Protokoll der Sitzung vom 06.06.2003

Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Abgeordnete und weil es der erste ordentliche Tagesordnungspunkt nach so geschichtsträchtigen Ereignissen ist - sehr geehrter Herr Ministerpräsident Althaus und werte Kabinettsmitglieder, bevor ich Ihnen den Bericht des Petitionsausschusses vortrage, möchte ich auf den schriftlichen Arbeitsbericht in Drucksache 3/3346 hinweisen. Er ist auch unter der Internetadresse des Landtags über die Internetseite des Petitionsausschusses erreichbar.

Der Bericht enthält Zahlen, mit denen die Arbeit des Ausschusses statistisch belegt wird, Themenschwerpunkte zur Arbeitsweise des Ausschusses und eine Reihe von Einzelfällen. Mit den Einzelfällen wird ein anschauliches Kompendium der vielseitigen Probleme vorgelegt, die in den Petitionen stecken.

Meine Berichterstattung hier im Plenum beschränkt sich auf ausgewählte Punkte der Ausschussarbeit im Jahr 2002.

Im Jahr 2002 sind beim Petitionsausschuss des Thüringer Landtags 888 Eingaben eingegangen. Darunter waren 35 Sammel- und Massenpetitionen, hinter denen eine mehr oder weniger große Zahl von Bürgern steht. Sie hatten u.a. die personelle Ausstattung in Kindertageseinrichtungen, den Erhalt von Krankenhausstandorten, die Müllverbrennung, die Zukunft der Theater, den Aufenthalt von Ausländern, den Landeshaushalt und das Pflegewohngeld zum Gegenstand.

Zusammen mit den 523 Eingaben aus den Vorjahren waren somit 1.411 Petitionen zu bearbeiten. Zum Vergleich: Im Jahr 2001 gab es 900 neue Eingaben. Das waren nur 12 mehr als im Berichtszeitraum. Damit blieb die Zahl der Neueingaben etwa gleich. Auf diesem Niveau bewegen sich die Neueingaben bereits seit 1999.

In 11 Ausschuss-Sitzungen haben die Abgeordneten 1.111 Petitionen behandelt, 868 abschließend. Eine Entscheidung im Sinne der Petenten konnte im Ausschuss bei 71 Fällen, das sind 8,2 Prozent aller abschließend behandelten Eingaben, herbeigeführt werden. Durch Auskünfte und Hinweise, das heißt durch Aufklärung der

Sach- und Rechtslage, hat der Petitionsausschuss in 388 Fällen, das sind 44,7 Prozent aller abschließend behandelten Eingaben, zur Lösung der Probleme beigetragen. Bei 246 Eingaben musste der Petitionsausschuss feststellen, dass dem vorgebrachten Anliegen nicht abgeholfen werden kann. Insgesamt konnte der Ausschuss ca. zwei Drittel der Petitionen damit abschließen, dass dem Anliegen entsprochen wurde oder durch Informationen aufgeklärt, durch Weiterleitung an zuständige Stellen unterstützt sowie auf eine Problematik überhaupt aufmerksam gemacht worden ist.

In 2002 gab es 45 mündliche Petitionen. Die mit diesen 45 Petitionen verbundenen Gespräche sind nur ein Bruchteil der unzähligen persönlichen Gespräche zu Petitionen und solchen Anliegen, die nicht in einem Petitionsverfahren münden und dennoch einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Ausschusses und des Petitionsreferats der Landtagsverwaltung ausmachen. Der Petitionsausschuss führte 2002 drei Bürgersprechstunden durch - vier waren geplant, durch Gutenberg-Gymnasium musste eine ausfallen. Das ist darauf zurückzuführen, dass der Bürgerbeauftragte regelmäßig Bürgersprechstunden in jedem Landkreis durchführt, aber der Petitionsausschuss ebenfalls von den Bürgern mit Rat und Tat und Auskunft gewünscht wird. Der Härtefonds des Petitionsausschusses zur Unterstützung bei außergewöhnlichen Notständen in Höhe von 12.800      die Mittel sehr begrenzt sind, fällt dem Ausschuss die Entscheidung, wem eine Unterstützung gewährt wird, oft nicht leicht. Um sich vor Ort über die Sachlage zu informieren oder das Gespräch mit Bürgern zu suchen, führte der Petitionsausschuss weitere Ortstermine durch, die oft von den mit der Sache vertrauten Mitgliedern des Ausschusses wahrgenommen wurden. Daneben machten sich immer wieder einzelne Mitglieder des Ausschusses an Ort und Stelle sachkundig.

