Protokoll der Sitzung vom 17.10.2003

3. dass im Bereich des ESF bisher eine sehr ungleiche Mittelverwendung zu Ungunsten der Maßnahmepakete lebenslanges Lernen und Chancengleichheit sowie Anpassungsfähigkeit erfolgte, und schließlich

4. insgesamt im Falle des Strukturfonds für regionale Entwicklung erst 43 Prozent der Mittel für den Investitionszeitraum bis 2006 durch Bewilligung gebunden sind, davon für Infrastrukturmaßnahmen im Bereich Wissenschaft und Forschung erst 18,7 Prozent und im Falle des Europäischen Sozialfonds erst 41,7 Prozent der für aktive und präventive Arbeitsmarktpolitik bis 2006 vorgesehenen Mittel bewilligt sind.

Diese ausgewählten Feststellungen im Verbund mit der bisher in diesem Haus mit keiner Silbe erwähnten, nach Bestätigung der Halbzeitevaluierung aber verfügbaren so

genannten leistungsgebundenen Reserve in Höhe von etwa 125 Mio.        !zungen im Operationellen Programm durch zielgerichteten Mitteleinsatz weiterer inhaltlicher und finanzieller Spielraum besteht für eine Stärkung der Wirtschaft und Schaffung weiterer Beschäftigung, auch im öffentlich finanzierten Beschäftigungssektor. Man muss es eben aber nur wollen. Herr Minister Reinholz, mit Ihren Darlegungen haben Sie uns veranlasst, aus unserer Sicht und nach unserer Analyse Probleme, Schwerpunkte und Lösungsansätze zu benennen. Ich meine, dass die Mitglieder der Enquetekommission "Wirtschaftsförderung in Thüringen", also sowohl Landtagsabgeordnete, Kammervertreter, aber auch vor allem renommierte Wissenschaftler, eine Reihe von Aufgaben auch aus eben einer solchen Analyse abgeleitet haben, an deren Umsetzung, egal, ob schon begonnen oder noch kritisch ablehnend betrachtet, ebenfalls in Ihrem Hause gearbeitet werden sollte. Aber dazu ist Kenntnis über Vorgeschlagenes und Notwendiges notwendig. Wir werden Sie beständig darauf aufmerksam machen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Herr Kollege Buse, gestatten Sie nur kurz, dass ich noch ein Wort zu Ihrer Entschuldigung sage. Ich habe, ehrlich gesagt, auch erwartet, dass Sie dazu ein Wort sagen, nachdem ja bekannt war, dass es Ihre Gruppe ist. Die Entschuldigung ist angekommen. Aber noch besser wäre es natürlich, wenn Einlader von Gruppen, bevor der Plenarsaal betreten wird, die Tribüne, auf die Gepflogenheiten des Hauses aufmerksam machen und dann auch mithelfen, dass diese Gepflogenheiten eingehalten werden.

(Beifall bei der CDU, SPD)

So, jetzt habe ich auch noch etwas Angenehmes. Es gibt ein weiteres Ereignis auf der Besuchertribüne. Wir haben nämlich Gäste aus Kasachstan unter Leitung von Herrn Kalilow,

(Beifall im Hause)

auf Einladung der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland. In diesem Rahmen besuchen sie Thüringen und werden sich hier auch insbesondere mit Themen der Landwirtschaft vertraut machen. Herzlich willkommen!

Jetzt darf ich fortsetzen in der Debatte und gebe dem Abgeordneten Lippmann das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will meine Ausführungen so anlegen, dass ich jetzt nicht Satz für Satz und Wort für Wort die Regierungserklärung des Wirtschaftsministers zu zerpflücken versu

che, sondern ich will sie so anlegen, dass ich Anregungen und Einstellungen der SPD-Fraktion zu bestimmten Problemen der Wirtschaft in unserem Lande und zur Wirtschaftsförderung in unserem Land darlege, ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Über den Bereich Arbeitsmarkt wird möglicherweise in der heutigen Debatte mein Kollege Dr. Müller noch sprechen.

