Protokoll der Sitzung vom 29.01.2009

Die Allianz und deren Häuser sind offen für alle Menschen in diesem Land.

Unsere Maßnahmen, meine Damen und Herren, müssen jetzt aber in erster Linie unbürokratisch und zweckdienlich sein. Genau das sind wir den Arbeitnehmern und Unternehmern im Freistaat schuldig. Wir müssen in dieser Situation einen kühlen Kopf bewahren; Panikmache und blinder Aktionismus nützen hier niemandem. Natürlich könnte man mit dem Blick auf die Erhard’schen Wege der sozialen Marktwirtschaft sagen, wir gehen ungewöhnliche Wege, aber ungewöhnlich wäre es auch, mitten im freien Fall den Fallschirm abzuwerfen - wer würde denn das tun. Das Bild ist übrigens in doppelter Weise zutreffend, denn unser Fallschirm ist in erster Linie Vertrauen, Vertrauen in die Menschen und unsere Unternehmen, die Kammern und Verbände, Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft. Verunsicherung und Misstrauen unter den Bürgern in die Wirtschaft wie auch der Unternehmer hingegen sind falsche Signale, die kontraproduktiv wirken. Dem werden wir mit gezielten Maßnahmen begegnen und Herr Reinholz hat es treffend vorgetragen, wir sind in Thüringen auf gutem Wege dazu.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir müssen uns ein paar Dinge hier und heute vor Augen halten. Die Lage ist sicher nicht das, was man als rosig bezeichnet. Aber eine totale Katastrophe wird uns wohl auch nicht ereilen. Die ganze Situation ist schwer zu beurteilen. Es wird einfach kein Konsens gefunden, wie sich die konjunkturelle Lage in den nächsten Monaten entwickeln wird; weil es nicht geht. Die Wachstumsprognosen variieren stark. Gestern konnte man z.B. von der IHK Erfurt die ersten guten Nachrichten im neuen Jahr lesen. Trotz Wirtschaftskrise steigt der ifo-Geschäftsklimaindex überraschend zum ersten Mal seit Mai 2008. So überraschend ist das für mich nicht. Hier sorgt das zweite Konjunkturpaket der Bundesregierung für eine positive Stimmung. Dass der Bund damit Vertrauen in das Finanzsystem und Wirtschaftsabläufe herstellen und die Liquidität aufrechterhalten kann, allein das rechtfertigt das Konjunkturpaket dieser Größe. Am Ende wird Deutschland mit dem Konjunkturpaket I und II und - im Deutschlandfunk, wir haben es gehört - 175 Mrd. € Liquidität für die Wirtschaft zur Verfügung stellen. Thüringen wird einen Beitrag von über 100 Mio. € leisten, das 15-Mio.-Euro-Straßenbauprogramm pro Jahr noch nicht mitgerechnet. Viele Ökonomen und einige Politiker stehen der Wirkung von staatlichen Konjunkturhilfen skeptisch gegenüber. Es ist richtig, auch ich habe noch im Novemberplenum vor vorschnellen staatlichen Konjunkturprogrammen gewarnt. Auch wenn Fragen bezüglich der realen Hilfen für unseren gewerblichen Mittelstand im Zusammenhang mit dem Konjunkturpaket gestellt werden dürfen, ein solch massiver Liquiditätsschub für Wirtschaft und Verbraucher wird Wirkung zeigen und nach den Rettungsmaßnahmen für die Banken waren wir das unseren Bürgern und der Wirtschaft gegenüber auch schuldig. Die Gesamtsituation hat es erfordert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesem Zusammenhang lohnt sich deshalb ein Blick auf die Erfahrungen der tiefen Depressionen 1929 bis 1932. Die Symptomparallelen zur heutigen Krise, wie Immobilienwertverlust, Börsencrash und Überproduktion sind einerseits beängstigend. Dieser Tage stand z.B. im Handelsblatt, dass weltweit eine Überproduktion von 27 Mio. Kraftfahrzeugen besteht. Mit welchem Programm wollen wir dem begegnen. Der Fehler war damals aus heutiger Sicht folgender: Die Notenbanken entzogen dem Finanzsystem Liquidität, indem die Geldmenge reduziert wurde in der Annahme, man könne die Überhitzung der Produktion dämpfen. Der nun einsetzende Teufelskreis, keine Bankkredite, Rückforderung von Krediten durch die Banken, die Unternehmen bezahlten sich gegenseitig keine Rechnungen mehr, der Dominoeffekt war nicht mehr aufzuhalten, mit der Folge, das Bruttosozialprodukt Deutschlands schrumpfte in den drei Jahren auf die Hälfte. Die Arbeitslosigkeit stieg von 1,4 Mio. auf über 6 Mio. Menschen. Von den poli

