Protokoll der Sitzung vom 12.12.2008

Ich will eines sagen, wir sind im vergangenen Jahr mit Blick auf die Kinder und Jugendlichen in unserem Land und deren Zukunft zwar konsequent, aber auch behutsam Reformen angegangen. Wir haben seit 15 Jahren mit der notwendigen Gelassenheit und auch Kontinuität gemeinsam an Schulen an der Unterrichtsentwicklung gearbeitet und wir haben diese Prozesse zunehmend professionalisiert. Maßnahmen wie zum Beispiel die flexible Schuleingangsphase wurden wissenschaftlich begleitet, erprobt und werden gut durchdacht, Schritt für Schritt, und mit entsprechender Sorgfalt eingeführt. Ich sage ganz deutlich, wir machen keine Experimente auf dem Rücken unserer Kinder und wir machen auch keine Hauruckaktionen, die alle Beteiligten - Schüler, wie Lehrer und Schulträger - überfordert hätten.

(Beifall CDU)

Wir geben den Schulen mehr Freiheit und ihnen gleichzeitig Unterstützung. Wir haben mit dem Kompetenzmodell der Lehrpläne eine gute Voraussetzung für die Förderung eines jeden einzelnen Kindes geschaffen und die flexibilisierten Stundentafeln sowie auch die Reformen an Regelschulen und Gymnasium, die wir umsetzen, stärken Allgemeinbildung, Sprachkompetenz und die mathematischnaturwissenschaftlichen Kompetenzen unserer jungen Menschen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit den Ergebnissen der verschiedenen Vergleichsstudien gehen wir sehr sorgsam um. Dies gilt nicht nur für IGLU und PISA, sondern auch für alle anderen Studien; ebenso auch für unsere jährlichen Kompetenztests, die wir in den Klassenstufen 3, 6 und 8 schreiben. Sie geben den Schulen selbst Material an die Hand zur Überprüfung der eigenen Arbeit nicht im Sinne von Ranking, sondern Qualitätsentwicklung an jedem einzelnen Standort. Es geht vielmehr um Erkenntnisse wie diejenigen: Wo stehen wir im nationalen und internationalen Vergleich? Was machen andere besser? Wo können wir zulegen? Und letztlich: Greifen die begonnen Maßnahmen; können wir unseren Schülerinnen und Schülern eine gute Schule anbieten, die es ermöglicht, tatsächlich all ihre Talente, Fähigkeiten und Fertigkeiten ausprägen zu helfen? Tun wir genug für die Zukunft unserer Kinder und damit auch für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft?

Wir haben uns einiges vorgenommen und werden dies auch weiterhin kontinuierlich umsetzen. Es sind vier Bereiche.

Das Thema „Eigenverantwortung“ muss weiter gestärkt werden; im Rahmen unseres zentralen Entwicklungsvorhabens „eigenverantwortliche Schule“, aber auch „Geld statt Stellen“.

Wir müssen kindgerechter handeln. Das Entwicklungsprogramm „Hirngerechte Bildung in Kindergarten und Schule“, aber beispielsweise auch das Entwicklungsprogramm für Unterricht und Lernqualität der Universität Jena gemeinsam mit Prof. Fauser und der Bosch Stiftung, aber auch der Thüringer Bildungsplan für Kinder bis zehn Jahre werden Akzente setzen, dass wir noch kindgerechter auf jedes einzelne Kind, jeden einzelnen Jugendlichen eingehen müssen. Ich glaube auch - und wir sind auf gutem Wege -, dass Sozialraumvernetzung, das zeigen auch immer wieder die Gespräche mit vielen Trägern, sehr wichtig ist, dass Bürgermeister und Landräte sich tatsächlich für mehr engagieren als nur für Hausmeister und Sachbearbeiterinnen sowie die technische Ausstattung.

Ich glaube, da sind wir auf sehr gutem Wege, wenn ich mir einerseits anschaue unser Modellprojekt zur Weiterentwicklung der Thüringer Grundschulen und übrigens auch das international sehr beachtete Thüringer Bildungsmodell „Neue Lernkultur in Kommunen“.

