Protokoll der Sitzung vom 11.09.2003

Aber die Ausübung der Methode ist leider in Teil III der Verfassung für die Bereiche Sozialpolitik, Forschung, Gesundheit, Industrie und Ernährung vorgesehen. Das ist ein Schwachpunkt. Nicht durchgesetzt hat sich ferner unsere Forderung nach einer Präzisierung der Binnenmarktklausel. Es ist leider allzu häufig geschehen, dass Brüssel den Binnenmarkt genutzt hat, um Harmonisierungs

schritte in Politikbereiche einzuleiten, für die es keine Zuständigkeit besitzt. Bestes Beispiel dafür ist die Tabakwerberichtlinie, mit der Brüssel Gesundheitspolitik betreibt. Da möchte ich meinerseits hier nicht darüber richten, inwieweit Rauchen gesund oder ungesund ist, und ich möchte auch nicht darüber richten, inwieweit die Tabakindustrie durch den Bund genutzt wird, um erhöhte Steuereinnahmen zu holen, nach dem Motto: Rauchen für die Sicherheit, Rasen für die Rente. Aber, ich glaube, hier geht es um die Frage der Methode, die hier angewandt wird, um in einem Sektor, für den Brüssel keine Zuständigkeit hat, dennoch politisch tätig zu werden.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, bislang besaßen die Mitgliedstaaten die alleinige Definitionsmacht darüber, was unter Leistungen der Daseinsvorsorge zu verstehen ist. Nun wird es möglich, dass z.B. Leistungen in der Kultur, also Leistungen, die bei uns vornehmlich auf kommunaler Ebene geregelt werden, von der Europäischen Union mitbestimmt werden. Das ist kein nützlicher Beitrag, auch nicht im Sinne der Bürgernähe oder im vorhin besprochenen Sinne, dass vor Ort geschieht, was vor Ort am besten geschehen kann. Selbstverständlich haben wir unseren Standpunkt gegenüber dem Konvent sehr deutlich gemacht. Ministerpräsident Althaus hat in einem sehr ausführlichen Brief an Ministerpräsident Teufel unsere Position dargelegt und alle deutschen Vertreter im Konvent haben sich in dieser Sache an den Präsidenten des Konvents gewandt, leider ohne Erfolg.

Ich habe bewusst ausführlich und auch sehr offenherzig

(Beifall bei der CDU)

die Negativpunkte angesprochen, aber gleichwohl komme ich zu dem Ergebnis, dass wir diesem Verfassungsvertragsentwurf unsere Zustimmung geben sollten. Denn ich gebe zu bedenken, wenn man dieses Gebinde aufmachen sollte, es würde zu große Gefahren bergen, dass wir letztlich nichts erreichen. Man kann das Richtige wollen, aber das Falsche dann bekommen. Niemand kann garantieren, dass sich nur unsere Änderungswünsche verwirklichen lassen, denn es werden auch von anderer Seite Änderungswünsche eingebracht. Spanien hat es bereits angekündigt. Spanien will die doppelte Mehrheit wieder streichen. Die EU-Kommission ihrerseits wünscht zusätzliche Kompetenzen in der Wirtschaftspolitik. Wer in Deutschland Nachverhandlungen fordert, der muss im Blick haben, dass wir auch einiges zu verlieren haben. Die Vielzahl, auch der positiven Aspekte habe ich genannt. Und nicht zuletzt besteht die Chance zu einer neuen vertraglichen Grundlage für das erweiterte Europa zu kommen, zu einem Vertrag, der Europa endlich eine wirklich demokratische Legitimationsbasis gibt. Der Vertrag ist bekanntlich kein Grundgesetz und er ist keine amerikanische Verfassung. Das kann und will er auch nicht sein. Aber er ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem Europa der Bürger, und er ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Europäischen Union. Insgesamt bleibt noch viel zu tun.

Der Verfassungsvertrag allein schafft weder eine gemeinsame Außenpolitik noch ist seine Existenz allein ein Garant dafür, dass sich die Menschen mit Europa identifizieren, dass ihnen Europa näher gebracht wird und sie auf Europa zugehen.

