Thüringer Gesetz zur Neustrukturierung der Sozialhilfe Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 3/2921 dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Familie und Gesundheit - Drucksache 3/3292 dazu: Änderungsantrag der Fraktion der PDS - Drucksache 3/3303 ZWEITE BERATUNG
Als Berichterstatter ist der Abgeordnete Grob benannt. Herr Abgeordneter Grob, bitte die Berichterstattung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, ich möchte Sie über die Ausschussberatung zum Thüringer Gesetz zur Neustrukturierung der Sozialhilfe unterrichten und Ihnen nachfolgenden Bericht erstatten.
Aufgrund der gegenwärtigen Aufgabenverteilung zwischen dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe ist eine Steuerung der Ausgaben für die Leistungsgewährung für den überörtlichen Träger der Sozialhilfe kaum möglich. Mit der Aufgabenübertragung wird die Ausgabensteuerung und die Kostenverantwortung zusammengeführt und der bisherigen finanziellen Entwicklung zu Lasten des Landes entgegengewirkt. Es ist daher eine Zusammenführung der Hilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz im eigenen Wirkungskreis der Landkreise und kreisfreien Städte als örtliche Träger der Sozialhilfe sinnvoll.
Durch Beschluss des Landtags vom 13. Dezember 2002 ist der Gesetzentwurf an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit federführend und den Innenausschuss und den Haushalts- und Finanzausschuss überwiesen worden. Der Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit hat den Gesetzentwurf in seiner 35. Sitzung am 16. Januar 2003, in seiner 36. Sitzung am 20. Februar 2003 und in seiner 37. Sitzung am 27. März 2003 beraten. In der 35. Sitzung wurde der Termin der Anhörung, der Kreis der Anzuhörenden und der Termin der Auswertung festgelegt. In seiner 36. Sitzung am 20. Februar hat der Ausschuss eine Anhörung in öffentlicher Sitzung zu dem Gesetzentwurf durchgeführt, in der alle relevanten Verbände geladen waren, um umfangreich Stellung zu beziehen. Im Ergebnis dieser Anhörung und in der Auswertung der Zuschriften wurde in der 37. Sitzung am 27. März 2003 empfohlen, geringfügige Änderungen des Gesetzentwurfs vorzunehmen. Der Haushalts- und Finanzausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 39. Sitzung am 30. April 2003 und der Innenaussschuss in seiner 59. Sitzung am 6. Mai 2003 beraten. Der Haushalts- und Finanzausschuss hat empfohlen, den Gesetzentwurf unter Berücksichtigung der vom federführenden Ausschuss empfohlenen Änderungen anzunehmen. Ebenso hat der Innenausschuss eine Empfehlung zur Zustimmung des Gesetzes mit den empfohlenen Änderungen gegeben.
Der Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit empfiehlt mehrheitlich die Annahme des Gesetzes mit den vorgenommenen Änderungen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Abgeordnete, ich bitte um Ihre Zustimmung. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die "Neustrukturierung der Sozialhilfe" - wer diesen Satz hört, erwartet mehr, als in diesem Gesetz tatsächlich geregelt wird. Diese Formulierung lässt Hoffnung aufkommen, nur leider ist der Ansatz, der dann in diesem Gesetz geregelt wird, viel zu verknappt.
Der richtige Ansatz hätte unserer Meinung heißen müssen: Neustrukturierung aller sozialen Hilfegewährungen. Und wenn man diesen Ansatz im Ministerium bzw. in der Landesregierung gewählt hätte, wäre auch von vornherein eine Methode klar gewesen, wie man das Anliegen, zum einen ambulante, teilstationäre und stationäre Hilfegewährung in einer Hand, neu regeln könnte. Aber von vornherein wäre dann auch ein Diskussionsprozess notwendig gewesen mit der Landesregierung, mit den kommunalen Spitzenverbänden, mit den Leistungserbringern, mit den Leistungsempfängern. Viele werden überhaupt jetzt fragen, wovon redet die? Ich rede von Eingliederungshilfen für Behinderte. Denn auf diesen Inhalt ist das Gesetz hauptsächlich, das da heißt "Neustrukturierung der Sozialhilfe", begrenzt. Es ist gleichzeitig eine Regelung zur Realisierung der Grundsicherung für ältere Bürger mit enthalten. Aber warum betone ich das? Wenn die Landesregierung unter dem Grundsatz, ambulante, teilstationäre und stationäre Hilfsangebote für Menschen mit Behinderung in einer Hand und am effektivsten zu klären, dann wäre sie doch auch darauf eingegangen, dass es Angebote gab, die Hilfe zur Pflege vielleicht mit in die Überlegung einzubeziehen und zu überlegen, ob dieses neu strukturiert werden könne, um eine sachlich-fachlich bessere Zuordnung zu erhalten.