Im Rahmen einer auswärtigen Sitzung im Thüringer Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen und im Staatlichen Amt zur Regelung offener Vermögensfragen in Gera informierte sich der Petitionsausschuss über aktuelle Probleme bei der Bearbeitung von vermögensrechtlichen Ansprüchen. Er konnte dabei feststellen, dass über 90 Prozent der Restitutionsanträge abgearbeitet sind. Bei den Verfahren nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsgesetz waren erst 25 Prozent der Anträge bearbeitet. Mit der Abarbeitung des Großteils der Restitutionsanträge gingen kontinuierlich auch die entsprechenden Petitionen auf diesem Gebiet zurück.

Der Strafvollzugskommission gehört zurzeit neben fünf Mitgliedern des Petitionsausschusses auch ein Mitglied des Justizausschusses an, was als sehr sachdienlich angesehen wird. Denn der Justizausschuss kann damit über die Beratungsgegenstände der Strafvollzugskommission durch das Mitglied des Justizausschusses sofort und unmittelbar informiert werden und Erkenntnisse können so unmittelbar auch dorthin transportiert werden. Die Straf

vollzugskommission behandelt gemäß ihrer Geschäftsordnung die ihr vom Petitionsausschuss überwiesenen Eingaben und befasste sich mit dem Vollzug von Untersuchungshaft, Freiheitsstrafen, freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung, insbesondere mit der Unterbringung, Arbeits- und Verpflegungsverhältnissen der Anstaltsinsassen sowie deren Bildungsmöglichkeiten, den besonderen Bedingungen beim Vollzug an jugendlichen Anstaltsinsassen, besonderen Vorkommnissen im Vollzug, der Arbeitssituation sowie der Aus- und Fortbildung der Vollzugsbediensteten. Um sich vor Ort zu informieren, besuchte die Strafvollzugskommission die Strafanstalt in Weimar, die Justizvollzugsanstalt SuhlGoldlauter und die neu errichtete Justizvollzugsanstalt in Tonna.

In der neu errichteten Justizvollzugsanstalt in Tonna erfuhr die Strafvollzugskommission, dass bei der Konzeption der Anstalt der Gedanke, die Gefangenen in kleinen Vollzugsgruppen unterzubringen, sehr wichtig gewesen ist. Diesem Gedanken wurde durch die Aufgliederung der einzelnen Hafthäuser in einer L-Form Rechnung getragen. In der Mitte der Schenkel befindet sich jeweils der Aufsichtsraum. Jedem Hafthaus ist ein Gebäude mit Produktionsräumen, Sportraum, psychologischem Bereich und Freihof mit Sportfläche zugeordnet.

Die Justizvollzugsanstalt wurde zu einem Zeitpunkt belegt, als der erforderliche Probebetrieb noch nicht ganz abgeschlossen war, was zu Petitionen - auch von Bediensteten - geführt hatte. Bei diesen Petitionen kam hauptsächlich die nicht durchgeführte Abstimmung der Alarmanlage mit der Umgebung, was zu häufigem Fehlalarm führte, zur Sprache. Außerdem gab es Petitionen, mit denen Baumängel gerügt worden waren, die bei dem Besuch der Strafvollzugskommission bereits behoben waren. Die aus der Justizvollzugsanstalt Tonna stammenden Petitionen auch von Seiten der Gefangenen - spiegelten insbesondere die Probleme der Anfangszeit wider.

