Protokoll der Sitzung vom 13.11.2003

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Da kommst du vor Lachen nicht in den Schlaf.)

Zitat: Jeder Minister muss mit dem, was er sagt und wie er es sagt, deutlich ausdrücken, dass er seine Politik am Rechtsstaat orientiert. Meine Damen und Herren, das ist doch vollkommen selbstverständlich. Ist dieses im Kabinett so strittig, dass es ständig betont werden muss? Viel wichtiger wäre doch eine Aussage dazu, was passiert eigentlich, wenn ein Regierungsmitglied dies nicht tut, genau, wie es der Stellvertreter des Ministerpräsidenten ständig macht. Der Beispiele gibt es dafür genug. Ich rede nicht über den Polizeiskandal von Hamburg, ich rede auch nicht davon, dass der Gott sei Dank ehemalige Chef der PD Suhl vom Innenminister als sein bester Mann bezeichnet wurde, obwohl er als Mitglied des MfS nur durch Lug und Trug ins Amt gekommen war. Nein, ich rede über ganz andere Äußerungen des stellvertretenden Ministerpräsidenten, die schon lange die Frage nach seiner wirklichen Geisteshaltung stellen. Da ist z. B. der Beitrag des Herrn Trautvetter im Erfurter Gespräch vom Juni des Jahres. Zitat: "Je mehr Daten ich erhebe, umso zielgerichteter kann ich Verbrechensbekämpfung begehen."

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Ja, genau!)

Meine Damen und Herren, bei aller Zurückhaltung, dieser so undifferenzierte Satz in einer Fernsehdiskussion kommt mir nicht unbekannt vor aus unserer jüngeren Vergangenheit. Ich will das da ganz vorsichtig formulieren.

(Zwischenruf aus der CDU-Fraktion: Der Vergleich hinkt doch!)

Gott sei Dank ist auch dieser Ansatz damals schon gescheitert.

(Unruhe bei der CDU)

Meine Damen und Herren, gerade an Sie von der CDU, und wenn Ihnen das alles nicht reicht, wenn Sie das alles nicht überzeugt, schauen Sie doch mal in das Redeprotokoll des Thüringer Landtags April 1994. Dort spricht der heutige Innenminister, damals noch Minister in der Staatskanzlei, echt Klartext im Thüringer Landtag. Der eine oder andere mag sich noch daran erinnern, es ging um die Existenz einer Maschinenfabrik in Lobenstein und das Nichthandeln der Treuhand. Die dort entstandene Rechtsendlage kommentierte Herr Trautvetter folgendermaßen, Zitat: "Ich habe großes Verständnis für unseren Rechtsstaat, aber manchmal, das sage ich Ihnen hier so deutlich, wünsche ich mir ihn auch weit weg."

Meine Damen und Herren, als Minister in der Staatskanzlei hat er sich den Rechtsstaat weit weg gewünscht, als er Innenminister war und dazu in der Lage war, hat er es getan.

(Beifall bei der SPD)

All das spricht für uns Sozialdemokraten eine klare Sprache. Der Stellvertreter des Ministerpräsidenten ist sicherlich in der Lage das Grundgesetz und andere Gesetze zu lesen, verstehen, begreifen tut er sie noch nicht. Und so bleibt abschließend die Frage, was hat den stellvertretenden Ministerpräsidenten von Thüringen eigentlich mehr geprägt, die 13 Jahre Zugehörigkeit zu diesem Parlament oder seine Dienstzeit als Offizier in der NVA.

(Unruhe bei der CDU)

Meine Damen und Herren, solange diese Frage hier im Raum steht, Herr Ministerpräsident, solange sich Minister dieser Regierung in Thüringen so öffentlich zum Rechtsstaat äußern dürfen, sage ich Ihnen, Sie haben einen vollkommen kaputten Begriff zum Thema Freiheit.

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Herr Gentzel, schämen Sie sich!)

Für uns Sozialdemokraten sind solche Begriffe wie Rechtsstaat und Pressefreiheit unteilbar mit dem Begriff Freiheit verbunden. Jede Differenzierung á la Trautvetter schadet der Freiheit und somit letztendlich der Demokratie.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, auch in Richtung PDS, deshalb unser Missbilligungsantrag, deshalb unsere Rücktrittsforderung an den Innenminister. Ich will, wir wollen in die Runde fragen, gibt es ernsthaft nur einen Abgeordneten, der das Verhalten und die Aussagen des stellvertretenden Ministerpräsidenten hier billigt? Wenn das nicht so ist, dann kann auch niemand hier in diesem Haus unseren Antrag ablehnen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ja, ja jede Menge)

Meine Damen und Herren, Verfassungsbruch beim KaliStaatsvertrag, das Verletzen von Grundrechten bei der Kameraobservierung in Weimar, der Verrat der Durchsuchung der Staatskanzlei durch den ehemaligen Justizminister, der Verlust einer CD mit VS-Unterlagen durch den ehemaligen Innenminister, die Unterstützung für prügelnde Polizisten und die öffentliche Adelung des ehemaligen PD-Chefs von Suhl, ist das nicht des Bösen zu viel für eine Legislaturperiode?

