Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich kann die Aussprache schließen und stelle zunächst fest, was den PDSAntrag betrifft in Drucksache 3/3355, dass das Berichtsersuchen erfüllt ist, sofern sich dagegen kein Widerspruch erhebt. Das ist nicht der Fall. Im Blick auf den Antrag der CDU-Fraktion in Drucksache 3/3350 wurde Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst beantragt. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Ich werde noch darauf hingewiesen, die Fortsetzung der Beratung zum Bericht. Kann das dann mit der Ausschussüberweisung des CDU-Antrags gemeinsam im Ausschuss gemacht werden?
Muss das auch noch einmal abgestimmt werden? Also stimmen wir darüber auch noch ab. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. Auch sehr einmütig. Gegenstimmen - jetzt zu beiden. Das ist nicht ersichtlich. Enthaltungen? Auch nicht. Dann ist die Überweisung des CDU-Antrags einschließlich der Fortberatung des Berichts an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst so beschlossen. Damit schließe ich den Tagesordnungspunkt 18 in seinen Teilen a und b.
Die Reform des Arbeitsmarktes und Auswirkungen auf den Thüringer Arbeitsmarkt Bericht der Landesregierung dazu: Beschluss des Landtags - Drucksache 3/3317
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe bereits in der Plenarsitzung im Dezember 2002 über erste Auswirkungen der Hartz-Vorschläge auf den Arbeitsmarkt berichtet. Damals waren die im heutigen Antrag der Fraktion der CDU angesprochenen konkreten Gesetze noch im Bundesrat bzw. Vermittlungsverfahren. Bereits damals konnte man konstatieren, dass die Vorschläge durchaus einzelne, sinnvolle Verbesserungen bei der Vermittlung, bei den Minijobs oder hinsichtlich der vorgesehenen Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe bringen.
Thüringen hat sich im Bundesrat zu den Hartz-Gesetzen deshalb nicht grundsätzlich ablehnend gezeigt, sondern konstruktiv an Verbesserungen mitgearbeitet, die insbe
sondere bei den Minijobs und hauswirtschaftlichen Dienstleistungen auch erreicht wurden. Wir haben damals aber schon gesagt, meine Damen und Herren, weder die HartzVorschläge in Gänze noch die so genannten Hartz-I- und Hartz-II-Gesetze bringen die Wende für den Arbeitsmarkt in den neuen Ländern. Wir erinnern uns alle noch an die hoch gesteckten Erwartungen der Bundesregierung im Sommer vergangenen Jahres, auch wenn sie sich nicht der Auffassung von Herrn Hartz in konkreten Zahlen anschloss, 2 Mio. Arbeitslose weniger, so wurde das Konzept doch als weit gehende Lösung arbeitsmarktpolitischer Probleme vorgestellt. Das ist nicht eingetreten. Die Arbeitslosigkeit in Deutschland liegt fast um eine halbe Million Arbeitslose höher als im Vergleichsmonat des Vorjahres.
Die Bundesregierung geht im Jahresdurchschnitt 2003 von rund 4,5 Mio. Arbeitslosen aus. Das ist auch eine halbe Million mehr als die Prognose im Herbst vergangenen Jahres. Die Vorausschätzung des gesamtwirtschaftlichen Wachstums wurde auf 0,75 Prozent nach unten korrigiert.
In den Büchern stand am Anfang, meine Damen und Herren, 1,5. Nun braucht man das nur mit der Prognose der OECD vergleichen, die von einem wirtschaftlichen Wachstum von 0,3 Prozent ausgeht. Einzelne, in der Wirkung recht bescheiden ausfallende Instrumente der Arbeitsmarktpolitik können die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland nicht abbauen, insbesondere, meine Damen und Herren, nicht in den neuen Ländern. Dem Grundübel der konjunkturellen Erlahmung können Sie gar nicht entgegenwirken. Deutschland braucht insgesamt grundlegende und mutige Reformen in der Wirtschafts- und Steuerpolitik,
zugleich zur nachhaltigen Stabilisierung der Sozialversicherungssysteme und damit zur Reduzierung gesetzlicher Lohnzusatzkosten.