Im Übrigen betrafen Petitionen aus allen Anstalten vergleichbare Probleme, die neben den vollzugstypischen Problemen z.B. Überbelegung oder Beförderungsstau bei den Bediensteten - unseres Erachtens auch ein Resultat der Nichtbeförderung, vor allen Dingen in der 2. Legislatur beinhalteten.

Die Zusammenarbeit zwischen dem Petitionsausschuss und dem Bürgerbeauftragten bestimmt sich nach dem Thüringer Bürgerbeauftragtengesetz und wird auch nach diesem praktiziert. Im Jahr 2002 hat der Bürgerbeauftragte dem Petitionsausschuss 25 Petitionen zugeleitet, von denen der Ausschuss im Berichtszeitraum acht abschließend behandelt hat, ohne dass eine Abhilfe möglich gewesen wäre. Fünf Petitionen erklärte der Petitionsausschuss mit den erteilten Informationen für erledigt. Eine Petition erledigte sich in sonstiger Weise. Zwei Petitionen leitete der Petitionsausschuss zuständigkeitshalber an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages weiter. Bei drei Pe

titionen sah der Ausschuss von einer sachlichen Prüfung ab, da sie zivilrechtliche Angelegenheiten betrafen.

Bevor ich kurz auf Einzelfälle eingehe, werde ich drei Punkte der Arbeitsweise des Petitionsausschusses ansprechen.

So wirft die Behandlung von Petitionen, die parallel zu Widerspruchsverfahren oder einem gerichtlichen Verfahren eingelegt werden, immer wieder Fragen auf. Das Gerichtsverfahren und die Petition stellen auch bei zeitlicher Parallelität und identischem Gegenstand zwei unabhängig voneinander bestehende Möglichkeiten für den Petenten dar, seine Interessen zu verfolgen. Das sagen wir dem Petenten auch so. Denn der Petitionsanspruch aus Artikel 14 der Landesverfassung beinhaltet für den Petitionsausschuss auch die Pflicht zur sachlichen Prüfung. Dies setzt voraus, dass der Petitionsausschuss den Sachverhalt ermittelt und prüft. Um dem nachkommen zu können, besitzt der Petitionsausschuss eine Reihe von Befugnissen, wie sie auch ein Untersuchungsausschuss besitzt. Am häufigsten macht der Petitionsausschuss von seinem Auskunftsrecht - auch Petitionsinformationsrecht genannt - gegenüber der Landesregierung Gebrauch. Würde der Petitionsausschuss dabei zunächst die Entscheidung eines Gerichts abwarten, hätte dies zur Folge, dass er die Sache wegen der Entscheidung des Gerichts und deren Rechtsbindung für die Parteien des Rechtsstreits nicht mehr beeinflussen könnte. Die Sachprüfung würde bis zu einem Zeitpunkt verschoben, in dem die Sachprüfung wegen dem Verfassungsprinzip der Gewaltenteilung und der Unabhängigkeit der Richter unzulässig geworden wäre. Dies würde eine Verletzung der sachlichen Prüfungspflicht des Petitionsausschusses bedeuten. Der Petent hat aber Anspruch auf eine Sachprüfung durch den Petitionsausschuss soweit nicht das Verfassungsprinzip der Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Richter dem entgegenstehen. Das ist aber nur dann der Fall, wenn sie einen Eingriff in ein schwebendes gerichtliches Verfahren oder die Nachprüfung einer richterlichen Entscheidung bedeuten würde. Ein Eingriff in ein schwebendes gerichtliches Verfahren liegt aber nicht bereits dann vor, wenn sich der Petitionsausschuss mit dem Verhalten einer der Aufsicht des Landes unterstehenden Stelle befasst, auch wenn diese an dem gerichtlichen Verfahren beteiligt ist. Dies wird durch § 95 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags klargestellt. Widerspruchsverfahren sind keine Gerichtsverfahren, die sich aus den Verfassungen für Gerichtsverfahren ergebenden Grenzen bestehen für die Widerspruchsverfahren nicht. Der Petitionsanspruch aus Artikel 14 Landesverfassung bzw. die Pflicht des Petitionsadressaten zur sachlichen Prüfung wird durch ein in derselben Sache laufendes Widerspruchsverfahren nicht eingeschränkt. Das bedeutet, dass der Petitionsausschuss ungeachtet eines Gerichtsverfahrens oder Widerspruchverfahrens sein Petitionsinformationsrecht gegenüber der Landesregierung im Sinne einer Sachaufklärung geltend machen muss. Ein wesentliches Ergebnis der Petitionsarbeit besteht darin, durch Informationen durchschaubar zu machen, was sich den Betroffenen oft nicht

