Protokoll der Sitzung vom 03.07.2003

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Sie sind schon gegendert. Das ist gut.)

Bitte?

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Sie sind schon gegendert.)

Ja, ich habe damit kein Problem. Wenn Sie Hinweise haben?

Dann ein Zweites: Natürlich ist eine solche Regierungserklärung auch im Geist der jetzigen Situation geschrieben. Wenn wir im Herbst letzten Jahres von 5.000 deutschen Unternehmen attestiert bekommen haben, dass wir den günstigsten Investitionsstandort haben und das begründet wird mit Infrastruktur, mit Bildung, Forschung und Technologie, dann darf ich doch wohl sagen, dass wir gut vorangekommen sind und dass wir diesen Weg weitergehen, weil es stimmt, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Und wenn wir beim Hochschulranking unabhängig der einzelnen Rankingverfahren immer wieder positive Atteste bekommen, dann ist das doch ein Pfund, mit dem wir wuchern können und dann muss man nicht eine ganz neue Hochschul- und Technologiepolitik von mir erwarten. Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, das muss man sagen, ob man das will oder nicht, die Frage, ob dieser Standort auch zukünftig seine Attraktivität erhält und weiter ausbaut, wird nur zu einem geringen Teil im Moment von uns beantwortet. Die entscheidenden Fragen werden derzeit, vielleicht auch heute früh, in Berlin beantwortet. Hier muss endlich mehr Druck im Blick auf die Strukturreformen ansetzen, damit Deutschland in der Wettbewerbsfähigkeit zukunftsfähiger wird. Wenn Sie dann sagen, das ist ja alles nicht so ganz richtig, das stimmt nicht, wir haben mikroökonomisch tolle Bedingungen, dann weiß ich das. Ich war gerade bei Schott und wir haben die Dünnglasproduktion eingeweiht. Diese Mikroökonomie in einem Unternehmen darf man aber nicht mit der Makroökonomie verwechseln.

(Heiterkeit im Hause)

Makroökonomisch liegt Deutschland überhaupt nicht positiv da. Ich kann Ihnen einmal eine Studie zitieren, die nun wirklich parteiunabhängig ist: Das World Economic

Forum hat im November 2002 die Wettbewerber der Welt, 80 Wettbewerbsländer der Welt, verglichen. Mikroökonomisch liegt Deutschland auf Platz 4. Das sind genau die Standorte, die wir auch in Thüringen haben. Das ist die Technologie, die in den Unternehmen sichtbar und zukunftsfähig entwickelt wird. Deshalb gibt es an der Stelle gar keine Frage, wir sind sehr gut. Auch Thüringen leistet dazu viel durch Bildung, durch Forschung, durch Technologie, durch Infrastruktur. Dann kommt sozusagen die Kehrseite. Makroökonomisch liegen wir auf dem vorletzten Platz, auf 79.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer in so einer Situation davon redet, dass wir nicht Handlungszwänge hätten - die beginnen bei der Jahresarbeitszeit, sehr geehrter Herr Ramelow, und enden bei Lohnstückkosten, die beginnen bei den Sozialstaatsreformen und enden dann bei der Arbeitsmarktreform -, der verkennt die Situation. Deswegen muss es auch in der Regierungserklärung des Thüringer Ministerpräsidenten gestattet sein, dass ich sage, unsere gesamten Bemühungen hängen sehr davon ab, ob es gelingt, in Deutschland wieder eine Aufbruchstimmung zu erreichen, denn die Schere zwischen jungen und alten Ländern geht auseinander und wir können diesen Damm nur überschreiten, wenn wir insgesamt eine Aufbruchstimmung haben. Deshalb kämpfen Sie besonders mit Pathos in Berlin. Da wäre viel zu tun. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich rufe den Abgeordneten Höhn ans Rednerpult, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, Sie haben eben einen schönen Satz geprägt: Eine Regierungserklärung ist auch immer vom Geist der jetzigen Zeit geprägt. Ich muss sagen, bei der Regierungserklärung, die Sie uns heute vorgelegt haben, muss dieser Geist aber von äußerster Hilflosigkeit geprägt gewesen sein.

(Beifall bei der SPD)

Eine solche Erklärung vor diesem hohen Hause, die sich in wesentlichen Teilen damit befasst hat, die bundespolitische Keule zu schwingen...

