Kritische Bemerkungen oder Aussagen, wie sie auch von Frau Pelke zu diesem Kinder- und Jugendbericht gemacht wurden, sehen Sie in der CDU ja immer als Angriffe an, anstatt Sie es als eine Chance sehen, schöpferisch damit umzugehen. Es kommt immer sofort: Die wollen uns Böses. Das ist auch meine Auffassung. Ich muss Ihnen sagen, wenn Sie hier kritisieren, dass die Erziehung in der Familie in öffentliche Verantwortung zu nehmen und zu übertragen ist, und Sie sagen, das wäre staatliches Einmischen, frage ich mich, woher Sie diese Auffassung nehmen.
Sie haben auch vorhin das gestern von uns beratene Zweite Gesetz zur Änderung des Thüringer Erwachsenenbildungsgesetzes genannt. Haben Sie sich das auch mal angeschaut, was da eigentlich gesagt wird? Ich möchte daraus zitieren: "Der Elternbildung wird als wesentlicher Teil der allgemeinen Erwachsenenbildung eine hervorgehobene Stellung zugewiesen." Und hier wird gesagt: "Durch die Einführung im Rahmen der gesetzlichen Angebotsbeschreibung wird die erforderliche Attraktivität der Angebote der Erwachsenenbildung herausgestellt. Denn die Bildungsbeteiligung der Erwachsenen, insbesondere bildungsferner und benachteiligter Personen, gilt es zu erhöhen und die Befähigung zu selbst gesteuertem lebensbegleitendem Lernen zu fordern." Und dann nehmen Sie auch neu auf: "Mit dem Ausbau der Elternbildung als Schwerpunkt der Erwachsenenbildung wird auch die Berufung eines Vertreters des Arbeitskreises Thüringer Familien-organisation in das Landeskuratorium für Erwachsenenbildung aufgenommen."
Was glauben Sie denn, wie das hier zu realisieren ist, frage ich mich. Ich habe auch den Herrn Professor Wingen gehört und er hat mir aus dem Herzen gesprochen. Ich muss sagen, er hat genau die Ergebnisse der Studien, die im vorigen Jahr vorgelegt worden sind, hier genannt, und zwar woran es hapert, warum die Familien nicht funktionieren. Herr Panse, Sie können sich dann hier auch noch mal melden. Er hat ganz besonders kritisch auch bemerkt, dass Partnerschaft und Elternschaft ganz, ganz wichtig sind und einfach vernachlässigt wird. Dass Menschen gar nicht wissen, wie sie eine Partnerschaft aufbauen, damit sie auch hält, das ist einer der ganz großen Knackpunkte und das wissen Sie auch.
Er sagte auch, Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist wichtig für beide. Dass junge Frauen, die einen guten Beruf erlernt haben, den auch weiter ausüben möchten und auch Angst haben, Kinder zu bekommen. Wir wissen, 40 Prozent der Akademikerinnen haben keine Kinder und werden keine haben. Eigentlich möchten wir gerade von denen die Kinder! Ich habe selbst eine Tochter von 36, die keine Kinder hat und auch nicht haben wird, ebenso mein Sohn mit 28 und seine Lebensgefährtin. Das ist genau die Altersgruppe, die sich scheut, Kinder zu haben. Und die Gründe, die sie nennen, es sind Verunsicherungen, sie haben Angst vor der Verantwortung. Es fehlt also etwas in der Vorbereitung. Wir haben ja oft genug dazu gesprochen.
(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für So- ziales, Familie und Gesundheit: Das ist na- türlich seltsam.)