Da die öffentliche Diskussion über die Wiedereingliederungshilfen aber in der Form nicht geführt wurde und Herr Grob, Sie sagten gerade als Ergebnis der Anhörung im Ausschuss, es gab geringfügige Änderungen, ja, das ist richtig. Aber genau das Problem besteht eben darin, dass die Kritiken an dem Gesetz, die in der Anhörung im Ausschuss offenbar durch alle am Ende Beteiligten mit diesem Gesetzentwurf formuliert worden sind, nicht zur Kenntnis genommen wurden.
Nach wie vor gibt es Bedenken zu diesem Gesetz. Nach wie vor gibt es Formulierungen: "am liebsten hätten wir dieses Gesetz gar nicht". Nun sind aber diejenigen, die diese Form artikulieren, keine Illusionisten, sondern sie haben sich gesagt, wenn es die Mehrheit im Landtag beschließt, dann muss doch mindestens noch etwas getan werden, damit die Probleme wenigstens abgefedert werden. Dazu werde ich Ihnen auch noch einiges nennen. Es gibt aber auch die Formulierung, und die ist nicht von mir, dass das Gesetz möglicherweise ein im Schafspelz gekleideter Wolf ist. Dieses ist ein Ausspruch der Lebenshilfe.
Warum kommen manche zu dieser Einschätzung? Freie Träger, kommunale Spitzenverbände sind eben nach wie vor bereit, über die Neustrukturierung sozialer Hilfen zu diskutieren. Das zeigt sich auch in ihrer Bereitschaft, mit der Landesregierung und Abgeordneten noch mal zu diskutieren. Wie am Mittwoch artikuliert: "Das Beste wäre, man würde das Gesetz jetzt erst noch mal zurückziehen".
Es wäre aber auch noch eine andere Begründung zu bringen, warum dieses Gesetz möglicherweise ein Wolf im Schafspelz ist, und zwar ist Ihnen das allen bewusst und
indirekt hat es Herr Grob eben formuliert mit dem Ansatz, warum dieses Gesetz jetzt so gestaltet und so verabschiedet werden soll. Es ist nämlich nicht klar, wie sich der Bedarf an stationären Hilfen in der Eingliederungshilfe entwickelt. Es ist nur klar, dass er sich rasant entwickeln wird. Auch dieser Mehrbedarf ist heute noch nicht exemplarisch zu berechnen. Dazu bräuchte man tatsächlich andere Methoden, nämlich, wie erwähnt, auch eine Sozialplanung in diesem Bereich.
Es kann also nach unserer Meinung nicht der Ansatz sein, einen richtigen Anspruch - ambulant, stationär und teilstationär - in einer Hand zu verbinden, dann zu koppeln mit der Tatsache, dass die Mehrbelastungen aber auf die Kommune delegiert werden.
Genau dieses entsteht. Dies ist nicht nur prophetisch voraussagbar, auch, Frau Arenhövel, wenn Sie jetzt den Kopf schütteln, aber eben mindestens 50 Prozent des Mehrbedarfs entsprechend dem Gesetz werden die Kommunen zahlen. Daran ändert auch nichts die Deckelung bzw. die Sockelsetzung einer bedarfsgerechten Finanzierung auf der Grundlage des Jahres 2002. Spätestens beim Lesen dieses Satzes hätte man sich doch fragen müssen, warum der Deckel auf 2002, und ab dann, warum sagt man nicht, die Sozialplanung, den tatsächlichen Bedarf, der prognostiziert wird und davon 50 Prozent wäre schon eine viel geringere Belastung für die Kommunen.