erschließt oder ohne weiteres auch nicht erschließen kann. Damit wird oft das Fundament für vernünftige Kompromisse gelegt. Der Petitionsausschuss wird so zum Vermittler, ich möchte sagen, fast zum Übersetzer zwischen dem Bürger einerseits und der Verwaltung andererseits. Dabei könnte so manche Eingabe vermieden werden, wenn die Entscheidung der Behörde allgemein verständlicher und klarer und damit für den Bürger nachvollziehbarer wäre.

(Beifall bei der CDU; Abg. Schemmel, SPD)

Nach § 99 Abs. 1 Nr. 1 a bis d der Geschäftsordnung des Landtages kann der Petitionsausschuss Eingaben der Landesregierung zur Berücksichtigung, zur Erwägung, zur Kenntnisnahme oder als Material überweisen. 2002 hat der Petitionsausschuss der Landesregierung eine Eingabe zur Berücksichtigung, also die höchste Form, überwiesen. Das bedeutet, dass der Petitionsausschuss das Anliegen als berechtigt ansieht und die Landesregierung deshalb entgegen ihrer bisherigen Auffassung gebeten wird, dem Anliegen zu entsprechen. Die Petition, die der Petitionsausschuss 2002 der Landesregierung zur Berücksichtigung überwiesen hat, betraf die Gewährung von Vertriebenenzuwendungen. Der Petent, den es hier betraf, arbeitete vom April 1956 bis September 1957 in NordrheinWestfalen. Sein Antrag auf Vertriebenenzuwendung wurde abgelehnt. Der Petent hat vorgetragen, dass er nie die Absicht hatte die DDR zu verlassen. Sein Lebensmittelpunkt seien immer seine Verlobte und sein 1956 geborenes Kind hier in Thüringen geblieben. In Nordrhein-Westfalen habe er nur gearbeitet, weil er im Osten keine Arbeit gefunden habe. Mit dem dort erarbeiteten Geld habe er die finanzielle Voraussetzung für die Gründung einer Familie schaffen wollen. 1957 habe er in Thüringen geheiratet. Außerdem habe er sich vom Dezember 1956 bis Februar 1957 nur in Thüringen bei seiner Familie aufgehalten. Kurz vor der Geburt seines zweiten Kindes im September 1957 habe er sein Arbeitsverhältnis in Nordrhein-Westfalen aufgegeben. Sein ständiger Aufenthalts- und Arbeitsort sei danach nur Thüringen gewesen. Nach den Verwaltungsvorschriften zum Vertriebenenzuwendungsgesetz ist für den Wohnsitz in dem hier in Rede stehenden Zeitraum maßgebend, ob der Aufenthalt außerhalb des Beitrittsgebiets von vornherein nur für eine begrenzte Zeit beabsichtigt war. Maßgeblich für diese Feststellung ist dabei der Wille, den neuen Niederlassungsort zum ständigen Schwerpunkt seiner Lebensinteressen zu wählen. Nach der Auffassung der Landesregierung hat der Petent damit, dass er über einen Zeitraum von 18 Monaten in der Bundesrepublik gewohnt und gearbeitet habe, zu erkennen gegeben, dass der Wohnsitz dort nicht nur vorübergehender Natur gewesen sei. Die Gründe für die Rückkehr in das Beitrittsgebiet seien die Heirat und die Geburt der Kinder gewesen. Insbesondere habe der Petent mit der Anmeldung seines Hauptwohnsitzes in Nordrhein-Westfalen seinen neuen Lebensmittelpunkt nach außen wohl dokumentiert. Dieser Auffassung ist der Petitionsausschuss entgegengetreten. Er war der Meinung, dass der Wohnsitz durch die

