Protokoll der Sitzung vom 03.04.2009

Wie erfolgt derzeit die Berechnung der medizinischen Versorgung in einer offenen, durch die EU stark liberalisierten Gesellschaft? Trotz der grundsätzlichen Niederlassungsfreiheit existieren im ärztlichen Bereich in Deutschland nach § 95 des SGB V Niederlassungsbeschränkungen über die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, die ursprünglich nämlich eine Dämpfung des Anstiegs an medizinischen Leistungen durch zu viele Ärzte verhindern sollte. Heute dient dieses Instrument eher einer solidarischen, das heißt einer gerechten Verteilung von niedergelassenen Medizinern über die ganze Bundesrepublik, speziell auch im Verhältnis zwischen Stadt und Land. Bereits ein einfacher Fallzahlenvergleich über alle Vertragsärzte in Ost und West zeigt ein Mehr an medizinischen Leistungen in den neuen Ländern. Ein Vertragsarzt behandelt hier nahezu 20 Prozent mehr Fälle. Die Bedarfsplanung, wie Sie es ansprechen, ist bundeseinheitlich in § 99 des SGB V geregelt. Ich darf wiederum zitieren: „Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen sowie im Benehmen mit den zuständigen Landesbehörden nach Maßgabe der vom Gemeinsamen Bundesausschuss erlassenen Richtlinien auf Landesebene einen Bedarfsplan zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung aufzustellen und jeweils der Entwicklung anzupassen.“ Nun kommt der zweite Satz dazu: „Die Ziele und Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung sowie der Krankenhausplanung sind zu beachten.“ Es ist so, im Grundsatz erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss die Richtlinien; die Umsetzung erfolgt dann im Gemeinsamen Landesausschuss. Es heißt, und wir sehen es deutlich, der Gesetzgeber überträgt

die Zuständigkeit allein der Selbstverwaltung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in seiner Bedarfsplanungsrichtlinie im Februar 2007 die einzelnen Maßstäbe festgelegt. Darin ist eine differenzierte Berechnung je nach Arztgruppe und nach Regionaltypus möglich. Dort unterscheidet man Regionaltypenzentren als Agglomerationsräume, verstädtete Räume, ländliche Räume oder auch Sonderräume. Das heißt beispielsweise, dass in Erfurt eine Grundzahl von etwa 1.565 Einwohner pro Arzt und in einem ländlichen Kreis von 1.447 Einwohner je Arzt der Berechnungsbasis zugrunde liegen. Darauf basieren die Berechnungen zur Über- und Unterversorgung. Es ist richtig, dass darin die unterschiedliche demographische Verteilung in den einzelnen Bundesländern nicht berücksichtigt wird, geschweige denn eine morbiditätsbezogene Komponente Anwendung findet. Hier sind Analysen notwendig, weil die einzelnen Verhältniszahlen und deren Wechselwirkung hier ermittelt werden müssen.

Was soll nun die Landesregierung tun? Soll sie im Bundesrat, von der Bundesregierung fordern, berücksichtigt einmal eine demographische Komponente, Höhe wird nachgereicht? Oder meinen Sie, dass die Landesregierung die Änderungen des § 99 im SGB V beantragen soll mit dem Ziel einer Konkretisierung beider Kriterien, die dann zwingend gesetzlich geboten zu berücksichtigen sind? Ich erinnere: Das neue und überarbeitete SGB V ist seit drei Monaten in Kraft. Wie soll das nun konkret sofort wieder geändert werden?

Meine Damen und Herren, ich möchte diesem berechtigten Anliegen der KV nicht schaden, deshalb können wir dem Antrag nicht zustimmen. Wir wissen aus dem Vortrag über die beauftragte Studie der KV zum Demographietag im Dezember vorigen Jahres, dass danach künftig in Thüringen ein Mehrbedarf an Hausärzten von ca. 5 Prozent besteht, bei anderen Fachgruppen kommt es zu einem Rückgang. Bisher ist nur der Zwischenbericht veröffentlicht. Warten wir den Endbericht ab, der schließlich die Konsequenzen und die verschiedenen Szenarien darstellt. Ich habe die KV eingeladen, in unserem Netzwerk im Juni den Endbericht vorzustellen. Ich weiß, dass die KV ihr Anliegen an die zuständigen Gremien, nämlich den Landesausschuss und den Bundesausschuss richten wird. Darin sollten wir die KV bestärken und unterstützen. Jeder gut gemeinte Eingriff von außen schadet der Selbstverwaltung. Wir sind nicht bereit, dies durch einen unachtsamen Eingriff zu untergraben. Wir wollen keine schleichende Zunahme an staatlicher Planung. Ich unterstelle dem Antragsteller die ehrliche Absicht, Lösungswege aufzuzeigen, muss aber feststellen, Ziel im Grundsatz richtig, Weg falsch. Darum lehnen wir den Antrag ab.