Das Gesetz zur Eingliederungshilfe ist deswegen nach wie vor von Kommunen, Leistungserbringern und Leistungsempfängern abzulehnen. Nun haben die aber nicht die Möglichkeit. Und ich möchte Ihnen erklären, warum. Unverständnis ist nach wie vor vorhanden und ich möchte Ihnen, Frau Arenhövel - auch Sie und Herr Panse waren am Mittwoch in der Veranstaltung der Liga zur Kommunalisierung der Sozialhilfe, auch Sie haben die Briefe erhalten - und ich möchte es meinen Kolleginnen und Kollegen nicht ersparen, die Menge an Problemen, die heute noch in dem Gesetzentwurf enthalten sind, vorzulesen, damit Sie auch wissen, wenn Sie dieses Gesetz heute verabschieden, mit welchen Problemen Sie es verabschieden.
Erstens, ich möchte zitieren: Es geht der Liga in ihrem Symposium, am 06.05.2003 formuliert, "es geht uns bei der Ausgestaltung des Gesetzes zur Neustrukturierung der Sozialhilfe nicht um höhere Leistungen, sondern um die Sicherung der bestehenden Standards." Umgekehrt als Frage formuliert heißt das, wird möglicherweise mit der Verabschiedung dieses Gesetzes der bestehende Standard gefährdet?
Zweitens, so die Liga: "Wir benötigen dringend verbindliche Planungsgrößen, und zwar vor dem In-Kraft-Treten des Gesetzes." Als Frage formuliert heißt das, die verbindlichen Planungsgrößen existieren nicht.
Drittens, so die Liga: "Marktkenntnis, Strategieentwicklung, Bedarfsplanung und Angebotsdifferenzierung sind als Steuerungsinstrumente in diesem Prozess unbedingt erforderlich. Dazu brauchen wir eine gut funktionierende Fachbehörde, die die Planungsprozesse begleitet und langfristig steuert, ergo, einen gut funktionierenden und fachkompetenten Kostenträger." Und hier möchte ich das Beispiel des MAX, das der Vertreter des Bodelschwingh-Hofes dargestellt hat, Ihnen noch mal allen vermitteln, weil Sie nicht alle an dieser Veranstaltung
teilnehmen konnten. Was steckt hinter dem Beispiel MAX? Nämlich die Tatsache, dass es nicht einen gut funktionierenden und fachkompetenten Kostenträger geben wird, sondern möglicherweise bis zu 23. Wenn nämlich sich eine Gruppe des betreuten Wohnens oder eine Gruppe in den Werkstätten, die gar nicht 23 Leute beinhalten kann, der Schlüssel ist auch, aber ein Träger letztendlich durch die Mehrzahl von Gruppen einen Verhandlungspartner bis in 23 Kreise haben kann. Das ist ein Verwaltungsaufwand, der zu hinterfragen ist, und der Fachlichkeit umso mehr, da nämlich die Spezialisierung gerade auch von betreutem Wohnen oder bzw. von Werkstätten nicht fachlich von der Hand zu weisen sind.
Viertens, sagt die Liga: "Wir benötigen eine verbindliche Sozialplanung als Schnittmenge der öffentlichen und freien Träger. Wir brauchen ein ausgewogenes und transparentes Kosten- und Nutzungsbewusstsein im Dreiecksverhältnis zwischen Hilfeempfänger, Kostenträger und Einrichtungsträger." Hier stelle ich nicht die Frage, ist das etwa nicht vorhanden, sondern hier macht die Liga auf eine Notwendigkeit aufmerksam, die möglicherweise durch das In-Kraft-Treten des Gesetzes dann zu hinterfragen ist.
Und fünftens, so das Ergebnis des Symposiums der Liga: "Das Land Thüringen darf die Steuerung und damit die Verantwortung im Bereich der Eingliederungshilfe nicht zur Disposition stellen." Das ist die indirekte Kritik an der Tatsache, dass eine Planungskommission nicht ausreicht.