Meine Damen und Herren, bevor ich Ihnen den konkreten Stand der einzelnen neuen Maßnahmen erläutere, angefangen beim Job-Aqutiv-Gesetz über die beiden HartzGesetze bis zum Programm "Kapital für Arbeit", einige Anmerkungen zur derzeitigen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt.
Wir haben ganz aktuell die neuen Zahlen für den Monat Mai bekommen. Die Arbeitslosigkeit sowohl in Deutschland mit 4,3 Mio. als auch in Thüringen mit 209.000 ist höher als im Vorjahr. Thüringen liegt mit einer Quote von 16,7 Prozent um 1,9 Prozentpunkte unter dem Durchschnitt der neuen Länder.
Die Arbeitslosigkeit, meine Damen und Herren, das muss man aber trotzdem klar und deutlich sagen, ist noch viel zu hoch. Besondere Sorge bereitet die Entwicklung der Langzeitarbeitslosigkeit mit einem Anteil von 38 Prozent an den Arbeitslosen und - was mir persönlich auch besonders wehtut - die hohe Jugendarbeitslosigkeit. Diese Entwicklung verdeutlicht bereits, die im SGB III neu geschaffenen Instrumente und auch die Reformen von Rotgrün auf dem bundesdeutschen Arbeitsmarkt reichen bei weitem nicht aus, auch wenn mit der Agenda 2010 zumindest erste Ansätze erkennbar sind. Bis zur Zustimmung zur Agenda war es allerdings ein schwieriger Prozess. Das haben Sie auch miterlebt innerhalb der SPD.
Neue Förderinstrumente, meine Damen und Herren, wie sind die bisherigen Ergebnisse in Thüringen mit Stand Ende April 2003? Zum Teil kann ich Ihnen auch die Vergleichszahlen auf Bundesebene nennen. In Thüringen werden derzeit 43 Personalservice-Agenturen, so genannte PSA eingerichtet, in denen insgesamt lediglich 1.948 Plätze zur Verfügung stehen. Dies ist eine verschwindend geringe Zahl, wenn man bedenkt, dass die PSA als Herzstück des Hartz-Konzepts bezeichnet wurde. Auch die Anzahl der bisher in Thüringen gegründeten Ich-AGs ist mit 505 gering. Bundesweit waren es bis Ende April 15.855. Das Instrument der Entgeltsicherung für Ältere wurde bis Ende April sogar nur 18-mal - Sie hören richtig - in Anspruch genommen, bundesweit ganze 363-mal. Bei der Jobrotation sind es bislang 25 Fälle, bundesweit 737 und bei der Beschäftigung schaffenden Infrastrukturförderung (BSI) 158, bundesweit 787. Von den in Thüringen ausgegebenen 2.467 Vermittlungsgutscheinen wurden lediglich 322 eingelöst. Bundesweit wurden 34.650 ausgegeben und 3.451 eingelöst. Der Arbeitsentgeltzuschuss zur beruflichen Weiterbildung Ungelernter und von Arbeitslosigkeit Bedrohter wurde von den Thüringer Arbeitsämtern insgesamt nur 22-mal gewährt; bundesweit 796mal. Das von der Kreditanstalt für Wiederaufbau ausgereichte Kreditvolumen im Programm "Kapital für Arbeit" belief sich für Thüringen Anfang Mai zwar auf fast 3 Mio. diglich 37 Arbeitsplätzen verbunden.
