Protokoll der Sitzung vom 11.12.2003

bewusst gewählt worden ist, dass Sie sich in diesem Moment noch den Begriff "Demokratischer Sozialismus" angeeignet haben, wobei jeder damals von Ihnen die Definition Sozialismus mit Produktionsverhältnissen und Produktivkräften gemacht hätte und nicht mit dem Begriff, was demokratischer Sozialismus überhaupt beinhalten soll. Dass Sie sich diesen Begriff damals noch angeeignet haben, hat eigentlich das Fass noch zum Überlaufen gebracht. Ich möchte jetzt nicht mit Ihren abstrusen Argumenten - ich möchte Ihnen sagen, wie wir DDR-Geschichte sehen. Wir sehen sie, wenn wir uns mit DDR-Geschichte, mit SEDDiktatur und mit MfS-Verbrechen beschäftigen, dann steht natürlich bei uns im Vordergrund die Vergangenheitsaufarbeitung, die Lehren, die man aus dieser Geschichte ziehen muss, und es steht natürlich bei uns im Vordergrund der Umgang mit den Opfern, die Begleitung und Betreuung der Opfer.

(Beifall bei der CDU)

Es steht überhaupt nicht, wie Sie jetzt unterstellen mögen, im Vordergrund die Jagd nach Stasi-Spitzeln oder was. Die Hauptamtlichen sind bekannt, da wissen wir, wo sie jetzt ihre Zuflucht berechtigterweise gefunden haben, denn ich habe in Leipzig auf dem Ring gerufen: "Stasi in die Produktion", ich habe nicht gerufen: "Stasi in das Irrenhaus", sondern "Stasi in die Produktion". Wir waren von Anfang an selbstverständlich für eine Integration all dieser, die auch in die SED-Geschichte verstrickt waren. Wenn Frau Dr. Klaubert im Februar 1990, als es um die

Auflösung des AfNS ging, was ja als Nachfolge gegründet war, in Altenburg mit den 15.000 oder 20.000 Leuten auf dem Marktplatz gewesen wäre

(Zwischenruf Abg. Dr. Klaubert, PDS: Die wäre nicht, die war.)

dann haben Sie bestimmt gehört, was ich dort gesagt habe, als ich für die SPD gesprochen habe, dass die Stasi für mich eine verbrecherische Organisation ist,

(Beifall bei der CDU)

aber dass wir mit allen Menschen, die mit dieser Institution verstrickt waren, in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten zusammenarbeiten müssen. Da wissen Sie, dass mich die 20.000 Leute ausgepfiffen haben, mich wüst bedroht und beschimpft haben, weil sie natürlich in ihrer Wut noch nicht so weit waren, sich mit solchen Sachen zu beschäftigen. Dann verraten Sie das einmal bitte Ihrem Kollegen, der hinter Ihnen sitzt und süffisant lächelt, was dort gewesen ist. Dann wird er mal seine Vorstellung, wie wir an DDR-Geschichte herangehen, wie wir sie bearbeiten, mal endlich etwas korrigieren

(Beifall bei der CDU)

und uns keine Vorwürfe machen, die an Tatsachen gebunden sind, die nicht wir, sondern die SED-Partei als Ihr legitimer Vorgänger verursacht hat.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Jetzt komme ich aber zum Abgeordnetenüberprüfungsgesetz. Das muss auch mal behandelt werden. Das Abgeordnetenüberprüfungsgesetz des Freistaats Thüringen legt - so weit, Herr Hahnemann, richtig - ein Ende für die 3. Legislaturperiode fest, also Mitte nächsten Jahres ein Ende für die Möglichkeit der Überprüfung auf Stasi-Tätigkeit. Der Gesetzgeber wird sich dabei etwas gedacht haben so weit stimmen wir noch überein -, dass die vorhanden Akten bis dahin aufgearbeitet sind und aus einer nochmaligen Überprüfung kein zusätzlicher Gewinn - Gewinn im Sinne von Informationen - gezogen werden kann. Ich stimme Ihnen auch noch zu, sicherlich wird es einen Zeitpunkt geben - das Stasi-Unterlagengesetz des Bundes sagt 2007 -, da werden Akten überhaupt nicht mehr für Personenuntersuchungen von der Behörde zur Verfügung gestellt, sondern in besonders schwierigen Fällen, z.B. wenn Herr Markus Wolf Bundespräsident werden möchte, wird man Akten noch mal heranziehen. Das sind definierte Fälle, die im Gesetz vorgesehen sind. Aber ab 2007 werden die Unterlagen nicht mehr zur Überprüfung zu verwenden sein. Auch bei diesem Termin wird man sich Gedanken gemacht haben. Aber es ist eben nicht so, wie es sich der Gesetzgeber in diesem Haus gedacht hat, dass nunmehr zum Ende dieser Legislaturperiode alle möglichen Akten grundsätzlich aufgearbeitet sind. Das betrifft absolut nicht nur die so genannten Rosenholz-Dateien, sondern es be