tatsächliche Niederlassung an einem Ort nur dann begründet wird, wenn die Niederlassung mit dem Willen verbunden ist, diesen Ort zum ständigen Ort und Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen. Dieser Wille, der so genannte Domizilwille, war nach Ansicht des Petitionsausschusses nicht gegeben. Er ging mit dem Petenten davon aus, dass der Aufenthalt in Nordrhein-Westfalen wegen der ohnehin bestehenden familiären Bindungen in Thüringen nicht zu einem anderen Lebensmittelpunkt führte. Daran vermag auch die Anmeldung des Hauptwohnsitzes in Nordrhein-Westfalen nichts zu ändern. Sie ist für die Wohnsitzbegründung weder erforderlich noch ausreichend, sondern lediglich ein Indiz. Deshalb hat der Petitionsausschuss die Eingabe der Landesregierung zur Berücksichtigung überwiesen. Die Landesregierung blieb jedoch bei ihrer Auffassung und führte keine Entscheidung im Sinne des Petenten herbei.

Die Überweisung zur Berücksichtigung ist das stärkste Mittel, die Interessen des Petenten gegenüber der Exekutive zur Geltung zu bringen. Der Petitionsausschuss nutzt zunächst andere Mittel, um die Landesregierung von seiner Auffassung zu überzeugen. Erst wenn dieses Mittel erfolglos bleibt, macht er von seinem Überweisungsrecht Gebrauch. Das erklärt die geringe Zahl von Überweisungsbeschlüssen. Der Petitionsausschuss kann wegen der verfassungsrechtlichen Gewaltenteilung zwar nicht erzwingen, dass die Landesregierung seinen Beschlüssen nachkommt. Er geht aber davon aus, dass durch die Landesregierung in diesen Fällen, in denen er das Anliegen als berechtigt ansieht, seiner Bitte auch sehr, sehr gründlich nachgegangen wird und wohlwollend geprüft wird.

Im letzten Teil werde ich auf einzelne Sachgebiete eingehen.

Unter den von uns ausgewiesenen Sachgebieten nehmen die Petitionen zur Rechtspflege mit 16,9 Prozent den größten Anteil ein. Dies war schon im letzten Jahr so. Die absolute Zahl hat sich in diesem Jahr aber weiter erhöht. Schwerpunkte sind hierbei der Strafvollzug und die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Bei den Petitionen zum Strafvollzug stehen Vollzugslockerungen, Beschwerden wegen Disziplinarmaßnahmen sowie Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten der Gefangenen im Vordergrund. Von den Bediensteten kamen Petitionen zur Überbelegung der Hafträume und zur Beförderungssituation. Bei den Petitionen zu den Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft, die als weisungsabhängige Behörde einer Prüfung durch den Petitionsausschuss zugänglich ist, richten sich die Petitionen in erster Linie gegen die Dauer der Verfahren und gegen Einstellungsentscheidungen. Mit einem Anteil von 14,1 Prozent folgen die Eingaben zu den Sachgebieten Arbeit, Soziales und Gesundheit. Zwar stehen die Petitionen zur Sozialhilfe hier deutlich an erster Stelle, jedoch spielen auch die Petitionen zum Verhalten der Jugendämter in Sorgerechtsangelegenheiten eine immer gewichtigere Rolle.

Mit 10,7 Prozent nimmt der Bereich der kommunalen Angelegenheiten den drittgrößten Anteil ein. Hier ist im Wesentlichen alles beim Alten geblieben: Beiträge für Wasser und Abwasser, aber auch Straßenausbaubeiträge führen immer wieder zu Eingaben.

