Protokoll der Sitzung vom 04.07.2003

Liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Mitglieder der Landesregierung, verehrte Gäste auf der Besuchertribüne, ich begrüße Sie alle sehr herzlich zu unserer heutigen 89. Plenarsitzung des Thüringer Landtags am 4. Juli 2003, die ich hiermit eröffne.

Als Schriftführer haben Platz genommen Frau Abgeordnete Künast und Herr Abgeordneter Braasch. Herr Abgeordneter Braasch wird die Rednerliste führen. Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt Frau Abgeordnete Doht, Herr Abgeordneter Höhn, Herr Abgeordneter Illing, Herr Abgeordneter Scheringer, Herr Abgeordneter Nothnagel und Frau Abgeordnete Sedlacik.

Die Tagesordnung hatten wir ja bereits gestern festgestellt, danach komme ich jetzt zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 2

Vereidigung eines stellvertretenden Mitglieds des Verfassungsgerichtshofs

Wir hatten in der Plenarsitzung im Juni erfolgreich diese Wahl durchgeführt und Herr Rechtsanwalt Dr. Weisskopf ist mit der nötigen Mehrheit vom Plenum für dieses Amt gewählt worden. Ich darf jetzt Herrn Dr. Weisskopf, der sich unter uns befindet, bitten hier zum Zwischenpodium zu kommen und die Abgeordneten des Hauses erheben sich wie üblich von ihren Plätzen.

Ich spreche die Eidesformel in Absätzen vor und Sie sprechen sie dann nach und können sie dann auch religiös bekräftigen, wenn Sie das möchten.

"Ich schwöre,"

Dr. Weisskopf:

"Ich schwöre,"

"dass ich das mir übertragene Amt"

Dr. Weisskopf:

"dass ich das mir übertragene Amt"

"nach bestem Wissen und Können verwalten,"

Dr. Weisskopf:

"nach bestem Wissen und Können verwalten,"

"Verfassung und Gesetze befolgen"

Dr. Weisskopf:

"Verfassung und Gesetze befolgen"

"und verteidigen,"

Dr. Weisskopf:

"und verteidigen,"

"meine Pflichten gewissenhaft erfüllen"

Dr. Weisskopf:

"meine Pflichten gewissenhaft erfüllen"

"und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde."

Dr. Weisskopf:

"und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde, so wahr mir Gott helfe."

Wir haben den Eid vernommen. Herzlichen Glückwunsch und ein gutes Wirken im Landesverfassungsgerichtshof.

(Beifall im Hause)

Das war in aller Kürze der Tagesordnungspunkt 2.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 10

Restitutionsangelegenheit Sachsen-Weimar-Eisenach Antrag der Landesregierung - Drucksache 3/3387 - Neufassung dazu: Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses - Drucksache 3/3400

Aus dem Haushalts- und Finanzausschuss wird uns Frau Abgeordnete Lehmann die Berichterstattung geben. Ich

bitte zunächst die Berichterstattung vorzunehmen. Frau Abgeordnete Lehmann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der soeben benannte Antrag der Landesregierung in Drucksache 3/3387 wurde gemäß des § 52 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung vorab an den Haushalts- und Finanzausschuss zur Beratung überwiesen. Gemäß § 64 Abs. 2 der Thüringer Landeshaushaltsordnung ist die Einwilligung des Thüringer Landtags zur Veräußerung von Grundstücken mit erheblichem Wert, deren Veräußerung im Haushaltsplan nicht vorgesehen ist, erforderlich. In der 51. Sitzung unseres Ausschusses am 20. Juni 2003 wurde der benannte Antrag ausgiebig beraten. Als Unterlage stand die o.g. Drucksache zur Verfügung, in der sowohl der Sachverhalt, die Entwicklung der Einigungsbemühungen mit dem Haus Sachsen-Weimar-Eisenach, als auch der Inhalt der gütlichen Einigung dargestellt wird.