tischen Folgen ganz abzusehen, die will ich hier und heute nicht kommentieren. Deshalb ist es meine feste Überzeugung, Vertrauen schaffen durch das Bereitstellen staatlicher Liquidität ist und bleibt für den jetzigen Zeitpunkt die zentrale Maßnahme dieser Zeit. Die Botschaft kann deshalb nur lauten, gemeinsam mit der gut aufgestellten deutschen Wirtschaft, mit unseren Menschen und allen gut meinenden Kräften in unserem Land werden wir diese Krise meistern und die Ökonomen geben erste positive Signale für die Zeit nach einem schwierigen Jahr 2009.

Lieber Herr Kollege Dr. Schubert, Institute äußern sich eben auch anders, als Sie gerade vorgetragen haben. Straubhaar vom Hamburgischen Wirtschaftsinstitut meint, dass es 2010 bereits wieder positive Wachstumsimpulse geben würde. Nach Ansicht von Prof. Sim vom ifo-Institut werden jedoch die Inflationen 2009 deutlich unter 1 Prozent sinken. Nach DIWAngaben ist der nächste Aufschwung in Deutschland vorhersehbar. Ab Jahresende 2009 werde die Wirtschaft sich wieder etwas erholen. Für das laufende Jahr erwartet das DIW zwar einen Rückgang des Bruttoinlandprodukts um etwas mehr als 1 Prozent, doch könne es am Ende des Jahres konjunkturell bereits wieder bergauf gehen, wenn auch nur leicht. 2010 würde das Wachstum dann bei etwas mehr als 1 Prozent liegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für den Freistaat ist die Tatsache Fakt, dass sich unsere kleinteilige, vorrangig mittelständische Wirtschaft bisher als äußerst robust erwiesen hat. Noch im November ist die Industrieproduktion über den gesamten Jahreszeitraum über 5 Prozent gestiegen. Industriebeschäftigte sind um 7.000 Personen gestiegen. Wichtige andere Parameter nähern sich westdeutschen Ländern. Allerdings, die Exporte sind im November selbst um 20 Prozent eingebrochen. Natürlich darf man auch hier nicht verschweigen, dass nach aktuellen Umfragen etwa jeder zweite Unternehmer auf den weiteren Jahresverlauf sehr kritisch blickt. Dennoch glauben viele Experten daran, dass Thüringen die Krise gut überstehen kann. Der Freistaat stemmt sich gegen die Krise, ein Bild, das kürzlich der IHK-Geschäftsführer von Erfurt prägte. Ich denke, unsere Unternehmer sind durch die Härten des Strukturwandels der letzten 15 Jahre vielleicht etwas krisenfester als anderswo, das müssen wir doch akzeptieren. Ich vertraue unseren Thüringer Unternehmern deshalb, weil sie sich mit ihrem ganzen Geschick, ihrem ganzen Mut, ihrer Entschlossenheit und ihrem Verantwortungsbewusstsein durch eine schwierige Situation des Strukturwandels geschlagen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Konjunkturprogramm der Bundesregierung hat eine deut

liche Infrastrukturdominanz. Für die mittelständische gewerbliche Wirtschaft außerhalb der Baubranche und des Handwerks ist auf den ersten Blick wenig Konkretes zu erkennen und das ist für die Wirtschaftspolitiker ein wenig ernüchternd. Umso wichtiger ist es, alle flankierenden Instrumente des Landes flexibel und unbürokratisch bereitzustellen. Man muss damit rechnen, dass sich die Schwerpunkte in dem Verlauf der Krise ändern werden. Ich kann mir vorstellen, dass es am Anfang mehr Förderungen sein werden, den Personalkörper bei Auftragsrückgang zu halten, später aber, beim Wiederanspringen der Konjunktur, könnten es dann eher Betriebsmittel und Umlaufmittel sein. Deshalb müssen und können wir die Aktivitäten des Wirtschaftsministeriums hier nur noch einmal unterstreichen und begrüßen. Zu einem flexiblen Anwenden der vorhandenen Instrumente gehört aber auch, stringente Vergabe- und Beihilferegeln auf ein zeitlich begrenztes Aussetzen hin zu prüfen. Jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, zahlt sich unsere Flexibilität bei den Vergaberichtlinien aus. Es ist gut, dass wir nicht dem Ruf nach einem streng regulierten Vergabegesetz der Opposition in den letzten Jahren gefolgt sind.