Meine Damen und Herren, wie Sie an den Zahlen sehen, sind die direkten Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in Thüringen, man kann sagen, äußerst bescheiden. Auch eine etwas stärkere Inanspruchnahme brächte keine Lösung der Probleme. Ich will den Arbeitsämtern nicht den guten Willen absprechen. Ebenso sind einige Ansätze es wert, in der Inanspruchnahme verbessert zu werden, wie z.B. bei dem Thema "Jobrotation". An PSA und Ich-AGs habe ich aber insgesamt meine fachlichen Zweifel,
wenn man über den arbeitsmarktpolitischen Tellerrand hinausschaut und diese Ansätze auch unter wirtschaftspolitischen Aspekten betrachtet. Der Schwerpunkt der momentanen Diskussion liegt aber gar nicht bei den Instru
menten oder den Hartz-Vorschlägen, die schon fast wieder, man könnte sagen, in Vergessenheit geraten sind. Wir diskutieren derzeit über den immer noch ohne Zuschuss des Bundes veranschlagten Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit. Das führt zu erheblichen Einschnitten in der aktiven Arbeitsmarktpolitik in den neuen Ländern. Deutlich wird dies z.B. an den Kürzungen im Eingliederungstitel der Bundesanstalt für Arbeit, die sich allein in Thüringen auf 143,5 Mio. ' Defizit bei der Bundesanstalt für Arbeit von jetzt schon über 6 Mrd. % ( ) men und Herren, wird die Bundesanstalt in diesem Jahr nicht auskommen genauso wie im vergangenen Jahr. Ich glaube, die 6 Mrd. sind auch etwas zu niedrig gegriffen, ich glaube schon, dass es etwas mehr werden wird. Einige Insider sprechen sogar schon von 10 Mrd.
Meine Damen und Herren, man hätte also auch gleich mit realistischen und für die neuen Länder vernünftigen Grundlagen arbeiten können. Ich will aber nicht nur über den Bund reden, sondern auch über Initiativen des Landes. Die Landesregierung hat als Ergebnis der Gesprächsrunde der Tarifpartner beim Ministerpräsidenten eine Expertengruppe "Arbeitsmarkt" auf Spitzenebene mit dem Verband der Wirtschaft, dem DGB, dem Landesarbeitsamt und dem Kommunalen Arbeitgeberverband eingerichtet. Wir wollen demnächst ein gemeinsames Eckpunktepapier für mehr Beschäftigung und zur Weiterentwicklung der Arbeitsmarktpolitik verabschieden. Wir gehen dort über die rein arbeitsmarktpolitischen Ansätze der Reform auf Bundesebene hinaus und stellen Lösungen deutlich stärker in den beschäftigungspolitischen Vordergrund. Wir wollen damit konstruktiv zur Verbesserung der Entwicklung und zu wirksamen Reformansätzen beitragen. Ich kann aber den Ergebnissen, dafür werden Sie Verständnis haben, hier nicht im Detail vorgreifen. Aber hoch gelobte Hartz-Konzepte, die letztlich in Reförmchen auf Bundesebene und einigen Neuansätzen in der Förderung enden - so viel zur 1:1-Umsetzung -, können nicht allein die Lösung sein. Das belegt die negative Entwicklung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt in Deutschland. Derzeit warten wir auf die so genannten Harz-III- und -IV-Gesetzentwürfe, in denen es um den konkreten Umbau der Bundesanstalt für Arbeit sowie die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe geht. Zu dem letztgenannten Thema wurde gestern hier eingehend beraten und wir haben auch hier die unterschiedlichen Standpunkte ausgetauscht. Aber, meine Damen und Herren, wenn es um die Umgestaltung der Bundesanstalt für Arbeit geht, dann muss man sich auch die Frage stellen, ob es notwendig ist, dass man nochmals zusätzlich 50 Mio. % fügung stellt, um Beratungsunternehmen aufzufordern, doch einige Vorschläge zu unterbreiten. Ich glaube, das Geld hätte man auch anderweitig verwenden können.
Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass im Bundesrat dazu eine konstruktive Diskussion geführt wird.
Zu Hartz-III möchte ich eine letzte Anmerkung machen: Ich bin für den Erhalt und die Kompetenzstärkung der Landesarbeitsämter als Partner der Länder in der Arbeitsmarktpolitik und dieses werden wir auch als stellvertretendes Mitglied im Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit bzw. die ordentlichen Mitglieder hier klar und deutlich zum Ausdruck bringen. Die Spitze der Bundesanstalt für Arbeit hält diese Mittelinstanz jedoch nur "für zunächst noch erforderlich". Nach eigenen Vorschlägen des Vorstands sollen deshalb die Landesarbeitsämter nicht mehr im SGB III verankert sein, sondern in der Entscheidungskompetenz des Vorstands liegen.