Die Petitionen aus dem Sachgebiet Polizei- und Ordnungsrecht haben im Verhältnis zum Vorjahr um mehr als 3 Prozent zugenommen. Mit den ausländerrechtlichen Petitionen wurden wie im Vorjahr der weitere Aufenthalt in Deutschland auf Dauer oder zumindest vorübergehend begehrt. Ebenso waren die Gemeinschaftsunterkünfte Thema von Petitionen. Daneben war das dienstliche Vorgehen von Polizisten Gegenstand von Petitionen der Bürger. Die Polizisten selbst wandten sich auch, und zwar mit Anliegen zum Dienst in der Polizei, an den Ausschuss.

Die Petitionen zum Bereich Wirtschaft und Verkehr haben geringfügig zugenommen und betrafen vor allen Dingen Straßenbaumaßnahmen, den Straßenverkehr allgemein, aber auch Vergabe von Fördermitteln.

Im Bereich Straßenverkehr konnte der Petitionsausschuss eine Petition im Sinne von vielen Betroffenen erledigen. Die Petenten hatten Parkerleichterungen für Schwerbehinderte mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (Morbus Crohn) gefordert.

Nach § 46 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung können Ausnahmen von der StVO genehmigt und u.a. Parkerleichterungen gewährt werden. Für die Erteilung der Ausnahmegenehmigung gab es bisher in Thüringen keine einheitliche Verwaltungspraxis für Schwerbehinderte mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Eine bereits seit 1999 existierende Richtlinie zu § 46 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung für besondere Gruppen von Schwerbehinderten, an deren Erlass der Petitionsausschuss ebenfalls mitwirken konnte, erfasste diese Personengruppe bisher noch nicht. Der Petitionsausschuss setzte sich mit Erfolg dafür ein, dass der Personenkreis zur Inanspruchnahme von Parkerleichterungen erweitert wird. Die Richtlinie wurde entsprechend geändert.

(Beifall Abg. Kretschmer, CDU)

Die Petitionen zum Bauordnungs- und Bauplanungsrecht sind zurückgegangen. Von besonderem Interesse war im Berichtszeitraum die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Schwarzbauten aus DDR-Zeit denn nun Bestandsschutz haben. So ging das Verwaltungsgericht Weimar in einem Urteil aus dem Jahre 2001 davon aus, dass die Verjährungsregelung der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke, so heißt das, vom 08.11.1984 für Schwarzbauten keinen Bestandsschutz bewirkt. Das Thüringer Oberverwaltungsgericht hat dagegen mit einem Urteil aus dem Jahr 2002 einer auf die Verjährungsregelung gestützten Klage eines Bauherrn stattgegeben und die Abriss- sowie Nutzungsuntersagungsverfügung der Bauaufsichtsbehörde aufgehoben. Nach diesem Urteil sind Schwarzbauten,

auf die die Verjährungsregelung anwendbar war, praktisch bestandsgeschützt. Abrissverfügungen und Nutzungsuntersagungen dürfen auch nach der heute in Thüringen geltenden Rechtslage nicht ergehen, wenn nach dem Recht der DDR die Befugnis des zuständigen Rates zur Erteilung einer Abrissauflage nach § 11 Abs. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke von 1984 verjährt war. Das Gericht begründete seine Auffassung damit, dass sich ein solcher Eingriff in eine bereits abgelaufene Verjährung unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten als so schwer wiegend darstellt, dass er durch den Gesetzgeber angeordnet werden müsse. Weil der Gesetzgeber diese Entscheidung bisher nicht getroffen habe, könne nicht davon ausgegangen werden, die nach dem Recht der DDR eingetretene Verjährung sei damit untergegangen.

Zurzeit befindet sich das Erste Gesetz zur Änderung der Thüringer Bauordnung in der parlamentarischen Beratung. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Änderung der Bauordnung auch auf dieses Gebiet der Petitionen auswirken wird.