Zunächst berichtete der Staatssekretär des Thüringer Finanzministeriums zum Verlauf der Verhandlungen, insbesondere seit Ende des Jahres 1999. Er brachte zum Ausdruck, dass nunmehr eine langwierige Angelegenheit zu einer einvernehmlichen Lösung im Interesse aller Beteiligten geführt werden kann. Im Ergebnis dieser Verhandlungen sollen im Rahmen der bevorstehenden gütlichen Einigung 15,5 Mio. € an die Antragstellerin gezahlt werden. Diese Summe wird in drei Raten fällig. Weitere Modalitäten und Verhandlungsergebnisse werden auf Seite 3 des Ihnen vorliegenden Schreibens des Thüringer Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst aufgeführt, auf die ich hier verweisen möchte. Den Ausführungen des Staatssekretärs folgte eine ausführliche Diskussion der Ausschussmitglieder. Schwerpunkte waren: die Notwendigkeit der Veräußerung von Forstflächen aus dem Eigentum des Freistaats Thüringen zur Erbringung von 11 Mio. €; die Frage nach alternativen Möglichkeiten der Finanzierung; aus welchem Grund eine Splittung der Gesamtsumme in Einnahme aus Waldverkauf und Veräußerung von Kunstgegenständen erfolgt; ob eine Vorfinanzierung durch das Thüringer Finanzministerium erforderlich ist; welche Kunstgegenstände veräußert werden sollen und wie die Wertermittlung erfolgte; ob der Waldverkauf im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung stattfinden soll. Eine der Fragen bezog sich auf den weiteren Inhalt der gütlichen Einigung, insbesondere auf die Einräumung eines Sitzes im Stiftungsrat der Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen sowie zum Recht auf freien Eintritt in die betreffenden Einrichtungen. Der Landesrechnungshof beanstandete in der Diskussion, dass er vom Sachverhalt der gütlichen Einigung und dessen Inhalt relativ kurzfristig informiert worden sei und daher nur wenig Zeit zur intensiven Befassung und Prüfung gegeben war. Nachfragen des Rechnungshofs betrafen vorrangig den Verkehrswert der betreffenden Forstflächen, die mit dem Haus Sachsen-Weimar-Eisenach vereinbarten Zahlungsziele, die konkreten Kunstgegenstände, welche

veräußert werden sollen sowie den Sitz im oben genannten Stiftungsrat. Die aufgeworfenen Fragen wurden von den jeweils zuständigen Vertretern der Landesregierung ausführlich beantwortet. Aufgrund der Tatsache, dass zum jetzigen Zeitpunkt detaillierte Angaben der zu veräußernden Forstflächen und Kunstobjekte noch nicht vorliegen, hat die CDU-Fraktion einen entsprechenden Antrag in den Haushalts- und Finanzausschuss eingebracht, wonach dem Antrag der Landesregierung unter der Maßgabe zugestimmt wird, dass die Landesregierung dem Haushalts- und Finanzausschuss zu den Stichtagen 30.09.2003, 28.02.2004 und 31.05.2004 über die Höhe der erzielten Einnahmen zu berichten hat. Die Gemarkungsund Flurstücksliste über die Forstflächen ist dem Ausschuss bis zum 31. Mai nächsten Jahres vorzulegen. Im Ergebnis empfiehlt der Haushalts- und Finanzausschuss dem Landtag mehrheitlich die Annahme des Antrags der Landesregierung in der Drucksache 3/3387. Die Beschlussempfehlung unseres Ausschusses liegt Ihnen dazu in der Drucksache 3/3400 vor. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Damit kommen wir jetzt zur Aussprache. Als Erster hat das Wort die Landesregierung, Herr Staatssekretär Aretz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir stehen heute vor einer Entscheidung über zentrale Bereiche des kulturellen Erbes unseres Landes. Wir sollten in der politischen Diskussion mit schmückenden Beiwörtern vielleicht manchmal etwas zurückhaltender sein. Aber die Situation, in der wir uns heute befinden, verdient ohne Frage die Bezeichnung historisch. Es geht darum, die Vermögensauseinandersetzungen mit dem ehemals regierenden großherzoglichen Haus Sachsen-Weimar-Eisenach abschließend und endgültig zu regeln.