trifft natürlich auch den Grundstock der Akten, die in der Behörde lagern. Informieren Sie sich doch bitte mal. Wem soll ich denn glauben, wenn die Frage gestellt wird, sind diese Rosenholz-Dateien noch mögliche zusätzliche Informationen? Die Birthler-Behörde, die alles verwaltet und seit Jahrzehnten nun schon wissenschaftlich mit diesen Sachen umgeht, sagt, jawohl, sie sind zu verwenden. Wem soll ich denn glauben? Selbstverständlich gibt es eine Gegenposition. Ich bin doch geneigt, an dieser Stelle der Birthler-Behörde zu glauben. Also gibt es noch Akten, die noch nicht endgültig aufgearbeitet sind und es gibt diese Rosenholz-Dateien, die dazu beitragen können.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Wenn diese Basis daliegt und diese Basis ist bisher noch nicht ausgeschöpft worden, warum wollen wir denn nicht diese Überprüfung für uns. Es hat niemand vorgeschlagen für die ganzen Kommunalpolitiker, es hat niemand einen anderen Vorschlag gemacht. Die Landesverwaltung wird gegenüber ihren höheren Beamten tätig, das kann sie tun, das liegt in ihrer Befugnis. Ich meine, Integration in die Gesellschaft, von der ich gesprochen habe, und zu der ich mich 1990 vor 20.000 auspfeifenden Leuten bekannt habe. Integration heißt nicht, dass man nun gerade in die gesetzgebende Versammlung des Freistaats Thüringen integriert wird. Wir arbeiten doch mit jedem zusammen. Wir haben heute von ehrenamtlicher Arbeit gesprochen. Bitte überzeugen Sie alle diese Kollegen, sich an ehrenamtlicher Arbeit zu beteiligen. Es muss doch nicht gerade an der gesetzgeberischen Arbeit in diesem Haus sein.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Richtig.)

Das ist nun eigentlich unser Wille. Deswegen haben wir diese Gesetzverlängerung gemacht. Sie setzt sich aus zwei Worten zusammen. Die Worte "3. Legislaturperiode" werden durch die Worte "4. Legislaturperiode" ersetzt und dann werden wir eben beim nächsten Mal noch einmal überprüft. 2007 ist Ende und, ich denke, es wird von uns keinen stören, nochmals überprüft zu werden. Ich rede auch für die Kollegen, die hier sitzen, denn sie sind alle überprüft und mithin wird es keinen des Weiteren stören.

Jetzt noch mal zu den anderen Sachen, die nicht mehr ganz so ernster Natur sind. Ich habe überlegt, ob ich es erwähne oder nicht. Ich muss mich auch ein bisschen über die CDU an dieser Stelle auslassen. Es geht einfach kein Weg daran vorbei. Die Frage war nun, wenn man ein solches Gesetz vorlegt, so wie wir es getan haben, und der CDU-Abgeordnete liest das und sagt: jawohl, ich will zustimmen. Da kommen die ersten erheblichen Bedenken. Es wäre nun natürlich das erste Mal gewesen, dass die CDU einem SPD-Gesetzentwurf in diesem Haus zustimmt. Na gut, wie nun das wieder vermeiden?