(Beifall CDU)

Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Taubert zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Damen und Herren, Frau Präsidentin, man soll nichts unversucht lassen, um drohenden Ärztemangel zu verhindern, und deswegen ist zunächst mal jeder Antrag es wert, dass man darauf schaut und darüber diskutiert. Ich will das auch im Vorhinein sagen, auch bei diesem Antrag, den DIE LINKE gestellt hat, halten wir es für notwendig, ihn im Sozialausschuss weiterzudiskutieren, weil uns doch einige Fragen dazu noch bewegen.

Da ist zunächst die Frage - Herr Gumprecht ist ja auch darauf eingegangen: Was bedeutet es überhaupt, wenn man eine demographische Bedarfsplanung jetzt noch auf die Selbstverwaltung, die wir ja in diesem Bereich haben, draufsetzen, also staatliche Bedarfsplanung zusätzlich zu dem, was die Selbstverwaltung aus Versichertenkrankenkassen, auch aus der Kassenärztlichen Vereinigung gemeinsam ja schon planen soll. Da brauchen wir unbedingt noch Hinweise auch von den Antragstellern, was damit gemeint ist. Die bundesweit durchzuführen - die Diskussionen zeigen es auch um die Frage des Gesundheitsfonds - werden zwangsläufig scheitern, weil man sich an der Stelle gar nicht einig werden kann. Insofern ist die Frage: Wie realitätsnah ist Punkt 1, der im Antrag angeführt wird?

Man kann den Antrag positiv und man kann ihn aber auch weniger positiv interpretieren. Wenn ich den Antrag so nehme und sage, es muss eine staatliche Bedarfsplanung geben, die den demographischen Faktor mit hineinnimmt, kann man natürlich auch unterstellen, dass die jetzt handelnden Personen, gerade Kassenärztliche Vereinigung für den ambulanten Bereich, die Kassen für den stationären Bereich, in ihrem Bemühen gescheitert sind. Das, denke ich, wollen wir alle gemeinsam nicht unterstellen, aus diesem Grund ist der Antrag für uns schwer in der momentanen Form überhaupt positiv zu sehen, weil das doch nicht das Ziel sein kann, die jetzigen Bemühungen gerade der KV im ambulanten Bereich zu torpedieren. Wer sich immer mit der KV zu den verschiedensten Veranstaltungen und auch im direkten Gespräch unterhält, der weiß, dass man sich da sehr intensiv gerade in den unterversorgten Gebieten Gedanken macht.

Eins möchte ich auch anfügen, wir haben das ständige Bemühen - man nennt es im Bund immer Gesundheitsreform, am Ende ist es ein permanenter

Reformprozess, der auch notwendig ist, um sich immer anzupassen den sich doch ständig wechselnden Anforderungen, sei es die Technik oder sei es auch die Frage der Finanzierung. Wir haben in diesem Bereich Veränderungen auf Bundesebene vorgenommen, um gerade in den unterversorgten Bereichen Anreize zu schaffen, damit Ärzte sich niederlassen. Das Geschrei aus anderen Bundesländern von Ärzten in den sogenannten besser verdienenden Regionen zeigt deutlich, dass man auch da nicht gewillt ist, etwas abzugeben, dass am Ende der Kompromiss, der auf Bundesebene gefunden wurde, um bundesweit ähnliche Verhältnisse, ähnliche Finanzierung auch von ambulanter medizinischer Versorgung sicherzustellen, durchaus tragfähig sein kann. In diesem Kompromiss, der da gefunden wurde, ist auch die Frage der Morbidität schon intensiv berücksichtigt worden. Wir wissen, dass Ärzte nunmehr auch anders vergütet werden, wenn sie multimorbide Patienten behandeln. Dem entspricht in etwa auch das, was hier im Antrag steht. Wir halten es somit für schwierig, den Antrag in dieser Form zu verabschieden, deswegen bitten wir darum, im Ausschuss darüber zu diskutieren, um auch Missverständnisse zu vermeiden und zu unterstellen, dass man da gerade den momentanen Akteuren Versagen unterstellen wollte. Danke.