Sie haben alle dieses Schreiben. Sie können das alles selber nachlesen. Ich möchte Sie deswegen noch mal fragen, ist es nicht wert, diese Probleme noch einmal im Ausschuss zu bereden, oder ist es der Landesregierung nicht so viel wert, dieses Gesetz zurückzuziehen, wie sie es auch mit anderen getan hat, und zu sagen, wir gehen in den öffentlichen Diskussionsprozess mit allen Beteiligten noch einmal, wir suchen nach neuen Lösungen. Auch die PDSFraktion ist kein Illusionist, und deswegen haben wir versucht zum heutigen Tag noch Änderungsanträge zur Eingliederungshilfe auch mit zu stellen. Wir werden dem Gesetz nicht zustimmen. Aber wenn es der Wunsch der Betroffenen ist, weil sie die Mehrheitsverhältnisse im Landtag kennen, zumindest das In-Kraft-Treten des Gesetzes auf
den 01.01.2004 zu verändern, dann ist es ohne Problem heute möglich, diesen dann für den Verwaltungsvorlauf möglichen Zeitraum zu bestimmen. Dies wäre nur die einfache Hürde, einem Änderungsantrag der PDS mal zuzustimmen.
Wir haben einen zweiten Änderungsantrag eingebracht, und zwar die so genannte Revisionsklausel soll geändert werden. Wir wollen nicht den Inhalt dieser Klausel ändern, sondern wir wollen die Daten, auf deren Grundlage, also den Zeitpunkt verändern, weil wir glauben, es ist nicht richtig, einen langen Zeitraum zur Überprüfung des Gesetzes in seinen Finanzierungsgrundlagen tatsächlich zu wählen. Auch dieses Beispiel wurde dokumentiert, weil mit dem InVorkasse-Gehen möglicherweise Probleme für Träger entstehen, die, so wurde es formuliert, bis zur Insolvenz führen können.
Ich möchte Sie auffordern, beiden Änderungsanträgen zuzustimmen. Es wäre der Minimalkonsens zu einem Gesetz, was so eigentlich nicht gewollt wurde. Ich möchte noch einige Gedanken zum Gesetz zur Grundsicherung im Alter vortragen. Das Anliegen, jedem älteren Bürger ein Leben in Würde, praktisch ohne Armut, ohne den Gang zum Sozialamt zu ermöglichen, wird durch die PDS unterstützt. Auch die Tatsache, dass mit der Einführung der Grundsicherung im Alter und der Einführung der Grundsicherungsämter eine Strukturentwicklung gemacht wird, die letztendlich unseren Intentionen entspricht. Aber uns genügen diese Regelungen nicht, weil in dem Gesetz, das die Bundesregierung erlassen hat, ein großer Webfehler ist, nämlich die Tatsache, dass wieder das Konnexitätsprinzip nicht eingehalten wurde. Theoretisch könnte man dann sagen, na ja, wenn ihr dem nicht zustimmen könnt, weil das Konnexitätsprinzip nicht eingehalten wurde und der Bund nur 5 Mio. dafür zahlt, dann müsst ihr es eben ablehnen. So leicht kann es sich die PDS nicht machen. In dem Gesetz Artikel 1, den die Landesregierung uns vorgelegt hat, werden Regelungen eingeführt, die ein Abfedern der Kosten beinhalten. Dieses Element ist uns wichtig. Das ist ein Element, warum wir dem Gesetzentwurf dann auch zustimmen möchten. Aber wir möchten, und dazu haben wir Ihnen auch einen Änderungsantrag vorgelegt, dass Sie die Regelungen der Widerspruchsstelle noch mal überlegen. Sie haben jetzt formuliert, dass kreisfreie Städte und Landkreise die Widerspruchsstellen sind; letztendlich ja. Herr Minister, Sie können mich gerne korrigieren. Dem Innenministerium wurde mit Schreiben vom 06.05.2003 ein Brief zugesandt von der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände, wo eben genau auf dieses Problem aufmerksam gemacht wird. Ich möchte zitieren: "Die Rechtsauffassung des Thüringer Landesverwaltungsamts führt entgegen der Begründung des Landesverwaltungsamts zu den Widerspruchsbehörden auf unterschiedlichen Verwaltungsebenen, denn kreisfreie Städte sind in § 4 Abs. 3 Nr. 1 gerade nicht benannt. Dieser § 4 Abs. 3 Nr. 1 bezieht sich auf das Grundsicherungsgesetz des Bundes. Danach würde gemäß § 73 Abs. 1 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung in Verbindung mit §§ 124 Nr. 1,