Am Inhalt der Petitionen zum Bereich Landwirtschaft, Umwelt und Naturschutz zeigt sich das Interesse der Bürger, sich für ihre Umwelt immer mehr einzusetzen. Das gilt für Vereinigungen, Bürgerinitiativen, aber zunehmend auch für den einzelnen Bürger gleichermaßen. Ich weise hier nur auf die im schriftlichen Bericht dargestellte Petition, die sich gegen die Einleitung von zellulosehaltigem Wasser, und zwar unmittelbar in die Saale, richtete. Hier wurde die Einleitung des verschmutzten Wassers mit Hilfe des Petitionsausschusses unterbunden. Erheblich zurückgegangen sind die Petitionen zum öffentlichen Dienstrecht. Während im letzten Jahr die Petitionen zur Kündigung von Grundschullehrern dominierten, konzentrieren sich die Petitionen im Berichtszeitraum mehr auf die vergütungsrechtliche Eingruppierung und auf Fälle von Mobbing. So forderte eine Bürgerinitiative mehr Aufmerksamkeit gegenüber Mobbing am Arbeitsplatz und in der Schule. Das Bundesarbeitsgericht versteht unter Mobbing das systematische Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte. Die Landesregierung berichtete dem Petitionsausschuss von ihren zahlreichen Aktivitäten gegen das Mobbing. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den schriftlichen Bericht. Zurückgegangen sind auch die Petitionen im Bereich Wissenschaft, Bildung und Kultur, die am häufigsten den Unterrichtsausfall, und zwar in allen Schularten, sowie die Erhaltung von Schulstandorten thematisieren. Privatrechtliche Angelegenheiten, wie beispielsweise Kauf, Miete, Pacht, Kredite, Dienstleistungen sowie Erbschaften kann der Petitionsausschuss auch wenn es immer wieder gewünscht wird - nicht behandeln. Wegen der fehlenden Überprüfungskompetenz kann der Petitionsausschuss in diesen Fällen keine Prüfung in der Sache vornehmen. Er kann lediglich einige allgemeine Hinweise geben. Dennoch werden solche Fälle immer wieder an den Petitionsausschuss herangetragen.

Meine Damen und Herren, nicht nur diese, sondern alle Petitionen zeigen, dass im Petitionsausschuss oft eine Institution gesehen wird, die für alle Lebenslagen unserer Thüringer Bürger, aber auch inzwischen von außerhalb, zuständig sei. Soweit es die Kompetenzen irgendwie zulassen, versuchen der Petitionsausschuss und die Mitglieder des Petitionsausschusses dem Bürger auch gerecht zu werden und ihn zu beraten. Der vorliegende Bericht soll einen Einblick in die umfangreichen und breit gefächerten Tätigkeiten des Petitionsausschusses gewährleisten, gewissermaßen auch auf den schriftlichen Bericht in Drucksache 3/3346 hinführen.

Lassen Sie mich abschließend, sicher auch im Namen der Mitglieder des Petitionsausschusses, einen herzlichen Dank an die Landtagsverwaltung, an, wie es immer so schön neudeutsch heißt, die A 7 - als Kürzel - oder Frau Roth und ihr Team aussprechen,

(Beifall im Hause)

die trotz problematischer Personalausstattung, das muss ich an dieser Stelle bemerken, uns Abgeordneten - und was genauso wichtig ist - den Petenten stets unterstützend und beratend zur Seite standen. Ich danke Ihnen.

(Beifall im Hause)

So, das war der Bericht. Wortmeldungen zur Beratung liegen mir nicht vor. Das ist richtig. Dann danke ich für diesen Bericht und natürlich auch für die Arbeit, die dahinter steht von Seiten des Vorsitzenden, aber auch des Ausschusses, der Mitglieder und natürlich auch des Referats in der Landtagsverwaltung. Ganz herzlichen Dank. Ich kann damit den Tagesordnungspunkt 21 schließen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 18 in seinen Teilen

a) Gründung einer Kulturstiftung Thüringen Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 3/3350

b) Vorbereitung der Gründung einer Kulturstiftung Thüringen Antrag der Fraktion der PDS - Drucksache 3/3355

Begründung durch die Einreicher wird jeweils nicht gewünscht, aber die Landesregierung, Frau Ministerin Prof. Dr. Schipanski, hat einen Sofortbericht angekündigt und diesen hören wir jetzt. Ich darf Ihnen das Wort geben, Frau Ministerin Schipanski.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, unser Freistaat Thüringen ist im besonderen Maße ein Kulturstaat. Seinen kulturellen Reichtum zu bewahren und in die aktuellen Kulturbedürfnisse unserer Zeit einzubinden, das ist einer der wesentlichen Ausgangspunkte und Schwerpunkte unserer Kulturpolitik.