(Beifall SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Frau Dr. Fuchs zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, Anfang des Jahres bekräftigte das Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit, dass zu den wichtigsten politischen Aufgaben der Landesregierung das Ziel gehört, eine flächendeckende medizinische Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Dieses Ziel auch und gerade unter der Berücksichtigung der Altersentwicklung der Thüringer Bevölkerung einschließlich der Alterszunahme der Praxisinhaber zu erreichen, dazu soll unser Antrag beitragen.

Zur Situation, meine Damen und Herren: Die neuen Länder, so auch Thüringen, weisen eine überdurchschnittliche Erkrankungsrate der Bevölkerung auf, insbesondere bei chronischen Krankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes Mellitus und Herzinfarkt. Zusammen mit einer niedrigeren Arztdichte führt dies gegenüber den alten Ländern zu einer um 27 Prozent - nicht 20 Prozent, 27 Prozent,

(Zwischenruf Abg. Gumprecht, CDU: 27 Prozent.)

dann sagen Sie ruhig 27, weil das fast 30 sind - höheren Zahl von Behandlungsfällen je Vertragsarzt.

Zum Vergleich: In den neuen Ländern kommen auf einen Vertragsarzt 740 Einwohner, in den alten Ländern sind es 674. Das Durchschnittsalter der Hausärzte liegt in Thüringen mit über 64 Jahren - genau 64,25 - am höchsten von allen Bundesländern bei einem Anteil von über 170 Ärzten, die bereits 68 Jahre und älter sind. Es ist allgemein bekannt, dass im Durchschnitt der letzten Jahre im ambulanten Bereich etwa 120 Ärzte jährlich fehlen und etwa 150 im stationären Bereich. Die Angaben differenzieren, weil es teilweise gelungen ist, Ärzte z.B. aus Österreich unter Vertrag zu nehmen, die dann im Krankenhaus die Plätze füllen und dass auch die Kassenärztliche Vereinigung das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz nutzt und damit auch Maßnahmen greifen, um im ambulanten Bereich aktiv zu werden. Die neuen Länder - und hier allen voran Thüringen - haben das Thema „Ärztemangel“ genauso wie damals bei der Vergütung wiederholt auf die Tagesordnung auf oberste Ebene gesetzt, was das eingangs zitierte Ziel der Landesregierung unterstreicht. In Thüringen gibt es ein Bündel von Maßnahmen der Kassenärztlichen Vereinigung, der Krankenkassen und des Ministeriums für Soziales, Familie und Gesundheit. Ich will nicht alle Einzelmaßnahmen aufzeigen, die reichen von der Förderung von Absolventen des Medizinstudiums bis zur Wirtschaftsförderung junger Mediziner. Alle Maßnahmen - und das halte ich für entscheidend - werden koordiniert. Das ist positiv zu bewerten, wird aber für die Zukunft unserer Meinung nach nicht ausreichend sein.

Sehr geehrte Damen und Herren, noch wird an der Fortschreibung des Sechsten Thüringer Krankenhausplans gearbeitet. Dass wir eine Fortschreibung brauchen, resultiert einfach aus den veränderten Rahmenbedingungen für den Krankenhausbereich. Ich nenne hier nur die DRGs, also das neue Entgeltfinanzierungssystem. Auf dessen Auswirkung auf das Krankenhauspersonal oder auf die Patienten möchte ich nicht eingehen, weil das jetzt den Rahmen unseres Antrags überschreiten würde. Aber der Sechste Thüringer Krankenhausplan würde wirklich Thüringen die Chance geben, modellhaft stationäre und ambulante Planung so miteinander zu verzahnen, dass ein optimaler Ressourceneinsatz von ärztlichem Personal und Medizindiagnostik gewährleistet werden kann. Flankiert wird diese Möglichkeit durch die Regelung des § 116 a und b im SGB V. Sie beinhalten die Regelungen der ambulanten Behandlung im Krankenhaus bzw. durch Krankenhäuser bei Unterversorgung. Ab 2010 können zudem bei Unterversorgung Zuschläge in die Vergütung eingearbeitet

werden, während in überversorgten Regionen Abschläge erfolgen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, alle diese Möglichkeiten zu nutzen, bedeutet aber auch, dass wir einen Raumordnungsplan brauchen mit eindeutiger Zentrumsfunktion. Im Landesentwicklungsplan müssen zukunftsweisende Aussagen zu einer sichereren medizinischen Versorgung der Bevölkerung getroffen werden. Dabei ist unbedingt die Erreichbarkeit medizinischer Leistungserbringer durch den Bürger, also den Patienten zu berücksichtigen.