Wir werden auch in unser Personal investieren. Wir werden trotz einer schwierigen Situation dafür Sorge tragen wollen, dass in diesem Lande bereits im nächsten Sommer wiederum neue Lehrerinnen und Lehrer eingestellt werden können, dass wir die Gespräche mit den Floatingpartnern konstruktiv und zielorientiert fortsetzen und dass wir im Übrigen auch auf der Basis unserer Führungskräftekonzeptionen rechtzeitig und nachhaltig geeignete Pädagoginnen und Pädagogen für Führungsaufgaben qualifizieren. Nur um Ihnen einmal eine Zahl zu benennen: Mittlerweile sind über 500 in der zweiten Staffel.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Kontinuität, Reformen mit Augenmaß, engagierte Lehrerinnen und Lehrer sowie gute Rahmenbedingungen haben Thüringen zu einem Bildungsland werden lassen, das sich auch im internationalen Vergleich sehen lassen kann.

(Beifall CDU)

Die Menschen kommen mittlerweile auch zu uns. Dies alles kann gerade in der Schule auch deshalb greifen - und diesen besonderen Dank will ich weitergeben -, weil Lehrerinnen und Erzieherinnen die Kinder als Kinder annehmen und ihnen nicht nur Bildung, sondern auch Bindung schenken, ihnen Zeit zum Entwickeln geben, sie wertschätzen und jeden Einzelnen erleben lassen, wie wertvoll und wichtig er ist. Sie stellen nicht nur Ansprüche an die Kinder, sondern lassen die Kinder spüren, dass auch sie Ansprüche an die Gesellschaft haben und haben dürfen, die in Schule und im Leben in der Schule erfüllt werden müssen. Die Erzieherinnen und die Lehrkräfte in unseren Schulen identifizieren sich mit der Leistung ihrer Kinder und geben ihnen dennoch das Gefühl, sehr früh auch selbst Verantwortung übernehmen zu können, und dies beispielsweise nicht nur bei Klassendiensten, sondern im Besonderen auch beim Lernen.

Frühe Selbstverantwortung, selbstverantwortliches Handeln für Schulen, für Lernen ist nicht nur ein Schlagwort, sondern wird in Thüringen systematisch aufgebaut. Die Ergebnisse von IGLU, von PISA zeigen einmal mehr, auch nach dem Bildungsmonitor, dass der Freistaat Thüringen eines der leistungsfähigsten Schulsysteme in Deutschland besitzt, das weltweit beachtet wird. Die Ergebnisse unserer Schülerinnen und Schüler sind international Spitze. Ich gratuliere ihnen, es ist mir um deren Zukunft

nicht bange. All das zeigt, das will ich betonen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Dort, wo über Jahrzehnte hinweg nur ausschließlich Strukturdebatten geführt wurden, hat man die Zeichen der Zeit verpasst und wertvolle Zeit verloren. Mein Fazit auch deshalb: Wir brauchen keine Struktur-, sondern eine Qualitätsdebatte. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Ich frage: Wer wünscht Beratung zum Sofortbericht? Die CDU-Fraktion, die Fraktion DIE LINKE und die SPD-Fraktion. Auf Verlangen aller Fraktionen eröffne ich die Beratung zum Sofortbericht und übergebe das Wort an die Abgeordnete Sojka, Fraktion DIE LINKE.

Verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, ich habe die ganze Zeit überlegt, warum sich das so anhört, als ob das eine Verteidigungsrede ist. So richtig emotional und überzeugend klang das irgendwie für mich nicht.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU: Das ist unglaublich.)

Ich weiß nicht, wie es den Zuschauern auf der Tribüne ging. Ich begrüße Sie recht herzlich. Sonst sitzt Freitag früh zwischen 9.00 Uhr und 10.00 Uhr niemand auf der Tribüne, es geht immer erst um 10.00 Uhr los.

(Unruhe CDU)

Aber ich muss schon noch mal was zu dem Beginn dieser Tagesordnung sagen. Das ist eine Politinszenierung, nur so zum Verständnis, die ist einfach nur billig, die ist durchschaubar und deswegen überflüssig.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will Ihnen das mal erklären, vor allem denen, die auf den Rängen sitzen. Wir kommen ja einmal im Monat im Landtag zusammen, um zwei Tage zuerst sämtliche Gesetze zu beraten, in erster Lesung, in zweiter Lesung, das ist unsere eigentliche Arbeit als Abgeordnete. Danach werden Anträge der Fraktionen beraten, um politstrategische Dinge miteinander zu verabreden und natürlich auch um die Unterschiede zwischen den politischen Farben deutlich zu machen. Ich weiß ja nicht, wann der Minister gesagt hat, dass er so einen Sofortbericht an

bieten könnte und mal darüber referieren will, dass die CDU-Fraktion dann ziemlich spät so einen Antrag geschrieben hat. Da steht weiter nichts drin, als dass der Minister berichten möge. Also PISA-Jubel, wir haben es gehört, Zeitungszitate, Überschriften - das ist das, was heute hier stattfindet. Da hat die CDU-Fraktion gestern nur mit den Stimmen der CDU-Fraktion den TOP 23 vorgeholt heute als ersten Tagesordnungspunkt. Das ist billige Politshow - nichts anderes.