(Beifall CDU)

Wir dürfen in dieser extremen, für die Zukunft ganz Europas wichtigen Zeit nicht Sklave unserer eigenen Regelungen sein. Damit schließe ich mit aller Vorsicht auch europäische Regelungen ein. Es ist entscheidend für mich, dass da, wo Unternehmen in Schieflage geraten sind, Maßnahmen ergriffen werden, um helfend einzugreifen, und das ist schon vielfach geschehen. Ich nenne hier das Treffen von IHK, Thüringer Wirtschaftsministerium, TAB, Bürgschaftsbank, LEG, GFAW und Agentur für Arbeit von Ende Oktober. Sie haben ein umfangreiches Maßnahmepaket zur Unterstützung der durch die Krise betroffenen Unternehmen abgestimmt und ihre Programme gebündelt. Im Dezember trafen sich die Wirtschaftsminister der Länder in Weimar und haben sich für weitere Impulse zur Stärkung der deutschen Wirtschaft ausgesprochen. Das konnte man der Presse entnehmen. Ich fasse nur das Wesentliche zusammen. Man war sich einig, dass angesichts des konjunkturellen Abschwungs weitere Maßnahmen zur Stabilisierung der Wirtschaft erforderlich seien. Darin wurde unter anderem eine Stärkung der Binnennachfrage durch mehr öffentliche Investitionen vereinbart, das heißt zusätzliche Investitionen in Bildung, Umwelt und Klimaschutz sowie das Vorziehen bereits geplanter Infrastrukturprojekte, vor allem im Verkehrsbereich und in den Bereichen Energieversorgung und der kommunalen Infrastruktur. Weiterhin müssen wettbewerbsfähigen Unternehmen, die als Folge der Krise in Liquiditätsschwierigkeiten geraten seien, wirksame Hilfen bereitgestellt werden. Das alles ist in den letzten Wochen passiert.

Ebenfalls noch im Dezember traf sich Wirtschaftsminister Reinholz mit Vertretern von Banken und dem ostdeutschen Bankenverband, um über die Folgen der Finanzmarktkrise für die Thüringer Wirtschaft zu beraten mit dem Ziel, die Sicherstellung der Liquidität für die Thüringer Wirtschaft, insbesondere die Automobil- und Automobilzulieferindustrie, zu gewährleisten. Auch das Thema Bürgschaften ist hier und heute positiv zur Sprache gekommen. Erst gestern, ich hatte es schon gesagt, hat Wirtschaftsminister Reinholz ein neues Maßnahmepaket der Landesregierung zur Unterstützung der Wirtschaft verkündet. Sie haben es sicherlich registriert, aber Sie blenden es eben leider aus. Das ist genau der flexible Flankenschutz für unsere Unternehmen, vor allem auch mit Blick - und das ist wichtig - auf das zweite Halbjahr 2009 und 2010, wenn die Konjunktur wieder anspringt, ohne die Details zu wiederholen. Dieses Paket hat für uns, meine Damen und Herren, erhebliche Signalwirkung. Sie sehen also, auch wenn Sie, liebe Kollegen der Opposition - und dabei blicke ich besonders nach rechts zu den LINKEN -, es nicht wahrhaben wollen, es wird gehandelt. Landesregierung und Bund sitzen keineswegs so untätig herum, wie Sie es gern polemisch verbreiten.