Da komme ich zu dem, was Herr Gumprecht gesagt hat, er sagte, das ist alles nicht nötig, weil das alles schon geregelt ist. Ich bin mir auch klar darüber, dass eine solche Forderung natürlich auch die Notwendigkeit nach sich ziehen würde, dass wir Landesgesetze auf das Ziel, was formuliert ist, die flächendeckende bürgernahe Versorgung, dass das zu überprüfen wäre und dass da auch Änderungen zu machen wären. Ich glaube, das wäre auch möglich und ich weiß, dass das nicht das Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit allein machen kann, sondern dass die Gesundheit hier eine Querschnittsaufgabe ist, und wenn man das wirklich wollte, ginge das auch,

(Beifall DIE LINKE)

weil ich glaube, dass das notwenig wäre.

Dann nehme ich mal Bezug auf die 81. Gesundheitsministerkonferenz der Länder vom Juli 2008. Hier wurde nämlich mehrheitlich beschlossen - Herr Gumprecht, die Gesundheitsministerkonferenz -, die Bundesregierung aufzufordern, zu bitten, dass sie die Bedarfsplanungsrichtlinie kleinräumiger und bedarfsorientierter überarbeitet. Da, das muss ich Ihnen sagen, haben Sie irgendwie das nicht richtig verstanden, weil die Bedarfsplanung ist nicht Landeshoheit, die ist eindeutig Bundeshoheit, wird bestimmt von der Bundeshoheit. Da ist es völlig legitim, Frau Ministerin Lieberknecht, die jetzt im Grunde genommen im Bundesrat den Vorsitz hat - natürlich kann das unsere Angelegenheit sein, Frau Ministerin wird sogar viel Unterstützung haben von den Gesundheitsministern der neuen Bundesländer und auch von einigen Gesundheitsministern der alten Bundesländer, weil dieses Problem eben auch schon in Regionen der alten Bundesländer auftritt. Da kann ich nur sagen, die Bedarfsplanungsrichtlinie kleinräumiger und bedarfsorientierter zu machen, das heißt nicht, wie manche sich vorstellen, dass in jedem Ort, in jedem Dorf nun der Hausarzt da ist, sondern es geht vor allem darum, dass wir hier in Thüringen, wo wir im Prinzip diesen demographischen Prozess haben, der sich noch durch die Abwanderung junger Menschen beschleunigt, wirklich die Bedarfsplanung neu gestal