118 Abs. 2 Thüringer Kommunalordnung das Thüringer Landesverwaltungsamt zuständige Widerspruchsbehörde." Und was ist das Phänomen? Dass das Landesverwaltungsamt bereits dieses von sich weist. Hier brauchen wir in dem Grundsicherungsgesetz eine eindeutige Regelung, dass die Widerspruchsbehörde das Landesverwaltungsamt ist. Warum sage ich das? Es wäre gut, wenn wir diesen Änderungsantrag in Artikel 1 heute noch so mit verabschieden. Ich möchte Ihnen eine Duplizität erklären, die sonst entstehen könnte. Wir hatten im Lande Thüringen schon einmal eine Frage, wer denn hier überhaupt die Widerspruchsstelle ist, und zwar war das bei den Hortgebühren. So mancher wird sich daran noch erinnern. Bei den Hortgebühren wurde letztendlich das Problem ausgesessen, bis es endlich zu einer rechtlichen Regelung kam. Das bedeutete aber, dass Eltern diese Gebühren eben nicht bezahlen mussten. Wird jetzt das Problem, bis vielleicht über eine Klage oder über eine richterliche Entscheidung klar ist, wer Widerspruchsstelle ist, wieder so verhalten, dann würde das aber Ansprüche von älteren Bürgern betreffen, nicht das Land in seiner Einnahmenseite, sondern Menschen in ihrem individuellen Anspruch. Genau aus dem Grund wäre ein Aussitzen solcher Probleme, bis es endlich eine Entscheidung gibt, nicht richtig. Das möchte ich Ihnen auch nicht unterstellen, aber für eine rechtliche Klarheit würde unser Änderungsantrag sorgen. Namens meiner Fraktion beantrage ich, dass der Artikel 1 im Gesetz zur Neugliederung der Sozialhilfe separat abgestimmt wird. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, nach einer Anhörung und mehreren Beratungen im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit und in den mitberatenden Ausschüssen kann leider nur als Ergebnis gesagt werden, keine von den zur ersten Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung gestellten Fragen konnte auch nur annähernd geklärt werden. Die durchgeführte Anhörung zeigte deutlich, dass nur Einigkeit herrschte in der Aussage, dass ambulante, teilstationäre und stationäre Eingliederungshilfe in eine Hand gehören. Aber bei der Frage, wer das sein soll - das Land, die örtlichen Träger der Sozialhilfe oder ein neu zu schaffender Verband - fehlte jegliche Gemeinsamkeit. Es sind z.B. in den Beratungen die Probleme der Gewährleistung einer thüringenweit gleichen Gestaltung der Eingliederungshilfen für die betroffenen Menschen, die Fragen nach dem zusätzlichen qualifizierten Personal für die örtlichen Träger der Sozialhilfe und deren Finanzierung offen geblieben. Es wird doch so kommen, dass je nach Haushaltslage jeder Landkreis, jede kreisfreie Stadt ihre eigenen Maßstäbe in der Eingliederungshilfe setzen wird. Richtlinien lassen immer einen ge
Zum Personal: Da gibt es doch die berechtigte Frage, wo bekommen die örtlichen Träger von heute auf morgen genügend qualifizierte Sachbearbeiter her, die außerdem möglichst einige Jahre Berufserfahrung mitbringen sollten. Hier geht es nicht nur um die Kenntnis der eigenen Gesetze, wie das Bundessozialhilfegesetz und das Thüringer Ausführungsgesetz und die dazu gehörenden Rechtsverordnungen, sondern sie müssen die der Sozialhilfe vorgelagerten Rehabilitationsgesetze beherrschen. Es reicht nicht einmal aus, das Sozialgesetzbuch mit seinen Büchern I bis XI zu kennen. Kurz gesagt, in fast allen Sozialgesetzen sind Regelungen, die die Eingliederung behinderter Menschen betreffen, enthalten. Alle diese Regelungen haben Vorrang vor der Sozialhilfe. Und nur eine gute Kenntnis dieses umfassenden Katalogs von Rehabilitationsmaßnahmen, den es im Sozialrecht gibt, bewahrt die örtlichen Sozialhilfeträger davor, im Endeffekt für andere Versicherungsträger zahlen zu müssen. Die kommunalen Spitzenverbände und andere Verbände rechnen mit zwei zusätzlichen Personalstellen pro Landkreis bzw. kreisfreier Stadt. Dass diese Stellen nicht gerade in den unteren Gehaltsstufen ausgeschrieben werden können, dürfte jedem hier klar sein. Andererseits haben wir im Landesamt für Soziales und Familie nach Aussagen des Sozialministers ca. 40 Personen, 24 Stellen, die sich bisher mit dieser Problematik beschäftigten. Sie werden von den Kreisen nicht übernommen. Es hieß in einem Ausschuss nur lapidar, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen gibt und dass sie andere Aufgaben im Landesamt für Soziales und Familie übertragen bekommen - welche, konnte aber nicht gesagt werden. Im Endeffekt wird durch diese Gesetzesänderung die Verwaltung im Landesamt für Soziales und Familie nicht verringert, aber dafür bei den Kommunen zusätzlich notgedrungenermaßen vergrößert werden. Jeder von der CDU-Fraktion, der nachher diesem Gesetz zustimmen wird, macht sich unglaubwürdig, wenn er dann noch von einer Verschlankung des Staats spricht.
