Protokoll der Sitzung vom 17.10.2003

diese Instrumente weiter so ein, dass dadurch Effekte für den ersten Arbeitsmarkt geschaffen werden. So zum Beispiel durch das Herrichten von Industriealtstandorten für neue Investoren.

(Beifall bei der CDU, PDS)

Gerade da zeigen sich positive Synergien durch die Bündelung von Wirtschaftspolitik, Wirtschaftsförderung und Arbeitsmarktpolitik in einem Ressort.

(Beifall bei der CDU)

Ein Beispiel ist auch die Weiterentwicklung des Landesprogramms "50 PLUS", mit dem seit April 2000 rund 5.300 Dauerarbeitsverhältnisse begründet wurden. Auch fördern wir Arbeitslose, die eine selbständige Existenz gründen. Besonders wichtig ist für uns, dass die Existenzgründer am Markt auch eine echte Überlebenschance haben. Wir gewähren die Förderung daher nur dann, wenn die Gründer ein Unternehmenskonzept vorlegen, das von den Kammern und Fachverbänden auch als tragfähig beurteilt wird.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, höchste Priorität genießen für die Landesregierung zwei weitere Bereiche: Die berufliche Aus- und Weiterbildung junger Menschen und die unternehmensnahe und arbeitsplatzbezogene Qualifizierung von Arbeitnehmern und Arbeitslosen.

(Beifall bei der CDU)

Wir schaffen bzw. sichern damit berufliche Perspektiven in Thüringen und erleichtern die Wiedereingliederung Arbeitsloser in den ersten Arbeitsmarkt. Mit einer guten beruflichen Ausbildung und mit bedarfsgerechten Weiterbildungsangeboten stärken wir nicht nur das Humankapital der Thüringer Wirtschaft, wir wirken vielmehr auch der Abwanderung junger Menschen aus Thüringen entgegen.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einfügen, dass Thüringen die niedrigste Arbeitslosigkeit unter allen neuen Bundesländern hat. Zum Thema Ausbildungssituation muss ich sagen, dass diese momentan unsere besondere Aufmerksamkeit hat. Wir werden in einem weiteren Tagesordnungspunkt heute auch darauf noch einmal zu sprechen kommen.

Die Landesregierung hat in den letzten Wochen mit der vom Ministerpräsidenten und mir gestarteten Ausbildungsplatzinitiative, der Ausbildungskonferenz und der Aufstockung des Ausbildungsprogramms Ost gehandelt. Durch die vorrangig aus ESF-Mitteln finanzierte Aufstockung des Bundesprogramms können wir über 500 zusätzliche überbetriebliche Ausbildungsplätze bereitstellen. Insgesamt

sind es auch in diesem Jahr wieder knapp 2.200. Weitere Maßnahmen, mit denen wir die betriebliche Ausbildung unterstützen, sind die Förderung von Ausbildungsverbünden und überbetrieblichen Lehrunterweisungen im Handwerk, die Förderung zusätzlicher Ausbildungsberater bei den Kammern und die Bezuschussung der Einstellung so genannter Konkurslehrlinge. Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass es uns durch Fortsetzung der Landesaktivitäten und weiterer Anstrengung der Thüringer Wirtschaft gelingen wird, den Anteil der Bewerber ohne Ausbildungsplatz bis zum Jahresende wie in den Vorjahren auf etwa 1 Prozent zu senken.

(Beifall bei der CDU)

Ende September lag dieser Anteil noch bei 4,6 Prozent. Gut 67 Prozent aller Ausbildungsplätze werden in Thüringen von den Betrieben bereitgestellt. Das ist zwar der beste Wert in den neuen Ländern, aber ich appelliere trotzdem an die Thüringer Unternehmen, zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen.

(Beifall bei der CDU)

Es liegt nicht zuletzt im eigenen Interesse der Unternehmen, jetzt für Fachkräftenachwuchs zu sorgen. Schon in wenigen Jahren wird es wegen der demographischen Entwicklung zu einem Mangel an Ausbildungsplatzbewerbern kommen. Meine Damen und Herren, die Einführung einer Ausbildungsabgabe lehnen wir eindeutig ab.

(Beifall bei der CDU)

Eine solche Abgabe würde keinen Beitrag zur Verbesserung der Lehrstellensituation leisten. Junge Menschen müssen bereits in den Schulen gezielt über Berufsprofile und Berufsperspektiven in Thüringen informiert werden. Die Landesregierung wird daher ihre vielfältigen Aktivitäten im Bereich der Berufswahlvorbereitung noch verstärken. Das Kultusministerium bereitet beispielsweise eine landesweite Einführung eines Berufswahlpasses vor. Weiterhin wird der Kalender "JOB" erscheinen, der Schülerinnen und Schüler bei der Berufsorientierung unterstützen soll.