Kürzlich veröffentlichte ein Wirtschaftsforschungsinstitut eine Studie zur Wirtschaftsdynamik in den Bundesländern für die letzten Jahre. Das hebt uns auf den dritten Platz von hinten. Die Ursachen - und das ist bemerkenswert, aber auch überraschend - sehen sie in den gestiegenen Löhnen und Gehältern, in sinkenden Ausgaben für Bildung und Wissenschaft und einer zurückgehenden Investitionsquote. Das ist kein Ruhmesblatt, aber man sollte es auch nicht überbewerten. Ich warne davor. Denn jeder gewiefte Statistiker rechnet Ihnen binnen fünf Minuten Thüringen anhand von Indikatoren sowohl auf den ersten als auch auf den letzten Platz. Das ist möglich, und deshalb ist das für mich eigentlich nur ein Indiz und kein Beweis für die Wirtschaftskraft einer Region, für die Wirtschaftskraft eines Landes.

Thüringen hat wie alle neuen Bundesländer eine Reihe von Defiziten gegenüber den alten Bundesländern, das lässt sich mit Zahlen belegen, die ich im Einzelnen nicht nennen kann, denn es ermüdet 30, 40, 50 Zahlen zu hören. Aber schaut man sich Arbeitslosenquote, Produktivität, Bruttosozialprodukt, die Löhne und die Infrastrukturausstattung an, so sind die Unterschiede mit den Händen zu greifen. Auch Wohneigentum, Sparguthaben, Eigenkapital der Unternehmen sind im Westen im Durchschnitt dreimal so hoch wie in den neuen Bundesländern und natürlich auch in Thüringen. Kein Mensch wird bestreiten können, dass wir uns im Osten noch immer in einer besonderen wirtschaftlichen Situation befinden, und das qualifiziert dieses Land neben den anderen neuen Bundesländern als eine besondere Entwicklungsregion in Deutschland, und dies noch für eine geraume Zeit. Ich sage dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht im Klageton, ich stelle das fest. Und ich stelle das auch fest mit einem gewissen Gefühl der Dankbarkeit, nämlich für die, die über die gesamten Jahre hinweg vor allem die finanziellen Transfers ermöglicht haben, der Bund, die Länder und die Menschen in diesen Ländern.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Ich denke, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben Halbzeit. Das Tempo der wirtschaftlichen Konsolidierung geht uns allen nicht schnell genug, es sollte uns aber davor hüten, übereilte oder falsche Entscheidungen zu treffen. Das betrifft alle, ausdrücklich alle politischen Farben. Die Probleme, die wir zu lösen haben, haben Deutschland schwerfällig gemacht, gesellschaftlich schwerfällig, politisch schwerfällig und wirtschaftlich schwerfällig. Kurt Biedenkopf hat es kürzlich in einem Interview gesagt: "Was jetzt an Veränderungen auf den Weg

gebracht werden muss, hätte schon vor 20 Jahren beginnen müssen." Recht hat er! Und ich sage das ohne Häme. Wie wir merken, sind nicht nur Reformen angesagt, sondern es ist vor allen Dingen auch eine neue politische Kultur der Auseinandersetzung angesagt. Wir müssen uns entscheiden, entweder Wahlkampfgetöse zu machen oder eine konstruktive Auseinandersetzung zu wagen zum Nutzen der Sache. Das hat nur nicht alle Ebenen erreicht. Dem Henning Scherf wird zugesprochen Folgendes gesagt zu haben. Er soll gesagt haben, einer Bundestagsdebatte kann ich nicht lange zusehen, dann wird mir schlecht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, mir geht das gelegentlich in unserem Hause, das muss ich sagen, auch manchmal so.

(Beifall bei der SPD)