Natürlich möchten wir gerade Kinder auch von denen, die akademisch gebildet sind. Das sind die, die am wenigsten Kinder bekommen, dass wissen Sie doch. Jetzt möchte ich Sie noch einmal fragen, wie soll denn das geschehen? Es wird immer kritisiert, wir haben die ganzen Untersuchungen. Auch in der Enquetekommission beschäftigen wir uns erst einmal mit Familienpolitik, aber wie soll das umgesetzt werden? Das ist aber der Punkt, wo es dann immer aufhört. Nun möchte ich Ihnen doch einmal, für mich doch eine positive Aussage und Ankündigung von der Volkshochschule Sonneberg nennen. Denn in dem Familien- und Erwachsenenbildungsgesetz geht es ja auch darum, dass die Volkshochschulen diese Anerkennung auch weiter bekommen. Es hat mich schon gefreut, dass ich hier zum 23. Mai 2003 zu einem Pressegespräch eingeladen worden bin. Dort wird man der Presse vorstellen, eine Veranstaltungsreihe mit dem Titel "Elternschule" möchte man organisieren.
Man möchte erst einmal auch fragen: Brauchen wir eine "Elternschule"? Wer Professor Pfeifer gehört hat, er hat jetzt schon zweimal in Erfurt gesprochen, der so genannte berühmte Professor Pfeifer - als Töpfchen-Pfeifer auch bekannt - er hat sich da auch schon umgestellt, der gerade auch hervorgehoben hat, eine Elternschule ist ungeheuer wichtig, dass wir die auch brauchen, die aber in Deutschland noch irgendwie so etwas Verschwommenes ist. Man hat da noch keine richtigen Vorstellungen. In Australien gibt es da schon viel mehr Erfahrungen. Ich denke, solche Ansätze sollten wir auch unterstützen, das kann ich Ihnen auch nur - und auch von der Landesseite her - empfehlen, dass man solche Veranstaltungsreihen auch in ganz Thüringen mit unterstützt, das würde ich sehr gut finden. Sie haben alle sicherlich schon die Broschüre bekommen "Der Amoklauf von Erfurt", aber schauen Sie sich wirklich auch einige Kapitel an.
Ich denke, wenn wir das auswerten, hier ist sehr viel gesagt, warum es dazu gekommen ist. Was passiert in den Familien oder was passiert nicht in den Familien? Hier hat man sich sehr feinsinnig ausgedrückt. Man ist auf den Spuren von nicht erwachsen gewordenen Erwachsenen und da bringt man auch die Beispiele dazu, wie so etwas läuft. Warum Erwachsene, man sagt ja ungefähr 1/4 der Eltern, die einfach erziehungsunfähig sind. Aber sie wissen es auch nicht anders, sie haben es nicht gelernt, sie kommen aus diesem Kreislauf nicht heraus. Deshalb müssen wir ihnen helfen.
Ja, Herr Panse, wie wollen wir das denn machen? Wir müssen das mit staatlicher Unterstützung machen und so ist das auch gemeint. Anbieten vor Abschaffen, wer macht denn das, ein privater Mensch, der sagt, ich lade sie ein und will sie dazu bilden, dass doch bestimmt nicht. Damit ist das auch gemeint, dass die Öffentlichkeit, die Schulen, die staatlichen Einrichtungen das anbieten. So sehe ich das auch, und da vermuten Sie doch nicht oder unterstellen Sie, hier will sich der Staat nun unbedingt einmischen. Das wird keiner tun. Ich würde mir auch nicht anmaßen, hier so etwas zu sagen. Aber es gibt sehr vieles, ich kann Sie nur bitten, sich das anzuschauen, daraus Schlussfolgerungen zu ziehen und zu sagen, so etwas müssen wir in unseren Schulen - und vielleicht ist es die Chance über die Volkshochschulen - anbieten. Da ist vielleicht auch diese Hemmschwelle nicht ganz so groß, dass man dort hingeht und auch sagt, das könnte ich mir vorstellen.
Ich werde das hier mit verfolgen und denke, das ist ein Anfang, dass man dort ansetzen und auch manches verändern könnte in der Beziehung Elternhaus-Schule und auch allein in Erziehung. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, von Seiten der Landesregierung kann ich Ihnen nur sagen, wir reden nicht schön, aber wir reden auch nicht schlecht, so wie es in vielen Beiträgen hier passiert ist.
