen Einbruch Anfang der 90er-Jahre seit 1993 nahezu unverändert geblieben ist. Vor allem in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung haben die Haushaltsnettoeinkommen in Thüringen einen erheblichen Anstieg erlebt. Selbst inflationsbereinigt liegen sie im Jahr 2001 etwa 20 Prozent höher als ein Jahrzehnt zuvor. Im Vergleich mit den anderen neuen Ländern konnten die Haushalte in Thüringen im Laufe der 90er-Jahre damit die höchsten Einkommenszuwächse erwirtschaften. Allerdings - und auch das ist etwas, dem wir uns auch in der Zukunft stellen müssen und wofür wir sorgen müssen, dass sich die Lebensverhältnisse in den neuen und alten Bundesländern angleichen - ist das mittlere Haushaltsnettoeinkommen im Vergleich zum alten Bundesgebiet immerhin noch um 16 Prozent niedriger. Das ist nicht zufrieden stellend, aber die Situation in Thüringen darf man doch wohl ehrlich sagen. Es gibt beim Ost-West-Vergleich auch Positives zu vermelden. Das wird Ihnen auch wieder nicht so schmecken. So können die Rentnerhaushalte in Thüringen auf deutlich mehr Rentenversicherungsjahre verweisen als Haushalte in früheren Bundesgebieten. Ich verschließe überhaupt nicht die Augen davor und ich sage dieses deutlich, dass die Rentnerjahrgänge, die in den nächsten Jahren in die Rente kommen, dass die keine so geschlossene Erwerbsbiographie haben und dass wir uns diesem Thema widmen müssen.
Aber dennoch ist Tatsache, dass mit rund 1.400 Monat die Rentner in Thüringen knapp 40 * Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten als die im früheren Bundesgebiet.
Meine Damen und Herren, auch hier muss man Zahlen zur Kenntnis nehmen und man muss sie interpretieren, das
ist richtig. Auch hier spielt natürlich eine Rolle, dass die Rentner in den neuen Bundesländern praktisch nur auf ihre Rente zum Lebensunterhalt angewiesen sind und keine Kapitaleinnahmen beispielsweise aus Eigentum, aus Aktien oder aus privaten Rentenversicherungsleistungen haben. Man muss dieses richtig interpretieren.
Die genannten Armutsquoten wegen der weniger ungleichen Einkommensverteilung in Thüringen sind weit niedriger als in den alten Bundesländern. Die Einkommensarmut im Sinne einer Ausgrenzung bestimmter Bevölkerungsschichten ist also weniger ausgeprägt. Hinzu kommt, dass im Laufe der 90er-Jahre viele Haushalte die Einkommensarmut überwunden haben.
Meine Damen und Herren, zur Familie: Mehr noch als andere Bevölkerungsgruppen sind Familien finanziell besonders belastet - der Bericht belegt dies - und vor allem in der Phase der Familiengründung, in der hohe Kosten anfallen, die Ersparnisse aber gering sind, gleiten vereinzelt Familien in die Sozialhilfeabhängigkeit. Dieses wollen wir aufheben. Die derzeitige Bundesregierung hat durch die Anhebung von Verbrauchersteuern durchaus eine Verantwortung dafür, dass Familien heute weniger im Portemonnaie haben als noch vor mehreren Jahren.
Meine Damen und Herren von der Opposition, es entspricht nun einmal den Tatsachen, dass der Freistaat Thüringen bei der Familienförderung in der Bundesrepublik Deutschland eine Spitzenposition einnimmt.
Vergleichen Sie den Anhang des Sozialberichts. Als eines von drei Ländern zahlt Thüringen anschließend an das Bundeserziehungsgeld vom 25. bis zum 30. Lebensmonat ein eigenes Landeserziehungsgeld. Bei der derzeit schwierigen wirtschaftlichen Situation mit zurückgehenden Steuereinnahmen ist dies keine selbstverständliche Leistung, denke ich. Darüber hinaus ist in unserem Freistaat der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem Alter von zweieinhalb Jahren praktische Realität. Wir haben in Thüringen eine wohnortnahe Kindergartenstruktur und eine Kindergartenstruktur übrigens, die in der Regel von 7.00 bzw. 8.00 etwa bis nachmittags 17.00 Uhr eine Öffnungszeit haben. Das müssen Sie erst mal woanders finden.