Mit gegenseitigen Schuldzuweisungen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wird Deutschland seine Hausaufgaben nicht machen können. Was in den letzten Wochen und Monaten in der Bundesrepublik geschehen ist, ist zumindest ansatzweise ermutigend. Man könnte es mit gutem Willen und mit Optimismus als eine Zäsur der politischen Auseinandersetzung ansehen. Ich denke nicht nur an die Gesundheitsreform Schmidt/Seehofer. Ich denke auch an die Vorschläge von Koch und Steinbrück zum Abbau von Subventionen in Deutschland und von Wowereit und Koch beim Beamtenrecht und von Beust und Scherf bei der Steuerreform. Ich rede nicht von der Qualität der gemeinsamen Bemühungen und ich rede nicht von der Qualität des Endprodukts dieser gemeinsamen Bemühungen, sondern ich rede ganz einfach von der Tatsache, dass es möglich ist. Der Thüringer Ministerpräsident hat gesagt, ich zitiere: "Man möge sich von ideologischen Zwängen befreien." Dann tun wir es doch! Dann unternehmen wir zumindest den Versuch das zu wollen, nicht nur im Bund, sondern auch hier in unserem Hause. Vor diesem Hintergrund sollten wir die heutige Wirtschaftsdebatte führen. Wir wissen, die deutsche Wirtschaft kann nicht per Order auf Wachstum gebracht werden, weder durch den Bund, das ist Quatsch, noch durch die Länder. Auch durch überdurchschnittlich hohe Alimentierung und Subventionen nicht. Die verschleiern die Probleme nur langfristig und setzen die Regeln des Markts und des Wettbewerbes außer Kraft. Wir können auf Dauer nicht unternehmerische Verantwortung durch Mittel der öffentlichen Hände ersetzen. Das aber ist in den letzten Jahren geschehen, in zunehmendem Maße geschehen. Was also kann der Staat, wenn er nicht Unternehmer spielen soll? Er kann, also der Staat, das Zustandekommen von Wertschöpfungsprozessen positiv stimulieren. Das tut er über die drei Hauptsäulen erfolgreicher Wirtschaftspolitik, nämlich:

1. Der Staat muss wirtschaftliche Abläufe von Verwaltungsgestrüpp befreien. Ich werde im Einzelnen dann noch einige Bemerkungen dazu machen. Damit meine ich nicht nur die Strukturreform in der Wirtschaftsförderung, sondern beispielsweise auch die Schaffung zukunftsfähiger Verbandsstrukturen beispielsweise im Bereich der Was

server- und Abwasserentsorgung.

2. Der Staat muss eine qualifizierte Infrastruktur vorhalten, selbstverständlich nicht nur die Verkehrsinfrastruktur, sondern auch die Versorgungsinfrastruktur, wie z.B. die Energieversorgung. Die Pannen, die in den letzten Wochen und Monaten einige Länder ereilt haben, sollten uns bitte schön nicht treffen, und ich glaube, sie werden uns auch nicht treffen.

Die 3. Säule erfolgreicher Wirtschaftspolitik: Der Staat muss auf allen Ebenen für die bestmögliche Ausbildung derer sorgen, die die Werte schaffen. Das beginnt eigentlich schon in der Kindertagesstätte und endet in der Uni.

(Beifall bei der SPD)

Das sind die drei Säulen erfolgreicher Wirtschaftspolitik, wie ich sie sehe. Wir in Deutschland, wenn Sie sich das vorstellen, erfüllen bestenfalls die Säule zwei.

Das lässt auch erkennen, wo die Defizite sind. Sie sehen, ich habe bis jetzt überhaupt noch nicht von Geld geredet, von Subventionen, Fördermitteln, Strukturhilfefonds. Sie werden erst ins Spiel gebracht, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn das Ausgleichsziel, zu dem uns das Grundgesetz verpflichtet, in Gefahr ist. Das war nach der Wiedervereinigung der Fall. Also wurden für uns selbstverständlich der wirtschaftliche Transformationsprozess und Strukturwandel im Osten mit viel Geld unterstützt und wird es heute noch. Das ist die vierte Säule möglicherweise erfolgreicher Wirtschaftspolitik, die für den Osten eine ganz besonders hohe Rolle gespielt hat und auch noch spielt.

Für eine ganze Reihe von Politikern im Osten, so meine ich, reduziert sich Wirtschaftspolitik auf die Forderung, immer mehr Geld zu bekommen. Wirtschaftspolitik verkümmert zur Beschaffungs- und Subventionsmentalität. Die Qualität gerät oftmals unter den Hammer. Das registrieren ja auch die, die letztendlich das Geld geben. Jetzt wären wir also beim Geld.

Ich setze voraus, dass es beim Solidarpakt 2 bleibt, und ich setze auch voraus, dass es letztendlich zu einer einvernehmlichen Regelung zur Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen kommen wird. Ein anderes, meine sehr verehrten Damen und Herren, setze ich nicht mehr voraus, nämlich die Kontinuität des Mittelflusses.