Sie erlauben bitte, dass ich den 11. September 2001 anspreche. Die europäische Geschichte nach dem 11. September 2001, der sich heute zum zweiten Male jährt, hat leider gezeigt, wie gefährdet der Zusammenhalt zwischen den europäischen Nationen und Völkern ist. Ich meine, die Erinnerung an den 11. September 2001 fordert uns auf, mit allen freien Völkern in Europa zusammenzustehen. Wir brauchen ein Europa, das in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik mit einer Stimme spricht.

(Beifall bei der CDU)

Wir brauchen ein Europa, das sich vernehmlich und stark zu Wort meldet. Wir brauchen ein Europa, das seinem Stellenwert angemessen, seiner Bevölkerung angemessen, seinen Einfluss geltend machen kann. "Europa kann nur vereint werden durch den Herzenswunsch und die vehemente Äußerung der großen Mehrheit aller Völker." Das hat Winston Churchill auf dem Europakongress in Den Haag 1948 gesagt. Wenn er von Vehemenz spricht, dann kann man heute bedauerlicherweise nur sehr wenig davon spüren. Ich bedauere auch Umfragen, die in jüngster Zeit zu lesen sind, die ergeben, dass beispielsweise der Konvent und seine Arbeit bei den europäischen Bürgerinnen und Bürgern weit gehend unbekannt ist. Gleichwohl muss ich sagen, manche Umfrage müsste auch nicht unbedingt sein. Manche Umfrage ist schlicht überflüssig, denn dass sich viele Leute nicht mit dem Konvent in Deutschland und Europa befasst haben, das ist mir klar. Gleichwohl ist es Aufgabe der Politik, dass sie Europa voranbringt,

(Beifall bei der CDU)

dass sie Europa demokratischer macht, dass sie Europa transparenter macht und dass wir zu einem Europa kommen, das in der weltpolitischen Lage sein Wort tun kann, Verantwortung übernimmt.

Artikel 1 des Verfassungsvertrags lautet: "Geleitet von dem Willen der Bürgerinnen und Bürger und der Staaten Europas, ihre Zukunft gemeinsam zu gestalten, begründet diese Verfassung die Europäische Union." Noch ist das nur ein Anspruch, aber ich denke, dass wir, Regierungen und die Parlamente und schließlich alle Bürger, die sich für Europa engagieren, dafür sorgen müssen, dass dies kein Anspruch bleibt, sondern Wirklichkeit wird. Wir sind aufgerufen Europa zu verwirklichen und das muss jetzt geschehen.

(Beifall bei der CDU)

Damit haben wir den Bericht gehört und kommen jetzt zur Aussprache. Als Erste hat Frau Abgeordnete Sedlacik, PDS-Fraktion, das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchte zu Beginn die Gründe wiederholen, warum ich damals sehr kritisch den Beschluss der CDU beleuchtete, da ja, wie Sie wissen, eine Ausschussberatung nicht erwünscht war und sie mehrheitlich weggestimmt wurde. Der Beschluss von damals trug die Überschrift "Konvent zur Zukunft der Europäischen Union - Position des Thüringer Landtags zur Fortentwicklung des europäischen Vertragswerks für eine bürgernahe und subsidiäre Europäische Union". Von subsidiärer Europäischer Union zu sprechen, werte ich erneut als grobe Gedankenlosigkeit, die für sich schon ausgereicht hätte, den Anträgen von CDU und SPD nicht zuzustimmen. Es ist zutreffend, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft im Verhältnis zur Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und zur Europäischen Atomgemeinschaft als subsidiäre Gemeinschaft zu bezeichnen. Es ist ebenso richtig, wenn die Union der Beneluxstaaten im Verhältnis zur EU von einer subsidiären Union der Beneluxstaaten zu sprechen. Dagegen die EU im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten als eine subsidiäre Union zu bezeichnen, sage ich auch hier wieder, ist grundhaft falsch. Dem widerspricht bereits die Tatsache der Vorrangigkeit des Gemeinschaftsrechts gegenüber nationalem Recht. Der Beschluss war also ein typischer Schaufensterbeschluss, um der Öffentlichkeit zu demonstrieren, jawohl, die CDU im Landtag beschäftigt sich mit der Europäischen Union. Der Beschluss wiederholte Ziele, die bereits in der Erklärung von Laeken der Staats- und Regierungschefs zu finden sind. Darüber hinaus enthielt er viel Selbstverständliches. Ich erwähne hier nur die Forderung nach der Beachtung des Grundsatzes der Einzelermächtigung, der Subsidiarität, der Verhältnismäßigkeit und die allgmeine Loyalitätspflicht sowie die Forderung nach Beteiligung und Zustimmung der nationalen Parlamente bei Änderungen des europäischen Vertragswerks, was ohnehin nicht Gegenstand der Reform der Verträge, sondern des innerstaatlichen Verfassungsrechts ist. Was substanziell an politischen Forderungen übrig blieb, war wenig, zum Teil unpräzise formuliert und konnte auch nur teilweise unsere Zustimmung finden. Wir kritisierten, dass der CDU-Antrag die Aufmerksamkeit einseitig auf das Thema der Kompetenzverteilung konzentrierte. Wir dagegen hoben die Notwendigkeit hervor, die Debatte um eine Stärkung des europäischen Sozialmodells in einer erweiterten Union zu führen und den Binnenmarkt und die Wirtschafts- und Währungsunion um eine Beschäftigungs-, Sozial- und Umweltunion zu ergänzen. Dies bedeutet in erster Linie eine Reform der Koordinierungsverfahren zur Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik, die gemeinsam mit der Umweltdimension der Gemeinschaft in einem einzigen integrierten Verfahren gebündelt werden