ten. Die geltende Bedarfsplanung, die Sie heute zitiert haben, was alles richtig ist, die stammt aus dem Jahre 1990. Die Rahmenbedingungen haben sich total verändert. Die damalige Datenbasis ist eine völlig andere gewesen als heute und die Kassenärztliche Vereinigung bittet selber darum, dass auf Bundesebene die Bedarfsplanung verändert wird. Das ist überhaupt kein Eingriff unseres Antrags in die Selbstverwaltung der Kassenärztlichen Vereinigung. Die Kassenärztliche Vereinigung versucht ja jetzt schon, gemeinsam mit den Krankenkassen, der Entwicklung, dass wir in einigen Regionen bestimmte Arztgruppen und Ärzte nicht mehr haben, entgegenzuwirken, indem sie Fördermöglichkeiten, Zulassungen und Ermächtigungen macht, aber die Bedarfsplanung aus 1990 begrenzt ja teilweise, begrenzt und behindert eigentlich solche Fördermaßnahmen. Deshalb brauchen wir eine neue Bedarfsplanung und eine neue Bedarfsplanungsrichtlinie hat insbesondere soziodemographische und sozioökonomische Daten in die Planung einzubeziehen. Allein die Berechnung auf die Einwohnerzahl reicht einfach nicht mehr aus. Sie nennt den tatsächlichen Bedarf nicht mehr. Das beweist folgende Tatsache: Nach der alten Bedarfsplanung haben wir eigentlich hier 10 Prozent überzogen, weil z.B. festgestellt wird, dass nach dieser Bedarfsplanung ein Hausarzt 1.640 Einwohner behandeln müsste. Ich hatte vorhin die Zahl gesagt, es sind 700 und noch was im Gegensatz zu dem. Wir haben im Prinzip diese alte Bedarfsplanung. Sie muss verändert werden und es muss entsprechend die gestiegene Morbidität einer erheblich älter gewordenen Bevölkerung einbezogen werden und es muss auch einbezogen werden, dass wir diese neue Bedarfsrichtlinie nicht nur für den Hausarzt brauchen, sondern auch im Fachärztebereich, z.B. Augenärzte, Kardiologen und Orthopäden. Da haben wir uns den ersten Punkt erlaubt, Frau Ministerin. Ich erwähnte es schon, Sie sind die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz und wir erwarten einfach, dass Sie Druck machen. Ich weiß, dass Sie das können. Sie können Druck machen und ich weiß auch, dass Sie das Problem genauso ernsthaft betrachten und beobachten und nach Lösungswegen suchen, wie wir das eigentlich hier vorgeschlagen haben. Da denke ich schon, dass Sie im Bundesrat der Bundesregierung und dem Bundestag Druck machen können, denn die wollen sich erst 2012 wieder mit diesem Problem beschäftigen. Da rennt uns meiner Meinung nach die Zeit davon. Ich denke, wenn wir das hier beibehalten wollen, also in Zukunft ebenfalls die medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, dass man nicht einfach sagen soll, es ist so, sondern man sollte wirklich ernsthaft über diesen Antrag nachdenken. Heute danke ich, vielleicht das erste Mal seit unserer Amtszeit, der Frau Taubert für ihren Vorschlag. Ich habe mich gar nicht getraut, diesen Vorschlag zu machen für den Sozialausschuss. Ich würde das mit annehmen und würde bitten, dass

wir vielleicht dazu die Mehrheiten bekommen können. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)

Es gibt eine weitere Redeanmeldung durch Abgeordneten Gumprecht für die CDU-Fraktion.

Frau Dr. Fuchs, ich denke, wir haben an verschiedenen Stellen aneinander vorbeigesprochen. Die Frage heißt: Wollen wir - und darauf wird es am Schluss ankommen -, so wie es Frau Taubert sagt, feststellen, die Selbstverwaltung ist gescheitert, wir machen eine staatliche Planung, dann wäre das richtig. Wir haben im Vorfeld überlegt, wie wir Ihren Antrag korrigieren können, aber eigentlich war die Frage, etwas zu verändern, indem wir den Appell nämlich genau dorthin richten, wo das entschieden wird, wo die Bedarfsplanungsrichtlinie gemacht wird und - die letzte ist übrigens nicht von 1990, sondern vom 15. Februar 2007 aktuell - wie die Kriterien neu überarbeitet werden können. Das ist aber Sache der Selbstverwaltung. Da ist die Frage, diesen Weg zu beschreiten, wenn dies der Weg ist. Aber das entspricht nicht Ihrem Antrag. Das ist ein völlig anderer Weg. Wir wollen Selbstverwaltung stärken, keine staatliche Planung und wir appellieren an den gemeinsamen Bundesausschuss und stärken unsere Kassenärztlichen Vereinigungen, dass das in Zukunft so geschieht. Demographieberücksichtigung ist wichtig und dann gibt es noch eine zweite Geschichte. Derzeit wird nämlich noch über ein anderes Kriterium diskutiert. Wir diskutieren in Thüringen über den Begriff Demographie. In dem gemeinsamen Bundesausschuss, wenn Sie die Protokolle nachlesen, steht auch die Diskussion, wie weit kann man das Thema Morbidität einbeziehen. Da ist noch eine differenzierte Betrachtung notwendig, da sind noch eine Reihe Studien notwendig, deshalb halte ich diesen Schnellschuss heute für falsch. Ich denke, wie ich bereits gesagt habe, es ist im Prinzip richtig, aber der Weg funktioniert so nicht.