Wir sind gut beraten, uns darauf einzustellen, dass sowohl die Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe - Herr Minister hat die Zahlen ja vorhin gesagt - als auch die Europäischen Strukturfondsmittel sukzessive zurückgefahren werden, auch wenn der Kommissar Barnier kürzlich in Erfurt die Fortführung der Strukturfondsmittel für die neuen Bundesländer nach 2006 in Aussicht gestellt hat. Nur weiß man nicht, wie ein Ziel-1a-Gebiet, von dem die Rede war,

gefördert werden wird. Die Messlatte von 75 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im EU-Durchschnitt ist keine geeignete Messlatte mehr. Diese vierte Säule der Wirtschaftspolitik muss künftig zwei Ziele haben. Wir sind gut beraten, uns an diese Ziele zu halten.

1. Wie gehen wir mit dieser neuen Situation um?

2. Wie machen wir weniger Mittel effizienter? Wie machen wir aus weniger mehr?

Das ist nicht die Quadratur des Kreises, denn wer behauptet, wir hätten bislang alle Fördermittel mit einem Wirkungsgrad von 100 Prozent eingesetzt, der sagt die Unwahrheit. Auch wir haben Fehler gemacht - große und kleine. Es wird auch künftig so sein, weil zur Wirtschaftsförderung in diesem Sinne nicht nur der gehört, der das Geld gibt, sondern auch ein dauerhaft erfolgreiches Unternehmen, dem es zufließt. Ziel einer Wirtschaftsdebatte ist es, mithin die vier Säulen der Wirtschaftspolitik abzuklopfen und nach möglichen Defiziten zu suchen sowie gemeinsame Wege zu finden, die man beschreiten muss, um so abzubauen.

Kommen wir zum Bereich "Verwaltungsvereinfachung und Bürokratieabbau". Vorschläge zum Abbau von Bürokratie hatten und haben in den letzten Wochen, Monaten Konjunktur gehabt. Wirtschaftsverbände sind mit durchaus ernst zu nehmenden Vorschlägen mehrfach an die Öffentlichkeit getreten. Das ist gut und hilfreich. Vorschläge aus der politischen Ebene hingegen sind qualitativ weniger geeignet, weil sie in vielen Fällen den Makel haben, ihren eigenen Aufgaben- und Verantwortungsbereich zuzudecken und Aktivitäten vornehmlich von anderen einzufordern. Wenn in Thüringen bis Ende 2003 1.600 Verwaltungsvorschriften wegfallen sollen, wie angekündigt, dann haben wir das Problem zwar noch nicht gelöst, aber es ist schon mal ein Anfang. Das hat uns allerdings nicht gehindert, vor einigen Wochen und Monaten das Thüringer Bergbahngesetz ins Leben zu rufen, ein ebenso überflüssiges Produkt. Grundsätzlich geht es nicht nur darum, das deutsche Vorschriftenwerk zu entlüften und auszulichten, sondern es geht vor allen Dingen darum, die Strukturen zu ändern und Kompetenzen zu bündeln. Das, was wir im Tourismus beklagen, dass eine Vielzahl von Köchen im Brei rühren, findet praktisch auf jeder Ebene statt. Ich will nur einige Beispiele nennen, nicht alle.

Um effiziente Strukturen in der Thüringer Förderlandschaft haben wir uns schon seit Jahren bemüht. Die Koalitionsvereinbarung zur 2. Legislaturperiode hat der TLG das Ende gebracht. Nun ist auch für die Thüringer Industriebeteiligungsgesellschaft, die Thüringer Außenwirtschaftsfördergesellschaft, um nicht die Kürzel zu benutzen, weil sie nicht jeder weiß, und für die GfAW die Stunde der Wahrheit gekommen. Die Beteiligungen der TIB werden selbstverständlich - und da waren wir uns ja einig - von der TAB in irgendeiner Form weitergeführt, das muss so sein. Die TAF war, meine sehr verehrten Damen und Her

ren, schon immer überflüssig wie ein Kropf, aber leider sakrosankt.