(Zwischenruf Abg. B. Wolf, CDU: Wir werden zustimmen.)

Man denkt sich also etwas aus, was völlig überflüssig und nutzlos ist, heftet es an dieses Gesetz an und verabschiedet dann dieses Gesetz in der von der CDU geänderten Fassung. Nun aber, was heftet man da an, wenn man bloß zwei Worte ändert? Da heftet man also an, nun ja: Auf Beschluss des Ältestenrates kann eine Überprüfung bereits in der 3. Legislaturperiode erfolgen. Da nehme ich mir diesen Gesetzentwurf von der CDU vor. Da sind bloß die ganz wenigen gelb unterlegten Wörter, es sind nicht mal ganze Sätze, die belegen, dass diese wenn schon gewollte Überprüfung in dieser Legislaturperiode schon eindeutig durch das Gesetz gedeckt ist. Die herbeigerufene Landtagsverwaltung bestätigt mich überraschenderweise hundertprozentig. Ich glaube auch, das anwesende Justizministerium hat sich nicht offen, aber doch dafür ausgesprochen. Also wird diese unnütze - das ist sicherlich ein Beitrag zur Deregulierung - Formulierung an unser Gesetz angeheftet. Ich im Justizausschuss lehne natürlich diese unnütze Formulierung ab. Dann gibt es den völlig unparteiischen Sprecher, der vorhin die Empfehlung des Ausschusses vorgetragen hat, Herrn Wolf. Pressemitteilung, buntes Foto - ich weiß nicht, wie die Presse das verwertet, Jugendbildnis.

(Heiterkeit bei der CDU)

Aus dieser Tatsache, dass ich im Justizausschuss eine völlig überflüssige Adaption an dieses Gesetz ablehne, daraus konstruiert der justizpolitische Sprecher der CDU: Die CDU-Mehrheit im Justizausschuss hat heute gegen die Stimmen der Opposition eine Regelung durchgesetzt, die eine erneute Überprüfung der Landtagsabgeordneten noch in dieser Legislaturperiode gestattet.

(Zwischenruf Abg. Lippmann, SPD: Pfui Teufel.)

Also, CDU-parteichinesisch in übelster Prägung und Verstellen der Tatsachen. Ich glaube, das ist ein bisschen unwürdig,

(Beifall bei der SPD)

wenn man über die Arbeit in einem Justizausschuss berichtet und dann - es kommt fast noch mal so dick - die Tatsache, dass man eins zu eins einem SPD-Gesetz zustimmen muss, die wird folgendermaßen in einem parteichinesisch, Wolfisch, umschrieben: Mit den Stimmen der SPD ist die Überprüfung der Landtagsabgeordneten auch auf die kommende Wahlperiode ausgedehnt worden.

Ich habe es mir lange überlegt, ob ich solchen Firlefanz bei so einem ernsten Thema mit erwähne. Aber man muss natürlich auch bei der ganzen Ernsthaftigkeit und der ganzen, ich möchte fast sagen Dramatik, die in diesem ursprünglichen Gesetz steckt, auch solchen Firlefanz mit er

Ich möchte Sie von der CDU bitten, dass Sie solche entstellenden Pressemeldungen aus dem Justizausschuss bitte nicht mehr machen. Wenn Sie es unbedingt machen wollen, dann suchen Sie sich liebend gern einen anderen Ausschuss, aber nicht den Justizausschuss. Danke.

(Beifall bei der SPD)

Es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Wolf, CDU-Fraktion.

(Zwischenruf Abg. Ellenberger, SPD: Aber nicht noch mal die Presseerklärung vorlesen.)

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Land- wirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Warum denn nicht?)

(Zwischenruf Abg. Dr. Klaus. SPD: Davon wird sie nicht besser.)