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Das stimmt überhaupt nicht.)

(Unruhe bei der CDU)

Sehr verehrter Herr Ministerpräsident, offensichtlich kennen Sie Ihr eigenes Manuskript nicht, an das Sie sich heute

so eng gehalten haben. Ich muss sagen, auch dann, wenn man erwartet hätte, dass Ihr neuer Fraktionsvorsitzender wenigstens dann von sich aus durch die Sie tragende Fraktion diese inhaltsleere Erklärung dann wenigstens noch inhaltlich gefüllt hätte, auch das wurde mehr als enttäuscht. Er hat mehr als die Hälfte seiner Redezeit für die Bundespolitik verwandt. Im Übrigen, Herr Althaus, Sie haben im Vorfeld der Wahl zu Ihrem neuen Fraktionsvorsitzenden den Herrn Dr. Pietzsch gepriesen als jemanden, der gut mit der Opposition könnte.

(Heiterkeit Abg. Dr. Pietzsch, CDU)

Habe ich da vielleicht irgendwie eine außerparlamentarische Opposition verpasst? Die in diesem Hause, die kann er jedenfalls nicht gemeint haben.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, offensichtlich haben Sie, Herr Althaus und auch Herr Pietzsch, auf die Ausführungen meines Kollegen Gentzel nicht so richtig geachtet, denn sonst hätte Ihnen nicht entgehen dürfen, dass diese Rede von meinem Kollegen Heiko Gentzel sehr stark geprägt war von inhaltlichen Vorschlägen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Wir haben Ihnen Vorschläge ganz konkret im Bereich Wirtschaftspolitik gemacht. Wir haben Ihnen Vorschläge ganz konkret im Bereich Innenpolitik gemacht. Hier denke ich nur an die Punkte zum Thema "Wasser und Abwasser". Diese Vorschläge sind noch nicht einmal unbedingt in jedem Falle mit finanziellen Verbindlichkeiten, mit Kosten verbunden. Nein, im Gegenteil. In Fragen von Personalkostenentwicklungen würden unsere Vorschläge sogar Freiräume schaffen für das Land, die es zu nutzen gelte. Auf all dies, meine Damen und Herren, haben Sie heute keine Antwort gebracht. Im Gegenteil. Sie haben sich darin verloren, nach meiner Auffassung, Ihre bundespolitische Sicht, beispielsweise der Steuerreform hier darzulegen.

Ich muss Ihnen sagen, Herr Althaus, auch Ihre jetzt zuletzt gemachten Äußerungen machen das Ganze nicht richtiger. Ich darf Sie mal ganz konkret daran erinnern, als wir vor eineinhalb oder zwei Jahren hier genau an dieser Stelle über das Thema "Steuerreform" diskutiert haben, da hat uns der damalige Finanzminister Herr Trautvetter, da hat uns seine Staatssekretärin, da haben Sie uns als damaliger Fraktionsvorsitzender stundenlang erzählt von den Selbstfinanzierungskräften von Steuerreformen.

Meine Damen und Herren und Herr Althaus, wenn Sie schon die Literatur hier zitieren, dann müssen Sie aber auch die lesen, die auch wirklich einschlägig ist für das Thema. Eine Steuerreform macht konjunkturell gesehen nur wirklich dann Sinn, wenn sie nicht gegenfinanziert wird. Aber wir können uns zum jetzigen Zeitpunkt eben

das nicht leisten ohne Gegenfinanzierung und deshalb ist der Vorschlag, den Eichel gemacht hat, den der Kanzler gemacht hat

(Unruhe und Heiterkeit bei der CDU)

zur Gegenfinanzierung der Steuerreform, den Einstieg in den Subventionsabbau zu benutzen, genau der richtige Weg, meine Damen und Herren.

(Zwischenrufe aus der CDU-Fraktion: Hör auf, hör auf!)