(Beifall bei der SPD)

60 Prozent der Kosten, die dort hingegangen sind, sind in der Verwaltung versickert. Die SPD-Fraktion vertritt klar und deutlich im Übrigen seit Jahren die Auffassung, Strukturpolitik, Wirtschafts- und Wissenschaftsförderung sind durch drei Institutionen zu betreiben: die Thüringer Aufbaubank, die Landesentwicklungsgesellschaft und die STIFT, soweit es nicht politische Entscheidungen sind, und zwar von einer funktionierenden Stiftung. Das tut sie nämlich bis heute nicht. Sie hat ähnlich wie bei der TAB und bei der LEG dann und dort einzusetzen, wenn eine Rendite ihrer Arbeit zu erwarten ist. Nun hat sie abweichend von TAB und LEG nicht nur einen Partner, nämlich die Wirtschaft, sondern sie hat zwei, die Forschungsund Entwicklungseinrichtung und die Wirtschaft, und die sind zusammenzubringen. Der Personalwechsel an der Spitze war zwar längst überfällig, aber das Problem ist damit noch längst nicht gelöst. Zum einen muss das Kompetenzgewusel bei STIFT ein Ende haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium waren in der Vergangenheit schwer unter einen Hut zu bringen und sind es auch heute nicht. Ich bin jahrelang im Beirat gewesen und ich kenne die Geschäfte, die damals abliefen ein wenig. Zum anderen haben Prestigeprojekte einem zielgerichteten Innovations- und Technologietransfer zu weichen. Dass die eine Hand nicht weiß, was die andere tut, hat sich kürzlich am Hickhack um das Applikationszentrum für Kunststofftechnik für Ostthüringen gezeigt. Auf dem wesentlichen Gebiet der Innovationsanregung und des Innovationstransfers haben wir - ich stelle das fest - einige Jahre nutzlos verstreichen lassen.

Ein weiteres Beispiel: Ob Sonderwirtschaftszonen der geeignete Weg sind, wirtschaftliche Abläufe zu stimulieren, wage ich schlicht und ergreifend zu bezweifeln. Stellen Sie sich bitte einmal vor, was, wenn es käme, dann abläuft, wenn es darum geht, für eine Sonderwirtschaftszone die Fördergebietskulisse neu zu strukturieren. Erstens schafft so eine Lösung Differenzen zu anderen Bundesländern, die ja Mitkonkurrenten auf dem Markt um Investitionen sind, und zweitens besteht die Gefahr, dass rechtsfreie Räume geschaffen werden könnten, die wir eigentlich alle nicht wollen. Im Übrigen kann ich mir aber das nur am Rande - auch nicht vorstellen, Behörden mehrerer Bundesländer zusammenzulegen, zumindest im Bereich der Wirtschaftsförderung nicht, da geht es überhaupt nicht. Hier sind Konkurrenten auf dem Markt im Wettbewerb um Investitionen. Und wer am schnellsten ist, hat Erfolg. Dabei muss es bleiben, meine Damen und Herren.

Ein letztes Beispiel: Es wird von einer Vereinfachung des Tarif- und Arbeitsrechts sehr viel geredet. Zur Tarifautonomie eine klare Ansage: Wir stellen Flächentarifverträge nicht in Frage, sie sollen jedoch genügend Spielraum für betriebsspezifische Lösungen ermöglichen. Das ist für den Osten und für die Defizite im Lohngefüge wichtig. Den Einsatz betriebsergebnisabhängiger Lohnkomponenten halten wir bislang für deutlich unterrepräsentiert, aber das ist eine Angelegenheit der Tarifpartner. Unsere Einstellung dazu sagt, dieses möge ausgeweitet werden.

Zum Bereich Infrastrukturentwicklung - einige Bemerkungen zum Bereich der materiellen wirtschaftsnahen Infrastruktur: Sie ist unmittelbar entscheidend für Investitionsbereitschaft und Wirtschaftskraft einer Region. Da ist natürlich in erster Linie die Verkehrsinfrastruktur wichtig.