(Beifall bei der CDU)

Das TMWAI wird die erfolgreiche Informationskampagne "Thüringen Perspektiv" fortsetzen. Angesichts neuer technologischer Entwicklungen und des schnellen Strukturwandels gewinnen die berufliche Weiterbildung und lebensbegleitendes Lernen einen immer höheren Stellenwert. Wir fördern daher jährlich für etwa 8.000 Teilnehmer eine unternehmensnahe und arbeitsplatzbezogene Qualifizierung. Um die Thüringer Unternehmen in Fragen der Weiterbildung und Fachkräftegewinnung zu beraten, werden darüber hinaus 24 Qualifikationskoordinatoren vom TMWAI gefördert.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung setzt sich dafür ein, dass die Verwaltung als Partner der Wirtschaft auftritt und das Wirtschaftsgeschehen nicht durch überflüssige Vorschriften behindert wird.

(Beifall bei der CDU)

Die Regelungsdichte erweist sich immer mehr als Entwicklungshemmnis für die deutsche Wirtschaft.

(Beifall bei der CDU)

Die Politik der Bundesregierung hat dieses Problem in den letzten Jahren noch verschärft. Erfreulicherweise ist es in Thüringen gemeinsam mit anderen unionsgeführten Ländern in diesem Jahr gelungen, über den Bundesrat wenigstens bei den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen wieder eine wesentlich einfachere Regelung durchzusetzen.

(Beifall bei der CDU)

Die Bundesregierung versucht sich seit Anfang der Legislaturperiode als treibende Kraft in Sachen Deregulierung und Entbürokratisierung zu profilieren. Der mit viel öffentlichem Getöse verabschiedete Masterplan Bürokratieabbau krankt allerdings daran, dass er sich vorrangig auf Verfahrensabläufe konzentriert, die inhaltlichen Standards aber weit gehend unverändert lässt. Es wird an den Symptomen herumgedoktert, was vielleicht eine vorübergehende Linderung verschafft, aber ohne eine deutliche Vereinfachung des Steuer-, Arbeits-, Sozial- und Planungsrechts werden die eigentlichen Ursachen der Überregulierung nicht beseitigt.

(Beifall bei der CDU)

Thüringen hat in diesem Jahr zwei Bundesratsinitiativen gestartet, die eine schnelle Planung der für uns so wichtigen Infrastrukturprojekte ermöglichen sollen. Gegenstand der einen Gesetzesinitiative ist die Verlängerung des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes bis zum Jahr 2019. Die zweite Initiative sieht eine Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vor. Das Ziel ist, während der Geltungsdauer des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes Klagen von Naturschutzverbänden, die nicht in eigenen Rechten verletzt sind, einzuschränken oder auszuschließen.

(Beifall bei der CDU)

Beide Gesetzentwürfe wurden vom Bundesrat beschlossen und werden zurzeit in den Bundestagsausschüssen beraten. Auf Landesebene haben wir zahlreiche Aktivitäten eingeleitet. Wie Sie wissen, werden alle Verwaltungsvorschriften des Landes im Laufe dieses Jahres einer Überprüfung unterzogen. Hierzu ist eine Stabsstelle "Verwal

tungsvereinfachung - Entbürokratisierung" bei der Thüringer Staatskanzlei eingerichtet worden. Alle Verwaltungsvorschriften, die bis Jahresende nicht bestätigt werden, verlieren ihre Gültigkeit. Über den im Mai vom Innenministerium ausgelobten Wettbewerb "Normcheck" wurde auch die Thüringer Bevölkerung in den Abbau überflüssiger Vorschriften eingebunden. Im Thüringer Wirtschaftsministerium besteht seit Mai 2003 eine Anlaufstelle zum Abbau bürokratischer Hemmnisse, die so genannte Clearingstelle. Ihre Aufgabe ist es, Hinweise von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden auf überzogene, überflüssige und widersprüchliche Vorschriften im Bereich des Wirtschafts- und Arbeitsrechts zu sammeln und zur Bewertung und Beurteilung an die zuständigen Stellen und Behörden weiterzuleiten. Auf diese Weise sollen sowohl Genehmigungsverfahren im Einzelfall beschleunigt, als auch generell bürokratische Hemmnisse identifiziert und abgebaut werden. Die Clearingstelle ist zugleich Kommunikationspartner für die Wirtschaft in Fragen der Deregulierung. Von der Clearingstelle wird gegenwärtig ein Konzept für mehr Wirtschaftsfreundlichkeit in der Verwaltung entworfen. Den Entwurf dieses Konzepts werden wir den Kammern und Wirtschaftsverbänden in Kürze vorstellen und ausführlich mit ihnen diskutieren. Es sind aber in erster Linie die bundesrechtlichen Regelungen, die die Thüringer Wirtschaft hemmen. Die Landesregierung hat deshalb dem Bundeswirtschaftsminister die förmliche Bewerbung ganz Thüringens als Testregion für den Bürokratieabbau und die Vereinfachung von Verfahren vorgeschlagen.

(Beifall bei der CDU)

Wir erhoffen uns dadurch einen zusätzlichen Impuls für die Wirtschaftsentwicklung.