Bevor ich zu dem komme, was ich sagen will, erstmal zu Ihnen, Frau Bechthum. Wenn Ihre Kinder, Verzeihung, keine Kinder kriegen, dann kann ich das nachvollziehen, wenn Ihnen so viel Angst gemacht wird, wie Sie hier vor dem Plenum gemacht haben.
Wenn es Menschen und Generationen gegeben hat, die Sorgen hatten, ob sie in dieser Zeit noch Kinder in die Welt setzen können, dann ist es die Generation gewesen, die jetzt vor mir sitzt. Im geteilten Deutschland - und ich sage Ihnen ganz ehrlich - ich habe in den 60er- und auch in den 70er-Jahren so manchmal nachts einen Traum gehabt, dass ich eingezogen worden bin im Krieg, und ich habe drei Kinder gehabt. Ich bin nass geschwitzt aufgewacht. Gott sei Dank, in den letzten 10 und 15 Jahren habe ich diese Träume nicht mehr haben müssen.
Und was die Lebensangst angeht, sie brauchen keine Lebensangst zu haben, sondern haben Chancen, meine Damen und Herren.
Ich spreche überhaupt nicht ab, dass viele der Jugendlichen Sorgen haben, wie sich ihre Entwicklung weiter vollzieht. Ich sage ganz bewusst und ausdrücklich, wir müssen unseren Jugendlichen und wir müssen unseren Kindern helfen, aber solche Panikmache, die lehne ich ausdrücklich ab.
Meine Damen und Herren, die Thüringer Landesregierung behauptet nicht, dass bei uns etwa alles vollkommen wäre. Wenn Sie den Bericht lesen, dann lesen Sie auch eine Vielzahl von Anmerkungen, wo wir entweder weitergehen müssen, oder wo wir etwas neu überlegen müssen. Frau Pelke, deswegen habe ich es gesagt, so ein Bericht ist kein Kochbuch. Wir werden Ihnen sagen, wo wir etwas anders und wie wir etwas anders machen müssen. Sie hatten nun gestern schon Geburtstag, sonst hätte ich Ihnen ein Kochbuch geschenkt.
Vielleicht kommen wir noch einmal darauf zurück. Aber, Frau Pelke, eins muss ich Ihnen sagen, eine Sachverständigenkommission ist nicht ein Allerweltsheilmittel. Die Landesregierung nimmt es für sich durchaus in Anspruch, Ergebnisse einer Sachverständigenkommission sich anzu
sehen, zu werten, diese Ergebnisse zu ihrer eigenen Meinung zu machen oder zu sagen, an den und den Punkten haben wir eine ausdrücklich andere Meinung.
Die Thüringer Landesregierung gehört nicht zu denen, die eine Kommission nach der anderen einsetzen und sich dann hinter Meinungen von Kommissionen verstecken. Am Ende kann es ja dabei rauskommen, wie bei der RürupKommission, dass man ein Ypsilonprogramm hat, dass man zwei Sachverständige in der Kommission hat - der eine sagt so und der andere sagt so. Ich bin gespannt, auf welche Meinung man sich denn einigen wird.
Selbst dann, meine Damen und Herren, wenn wir feststellen sollten, Frau Bechthum, auch dieses, dass eine Entwicklung oder eine gewisse Entwicklung und eine allgemeine Situation da ist, die nehmen wir zur Kenntnis. Wenn wir meinen, dass diese Situation nicht gut ist und nicht richtig ist, dann sind wir als Landesregierung verpflichtet gegenzusteuern
und dieses nicht einfach als gegeben hinzunehmen und zu sagen, so ist es nun mal und so müssen wir weitermachen.
Meine Damen und Herren, hier in diesem demokratischen Thüringer Landtag darf ich auch einmal darauf hinweisen, das ist eine politische Aussage: Es war die SPD und es waren die SPD-geführten Bundesregierungen und der Bundesvorstand der SPD, die die Gegebenheit hingenommen haben, es gibt zwei deutsche Staaten, und wir machen eine Vereinbarung mit der SED. Und die Lebenslüge, die deutsche Lebenslüge, ist das Wort von der deutschen Einheit. Die CDU hat eben diese Gegebenheit nicht als eine Dauersituation hingenommen, sondern hat gesagt, wir halten bei all dem dennoch an der deutschen Einheit fest. Man muss doch in der Lage sein, wenn man etwas für richtig und für gut erkannt hat, diesen Weg auch konsequent weiterzugehen.