Meine Damen und Herren, ein weiterer vorgetragener Kritikpunkt ist die fehlende prospektive Gesetzesfolgenabschätzung, die auch von den kommunalen Spitzenverbänden kritisiert wurde. Die Revisionsklausel für das Jahr 2008 ist unserer Ansicht nach zu spät und hat dadurch mehr den Charakter einer Alibifunktion. Die Frage, die auch nicht beantwortet wurde, ist, inwieweit in der Eingliederungshilfe dann eine Ausgabensteuerung überhaupt möglich ist. Nicht einmal eine Schätzung, wie viele der in der stationären Eingliederungshilfe Eingewiesenen könnten denn ambulant versorgt werden, liegt vor. Wie hier die örtlichen Sozialhilfeträger eine Ausgabensteuerung vornehmen können, ist auch in der Auswertung der Anhörung nicht klar geworden. Wir werden und können einer solchen Gesetzesänderung nicht zustimmen, weil nach unserer Auffassung der Freistaat Thüringen mit dieser Strukturveränderung, d.h. der Delegierung der Eingliederungshilfe auf 23 kommunale Ämter, seiner Aufgabe für die gleichen Bedingungen im gesamten Freistaat zu sorgen, nicht
mehr nachkommen kann und vielleicht auch nicht will. Für die Bedarfsplanung für ein Angebot der notwendigen und unterschiedlichen Einrichtungen und zur Steuerung der unterschiedlichen Eingliederungshilfen wird eine ständig arbeitende und nicht nur gelegentlich zusammensitzende Planungskommission benötigt. Es gibt weder eine Sozialplanung noch verbindliche Planungsgrößen für die Landkreise und kreisfreien Städte, damit Sie wissen, was nach dem In-Kraft-Treten auf sie zukommt. Es entsteht eine Kostenverschiebung zu Lasten der Kommunen. Die Schätzungen liegen hier im Mittel bei 100 Mio. die kommunale Seite in den Jahren 2004 bis 2008 zusätzlich aufbringen muss. Es ist regelrecht grotesk, wenn dann im Ausschuss ausgeführt wird, "man wolle hier die Kosten sparen, um weiterhin Aufgaben der Sozialhilfe im kommunalen Bereich fördern zu können". Weiterhin wird, wie eben schon ausgeführt, die Verwaltung in Thüringen weiter aufgebläht statt abgebaut. Eine Neustrukturierung in der Sozialhilfe in Thüringen ist notwendig, aber dieser Gesetzentwurf bringt uns nicht weiter. Im Gegenteil, es besteht die nicht von der Hand zu weisende Gefahr, dass der bestehende hohe Standard durch die Aufsplittung der Leistungsträger nicht mehr gehalten wird. Frau Thierbach hatte vorhin schon auf das Schreiben, das wir alle bekommen haben, der Liga der Freien Wohlfahrtspflege Thüringen hingewiesen, die sich noch einmal am 6. Mai mit 40 Expertinnen und Experten aus den führenden Verbänden, auch aus dem Landtag zusammengesetzt haben. Wir konnten daran nicht teilnehmen, weil das eine ungünstige Zeit war. Das, was als Ergebnis hier aufgezählt worden ist, finde ich, sollte beherzigt werden. Ich möchte nur noch einmal den Punkt nennen, bei dem sich eigentlich die CDU überhaupt nicht verweigern könnte, was in Punkt 4 gesagt wird: "Wir brauchen ein ausgewogenes und transparentes Kosten- und Nutzenbewusstsein im Dreiecksverhältnis zwischen Hilfeempfängern, Kostenträgern und Einrichtungsträgern." Und auch - das ist klar, wir wollen uns nichts vormachen - der Gesetzentwurf wird von der Mehrheit hier beschlossen. Wir haben das schon im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit abgelehnt. Meine Fraktion lehnt den Gesetzentwurf in Gänze ab. Deshalb werden wir auch die Änderungsanträge der PDS im Grunde schon nicht mehr hier bewerten können. Wir werden uns bei diesen Änderungsanträgen deshalb dann auch enthalten. Sie sind schon nicht berücksichtigt worden, die Vorschläge in der Auswertung der Anhörung, und mit, denke ich, sehr konkreten und auch wichtigen Hinweisen, was geändert werden sollte. Man ist schon langsam pessimistisch, wenn man weiß, es wird hier sowieso mit einer Mehrheit abgestimmt. Meine Fraktion lehnt den Gesetzentwurf ab. Danke.