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Das kann doch jeder machen. Das macht Ihr doch genauso.)

(Beifall DIE LINKE)

Ich will es doch nur erklären. Wir haben gestern darüber geredet, dass 70 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer einfach nicht mitreden können - und das auch fühlen - und über die Hälfte der Thüringer diese Demokratie so, wie sie ist, als noch nicht optimal empfindet, weil eben so viel Show da passiert. Das ist meine Reflexion dessen.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Was Sie machen, ist Show.)

Sie können es gern entkräften.

(Unruhe CDU)

(Glocke der Präsidentin)

Ich erinnere mich so sehr an die letzten Jahre der DDR, da war ich noch viel, viel jünger, aber Politshow war das, was die richtig gut konnten.

(Unruhe CDU)

Abgeordnete Sojka, kommen Sie bitte zum Thema.

Selbstverständlich.

Dieser Antrag wurde gestellt, um genau diesen Bericht hier zu hören. Ich sage mal, es wäre wirklich eine ganze Menge zu PISA zu beraten.

Eines wollte ich Ihnen noch sagen zu den Gesetzen: Sieben Gesetze stehen noch aus, die wir gestern nicht geschafft haben, die wir heute im Nachhinein bereden, aber erst einmal musste diese Show,

dieser Antrag in TOP 23 vorgeholt werden. Danach gibt es einen Bericht, der wurde schon verschoben vom letzten Plenum, der heißt „Situation der Migrantinnen und Migranten in Thüringen“. Das ist es uns auch nicht wert vorzuholen. Aber ich hoffe, der Tag ist ja noch lang, dass wir dann doch noch eine ganze Menge abarbeiten können.

(Zwischenruf Abg. Carius, CDU: Kom- men Sie doch mal zum Punkt.)

Also zurück zum Text, zu diesem Antrag: Zu PISA gäbe es wirklich eine ganze Menge zu reden und zu IGLU erst recht. Die Schlussfolgerungen, das ist ja wohl logisch, die wir daraus ziehen, sind andere als die, die Sie daraus ziehen.

Ich muss trotzdem noch einmal ein Wort zu dem parlamentarischen Abend gestern Abend sagen.

(Zwischenruf aus dem Hause: Der war gut.)

Der war gut, der war angenehm und wir haben tatsächlich gesehen, wie leistungsfähig unsere Musikhochschule in Weimar ist.

(Beifall DIE LINKE)

Dort wird wirklich alles getan, um Talente zu fördern, musische Begabungen, alles, was dazugehört. Wir konnten uns davon live überzeugen. Aber mich macht schon sehr betroffen, wenn ich eine Mail aus Nordthüringen erhalte von einem Jungen, der bei „Jugend musiziert“ höchste Preise bisher erringen konnte, aber dessen Eltern Hartz-IV-Empfänger sind und der nicht das Fahrgeld von der ARGE bekommt, um zum Vorspielen zu Musikhochschulen zu fahren, um das dann auch studieren zu können. Das macht mich betroffen. Begabungen zu entdecken und die politischen Rahmenbedingungen zu gestalten, damit diese Begabungen unabhängig vom Geldbeutel auch entwickelt werden können, wir brauchen ja genau diese jungen Leute, das ist in Deutschland das Manko und das macht PISA nach wie vor deutlich.

Herr Emde, ich hoffe, Sie haben das richtige Buch gelesen und nicht nur die Sekundärliteratur, ich meine, wir haben zur selben Zeit studiert. Das Manifest, das war so klein, das habe ich nie gelesen, immer nur die großen Bücher ringsum und die Pressemitteilungen. Quellenstudium ist notwendig. Ich hoffe, es hat Ihnen schon jemand beigebracht, dass Sie das hier lesen müssen und nicht nur das, was der Minister Ihnen aufgeschrieben hat.

(Beifall DIE LINKE)

Da möchte ich schon einmal ein paar Fakten aus diesem Buch hier zum Nachdenken mit auf den Weg geben.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Wenn es Sie beruhigt, Frau Sojka.)