(Beifall CDU)

Ein dritter und letzter Punkt, den ich noch ansprechen möchte, sind aktuelle und prognostizierte Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt. Diese Entwicklungen lassen bei allen Problemen berechtigten Raum zur Hoffnung. Die Arbeitslosenquote im November blieb mit 9,9 Prozent zum zweiten Mal unter der 10-Prozent-Marke. Herr Schubert, da kann man in die Historie gehen, das sind positive Erfolge und die kann man auch nicht wegreden. Bemerkenswert ist die nochmals gewachsene Zahl der freien Stellen, der deutliche Rückgang der Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen und vor allem bei den Langzeitarbeitslosen. Ihre Zahl ist gegenüber dem Vorjahr um 15.500 gesunken - und das ist in dem Bereich wirklich viel. Zwar ist die Arbeitslosenquote im Dezember wieder auf etwas über 10 Prozent gestiegen, aber das war zu dem Zeitpunkt zum größten Teil eben auch saisonal bedingt. Auch müssen wir davon ausgehen, dass sich der Arbeitsmarkt im kommenden Jahr eintrüben wird - völlig logisch. Grund zur Panik, meine Damen und Herren, besteht an dem Punkt nicht; wir müssen es aber ernst nehmen. Man kann natürlich auch sagen, dass der Anstieg der Arbeitslosigkeit von November zu Dezember doppelt so hoch ausgefallen sei wie 2007, wie Frau Leukefeld unlängst in der Presse verkündete. Aber Sie sollten dann auch ehrlicherweise dazusagen, Frau Kollegin, dass die Quote immer weit unter dem Vorjahresmonat liegt und dass es Ende Dezember 2008 immerhin fast 18.000 weniger Arbeitslose waren als noch vor einem Jahr. So sieht

es jetzt auch im Januar aus. Herr Reinholz hat ja vorhin die Zahl genannt, 12,2 Prozent, aber im Blick auf das Vorjahr stellen wir fest, da waren es 13,1 Prozent. Da verweise ich auf eine Prognose des IWH Halle, derzufolge die Arbeitslosenzahl im Osten im neuen Jahr sogar noch einmal um rund 30.000 Personen sinken werde. Die Bundesagentur für Arbeit rechnet beim Schrumpfen der Wirtschaft um ein halbes Prozent mit lediglich 130.000 zusätzlichen Arbeitslosen. Nun muss man die Zahl ein Stück weit interpretieren. 130.000 zusätzliche Arbeitslose sind natürlich viel. Diese Zahl ist aber vor dem Hintergrund zu sehen, dass in Deutschland noch nie so viele Menschen einer Beschäftigung nachgegangen sind wie jetzt, nämlich 40,5 Millionen. Es gibt, meine Damen und Herren, in Deutschland zurzeit 1 Mio. offene Stellen. Auch das dürfen wir nicht ausblenden. Aber - und das ist eben auch Fakt - gerade in der Automobilzulieferbranche haben wir im Freistaat ernsthafte Probleme. Hier gilt es, dringend zu helfen und ein Signal an die Beschäftigten und an die Unternehmen zu schicken. Auch dazu hat Herr Reinholz Ausführungen gemacht. Ausreichende arbeitsmarktpolitische Instrumente - und da bleiben wir bei unserer Aussage - stehen in ausreichender Masse zur Verfügung, auch wenn das immer wieder von der Opposition ausgeblendet wird. Auch im sogenannten Non-Profit-Bereich wird und wurde gehandelt. Ich verweise hier auf das Projekt „Pro Arbeit“. Es läuft sehr gut. Ich denke, dieses Projekt ist ausreichend, um in diesem Bereich tätig zu werden und uns in dem Bereich zu helfen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielfach wird bei der Krise auch von Chance gesprochen. Ich sehe das auch so. Neben der Neuausrichtung und Neustrukturierung der Unternehmen, wo dies nötig ist, kann sich auch die Gesellschaft z.B. energetisch umbauen. Energiekosten zu sparen, hilft am Ende die Kaufkraft zu stärken, um nur ein Gesellschaftsfeld zu nennen. Herr Reinholz hat vorhin darauf hingewiesen, 18 Landesprogramme sind hier am Markt. Ich denke, auch da sind wir auf gutem Wege.