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrte Vorrednerin, Sozialreformen sind eine notwendige Sache. Jeder weiß das heute, überall wird davon geredet. Frau Kollegin Bechthum, ich muss Sie daran erinnern, dass auch im Bund diese Themen auf der Tagesordnung stehen. Und natürlich ist es notwendig, über solche Reformen zu debattieren, zu diskutieren und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Das ist überhaupt gar keine Frage. Bei unserem Problem, das wir heute hier auf dem Tisch haben, muss ich allerdings feststellen, dass wir keinesfalls erst seit kurzer Zeit darüber diskutieren, denn seit Jahren ist klar, dass hier in diesem Bereich Eingliederungshilfe für Behinderte, Hilfe zur Pflege - die ist im Übrigen hier auch mit drin, Frau Thierbach -, etwas getan werden muss. Deswegen ist es heute Zeit, endlich auch zu handeln und nicht immer nur darüber zu reden. Denn irgendwann muss auch einmal über diese Dinge entschieden werden. Jeder, der das wusste, hatte Zeit, sich hier auch einzubringen, denke ich. Auch wir haben in der Fraktion beispielsweise und auch mit dem Minister zwischen dem ersten und zweiten Regierungsentwurf darüber viele Debatten geführt. Was ist das Ergebnis der Diskussion? Es geht ja vielfach um die Frage, wie fair ist denn die finanzielle Ausstattung der Kommunen mit so einem Gesetz. Gerade hier an diesem Punkt, muss ich betonen, haben wir wirklich viel erreicht. Schauen Sie, der Freistaat Thüringen hat einen sehr guten Kommunalen Finanzausgleich, wie Sie ihn bundesweit suchen können. Wir stehen dazu, denn die Kommunen sind das Herzstück unseres Landes und die müssen wir pflegen und dafür sorgen, dass sie finanziell fair ausgestattet werden. Dieser Kommunale Finanzausgleich ist trotz der finanziellen Nöte des Landes erhalten geblieben. Das ist Punkt 1.
Punkt 2 haben wir in Artikel 1 die Grundsicherung eingearbeitet und die Beteiligung des Landes dann, wenn die Bundeszuschüsse nicht ausreichend sind. Auch das ist sehr wichtig für die Kommunen und ich sage hier, dass dieser Artikel 1 nicht erst am 01.07.2003 in Kraft tritt, sondern dass er rückwirkend ab dem 01.01.2003, nämlich ab der Gültigkeit der Grundsicherung in Kraft treten wird. Auch dies trägt mit dazu bei, dass die Kommunen fair finanziell ausgestattet werden. Es darf auch nicht der Eindruck entstehen, als würden nur Kosten abgewälzt. Die Kosten der Kommunen werden erstattet nach dem tatsächlichen Nettosozialhilfeaufwand. In jedem Jahr wird die Berechnungsgrundlage dafür neu festgelegt. Beteiligt werden die Kommunen an den Zuwächsen, die es gibt, und zwar im ersten Jahr zu 25 Prozent, im zweiten Jahr auch zu 25 Prozent, dann steigt das Ganze auf 40 Prozent und bevor es überhaupt 50 Prozent werden, Frau Thierbach, bevor dieses eintritt, hier ist die Revisionsklausel im Gesetz, die beinhaltet, dass dann das Ganze auch noch einmal überprüft und neu bewertet wird. Ich denke, insofern sind die Kommunen wirklich auch fair ausgestattet.