(Unruhe bei der CDU)

Für Sie, und das merke ich

(Beifall bei der SPD)

jetzt wieder deutlich, für Sie ist das anscheinend alles nur eine Pressekampagne oder es sind Kritikpunkte einer renitenten Öffentlichkeit. In Wirklichkeit aber, meine Damen und Herren, lässt es tief blicken, tief blicken auf das Rechtsverständnis einer Landesregierung. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Und jetzt gibt es zwei Abgeordnete, die zum Abschluss Fragen stellen wollen. Herr Abgeordneter, sind Sie bereit?

Bitte schön Herr Abgeordneter Wolf als Erster, dann Herr Abgeordneter Schwäblein.

Herr Kollege Gentzel, Sie hatten in Ihrer Rede vorhin die Behauptung aufgestellt, die Datenschutzbeauftragte wäre bewusst durch das Innenministerium falsch informiert worden. Können Sie diese Behauptung in irgend einer Weise belegen?

(Unruhe bei der CDU)

Also, meine Damen und Herren, die Aussage ist erstens belegbar durch die Aussagen auch der Datenschutzbeauftragten und zweitens gehe ich davon aus, dass es auch in Ihrer Fraktion das eine oder andere Gremium gibt, wo man sich unterhält, was in den einzelnen Ausschüssen in den letzten Tagen gesagt worden ist. Insofern, wenn dies bei Ihnen in der Fraktion passiert ist, werden Sie sich sicherlich

für diese Frage bei mir entschuldigen. Ich danke Ihnen. Herr Schwäblein!

Herr Kollege Gentzel, bei der Aufzählung von vermeintlichen Fehlern von Mitgliedern der Landesregierung, ist da nicht bei Ihnen ein Fehler passiert, hätten Sie da nicht noch verschwundene Festplatten mit aufzählen müssen?

Ich will Ihnen gerne darauf antworten. Verfassungsbruch beim Kali-Staatsvertrag nicht vermeintlich von der Landesregierung zugegeben und sich dafür entschuldigt. Das Verletzen von Grundrechten bei der Kameraobservierung, ich verweise auf die Zitate des Ministerpräsidenten und des Regierungssprechers.

Verrat der Durchsuchung der Staatskanzlei durch den ehemaligen Justizminister: Er gab zu seinem Abschied öffentlich in der Zeitung bekannt, er bereut es sehr, diesen Fehler gemacht zu haben.

Verlust einer CD, angeblich, wie Sie da behaupten, mit VS-Unterlagen, hat den Innenminister zum Rücktritt geführt. So viel zu Ihrer ersten Aussage "vermeintliche Fehltritte". Alle diese Fehltritte sind spät und im Nachhinein von den Handelnden als Fehltritte auch akzeptiert worden. Und was die Frage der Festplatten betrifft: Ich habe mich mehr als einmal öffentlich zu dieser Sache geäußert. Ich weiß nicht, was ich diesen Aussagen hinzufügen soll. Es ist für mich nach wie vor heute nicht nachvollziehbar, dass solche Dinge passiert sind. Dieses ist ein Fehler im Amt gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister Trautvetter, bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte mich eigentlich zum Beitrag von Herrn Gentzel gar nicht äußern. Nur, Herr Gentzel, wenn man schon falsche Artikel von 1992 zitiert

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Welchen meinen Sie?)

den mit dem Offizier -, dann sollte man wenigstens den Mut haben, die Berichtigung der Falschaussage, die am nächsten Tag in der Zeitung stand, auch mit zu nennen.

(Beifall bei der CDU)

Das gehört nämlich zum ehrlichen Umgang miteinander. Ich würde bezüglich Stasiverstrickung von Polizeibeamten nicht allzu sehr in die Tiefe gehen, sonst führen wir hier irgendwann mal eine intensive Debatte, wie mit Informationen aus der Gauck-Behörde zu bestimmten Dienstzeiten von Ministern im Innenministerium umgegangen worden ist.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, in einem gebe ich Herrn Gentzel und Herrn Höhn Recht, Thüringen ist in aller Munde. Die TLZ vom heutigen Tage "Widerrechtliche Übergriffe vier Männer gegen zwei Mädchen, Koreanerinnen getreten und bespuckt", vor dem "MonAmi" in Weimar auf dem Goetheplatz. Ich möchte nicht, dass Thüringen solche Schlagzeilen macht.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte, dass die öffentlichen Plätze und Straßen in Thüringen sicher sind.

(Beifall bei der CDU)

Wir kommen ja auf diese Grundrechtsfrage - Artikel 2 Grundgesetz: Recht auf Unversehrtheit von Leib und Leben. Auch das ist ein Grundrecht.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Pressefrei- heit!)