Bis zum Ende der Monarchie in Deutschland hat diese Familie über Jahrhunderte weite Teile des heutigen Freistaats Thüringen regiert. In einem so genannten "Auseinandersetzungsvertrag" hat zu Beginn der Weimarer Republik im Jahre 1921 eine Vermögensauseinandersetzung zwischen dem damaligen Gebiet Weimar und dem letzten regierenden Großherzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar-Eisenach stattgefunden. Danach blieben mehrere Schlösser, große Waldflächen und vor allem die Kunstschätze im Privateigentum der großherzoglichen Familie.

Dieses Privateigentum wurde nach 1945 unrechtmäßig enteignet. Durch die gütliche Einigung mit dem Hause Sachsen-Weimar-Eisenach, über die wir heute beraten und entscheiden müssen, werden sämtliche Kunstschätze, die auch nach dem Ende der Monarchie immer noch Privateigentum waren, dauerhaft zum Eigentum der Allgemein

heit. Wenn etwa die Wartburg oder die klassischen Stätten in Weimar bereits bisher von der UNESCO als Weltkulturerbe der Menschheit bezeichnet wurden, so bezog sich das auf ihren außergewöhnlichen universellen Wert und ihre kulturelle Einzigartigkeit.

Die Bezeichnung "Erbe der Menschheit" bezog sich allerdings nicht auf die Eigentumsverhältnisse. Mit der vom Freistaat ausgehandelten gütlichen Einigung mit dem Hause Sachsen-Weimar-Eisenach wird man von nun an für alle Zeit die Wartburg und die klassischen Stätten in Weimar auch im juristischen Sinne als Weltkulturerbe der Menschheit bezeichnen können.

(Beifall bei der CDU)

Es ist ein Weltkulturerbe, das in Zukunft endgültig und unwiderruflich uns allen gehören wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Freistaat Thüringen ist ein Land, in dem Kunst und Kultur eine ungewöhnlich große Rolle spielen. Ich denke, ich trete niemandem zu nahe, wenn ich sage, dass dies von kaum einem anderen Land der Bundesrepublik Deutschland in dieser Weise gesagt werden kann.

Die zahlreichen ehemaligen Fürsten- und Herzogtümer auf dem Gebiet des heutigen Freistaats Thüringen waren sicher machtpolitisch von untergeordneter Bedeutung. Umso mehr engagierten sie sich im kulturellen Bereich. Das hatte ganz selbstverständlich auch viel mit dem Repräsentationsbedürfnis gerade kleiner Herrschaften zu tun. Aber das Gebiet des heutigen Thüringen entwickelte sich so zu einem geistig-kulturellen Zentrum in Deutschland.

Der Kulturreichtum des Freistaats Thüringen geht maßgeblich auf die Residenzkultur des 16. bis 19. Jahrhunderts zurück. Sie wirkte sich prägend aus auf Künste und Wissenschaften, auf Religion und Bildung, aber auch auf Politik und Wirtschaft. Zahlreiche Schlösser und Gärten, Museen und Archive, Theater und Orchester, Straßen und Plätze zeugen vom Denken und Handeln einstiger Landesherren, ihrer Familien, ihres Hofstaats und ihrer Regierungsbeamten.

Die historische Wahrheit gebietet freilich auch eines unmissverständlich festzuhalten: Für das, was wir heute als unser kulturelles Erbe betrachten, mussten die damals Arbeitenden, der überwiegend große Teil der Menschen, einen oft hohen Preis entrichten.

(Beifall bei der PDS, SPD)