müssten.

Forderungen nach einer Stärkung der europäischen Beschäftigungs- und Sozialpolitik fand man aber in diesem Landtagsbeschluss nicht. Hierin bestand für uns der gravierende Mangel dieses Beschlusses. Leider wurden auch unsere Erwartungen hinsichtlich einer Reform der Koordinierungsverfahren zur Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik durch den Entwurf des Konvents nicht erfüllt. Immerhin können wir es als einen wichtigen, wenn auch kleinen Fortschritt verbuchen, dass die bisher in Artikel 137 EG-Vertrag lediglich für den Bereich der Bekämpfung sozialer Ausgrenzung vorgesehene offene Koordinierung jetzt in Artikel 104 des Teils III des Vertragsentwurfs auf sämtliche in Artikel 137 EG-Vertrag genannten Bereiche ausgedehnt wird.

Meine Damen und Herren, der Beschluss des Landtags enthielt auch die Forderung nach der Änderung der Generalkompetenz der Gemeinschaft zur Verwirklichung des Binnenmarkts in Artikel 95 EG-Vertrag. In diesem Zusammenhang wiederholte er immer wieder die von deutscher Seite vorgebrachte Behauptung, durch eine extensive Auslegung der Binnenmarktkompetenz würden die Kompetenzen der Europäischen Union schleichend erweitert. Als Argument gegen eine Querschnittskompetenz wie in Artikel 35 EG-Vertrag ist das nicht überzeugend. Es lässt außer Acht, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs präzise Voraussetzungen für auf Artikel 95 EG-Vertrag gestützte Rechtsakte formuliert hat, die eine schrankenlose Kompetenzausweitung unmöglich macht. Der Konvent hat schließlich zu Recht die Notwendigkeit einer Beibehaltung des Artikels 85 EG-Vertrag und der Flexibilitätsklauseln nach Artikel 308 EG-Vertrag gesehen.

(Beifall bei der PDS)

Artikel 95 EG-Vertrag wurde demzufolge unverändert in Teil III des Entwurfs übernommen, während bei Artikel 308 EG-Vertrag nunmehr das Parlament zustimmen muss. Der Landtagsbeschluss enthielt die Forderung, häufiger auf die Rahmengesetzgebung zurückzugreifen. Hierzu möchte ich bemerken, dass die Entscheidung des Konvents richtig war, dem Vorschlag, im Bereich der geltenden Kompetenzen ausschließlich nur mit Rahmengesetzen zu arbeiten, nicht zu folgen. Die Umstände des Einzelfalls sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit können es erfordern, dass auch im geteilten Kompetenzbereich mit Blick auf eine europaweit einheitliche Lösung Gesetze erlassen werden müssen.