Meine Damen und Herren, die heutige Debatte über den Elften Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung und die Konsequenzen für Thüringen haben schon eine Bedeutung für uns hier im Thüringer Landtag. Ich habe am Anfang gesagt, dass wir dieses sehr kritisch bewertet haben, dass wir die positiven und die negativen Seiten und das, was wir teilen und das, was wir nicht teilen in diesem Bericht aufgeschrieben haben. Es sei an dieser Stelle auch einmal meinen Mitarbeitern herzlich gedankt für diesen, auch nach meinem Dafürhalten, sehr konstruktiven, sehr kritischen, aber auch nach vorn weisenden Bericht.
Meine Damen und Herren, einig sind wir uns aber wohl alle darüber, es ist ein Kinder- und Jugendbericht, dass
es eigentlich ein Familien-, Kinder- und Jugendbericht ist und dass Familien- und Jugendpolitik ein Schlüsselthema für die Zukunft unseres Landes darstellt. Deswegen eben auch meine Vorbemerkungen, dass wir uns überlegen müssen, ob wir etwas als gegeben hinnehmen und sagen, so ist es nun mal, wir können ja auch die demographische Entwicklung als gegeben hinnehmen und sagen, na gut, so ist es nun mal, dass immer weniger Kinder geboren werden, und wir müssen uns darauf einstellen und müssen so weitergehen. Wir machen ja gerade Politik, damit wieder mehr Kinder geboren werden.
Meine Damen und Herren, wer am Dienstag den Vortrag des Altmeisters der deutschen Familienwissenschaft Prof. Wingen im Rahmen des Erfurter Dialogs gehört hat, dem ist, glaube ich, eindrücklich klar geworden, dass wir durch den Geburtenrückgang vor einer demographischen Krise stehen; ich sage nicht Katastrophe, Katastrophe wäre schon das Endergebnis. Ich sage Krise, denn das Wort Krise beinhaltet eine Gefahr, bedeutet aber genauso gut eine Chance.
Wir müssen diese Chance nutzen, die wir haben. Prof. Wingen hat vor diesem Hintergrund an die demokratischen Politiker appelliert, weniger den Demoskopen und mehr den Demographen Gehör zu schenken und deswegen hat Frau Abgeordnete Arenhövel vorhin auch gleich eingehakt. Die Politik für Familien und damit für die Menschen aller Generationen könne letztlich nicht als Tagespolitik angelegt sein. Und das sollten wir uns alle merken. Was er damit sagen wollte, liegt auf der Hand: Demokratische Politik darf nicht zugunsten kurzfristiger Notwendigkeiten und Wünsche die langfristigen Bedürfnisse der Bevölkerung außer Acht lassen.
Und wenn beispielsweise das Thüringer Landesamt für Statistik einen massiven Bevölkerungsrückgang bei immer stärkerer Alterung dieser Bevölkerung prognostiziert, dann ist nach den Gründen und eben nach den politischen Handlungsmöglichkeiten zu fragen.
Der Thüringen-Monitor ist mehrfach hier schon erwähnt worden. Der Thüringen-Monitor 2002 sagt, dass 94 Prozent der Befragten unseres Freistaats gern Kinder hätten oder haben. Aber nur etwa die Hälfte der Befragten hat sich diesen Wunsch erfüllt. Und, meine Damen und Herren, absurd wird es für mich dann etwas, wenn nach den Gründen des nicht erfüllten Kinderwunsches gefragt wird, und da steht dann eine mangelnde Kinderbetreuung ganz oben auf der Begründungsskala. Das kann ich dann beim besten Willen nicht mehr nachvollziehen.