Meine Damen und Herren, ich lehne solche zentralistischen Bestrebungen klar und deutlich ab und hoffe, dass die Bundesregierung im Gesetzentwurf für klare Verhältnisse für die Landesarbeitsämter und somit zugunsten der Länder sorgt.
Die Damen und Herren Abgeordneten der SPD sollten dieses gemeinsame Anliegen, meine Damen und Herren, unterstützen. Vielen Dank.
Möchte eine Fraktion die Aussprache beantragen? Die CDU-Fraktion, die SPD-Fraktion auch; beide Fraktionen beantragen die Aussprache zum Bericht. Als erster Redner hat sich der Abgeordnete Dr. Müller, SPD-Fraktion, zu Wort gemeldet.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchte zunächst eine Vorbemerkung machen: Dieser Antrag auf Berichtsersuchen hat ja ein bisschen einen eigenartigen Vorverlauf. Zunächst war im April eine Aktuelle Stunde geplant zu den Themen Hartz-I und -II. Im Mai war dann der erste Versuch zum Berichtsersuchen und das wurde jetzt auf den Juni verschoben. Offenbar war die Datenlage nicht so ganz klar, weil das gewiss auch schwierig ist. Wir wissen, die Arbeitsmarktdaten sind nicht gut, die Gesetze sind relativ neu und man hat eigentlich gar keine richtig statistisch untersetzten Aussagen über die Beurteilung der allgemeinen Entwicklung. Wir wissen, wir sind eingebettet in eine allgemeine wirtschaftliche Situation. Wir haben am Wochenende das Treffen der G-8-Staaten gehabt. Alle G-8-Länder haben Probleme mit dem Staatsdefizit, alle G-8-Länder haben Probleme mit dem Renten- und Gesundheitssystem, vor allen Dingen wegen der demographischen Entwicklung. Deutschland ist keine Insel und schon gar kein Schwimmer, der ständig gegen den Strom schwimmen kann.
Deutschland ist Exportland, der Euro steht hoch und die amerikanische Wirtschaft lahmt und es fehlen die Arbeitsplätze wegen mangelnder Konsumtion. Wir wissen, dass durch Verunsicherung die Umsatzsteuern hier erheblich zurückgegangen sind. Die CDU-Opposition blockiert aus Machtkalkül im Bundesrat.
Bei den Job-Centern wurde mir gestern vorgeworfen, ich solle doch die Gesetzgebung abwarten und jetzt machen Sie es im Prinzip ganz genauso. Ich bin gespannt, was Sie tun, wenn im Juni/Juli die entsprechenden Gesetze im Bundestag oder Bundesrat vorliegen und dann werden wir Ihre Position und die Folgen bewerten. Und überhaupt: Wo sind denn Ihre Vorschläge, wie Sie aus den konjunkturellen und strukturellen Problemen, die wir hier im Land haben, herauskommen wollen? Herr Staatssekretär hat gerade etwas vage angedeutet, aber ich habe nichts Konkretes gehört.
Es gibt mittlerweile ein deutliches Bekenntnis zum zweiten Arbeitsmarkt in Ostdeutschland seitens der Bundesregierung. Selbst Herr Gerster hat eingesehen, dass Ostdeutschland eben nicht zu vergleichen ist mit seinen rheinlandpfälzischen Erfahrungen. Zu seiner Bemerkung - hier muss ich Ihnen Recht geben, Herr Staatssekretär, das habe ich auch nicht verstanden, wie sich ein Chef dieser großen Behörde hinstellen und versprechen kann, dass er ohne Bundeszuschuss auskommt, weil man doch eigentlich wissen muss, wie die Rechtslage in der Behörde ist. Aber jetzt muss ich mal überschwenken, ich bin ja auch Finanzpolitiker, ich kenne das auf der Landesebene auch. Ich sage mal, Justizministerium, Strafvollzug, wo wir die jährliche Diskussion haben, es sind ja Pflichtaufgaben, geben wir erst einmal einen Betrag an und es wird dann immer wieder korrigiert. Man kennt das überall, wenn man sich mit Haushalten beschäftigt, wo man Pflichtaufgaben bewusst etwas niedriger hält, weil die am Ende sowieso finanziert werden müssen. Dem Finanzminister gegenüber ist das natürlich kein faires Verhalten.