Bezüglich des Ausschusses der Regionen möchte ich hier noch einmal unsere Kritik an der Forderung wiederholen, die Zusammensetzung des AdR solle sich stärker an der Einwohnerzahl der Mitgliedstaaten orientieren. Bei einer Obergrenze der Mitgliedstaaten des AdR würde dies dazu führen, dass einzelne große Regionen vergleichsweise unterrepräsentiert und einzelne Regionen überhaupt

nicht mehr im AdR vertreten wären. Es verwundert daher nicht, dass der Konvent diese Forderung nicht aufgegriffen hat.

Lassen Sie mich eine erste Einschätzung des Konvententwurfs aus PDS-Sicht geben: Auch wenn in den Bereichen Beschäftigungs- und Sozialpolitik keine grundlegenden Fortschritte gemacht wurden, kann der Entwurf insgesamt gesehen positiv bewertet werden. Die in Laeken erklärten Ziele der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union, mehr demokratische Legitimation, mehr Transparenz und mehr Effizienz sowie eine Neuordnung der Verträge, wurden erreicht. Als wesentliche Fortschritte wertet die PDS, dass die in Nizza proklamierte Charta der Grundrechte nunmehr durch Aufnahme in den Vertragstext Verbindlichkeit erlangen soll, dass die Europäische Union eine eigene Rechtspersönlichkeit erhält, die ihr den Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention eröffnet, dass mit dem Gesetzgebungsverfahren, das anders als bisher das Mitentscheidungsverfahren nach Artikel 251 EG-Vertrag der Regelfall sein soll, die Stellung des Parlaments erheblich gestärkt wird. Und schließlich die in letzter Sekunde in einem mit "Das demokratische Leben der Union" überschriebenen Titel eingeführte Bürgerinitiative, die es ermöglichen soll, die Kommission zum Gebrauch ihres Gesetzesinitiativrechts aufzufordern. Damit ist der zivilen Gesellschaft zukünftig ein wichtiges neues Feld für europäische Initiativen eröffnet.

(Beifall bei der PDS)

Ausdrücklich begrüßen wir die nunmehr im Subsidiaritätsprotokoll vorgesehene Einschaltung der einzelstaatlichen Parlamente bei der Kontrolle des Subsidiaritätsprinzips. Es darf allerdings nicht verschwiegen werden, dass hier bereits kritisch eingewandt wurde, hierdurch würden gigantische Papierberge auf die nationalen Parlamente zukommen, die diese nicht mehr bewältigen könnten. Im Bereich Inneres und Justiz sowie Außen- und Sicherheitspolitik gibt es allerdings Punkte, die von der PDS sehr kritisch gesehen werden. Im Bereich Inneres und Justiz beanstanden wir vor allem, dass es an einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle durch den Europäischen Gerichtshof fehlt. Die Ausnahmebestimmungen zur Rechtsprechungsgewalt des Europäischen Gerichtshofs im Bereich Justiz und Inneres widersprechen dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit. Es erfüllt uns mit Sorge, dass der Entwurf vorsieht, den Bereich der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik erheblich zu intensivieren. Wir erklären uns gegen die Absicht, den rechtlichen Rahmen für mögliche EU-Kampfeinsätze auszuweiten, eine europäische Rüstungsagentur zu schaffen, welche die weitere Aufrüstung der Mitgliedstaaten befördern soll und die an die "Verpflichtung" der Mitgliedstaaten gekoppelt ist, "ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern". Ebenso sprechen wir uns dagegen aus, dass es einzelnen Mitgliedstaaten ermöglicht werden soll, im Rahmen einer strukturierten Zusammenarbeit militärische Missionen durchzuführen. Es ist schließlich ein gewaltiges

Defizit des Vertragsentwurfs, das in der Frage der Beteiligung des Europäischen Parlaments im Bereich der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik keine Fortschritte erzielt wurden. Wer die Präambel liest, wird möglicherweise vergeblich nach einem zentralen Ursprung der Basis der Union suchen. Ich selbst mutmaße, dass der Konvent durch das einleitende Zitat von Thukydides eine Basis der Europäischen Union andeuten will. Es handelt sich nämlich um den Satz der berühmten Leichenrede Perikles. Dieses Zitat ist aber durch das Weglassen eines Halbsatzes und der nachfolgenden Sätze für uns schon sinnentstellt worden. Perikles soll die Rede Ende 431 v.Chr. am Ende des ersten Jahres des pelleponischen Krieges gehalten haben.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Das sind schwere Wörter.)