Meine Damen und Herren, Verkehrsinfrastrukturqualität bemisst sich eben nicht allein nur danach, mit welcher Geschwindigkeit man auf der Straße oder der Schiene von München nach Berlin und von Frankfurt nach Dresden durch Thüringen hindurch kommt, sondern, wie die Produktionsstandorte in Thüringen an das internationale Verkehrsnetz angeschlossen werden und wie sie miteinander verknüpft sind. Im Allgemeinen kann man 14 Jahre nach der Wende Thüringen durchaus einen zufrieden stellenden Zustand der Verkehrsinfrastrukturqualität bescheinigen. Allerdings gibt es auch da noch einiges zu tun, zumindest was das Fernverkehrsnetz anbelangt. Es ist viel Geld nach Thüringen geflossen. Wenn ich an das Investitionsprogramm 1999 - 2002 und an die Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans denke, sind wir mehr als großzügig bedient worden. Angesichts der Prognosezahlen für die Entwicklung des Personen- und Güterverkehrsaufkommens in den nächsten Jahren ist das im Interesse der deutschen und der Thüringer Wirtschaft auch notwendig. Dabei muss es bleiben.

Die Bemühungen des Bundes waren und sind deutlich erkennbar. Leider sind die Bemühungen des Landes Thüringen zum Ausbau des Landesstraßennetzes nicht von vergleichbarer Qualität. Man kann sagen, sie sind kaum noch wahrzunehmen.

Der Nachtragshaushalt hat sein Übriges getan. Die Kürzungen im investiven Bereich werden vor allem die Arbeitsplatzsituation in der Baubranche treffen. So werden wir nicht vorankommen. Ein Unternehmen interessiert schon, wie es Produkte und Dienstleistungen nicht nur regional, sondern überregional preiswert und pünktlich absetzen kann.

Zum ÖPNV: Mein Vorrredner Kollege Buse hat es auch schon angesprochen, der ÖPNV gehört zur Daseinsvorsorge für die Bürger eines Landes. Wir haben ein modernes ÖPNV-Gesetz in Thüringen. Das sichert nicht nur Zuschüsse im investiven Bereich, sondern leistet auch Beiträge zur Deckung von Betriebskostendefiziten bei den kommuna

len und privaten Trägern. Zum Beispiel beträgt der Kostendeckungsgrad Thüringer Unternehmen im Durchschnitt 58 Prozent, in den alten Bundesländern sind es schon 11 Prozent mehr. Ziel ist es, unsere Unternehmen auf die kommende Wettbewerbssituation vorzubereiten, vor allen Dingen sozialverträgliche Tarife aufrecht zu erhalten. Das verlangt die Einkommenssituation unserer Bürger. Aber auch hier fällt der Sparhammer auf die falsche Stelle.

Zum Bereich Bildung - ein von mir eigentlich favorisierter Bereich: Wenn es nach PISA bereits deutliche Zweifel an der Effizienz deutscher Bildungseinrichtungen gegeben hat, der erste Bildungsbericht für Deutschland bei der Kultusministerkonferenz vorgestellt, legt die Defizite offen dar. Wir geben in Deutschland 5,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung aus, deutlich weniger als der Mittelwert der anderen Industriestaaten. Fast 10 Prozent verlassen die Schule ohne Abschluss, in Thüringen sind es 13 Prozent. Wir haben zu wenig Abiturienten und die Ausbildung ist nicht zielgerichtet. Es wird noch immer zu viel Bildungsmüll mitgeschleppt. Der OECD-Bericht "Bildung auf einen Blick" zeigt Deutschland neben der Tatsache, dass unsere Universitäten besser besucht werden, in einem Licht, das einer großen Industrienation unwürdig ist. Der OECD-Bildungsbericht geht im Übrigen sogar so weit, dass er die aktuelle Wachstumsschwäche auf Versäumnisse in der Bildung zurückführt. Problematisch sei auch, dass die absolute Zahl der Absolventen in den Sparten Ingenieurwissenschaften, Mathematik und Naturwissenschaften zu gering ist. Wirtschaftswachstum entsteht nun mal dadurch, dass technisches Wissen in Unternehmensgründung umschlägt. Technisches Wissen setzt aber eine technische Ausbildung voraus, die hat in der Schule zu beginnen. Selbstverständlich und leider tut sie das nicht.

Der parlamentarische Abend des VDI kürzlich hat diese Situation gleichfalls beklagt. Kurz gesagt, wir brauchen in Thüringen eine Offensive für die Vermittlung praktischen und technischen Wissens im Grundschul- und gymnasialen Bereich.