(Beifall bei der SPD)

Offensichtlich habe ich die richtige Stelle getroffen. Aber, Herr Althaus, das funktioniert natürlich nicht nach dem Floriansprinzip. Ich habe den Eindruck, dass Ihr Ja zur Steuerreform mit dem Popanz der Gegenfinanzierung parteipolitisch geprägt ist, um noch einigermaßen bei der ganzen Kakophonie Ihrer eigenen Partei in Bezug auf Steuerreform das Gesicht zu wahren. Das ist der wahre Hintergrund. Sie wissen ganz genau, dass die Steuerreformstufen, wenn sie denn in ihrer ursprünglichen Zeitschiene geblieben wären, nicht gegenfinanziert gewesen wären, aber auch mit Absicht nicht gewesen wären, weil Sie sonst ihre Wirkungen nämlich nicht entfalten können.

Sie sprechen hier beim Subventionsabbau wirklich mit gespaltener Zunge, Herr Althaus. Sie können nicht ernsthaft den Leuten glauben machen, dass wir immer nur die Subventionen abbauen, die uns möglicherweise in unserem Land nicht betreffen. Hier ist die Solidarität aller deutschen Bundesländer gefragt, wenn wir das Land nach vorn bringen wollen. Da muss ganz tabulos an diese Frage herangegangen werden und wenn Sie es nachlesen wollen, lesen Sie es nach. Der CDU-Wirtschaftsrat hat Ihnen genau das in das Stammbuch geschrieben. Er ist erst letzte Woche kürzlich in der Presse gewesen.

Meine Damen und Herren, mein Kollege Gentzel hat heute hier in Bezug auf die Finanzierung der Kommunen in Thüringen angekündigt, dass die Fraktion der SPD hier zu Erklärungen dieser Frage, wie denn die Mindestausstattung für kommunale Finanzen in unserem Lande zu sein hat, vor das Landesverfassungsgericht gehen wird. Wir tun das deshalb, weil in den vergangenen eineinhalb Jahren eine Klage von 12 Thüringer Kommunen anhängig gewesen ist, die genau auf diesen Punkt gezielt hat. Nur aus formellen Gründen wurde diese Klage vom Verfassungsgericht abgewiesen, weil diese Kommunen nicht klageberechtigt waren. Materiell gesehen und sich intensiv mit diesem Thema befasst, ist es sehr wohl an der Zeit festzustellen, ob die von dieser Landesregierung seit Jahren praktizierte Politik der Verschiebung der Lasten auf die Kommunen ohne entsprechende Gegenfinanzierung noch unserer Landesverfassung entspricht. Das soll mit dieser Klage geklärt werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Herr Abgeordneter Höhn, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Althaus zu?

Ja, natürlich.

Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Abgeordneter Höhn, teilen Sie meine Auffassung, dass der Solidarpakt II, die Infrastrukturpauschale, das Investitionsfördergesetz und die Pendlerpauschale für die jungen Länder nicht im eigentlichen Sinne Subventionen sind?

Sie sind auch für die jungen Länder, oder wie ich es sage, für Ostdeutschland natürlich auch eine Investitionsförderung, natürlich nicht die Entscheidende, das weiß ich sehr wohl.

Also sind Sie der Meinung, wie mein Kollege Koch, Ihr Kollege Steinbrück und unser aller Kollege Stoiber, dass man diese also pauschal kürzen kann?

Ich bin der Meinung, dass wir bei der Frage Subventionsabbau generell eine Kompromisslösung finden müssen.

Dann geben Sie doch mal Butter zu den Fischen und reden Sie nicht nur allgemein darüber.

Meine Damen und Herren, Herr Althaus, ich habe Ihnen eine klare Antwort gegeben. Eine ganz klare Antwort habe ich Ihnen gegeben.

(Beifall bei der SPD)

Der einzige, der sich um eine Antwort gedrückt hat, waren Sie in Ihrer Regierungserklärung.

(Unruhe bei der CDU)

Ich sage noch einmal, das Floriansprinzip an dieser Stelle funktioniert absolut nicht und das ist auch unglaubwürdig.

Letztendlich, meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, Sie wissen, wir haben ja schon einige Male gemeinsam an einer anderen Stelle zusammen gekämpft. Ich will das sozusagen als Gleichnis, als Bild hier zeichnen. Wir haben zusammen schon durchaus erfolgreich beim FC Landtag das eine oder andere Spiel miteinander bestritten und es war so, dass auch Sie unter anderem hin und wieder mal eine Vorlage der Opposition durchaus zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht haben - im Übrigen auch umgekehrt.