Pelleponesischen Krieges. Ich habe zu der Zeit nicht gelebt. Deshalb ist mir das Wort nicht so vertraut.

(Beifall bei der PDS)

Hören Sie mir bitte zu... Ich möchte Ihnen doch gern einmal das ganze Zitat zu Ohr kommen lassen. Die Rede enthält eine Beschreibung der Demokratie. Ungekürzt lautet der in der Präambel zitierte Satz, ich zitiere: "Die Verfassung, die wir haben, imitiert nicht die Gesetze ihrer Nachbarn. Sie dient vielmehr diesen als Vorbild. Sie heißt Demokratie, weil der Staat nicht auf wenige Bürger, sondern auf die Mehrheit ausgerichtet ist."

(Beifall bei der PDS)

Danach folgt eine Beschreibung der Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz als ein weiteres Wesensmerkmal der Demokratie. Perikles erwähnt dann die Freiheit, der sich die Bürger erfreuten und die sich auch auf das gewöhnliche Leben erstreckte. Schließlich heißt es, dass Athen der Welt offen stehe und dass man nie einen Fremdling vertreibe. Gerade deshalb halte ich dieses ThukydidesZitat für vortrefflich geeignet, um aufzuzeigen, was Europa sein und was es nicht sein sollte. Wir streben ein Europa an als horizontales und demokratisches Projekt weltweiter Beziehungen. Dies setzt aber voraus, dass wir uns nicht selbst genügsam auf uns selbst beziehen, sondern uns den kritischen Blicken auf Europa von den Regionen aus, die jahrhundertelang als Kolonien von Europa ausgebeutet wurden, zu Eigen machen. Mit anderen Worten muss sich Europa zu seiner kolonialen Vergangenheit und der von ihr verursachten Tragödien bewusst werden. Ein solches Europa schließt eine politische Identität aus, die ausgrenzt und andere unterwirft. Praktisch bedeutet dies, dass Europa seine Grenzen gegenüber dem Rest der Welt öffnet.

(Beifall bei der PDS)

Es ist jetzt unser aller Aufgabe, die Inhalte des Verfassungsentwurfs unseren Bürgerinnen und Bürgern näher zu bringen. Unser Anspruch ist es, sie fit zu machen für eine Volksabstimmung. Dass es dazu kommt, werden wir uns in den nächsten Wochen und Monaten als PDSFraktion besonders stark machen. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Bergemann, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, unser Antrag der CDU-Fraktion in der Drucksache 3/3522 zur Berichterstattung über den Entwurf des europäischen Verfassungsvertrags basiert - wie schon gehört - auf dem Antrag in Drucksache 3/2902, den wir gemeinsam mit SPD und CDU hier im hohen Haus verabschiedet haben, der auch uns den Auftrag mitgegeben hat, über den weiteren Verlauf des Konvents zu sprechen und die Landesregierung bittet uns zu berichten. Herr Minister Kaiser hat das heute umfassend eindrücklich getan. Ich darf an der Stelle, Frau Kollegin Sedlacik, noch einmal in Erinnerung rufen, weil Sie vorhin äußerten, es wäre keine Diskussion zu dem Antrag erwünscht gewesen.

(Zuruf Abg. Sedlacik, PDS: Das eine tun und das andere nicht lassen.)

Wenn ich Sie noch einmal zurückerinnern darf. Auch in meiner Begründung habe ich damals gesagt, wir tun es deshalb und machen keine Überweisung an den Ausschuss, weil wir ein Zeitproblem hatten. Richtigerweise hat sich genau das bewahrheitet, dass nämlich die Beschlusslage, die wir hier herbeigeführt haben, auf die ich noch ein Stück zurückkomme, die auch der Minister schon ausgeführt hat, im Detail genau zu diesem Zeitpunkt nämlich auch wichtig ist, dass die Parlamente sich geäußert haben. Wir hätten natürlich und wir haben immer noch Zeit genug, das Thema weiter zu diskutieren, denn die Regierungskonferenz wird im Oktober entscheiden. Wir wissen heute noch nicht, wie es ausgeht. Der Herr Minister hat es vorgetragen, welche Varianten auf der AGENDA stehen, sollte er geöffnet werden; aber das war der entscheidende Punkt, nicht, weil wir es nicht diskutieren wollten. Wir haben es im Ausschuss - mit Verlaub waren wir erstens gemeinsam in Brüssel, haben teilgenommen an der Konventsitzung, wir haben über die Landesregierung immer Berichte im Ausschuss hören können, wie der aktuelle Arbeitsstand war. Das halte ich wirklich nur für reinen Populismus, bitte mehr Sachlichkeit!