(Beifall Abg. Arenhövel, CDU)

Diese umfasst ein umfangreiches Angebot für die Bürger dieses Landes und für unsere Gäste in Thüringen. Lassen Sie mich das an einigen Beispielen illustrieren. Beleg für unsere bewegte Landesgeschichte sowie die herausragenden Leistungen von Architekten, Bauleuten und Handwerkern sind die fast 30.000 schutzwürdigen Denkmäler zwischen Eisenach und Altenburg, zwischen Nordhausen und Heldburg. In mehr als 200 Museen werden Kulturschätze von herausragender internationaler Bedeutung neben solchen mit regionalem Wert gesammelt, inventarisiert und ausgestellt. In der bildenden Kunst kann Thüringen an eine reiche Vergangenheit knüpfen. Namen, wie Lucas Cranach, Henry van de Velde, Max Liebermann, Gropius, Feininger, Kandinsky, Schmidt-Rottluff und viele andere mehr sind hier zu nennen.

Kunst in Thüringen, das bedeutet aber heute auch mehr als 600 Maler, Grafiker, Bildhauer, Kunsthandwerker und Designer, die in unserem Land arbeiten. Ebenso hat die Literatur ihren bleibenden Stellenwert in Thüringen. Immerhin leben wir im Land mit den Traditionen des klassischen Weimar. So sind in unserem Land heute mehr als zehn wissenschaftliche Bibliotheken mit national und international bemerkenswerten Sammlungen zu Hause. Hervorzuheben ist die herzogliche Forschungsbibliothek in Gotha, die Anna Amalia Bibliothek in Weimar, aber auch unsere neu aufgebaute Bibliothek der wieder gegründeten Universität Erfurt und die Uni- und Landesbibliothek in Jena. Allein für die Neubauten von Universitäts- und Fachhochschulbibliotheken haben wir mit dem Bund über 120 Mio.      Jahr der Bibliotheken bezeichnet. Es gibt heute in Thüringen sechs institutionell geförderte Theater sowie drei Orchester, die auf Basis von Wirtschaftsplänen und Theaterverträgen zwischen dem Land und den Kommunen als Träger der Theater feste Landeszuschüsse in Höhe von jährlich insgesamt ca. 60 Mio.  ten. Das ist einmalig in Deutschland, wie auch der Bühnenverein auf seiner letzten Tagung lobend hervorgehoben hat. Ergänzt wird dieses institutionelle Angebot durch Festivals, wie beispielsweise das Tanz- und Folkfest in Rudolstadt mit Musik und Tanzgruppen aus Europa und Übersee, die Kulturarena Jena oder die Arbeit verschiedener Kulturzentren, die mit ausländischen und inländischen Kulturwochen oft Unbekanntes in Thüringen vorstellen und damit auch häufig Brücken zu anderen Kulturen schlagen. Selbstverständlich wird

das bedeutendste Kunstfestival Thüringens das jährlich stattfindende Kunstfest Weimar wesentlich vom Freistaat Thüringen gefördert, ebenso die Domstufenfestspiele in Erfurt. Daneben weist der Thüringer Kulturkalender in jedem Jahr viele Höhepunkte auf. In diesem Jahr haben wir einen besonderen Höhepunkt, so wird heute der Bundeswettbewerb "Jugend musiziert" in Erfurt, Jena und Weimar eröffnet. Er wird zum ersten Mal in unserem Freistaat durchgeführt.