Seit wenigen Tagen liegt das Sonderprogramm des Bundes "JUMP plus" vor, hiermit soll 100.000 Jugendlichen bis zum 25. Lebensjahr der berufliche Einstieg erleichtert werden. Der Förderschwerpunkt wird in den neuen Ländern liegen. Es gibt ein Bekenntnis zu einem Sonderprogramm des Bundes "Arbeit für Langzeitarbeitslose" ebenfalls mit einem Volumen für 100.000 Langzeitarbeitslose und ebenfalls mit dem Förderschwerpunkt in struk
turschwachen Regionen, das heißt vordringlich bei uns. Es ist in der Tat so, dass die Entwicklung der Langzeitarbeitslosen bei uns Besorgnis erregend ist.
Meine Damen und Herren, ich weiß, dass dies die Arbeitsmarktprobleme nicht grundlegend beseitigt, weil man das über die Arbeitsmarktpolitik allein selbstverständlich gar nicht machen kann, aber es verhilft 200.000 Menschen zu einem beruflichen Einstieg und zur Hoffnung. Es verhilft in unserem Land zu einem Mehr an Kaufkraft und es trägt zur Strukturentwicklung unserer Städte und Gemeinden bei. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wer bietet das brauchbarste Konzept zur Veränderung der Situation der Arbeitslosen - das scheint der Streitpunkt zu sein, der gern parteipolitisch gefärbt so beantwortet wird, dass jeweils der andere Schuld ist. Das haben wir gerade wieder gesehen. Allerdings helfen tut das den Betroffenen tatsächlich helfen tut das den Betroffenen wenig, weil es sich lediglich um Argumentationsketten handelt, aber nicht um Lösungsansätze zur Beseitigung der Situation. Was wir brauchen, wäre eine Marktanalyse, wenn man denn den Arbeitsmarkt verändern will, und diese Analyse bringt klar und deutlich an den Tag, dass wir massenhaft vorhandene Arbeit haben, aber keine bezahlte Arbeit, kein Geld für die Bezahlung. So jedenfalls wird uns das suggeriert. Und dieses Problem der Nichtbeschäftigung, was in Thüringen nahezu eine halbe Million Menschen betrifft, wird weder vom Bund gelöst mit dem, was Hartz anbietet, noch von Landesseite mit den Schuldzuweisungen gegenüber dem Bund.