(Beifall CDU)

Jetzt liegen mir keine Redemeldungen seitens der Abgeordneten mehr vor. Für die Landesregierung Ministerin Lieberknecht, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, zunächst gebe ich Ihnen recht, wenn Sie gesagt haben, dass dieser Antrag auf ein zentrales Feld gesundheitspolitischer Verantwortung zielt hier im Freistaat Thüringen, die die Landesregierung wahrnimmt, die ich auch ganz persönlich wahrnehme, auch mit dem Zitat, was Sie gebracht haben, Frau Fuchs, was ich gelegentlich auch in Interviews geäußert habe, nicht zuletzt auch im Zusammenhang mit der Verantwortung in der Gesundheitsministerkonferenz, die Thüringen in diesem Jahr hat - eine Verantwortung, die die Landesregierung wahrnimmt, die die Kassenärztliche Vereinigung Thüringens wahrnimmt, die Krankenkassen, auch weitere Akteure im Land, die hier die Probleme auch der Menschen, gefühlte Probleme, aber auch real existierende Probleme wahrnehmen, eine Verantwortung, die uns auch hier im Haus in allen Fraktionen umtreibt. Ich denke, das ist in Ordnung und das kann ich auch nur begrüßen und ich gehe auch davon aus, dass zumindest die Gesundheitspolitikerinnen und -politiker unserer drei Fraktionen um die Zuständigkeiten jeweils wissen, was kann die Landesregierung, was ist Aufgabe der Selbstverwaltung. Diese Kenntnisse, denke ich, sind vorauszusetzen. Ich bin nun dringend gebeten, nicht zuletzt vom Chef der Staatskanzlei, nicht alles zu wiederholen, was vonseiten der Fraktionsrednerinnen und -redner gesagt worden ist, deswegen nur in Kurzform noch einmal zusammenfassend.

Zunächst zu Ziffer 1: Den Sicherstellungsauftrag für die ambulante medizinische Versorgung der Bevölkerung haben die Kassenärztlichen Vereinigungen der jeweiligen Länder, das wird von niemandem hier bestritten, das ist so. Kollege Gumprecht hat über die Bemühungen berichtet, auch Frau Kollegin Fuchs ging darauf ein, Frau Taubert, wir sind ja auch regelmäßig mit den Akteuren im Gespräch. Bei deren Bedarfsplanung sind die Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses maßgeblich. Auch darüber habe ich mich verschiedentlich geäußert, auch öffentlich geäußert, ob das Seniorenzusammenkünfte gewesen sind oder wie letztlich, als wir bei den privaten Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen waren, auch im Gespräch mit Gesundheitsakteuren, Ärzten, der Kassenärztlichen Vereinigung in der Tat, dass wir hier Kriterien haben, die auf unsere Situation nicht mehr passfähig sind; das stimmt. Wir müssen hier regional stärker differenzieren, denn der Bevölkerungsrückgang auf der einen Seite, die dünn besiedelten Gegenden, wenn wir hier nur schemenhaft die Kriterien im Grunde reißbrettartig über das Land legen, bringen uns eine Ärzteversorgung, die nicht mehr auf den tatsächlichen Bedarf hin orientiert ist, der von einer stärkeren Morbidität, von einer

zwar weniger werdenden, aber mit mehr älteren Menschen versehenen Bevölkerung letztlich die Defizite erkennen lässt, nicht mehr passfähig ist und deswegen ist hier in der Tat Änderungsbedarf angesagt. Der Ort, auf dem ich das unter anderem auch thematisieren werde, ist die Gesundheitsministerkonferenz, ganz richtig, aber eben auch im Wissen darum, dass wir nicht direkt Einfluss nehmen können auf die Selbstverwaltung, auf den gemeinsamen Bundesausschuss, aber dennoch deutlich thematisieren sollten und thematisieren müssen, wo wir hier den Änderungsbedarf sehen. Deswegen an dieser Stelle nicht der Weg über den Bundesrat, der allerdings, da muss ich zugeben, wir sind vielleicht auch bei manchen Formulierungen etwas salopp, wenn wir einen anderen Adressaten finden, GMK/Bundesministerin legt nahe, diesen parallelen Weg, Bundesrat, da gebe ich zu, das hätte man da auch vielleicht differenzierter formulieren können - also mein Weg ist die Gesundheitsministerkonferenz, die politische Meinungsbildung dort in den Gremien, wo wir politisch auch über die Dinge reden und den Bundesrat hier in der Tat aus Achtung vor der Selbstverwaltung nicht zu beschreiten als direkte Einflussnahme, sondern die Selbstverwaltung auch in ihrer Verantwortung Selbstverwaltung sein zu lassen, aber auch ganz klar zu sehen, wo hier die Bedarfe sind, was im Übrigen ja mit der Frage, bei allen Schwierigkeiten jetzt mit der Honorarverteilung, aber vom Grundsätzlichen her mit dem Anstieg der Honorare jetzt einmal vom Gesamtvolumen für die neuen Länder ja auch so gelungen ist, dass wir politisch flankiert haben, dass sich die Selbstverwaltung dann im Gemeinsamen Bundesausschuss durchgesetzt hat.