Noch ein Wort zur Qualifizierungsoffensive: Auf die Kombination von Kurzarbeit und Qualifizierung ist schon vielfach in den letzten Tagen eingegangen worden. Ich brauche nicht zu wiederholen, wie wichtig gerade diese Förderung für die Fachkräftesituation im Freistaat ist. Wer als junger, gut ausgebildeter Fachmann in der Krise seine Arbeit verliert, ist wahrscheinlich auch für Thüringen verloren. Beschäftigte zu halten und zu qualifizieren ist meiner Ansicht nach mindestens genauso wichtig wie eine Belebung der Nachfrage durch öffentliche Investitionen. Es ist daher sinnvoll, wenn bei Kurzarbeit die Arbeitgeberanteile der Sozialabgaben für mittelständische Betriebe befristet durch die öffentliche Hand übernommen und aus Steuermitteln gezahlt werden -

eine Forderung, die wir bereits im Dezember erhoben haben. Auf diese Weise können Entlassungen und die Abwanderung von Fachkräften vorerst vermieden werden. Die Kombination von Kurzarbeit und Qualifizierung wird durch das zweite Konjunkturpaket der Bundesregierung für Unternehmen zudem attraktiver. Laut Beschluss der Bundesregierung werden den Arbeitgebern 2009 und 2010 die von ihnen bei Kurzarbeit bisher ganz zu tragenden Sozialabgaben zur Hälfte erstattet. Für Zeiten der Qualifizierungen während der Kurzarbeit können den Unternehmen auf Antrag auf Sozialabgaben die Sozialabgaben komplett erlassen werden. Wir können jetzt nur bei den Thüringer Betrieben werben, diese Angebote auch zu nutzen.

Liebe Kollegen der SPD, Ihr Antrag ist sehr wohl ambitioniert, aber - und das ist nun einmal so - er hat sich in unserer schnelllebigen Zeit vor der Zeit selbst überholt. Wir werden ihn deshalb ablehnen.

Anders sieht es bei den Anträgen der Linkspartei aus. Ich kann hier nur sagen, sparen Sie sich in Zukunft bitte Ihre Panikmache. Die Bürger reagieren besonnen, das haben uns die letzten Monate gezeigt. Sie lassen sich von Ihnen nicht verrückt machen, auch wenn Sie das immer wieder aufs Neue ärgert.

(Beifall CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, unser Staatskanzleiminister hat es gesagt, wir Länder stehen in einer besonderen Verantwortung, denn es sind gerade Einrichtungen in den Ländern und den Kommunen, in die investiert werden soll, in Hörsäle, Klassenzimmer, Jugendhäuser oder Krankenhäuser. Länder und Kommunen kennen ihre Verantwortung, wenn es darum geht, nachhaltig zu investieren. Es darf keinen Reibungsverlust und kein Kirchturmdenken bei der Umsetzung dieses Programms geben. 400 Mio. € können unser Land weiter voranbringen und noch zukunftsfester machen. Wir dürfen das nicht verspielen.

Wie schon ausgeführt, die Lage erfordert rasches und unbürokratisches Handeln. Alle Maßnahmen müssen das Ziel haben, Thüringen weiter zukunftsfest zu gestalten; denn es geht um die Zeit danach, also um Nachhaltigkeit. Deshalb ist verantwortungsvolles Herangehen so wichtig. Die Erhaltung von Arbeitsplätzen und Investitionen in die Zukunft muss das Credo sein. Wir müssen Sorge tragen, dass jeder Euro schnell in die neuen Projekte geht und damit Aufträge für Handwerker und mittelständische Unternehmen in den Regionen auslöst. Wir nehmen als Länder Geld in die Hand, was wir glücklicherweise noch haben, das wir noch drauflegen. Noch einmal die Kasse aufzumachen, ist für uns, die Länder, genauso

hart wie für den Bund. Unser Ziel besteht immer noch, schuldenfreie Haushalte vorzulegen und ab 2011 in die Tilgung zu gehen. Daran werden wir hier in diesem Hause festhalten. Wir brauchen deshalb eine wirksame Schuldenbremse, die ja angekündigt wurde. Der Deutschlandfonds hilft Unternehmen und baut eine Brücke. Damit kommen sie hoffentlich über die bevorstehende Durststrecke. Die Gratwanderung allerdings besteht hier darin - und das sage ich ganz deutlich -, der Staat kann am Ende niemals der bessere Unternehmer sein. Denn im Gegensatz zur Weltwirtschaftskrise 1929, die ich vorhin erwähnte, die soziale Marktwirtschaft funktioniert. Wir können auf sie vertrauen, auch wenn im Detail umgebaut werden muss. Weniger Shareholder, mehr Ethik und Haftung im Wirtschaftsleben, Herr Huster, das sind die Lehren, die wir alle ziehen sollten.