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Land- wirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Das ist doch egal.)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich werde hier keine Presseerklärung verlesen, wobei ich auch Presseeklärungen des Kollegen Schemmel kenne. Da habe ich hinterher nicht mehr gewusst, ob ich wirklich in der gleichen Veranstaltung gewesen bin, über die die Presseerklärung dann gemacht wurde. Die Presseerklärung, die er hier vorgetragen hat, entspricht wenigstens noch dem Inhalt der Sitzung, die stattgefunden hat.

Herr Kollege Hahnemann, es mag ja sein, dass es ein umstrittener Punkt in Ihrer Fraktion ist, ein unangenehmer Punkt für Ihre Fraktion ist, dass man die Frage stellen kann: Wie viel SED steckt noch in der PDS?

(Zwischenruf Abg. K. Wolf, PDS: Wie viel steckt denn in Ihnen?)

Ich kann Ihre Rede wirklich nur als lebende Begründung dafür nehmen, warum es noch zwingend notwendig ist, keinen Deckel auf den real existierenden Sozialismus zu setzen. Die Rede war ein Schlag ins Gesicht aller Opfer. Ich lade Sie gern mal ein. In der Nähe von Hildburghausen gibt es ein Dorf namens Billmuthausen. Bis auf ein paar Grabsteine ist von diesem Dorf nichts mehr übrig. Sie sollten sich mal mit den Menschen über ihre Schicksale unterhalten, was für Verbrechen dort an diesen Menschen verübt wurden. Man kann dies alles nicht einfach mit einem Schlussstrich zudeckeln.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben hier in diesem hohen Haus mehrfach über die Problematik diskutiert. Auch ich bin zur Wendezeit mit einem Plakat rumgerannt. Auf einem der Plakate, daran kann ich mich noch sehr genau erinnern, stand: "Stasi in die Volkswirtschaft".

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Viele von Ihnen standen auf der anderen Seite, Herr Wolf, das haben Sie aber vergessen.)

Sicherlich hieß das aber nicht: Stasi in das Parlament. Dafür sind die Leute 1989/90 nicht auf die Straße gegangen. Und Herr Ramelow, es ist bald Weihnachten,

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Ach!)

da kann man sich etwas wünschen. Ich würde mir wünschen, Sie würden einmal ein paar Jahre real existierende DDR erleben.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Das wäre eine gute Idee.)

Aber zum eigentlichen Thema: Geltendes Recht ist zurzeit Abgeordnetenüberprüfungsgesetz, das mit Ende der 3. Legislaturperiode auch das Ende der Überprüfung auf eine Mitarbeit mit der Stasi, dem MfS oder ihren Gliederungen stattfinden würde.

(Zwischenruf Abg. Schwäblein, CDU: Da kann er nach Nordkorea gehen.)

Das heißt also, mit Ende dieser Legislaturperiode würde keine weitere Überprüfung stattfinden. Wir sind uns mit der SPD nach Bekanntwerden der Bedeutung der Rosenholz-Dateien einig, dass wir die Überprüfung auch auf die 4. Legislaturperiode ausdehnen wollen. Darüber gibt es keinen Streit und dazu gibt es auch entsprechende Beschlüsse im Justizausschuss. Zur Diskussion stand, ob das, was jetzt geltendes Recht ist, ausreicht, um auch in der laufenden Legislaturperiode noch einmal zu überprüfen. Da darf ich daran erinnern, wenn man zwei Juristen fragt, hat man drei Meinungen und da darf ich daran erinnern, dass bisher übliche Praxis in diesem Thüringer Landtag war, dass wir nur einmal in der Legislaturperiode überprüft haben. Deswegen war der Antrag der CDUFraktion, in das Gesetz auch klarstellend hineinzuschreiben, wenn neue Erkenntnisse vorliegen - das muss jemand prüfen, da haben wir gesagt, am geeignetsten dafür ist der Ältestenrat -, kann der Ältestenrat beschließen, dass erneut überprüft wird, um zu verhindern, dass wir in ein Überprüfungsmarathon geraten, dass jeden Monat überprüft wird, sondern wir wollen, dass das wirklich nur dann passiert, wenn eine Begründung vorhanden ist, d.h., es gibt neue Erkenntnisse z.B. die Rosenholz-Dateien, dann kann