Zu Ziffer 2 des Antrags: Die Thüringer Krankenhausplanung hat die demographischen Aspekte stets umfassend berücksichtigt. Das können wir für Thüringen sagen. So wird z.B. die Geriatrie mit ihren besonderen Leistungsangeboten der Altersmedizin seit dem 2. Thüringer Krankenhausplan auch ganz konkret beplant. Ein dritter Thüringer Geriatrieplan, der entwickelt und im VI. Quartal des vergangenen Jahres durch den Krankhausplan im Ausschuss verabschiedet wurde, soll den geriatrischen Planvorgaben auch des künftigen 6. Thüringer Krankenhausplans zugrunde gelegt werden. Freilich, das ist nur ein Aspekt, aber natürlich wird es in Zukunft auch darum gehen, das ist richtig im Antrag angesprochen und ist auch von Kollegin Dr. Fuchs noch einmal gesagt worden, Synergien tatsächlich zu nutzen von ambulanter und stationärer ärztlicher Versorgung hier für die Bevölkerung gerade im dünner besiedelten ländlichen Bereich. Natürlich macht eine Krankenhausplanung insgesamt nur Sinn, wenn sie die demographischen Faktoren auch in all den Facetten, die dazugehören, voll umfänglich berücksichtigt. Darauf werden wir achten. Dazu haben wir auch ein Gutachten jetzt parallel zu den vergangenen Kran

kenhausplänen in Auftrag gegeben und da wird es auch diese demographischen Aspekte selbstverständlich geben müssen.

Zu Ziffer 3 des Antrags: Die Landesregierung berücksichtigt im Rahmen der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung bereits seit Längerem auch demographische Aspekte. Bei der Fortschreibung des Landesentwicklungsplans werden die bestehenden und auch zukünftigen medizinischen Bedarfe, die Versorgung entsprechend auch berücksichtigt werden. Nicht zuletzt verweise ich auch, und das hat schon eine neue Qualität, auf unseren gemeinsamen Demographiekongress, den wir mit dem Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Medien im vergangenen Jahr, am 20. November, hatten, wo wir ganz dezidiert auch in einer Arbeitsgruppe sind für eine intigrierte Fach- und Regionalplanung. Ich denke, das muss die Zukunft sein im gesundheitlichen Bereich, in der ärztlichen Versorgung, aber auch in den anderen Bereichen - Stichwort „strategische Sozialplanung“, da muss man das natürlich auch entsprechend aufbauen. Hier haben wir mit der Kassenärztlichen Vereinigung einen guten Partner in Thüringen. Es sind wichtige Punkte, es sind Punkte in einem zentralen Feld unseres landespolitischen Handelns, aber es sind Punkte, die wir im Blick haben, die wir in Arbeit haben, die Anliegen dieses Antrags sind. Sie sind bei der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringens gut aufgehoben, ich denke auch, was die Landesregierung dazu beitragen kann zu diesem wichtigen Thema, insofern folge ich dann, was die Notwendigkeit zusätzlicher Punkte betrifft, auch der Mehrheitsfraktion hier im Haus. Ich kann aber versichern, in dem Anliegen haben wir völlige Einigkeit. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Es liegen jetzt keine weiteren Redeanmeldungen mehr vor. Ich kann die Aussprache schließen.

Es ist beantragt worden, den Antrag an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit zu überweisen. Wer dem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Ich frage nach den Gegenstimmen. Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Ich frage nach den Stimmenthaltungen. Es gibt keine Stimmenthaltungen. Die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit ist damit abgelehnt.