Eines möchte ich an dieser Stelle zum Schluss noch loswerden, weil sie auch das angesprochen haben. Bei allem, was derzeit über Banken gesagt wird, ist es mir hier und heute wichtig, einmal die Sparkassen und Volksbanken für ihren transparenten Umgang mit Krediten und dem verantwortungsbewussten Handeln mit dem Geld ihrer Kunden vor und während der Krise zu loben. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Jetzt frage ich mal in Richtung Abgeordnete: Möchte noch jemand das Wort ergreifen? Herr Abgeordneter Kuschel für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, eine wichtige Lehre aus dieser Finanzkrise und auch aus der heutigen Diskussion müsste zumindest darin bestehen, dass die CDU sich jetzt endlich von ihrem Alleinvertretungsanspruch hinsichtlich der Lösung von anstehenden Problemen verabschiedet. Darauf hat Herr Mohring selbst verwiesen, dass er diesen Anspruch nicht mehr erhebt, denn er hat hier im Plenum zum runden Tisch eingeladen. Runder Tisch heißt, dass aus den verschiedenen Konzepten und Meinungen letztlich die besten Lösungen gefunden werden sollen. Wir begrüßen ausdrücklich diesen Sinneswandel, denn in der letzten Plenarsitzung im Dezember hat sich ein solcher Sinneswandel nicht angekündigt. Die CDU hatte nicht einmal den Mut, unseren Gesetzentwurf zur Stärkung der Investitionskraft der Kommunen zur Diskussion an die Ausschüsse zu überweisen. Wir entnehmen jetzt, dass Sie dazu bereit sind. Deswegen stellen wir erneut den Antrag, unseren Gesetzentwurf an den Innen- und Haushaltsausschuss zu überweisen. Herr Mohring und seine Fraktion können dann

an dieser Frage beweisen, ob Sie Ihren Worten auch mal Taten folgen lassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Fraktionsvorsitzende der Regierungsfraktion hat hier in der Debatte mehrfach das sogenannte Verschuldungsverbot aufgerufen und hat gesagt, die CDU ist dafür, das in irgendeiner Art und Weise zu regeln, entweder verfassungsmäßig oder auch in „einfachen“ Gesetzen. Es ist schon erstaunlich, dass die Fraktion und die Partei, die für 15 Mrd. € Schulden in Thüringen verantwortlich ist, jetzt diese Diskussion so verschärft führt in einer Situation, wo zumindest auf Bundesebene eine solche Zielstellung jenseits jeder Realität ist. Dort wird von neuen Rekordverschuldungen gesprochen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das sagt der SED-Genosse; das darf doch nicht wahr sein.)

Ich halte es für erforderlich, nicht vorrangig von einem Verschuldungsverbot zu reden, sondern darüber zu reden, wie wir Daseinsvorsorge künftig inhaltlich ausgestalten und ausrichten wollen, weil sich daran dann festmachen wird, inwieweit die öffentliche Hand zu finanzieren ist. In einer solchen Diskussion kann man auch darüber reden, in welchen Bereichen der Markt wirken sollen und in welchen Bereichen der Markt offensichtlich versagt. Man kann in einer solchen Diskussion auch über Eigentumsstrukturen diskutieren. Da verstehe ich überhaupt nicht, weshalb die CDU, aber auch Teile der SPD immer wieder das Schreckgespenst bedienen, dass durch eine Verstaatlichung die Gesellschaft derart grundlegend verändert oder sogar überwunden werden würde. Ich darf in dem Zusammenhang verweisen, dass wir Bereiche haben, wo öffentliches Eigentum sehr wohl sehr dominant ist und der Beleg erbracht wird, dass damit wichtige Aufgaben sowohl der Daseinsvorsorge, aber auch am Markt realisiert werden. Da ist der Finanzsektor mit den Sparkassen, Herr Günther hat in seinem letzten Teil darauf verwiesen. Hätten wir die Sparkassen nicht und die Genossenschaftsbanken, wäre wahrscheinlich die Finanzkrise noch gravierender. Die Sparkassen sind öffentliches Eigentum, selbst die Genossenschaften sind eine Eigentumsform, der wir sehr nahe stehen. Oder ich darf an den Bereich der Wohnungswirtschaft erinnern. Die Wohnungsunternehmen leisten schon seit Jahren einen wichtigen Beitrag zur Belebung der Konjunktur in Thüringen, denn sie haben in Millionenhöhe investiert und diese Investitionen sind im Regelfall hier in Thüringen geblieben und nicht europaweit ausgeschrieben worden. Ich darf auch an die Erfolgsgeschichte der Stadtwerke erinnern. Auch die spielen im Rahmen der Regionalisierung von Wirtschaftskreisläufen eine wichtige Rolle. Das sind Beispiele, bei denen sich zeigt,