Aber diese Aufgabe hat zwei Seiten und zwei Partner und deshalb will ich sowohl auf die Bundesseite als auch auf die Landesseite kurz eingehen: Der Bund benutzt - und das ist zweifelsfrei, das ist auch in regierungsamtlichen Dokumenten nachzulesen - die Arbeitsmarktpolitik als Spartopf für seinen Haushalt. Ziel, so ist in internen Papieren zu lesen, ist es, nahezu 5,9 Mrd. durch Veränderung der Arbeitsmarktpolitik einzusparen, allein 2,5 Mrd. durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Gleichzeitig ist der Bund der Auffassung, dass man von diesem eingesparten Geld gleich wieder 1 Mrd. brauchen würde, um 9.000 bis 16.000 neue Stellen zu schaffen in den Job-Centern, um zusätzliche Beschäftigte zur Verwaltung der Arbeitslosigkeit einzustellen. Ursprünglich hieß das mal anders. Ursprünglich in dem Ansatz zur Arbeitsmarktreform 2000 hieß es: Von den nahezu 95.000 Beschäftigten in der Bundesanstalt für Ar
beit müsse man wegkommen, das wäre ein aufgeblähter Apparat, den umzustrukturieren, müsse etwas unternommen und entsprechende Aktivitäten entfaltet werden. Nach Hartz und anderen Diskussionen über Arbeitsamt 2000 und versprochene Reformen - nun mittlerweile drei Jahre versprochenen Reformen - ist das Ergebnis also der zusätzliche Bedarf von 9.000 bis 16.000 Stellen und ein zusätzlicher Pesonalkostenaufwand von 1 Mrd., nicht um neue Arbeitsplätze zu schaffen, sondern um Arbeitslose zusätzlich zu verwalten. Das ist nicht die Lösung des Problems. Aber ich sagte es bereits, man scheint sich mit der Lösung des Problems auch nicht beschäftigen zu wollen, denn man delegiert dieses Problem auf die Betroffenen, indem man Schuldzuweisungen macht, das Problem individualisiert und die Arbeitslosen für ihre Situation verantwortlich macht. Störend bei diesem Ganzen ist allerdings die Statistik. Deshalb hat man sich auch dort etwas einfallen lassen, so dass in der vorletzten Woche ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums erklärte in Berlin, es ist geplant, ab 2005 - und das darf ich zitieren, Frau Präsidentin: "... auch in Deutschland die Zählung der Internationalen Arbeitsorganisation ILO einzuführen." Danach, meine Damen und Herren, gelten als nicht mehr Arbeit Suchende diejenigen, die mindestens 1 Stunde pro Woche arbeiten. Das heißt, wer ab nächstes Jahr 1 Stunde pro Woche arbeitet, zählt nicht mehr als Arbeitsloser, es besteht sogar die Gefahr, dass man ihn als sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Zukunft in den Statistiken führt. Das ist der Gipfel der Unverschämtheit und das kann so in dieser Form nicht hingenommen werden.
Meine Damen und Herren, wir haben es mit einer ganz spezifischen Situation im Arbeitsmarktbereich Ost zu tun. Allerdings wird diese Spezifik des ostdeutschen Arbeitsmarkts in keinem der Analysepapiere der Bundesregierung wahrgenommen oder ausgeführt. Nach wie vor ist es so, dass mit pauschalen Ansätzen in der Arbeitsmarktpolitik das Problem versucht wird zu lösen und für diese spezifische Ostproblematik nicht ein einziger Ansatz in den Papieren, aber auch in den Reden der politisch Verantwortlichen in Berlin zu finden ist. Kein Wort von einer Innovationszone Ost, die von mehreren Seiten, insbesondere von Seiten der PDS, vorgeschlagen wurde. Kein Wort von einem Innovationsprogramm Ost, das dringend notwendig wäre, um die Infrastrukturproblematiken aufzugreifen bzw. Lösungsansätze dafür zu finden. Das ist die Situation, die wir vorfinden. Allerdings auch kein Wort zu der Abwandungsproblematik und Pendlerströmen aus Ost in das Altbundesgebiet, die das Arbeitskräftepotenzial der neuen Bundesländer nachhaltig schwächen und insbesondere auch das Potenzial in Thüringen nachhaltig schwächen, weil damit massenhaft Verlust von hoch qualifizierten Arbeitskräften verbunden ist, denn wer hier keine Arbeitsbedingungen findet, geht in die alten Bundesländer und steht für diesen Arbeitsmarkt hier nicht mehr zur Verfügung. Der vermeintliche Standortvorteil hoch qualifizierter
Arbeitskräfte hier in Thüringen geht damit sukzessive verloren. Das ist das Ergebnis und die Folge des Handelns des Bundes bei der vermeintlichen Reform des Arbeitsmarkts. Ich wiederhole es noch mal: Keine Marktanalyse, pauschales Handeln, Nichteingehen auf die Spezifiken in einem bestimmten Bereich - das kann, und das sind Binsenweisheiten aus der Schule, nicht funktionieren und das wird nicht funktionieren, ob nun Hartz III und Hartz IV noch zusätzlich kommen und das Problem weiter verschärfen werden oder nicht.