Wir stimmen direkt über den Antrag der Fraktion DIE LINKE ab. Wer diesem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen bitte. Es ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Ich frage nach den Stimmenthaltungen. Es gibt ei

nige Stimmenthaltungen. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 31 und rufe auf den Tagesordnungspunkt 32

Ausbildungspolitik in Thürin- gen vor grundlegenden Heraus- forderungen Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 4/4897 -

Die Fraktion DIE LINKE hat nicht signalisiert, das Wort zur Begründung nehmen zu wollen. Ich eröffne die Aussprache und rufe Herrn Abgeordneten Grob für die CDU-Fraktion auf.

(Zwischenruf Reinholz, Minister für Wirt- schaft, Technologie und Arbeit: Ich würde zuerst reden.)

Da die Landesregierung die Möglichkeit hat, immer zuerst das Wort zu nehmen, dann nehme ich jetzt einmal Ihr Heranschreiten an das Pult als Wunsch zur Wortmeldung. Bitte, Herr Minister.

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, dem Thema „Ausbildungspolitik in Thüringen vor grundlegenden Herausforderungen“ kann ich grundsätzlich zustimmen, aber die Schlussfolgerung, die DIE LINKE mit ihrem Antrag verfolgt, teile ich nun einmal nicht. Ich will gern die Gelegenheit nutzen, um auf die Thüringer Ausbildungspolitik und ihre Ergebnisse einzugehen.

Schauen wir uns die Berufsberatungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit an. Die Situation am Ausbildungsstellenmarkt am Ende des Berufsberatungsjahres 2007/2008 hat sich im Vergleich zum Vorjahr weiter entspannt. Die Zahl der betrieblichen Ausbildungsstellen hat gegenüber dem Vorjahr um 5 Prozent zugelegt und die außerbetrieblichen Stellen sind um 11 Prozent zurückgegangen. Insofern hatten wir letztes Jahr eine Entwicklung, die in die richtige Richtung führt. Am Ende des Berufsberatungsjahres, am 30.09., waren noch genau 262 Bewerber unversorgt, das sind 432 weniger als vor einem Jahr. Am Ende des Kalenderjahres 2007 waren 171 Jugendliche ohne Ausbildungsplatz; am 31. Dezember 2008 waren nur noch 47 Jugendliche in ganz Thüringen ohne Ausbildungsplatz. Das sind auf den Freistaat umgerechnet pro Landkreis zwei nicht versorgte Jugendliche. Deshalb ist die Bilanz des vergangenen Jahres äußerst positiv.

Meine Damen und Herren, die Fraktion DIE LINKE fordert die Landesregierung auf, die seit 2004 auf Landesebene geförderten Programme und Maßnahmen zu evaluieren und die Ergebnisse bis zum 1. Juni 2009 vorzulegen. Hierzu, meine Damen und Herren, kann ich nur sagen, wir haben über die Erstausbildungsprogramme schon oft hier im Haus berichtet. Ich erinnere nur an die umfassende Darstellung im Rahmen der Beantwortung der Großen Anfragen zur Arbeit und Entlohnung in Thüringen, zur Situation und Perspektiven der Berufsausbildung und nicht zuletzt zur Bewertung der EU-Förderperiode 2000 bis 2006. Ich weise nochmals darauf hin, dass alle Förderprogramme, die in der Förderperiode 2000 bis 2006 evaluiert wurden; Details können Sie in der Drucksache 4/4107 in Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion DIE LINKE zur Bewertung der EU-Förderperiode 2000 bis 2006 nachlesen und Sie finden entsprechende Broschüren zur Strukturfondsförderung auf der Internetseite des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Technologie und Arbeit. Auch andere Programme wurden bereits evaluiert, wie z.B. das vom Bundesinstitut für Berufsbildung evaluierte Programm der Zukunftsinitiative Lehrstellen. Bei der ZIL - Zukunftsinitiative Lehrstellen - fördern Bund und Land gemeinsam Ausbildungsplätze für Jugendliche, die mangels Angebot keinen betrieblichen Ausbildungsplatz bekommen haben. Sie finden den Abschlussbericht zum Projekt „Evaluierung der Ausbildungsplatzprogramme Ost 2002 bis 2004“ vom März 2007 mit zahlreichen Hinweisen im Internet.