Zu Ihrem Antrag, Frau Sedlacik, einmal ganz nebenbei bemerkt: Wenn ich den noch richtig im Kopf habe, da zog sich genau dieser Wille zum Zentralstaat wie ein ro

ter Faden durch den ganzen Antrag, weg vom Subsidiaritätsprinzip hin zum Zentralstaat. Das war ja nicht nur unsere Ansicht, sondern auch die Ansicht unserer Kollegen hier aus der SPD-Fraktion. Aber das vielleicht dazu. Ich glaube, und der Dank an die Landesregierung muss schon auch noch einmal ein Stück verbunden werden mit Herrn Teufel, das will ich ausdrücklich sagen, weil auch ich persönlich nicht geglaubt hätte, dass wir ein solches Ergebnis erzielen werden. Wenn wir im November diese Beschlusslage gefasst haben, haben wir immer noch ein bisschen Optimismus dabei gehabt und auch ein Stück Pessimismus, das bekommen wir ja jeden Tag auch über die Medien hereingebracht, über die Anfragen, die zur Zustimmung zu Europa gestellt werden. Aber Ministerpräsident Teufel hat tatsächlich für die Länder als Vertreter im Bundesrat hier eine ganz souveräne und fachlich sehr fundierte Arbeit für uns geleistet. Ich denke, das ist einen Dank wert.

(Beifall bei der CDU)

Man darf vielleicht auch hier noch einmal daran erinnern, wie das war mit dem Konvent, der Einberufung. Warum war es denn so? Wir haben auch hier über den Vertrag von Nizza geredet. Genau dieses unbefriedigende Ergebnis des Vertrags von Nizza, wo auch teilweise egoistische Interessen von einzelnen Ländern eine Rolle gespielt haben, die waren eigentlich der Grund dafür, dass ein Konvent einberufen wurde. Und weil klar war, dass die Regierungskonferenz, die ja immer hinter verschlossenen Türen tagt, wo die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist, wo man sich abschottet, dass die keine Lösung mehr herbeiführen würde, um das Europa und auch die Bürger für Europa so fit zu machen, wie es auch aufgrund der anstehenden Erweiterung erforderlich ist. Das war die einzige Möglichkeit, diesen Konvent vor allen Dingen mit öffentlichen Sitzungen, mit Beteiligung der Bürger - viele haben über das Internet teilgenommen - genau in diesem Punkt dort auch ein Stück weiterzuführen. Die Abschlusszeremonie am 13. Juni hat ja dann auch klar gemacht, dass die Konventsmitglieder zu schwierigen und schmerzhaften Kompromissen bereit waren. Das war sicherlich nicht für alle einfach, aber es hat gezeigt, dass die demokratische und transparente Arbeitsmethode genau die richtige ist, solch ein Problem zu lösen. Da bin ich auch dem Thüringer Landtag und den Kollegen dankbar, weil wir sehr zeitig, rechtzeitig genau an diesem Prozess auch mitgewirkt haben, genau an dieser Methode auch zu sagen, das ist ein Konvent und nicht alles ist in Regierungskonferenzen zu klären.

(Beifall bei der CDU)

Es ist unstrittig, dass wir natürlich nach außen auch ein Stück Verantwortung haben. Wir müssen bei den Bürgern eine positive Stimmung erzeugen, das wissen wir alle miteinander. Gerade in der Außenwirkung hat die Europäische Union schon ein Stück an Attraktivität gewonnen. Das sieht man, wenn man in die osteuropäischen oder

die zukünftigen Beitrittsländer fährt. Wenn man sich mit den Menschen dort unterhält, wenn man dort Kontakte hat, die sind heiß darauf, die stehen auch zu Europa.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS)

Aber in der Innenwirkung... Herr Dittes, Sie sollten es mal tun.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Ja, ich hab.)