Meine Damen und Herren, auf Thüringens Stärken setzen und gleichzeitig noch vorhandene Schwächen beseitigen, das ist das, was wir uns vorgenommen haben. Über erste Maßnahmen, die die neue Landesregierung in dieser Hinsicht in den letzten Wochen ergriffen hat bzw. in der nächsten Zeit ergreifen wird, habe ich hier berichtet. Unsere Anstrengungen auf Landesebene können aber nur dann ihre volle Wirkung entfalten, wenn auch auf Bundesebene die notwendigen Reformen im Arbeitsrecht, im Steuerrecht und in den sozialen Sicherungssystemen endlich umgesetzt werden. Bürger und Unternehmen brauchen eine verlässliche Perspektive, was in den kommenden Jahren auf sie zukommen wird. Nur so kann die anhaltende Wachstumskrise in Deutschland überwunden werden. Die Landesregierung wird - der Ministerpräsident hat das oft genug betont - im Bundesrat sinnvollen Gesetzesänderungen ihre Zustimmung nicht verweigern. Unausgegorenen Vorschlägen werden wir im Interesse der Entwicklung unseres Landes aber nicht zustimmen.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden keine Blockadehaltung einnehmen, sondern mit Gegenentwürfen für bessere Lösungen eintreten, wie wir es z.B. bei der Flexibilisierung des Arbeitsmarkts tun.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zur Politik der Landesregierung, wie ich sie skizziert habe, gibt es keine sinnvolle Alternative.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage ganz selbstbewusst: Nur auf dem beschriebenen Weg können wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich die positive Wirtschaftsentwicklung in Thüringen fortsetzt und sich der Abstand zu den alten Ländern weiter verringert. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Dann kommen wir zur Aussprache. Als Erster hat das Wort der Abgeordnete Buse, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren! Herr Minister Reinholz, Sie haben Ihre Rede beendet - ich darf zitieren: "... zur Politik der Landesregierung, wie ich sie skizziert habe," - also Sie - "gibt es keine sinnvolle Alternative." Dann könnten wir eigentlich danach hier einen Punkt machen, warum sollten wir dann darüber diskutieren? Ich kann es Ihnen nicht ersparen, Ihnen die Auffassung der Fraktion der PDS mitzuteilen, aber ich möchte eingangs auch sagen, ich gebe gern zu, die PDS-Fraktion ist mit Ihrem Vorgänger im Amt nicht immer pfleglich umgegangen. Das will ich gern zugeben.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Späte Reue.)

Und jetzt hört er es nicht mal. Sie sind nun über diese ominöse 100-Tage-Frist im Amt und ich stand vor der Frage: Wie kritisch können wir mit Ihnen umgehen?

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Bestimmt nicht besser.)

Und nun ist es ja so, sicherlich gibt es Erwartungshaltungen Ihrer Fraktion, die wir auch noch hören werden, aber es gibt auch Erwartungshaltungen meiner Fraktion, die sagen, wir sollten so weitermachen wie bisher im Amt und sollen ruhig sehr kritisch mit dem Herrn Wirtschaftsminister umgehen, weil Wirtschaftspolitik in Thüringen - Sie sagten das - eine besondere Rolle nicht nur für Wirtschaft allgemein, sondern auch für Beschäftigung im Land hat. Und da sind wir wieder eins. Da Sie aus Ihrer verantwortlichen Funktion in der Landesentwicklungsgesellschaft die Situation in Thüringen kennen, dachte ich mir, wir müssen Sie nicht ganz so schonen.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Was nicht unmittelbar zum Tode führt, macht nur härter.)

Das denke ich auch, Herr Kretschmer. Ich hatte große Erwartungen an Ihre Regierungserklärung, das gebe ich gern zu. Dies umso mehr, da Sie durch Ihre bisherige Tätigkeit den notwendigen Handlungsbedarf der Thüringer Wirtschaft doch kennen. Äußerungen von Ihnen nach Ihrer Ernennung oder im Zusammenhang mit Ihrer Ernennung und Ihre ersten Entscheidungen hatten nicht nur bei mir Erwartungen geweckt, dass Sie die Probleme dieses Landes im Verantwortungsbereich Ihres Ministeriums anpacken werden. Mit Interesse haben wir in der PDS-Fraktion in diesem Zusammenhang Ihre Vorschläge, Überlegungen oder auch Entscheidungen für die Mietfabriken gleich am Anfang aufgenommen - Sie haben in der Rede auch noch mal darauf Bezug genommen - oder auch zur Umstellung von Förderbedingungen oder auch zur Ausbildungsoffensive 2003, die Sie gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten vorgestellt haben, oder zur Veränderung der Tourismusstrukturen und vieles andere mehr registriert. Und dass Thüringen jetzt in Gesprächen mit der Bundesregierung über eine Modellregion eingetreten ist, ist doch auch dem Wechsel von Personen zu verdanken.