dass öffentliches Eigentum nicht gerade dazu führt, dass eine Wirtschaftskrise entsteht, sondern im Gegenteil, es kann ein Gegenkonzept sein.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Günther hat uns erneut vor Panikmache gewarnt, wir würden Panik machen gegenüber den Bürgern. Ich bitte nur noch mal sich in Erinnerung zu rufen, innerhalb weniger Tage wurde für die Banken, die ja eine Stütze des Wirtschaftssystems bisher waren, ein Rettungsschirm von 480 Mrd. aufgespannt und für den Bereich der Wirtschaft noch mal 100 Mrd., was Bürgschaften und dergleichen betrifft. Ich kann mir da vorstellen, dass mancher tatsächlich von ganz alleine Panik bekommt, ohne dass wir da was sagen müssen. Wir sprechen dort von Dimensionen und da sind es nicht wir, die Panik machen, sondern es ist die Zeit und es sind einfach die Umstände, wenn in solchen Dimensionen geredet und entschieden wird - mancher muss sich ja erst mal die Zahlen notieren, um mitzubekommen, wie viel Nullen da vor dem Komma stehen -, da bitte ich einfach um Verständnis und nicht um den Vorwurf, dass wir dann letztendlich angeblich diejenigen sind, die Panik verursachen.

Ich möchte noch einige Dinge zu unserem Gesetzentwurf sagen und darauf eingehen, wie in unserer heutigen Debatte reagiert wird. Herr Mohring hat in seinem Redebeitrag auf den Kommunalen Finanzausgleich hingewiesen, 2,8 Mrd. €. Da wissen wir, diese Entscheidung durch die Mehrheitsfraktion hier im Landtag ist nicht freiwillig zustande gekommen, das bedurfte erst eines Urteils des Landesverfassungsgerichts. Er hatte darauf verwiesen, aus diesen Mitteln könne auch eine Vielzahl von Investitionen getätigt werden. Ich darf in diesem Zusammenhang erinnern, dass bei der Bedarfsermittlung nur ganze zweimal 3 Prozent, also 6 Prozent, für die sogenannten freiwilligen Aufgaben Berücksichtigung fanden. Das waren also insgesamt 270 Mio. von der gesamten Finanzausgleichsmasse und daraus müssen aber die Kommunen alle sogenannten freiwilligen Leistungen finanzieren und die Eigenanteile für die Investitionen. Das hat dazu geführt, dass seit Jahren die Thüringer Kommunen nicht mehr die Investitionsquote erbringen können, die eigentlich notwendig wäre, um das kommunale Eigentum zu erhalten, geschweige denn, um die Infrastrukturlücken, die noch bestehen, zu schließen. Da berufe ich mich mal auf die Zahlen des Deutschen Instituts für Urbanistik, die stehen nicht im Verdacht, von uns ermittelt worden zu sein. Das Difu hatte den jährlichen Investitionsbedarf in Thüringen, nur um das Eigentum und die Infrastruktur zu erhalten, mit 1,5 Mrd. € beziffert. Tatsächlich investieren die Thüringer Kommunen gegenwärtig 700 bis 800 Mio. €, also rund die Hälfte. In dieser Phase dann davon zu reden, dass der Kom

munale Finanzausgleich ausreichend wäre, ist schon sehr gewagt. Herr Mohring, Sie müssen die Frage beantworten, weshalb dann der Gemeinde- und Städtebund erneut gegen den Finanzausgleich Verfassungsklage erhoben hat. Auch das können Sie uns ja nicht in die Schuhe schieben. Unser Einfluss im Gemeinde- und Städtebund nimmt zwar stetig zu, aber noch entscheiden andere Mehrheiten, was der Verband dort macht. Wir respektieren das. Sie müssen mit dem Gemeinde- und Städtebund im Dialog klären, warum diese Klage eingereicht wurde, wobei wir sagen, viel besser wäre es, sich mit dem Gemeinde- und Städtebund hinzusetzen und die Probleme zu klären, damit es erst gar nicht wieder zu einer Entscheidung durch das Verfassungsgericht kommen muss.