Eine zweite wichtige Frage war ja die der Standards und die Frage, wie geht es weiter? Gerade hier war uns das sehr wichtig, wir haben auch noch einmal in § 4 die Dinge etwas geändert, wir haben hier noch einmal die Beteiligung der örtlichen Träger der Sozialhilfe hervorgehoben und sie an dem Abschluss von Rahmenverträgen mit beteiligt. Es ist ja auch so, dass sich das Land nicht von seiner Verantwortung befreit und nicht alles auf die Kommunen abwälzt, sondern das Land wird in der Verantwortung bleiben. Die Planungskommission ist paritätisch besetzt, halb von den Kommunen und halb vom Land. Ich denke einmal, auch der Planungskommission erwächst natürlich eine große Aufgabe, das ist völlig unbestritten.
Meine Damen und Herren, mit dem Gesetz beseitigen wir eine wichtige Barriere. Es geht ja hier auch immer um Barrierefreiheit. Wir beseitigen nämlich eine Barriere, die die strikte Trennung von ambulant und stationär bedeutet hat. In diesem Punkt hat sich das Ausführungsgesetz zum BSHG nicht bewährt, das muss man heute so sagen, denn die Kosten für die stationäre Unterbringung sind sehr viel schneller gestiegen als für die ambulante. Aber das ist nur ein Punkt, denn was auch besonders wichtig ist, ist, dass diese Barriere nicht im Interesse der Behinderten, nicht im Interesse der Leistungserbringer sein kann. Gerade hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehe ich in diesem Gesetzentwurf durchaus auch Chancen. Ich sehe die Chance, dass ambulant vor stationär gearbeitet wird. Ich sehe die Chance, dass alle Maßnahmen so ausgerichtet werden können, dass sie bedarfsorientiert die Eigenverantwortung von Menschen mit Behinderungen stärken und dass sie durch eine an Selbständigkeit, Selbsthilfe und Selbstbestimmung orientierte Eingliederungshilfe auch davon profitieren können. Ich glaube, hier wächst uns allen, sowohl den Kommunen als auch dem Land, als auch den Leistungserbringern in diesem Punkt eine hohe Verantwortung zu. Wenn wir dieses fachgerecht und gut umsetzen, können wir, wie ich meine, auch einen Teil mit dazu beitragen, dass von Selbstbestimmung für Behinderte von ihrer eigenen Persönlichkeit her betrachtete Selbsthilfepotenziale, das unterstützen wir und wir möchten das auch hier mit aufgreifen und mit befördern, dass Behinderte selbstbestimmt leben können. Möglicherweise kann auch dieses Gesetz etwas dazu beitragen.
Zu Punkt 1 wird Herr Minister Pietzsch noch einmal etwas sagen. Die Thüringer Kommunalordnung ist natürlich gültig und nicht jede unterschiedliche Rechtsauffassung sollte uns sofort zu gesetzlichen Änderungen anregen. Das ist meine Meinung.
In Punkt 2 wollten Sie, dass die Abrechnung schon im Juni 2005 überprüft wird. Dazu muss ich Ihnen sagen, dass man solche Reformen auch erst einmal wirken lassen muss. Man kann nicht schon nach ein oder zwei Jahren gleich wieder dort alle Ergebnisse so haben, dass man das
endgültig beurteilen kann. Deshalb, denke ich, sollte man auch sagen, gerade wenn es um die Planungszahlen geht die Fallzahlerhebungen gehen den Kommunen in diesen Tagen zu - und es ist auch so, dass die Vorbereitungen auf der Sach- und Fachebene, da sind wir ja etwas von dem politischen Schaufenster weiter weg, wirklich sehr gut angelaufen sind. Die Kommunen bekommen im Moment die Akten zugestellt und werden auf die Aufgaben vorbereitet. Schauen Sie, jeder Sozialamtsleiter kann heute sehr wohl mit dem BSHG umgehen; das ist ja das Gesetz, was die Behinderten im Wesentlichen betrifft. Man muss auch der Ehrlichkeit halber einmal hinzufügen, dass teilstationäre Aufgaben heute schon von den Kommunen mit erledigt werden und dass die Sachkenntnisse auf diesem Gebiet eigentlich auch gewachsen sind.