(Beifall DIE LINKE)

Auch wenn der Innenminister als Jurist gern gerichtliche Entscheidungen herbeisehnt, wir wollen aber das Primat der Politik.

(Zwischenruf Scherer, Innenminister: Nein, ich rede lieber.)

Aber bei Gerichtsverhandlungen sehen Sie ja sehr schlecht aus. Sie reden dann von bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Jetzt drücken Sie sich um eine Entschuldigung herum, weil Ihr Ministerium festgestellt hat, im ganzen Jahr gab es da mal zwei Vorfälle. Dann von bürgerkriegsähnlichen Zuständen zu reden, war sehr weit hergeholt. Aber es war ja für Sie neu, als Beklagter im Verfahren dort mal zu sitzen.

(Zwischenruf Scherer, Innenminister: „Beklagter“ ist der falsche Ausdruck.)

Bisher waren Sie ja meist derjenige, der darüber zu befinden hat, ob etwas rechtswidrig oder rechtskonform ist. Insofern gestehe ich Ihnen da auch Lernfähigkeit zu. Ich bin schon voller Erwartung und warte mit Spannung auf ihre Erwiderung gegenüber den Bürgerinitiativen und damit den Bürgern dieses Landes.

Aber Sie hätten jetzt tatsächlich die Möglichkeit, als Innenminister mit der Landesregierung dieses Klageverfahren dann ins Leere laufen zu lassen, nämlich wenn dann die Probleme geklärt sind. Da geht es ja insbesondere darum, wie wird der Finanzausgleich 2010 und in den Folgejahren ausgestaltet. Da befürchten die kommunalen Spitzenverbände, dass eine vollständige Anrechnung der Steuermehreinnahmen aus den Jahren 2006, 2007, 2008 erfolgt. Da man nicht weiß, wie sich das Steueraufkommen 2009 und 2010 entwickelt, könnte sich damit die Finanzkrise auf der kommunalen Ebene weiter ver

schärfen.

Also wir sind überzeugt, der Verweis auf den Finanzausgleich ist einfach nicht mehr zeitgemäß, weil tatsächlich die kommunale Realität anders aussieht und die Kommunen tatsächlich nachweisen können, dass sie nicht in der Lage sind, mit den vorhandenen Finanzmitteln ihre Aufgaben auch im investiven Bereich zu realisieren.

Herr Mohring hat dann auch gesagt, wir sollen die alten Parolen mal lassen. Tatsache ist ja, wenn wir derartige Dinge wie so einen Rettungsschirm für Banken und Wirtschaft oder die staatliche Beteiligung an privaten Großbanken vor Jahresfrist gefordert hätten, dann wären Sie es gewesen, Herr Mohring, der uns wieder kommunistische und sozialistische Konzepte vorgeworfen hätte.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Zu Recht.)

Volkseigentum schaffen Sie gegenwärtig, aber in einer Art und Weise, die wir ablehnen, denn Sie helfen privaten Banken, aber ohne tatsächlich Einfluss auf die Geschäftspolitik dieser Banken zu nehmen. Aber - das ist heute hier schon gesagt worden - in der jetzigen Situation sind auch solche Dinge notwendig. Sie müssen sicherlich der Öffentlichkeit erklären, warum Sie eine Bank, die nur 4 Mrd. € wert ist an der Börse, ein Viertel, für 18 Mrd. € erwerben. Aber das sind andere Dinge. Alte Parolen sind das scheinbar nicht, sonst hätten Sie sie ja nicht aufgegriffen. Insofern bitte ich nur um eine differenzierte Bewertung. Ich gestehe ein, wir nehmen für uns nicht in Anspruch, dass jeder Vorschlag von uns der beste ist, sondern wir sagen, wir stellen unsere Vorschläge zur Diskussion. Im Rahmen der Diskussion soll sich dann zeigen, ob unsere Vorschläge zielgenau sind oder ob sie nachjustiert werden können. Da haben Sie alle Möglichkeiten. Voraussetzung dafür ist aber, dass Sie sich dieser Diskussion stellen. Das können Sie natürlich nicht machen, indem Sie unsere Gesetzentwürfe nicht mal an die Ausschüsse verweisen.

(Beifall DIE LINKE)

Insofern müssen Sie sich ja entscheiden, was Sie wollen.