Protokoll der Sitzung vom 08.05.2009

Herzlichen Dank, nur weil Sie diese unterschiedlichen Zahlen ansprachen. Geben Sie mir recht, dass es einerseits die Möglichkeit gibt, dass man nach dem Realschulabschluss an der Regelschule dann in die berufsbildende Schule geht und dann dort den Weg hin zur Hochschulreife absolviert, es aber daneben auch noch die Möglichkeit gibt, direkt an ein Gym

nasium zu wechseln und dass vielleicht daher diese Differenzen in den beiden Zahlen kommen.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Das ist doch Quatsch!)

Wie ich Herrn Mohring gestern verstanden habe, ging er von den gleichen Bezugszahlen aus. Trotzdem haben Sie von einem Fünftel und er von einem Drittel gesprochen, weil es nämlich um die Schülerinnen und Schüler ging, die eben nicht vom Gymnasium aus die allgemeine Hochschulreife erreichen. Aber setzen Sie sich da bitte intern noch mal auseinander.

Zu der Sache mit der Vorschule nur ganz am Anfang, ich will das auch nicht vergessen: Ich bin mal gespannt auf Ihre Auseinandersetzung mit Ihrem Wunschkoalitionspartner. Die FDP, die hier noch nicht im Landtag sitzt und meines Erachtens auch nicht sitzen sollte, weil die Steuersenkungen auf allen Ebenen fordert und wir dann noch weniger Geld im Bildungssektor zu verteilen hätten, diese FDP, die Ihr Wunschkoalitionspartner werden wird, fordert diese kostenlose Vorschule!

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU: Da haben wir etwas gemeinsam.)

Ausgerechnet die Liberalen. Wir haben das nicht von denen abgeschrieben, ich vermute eher, die von uns, aber ich bin auf die Auseinandersetzungen dann ab Herbst gespannt. Man muss bestimmte Bedingungen dabei beachten und ich will das eigentlich mit Ihnen hier nicht diskutieren, weil wir das im Ausschuss schon eine ganze Zeit getan haben.

Wegen des Begriffs Regelschule, wissen Sie, das ist keine Erfindung von Ihnen, denn da haben eine ganze Menge mehr Menschen mitgewirkt und wir wollen das Schulsystem eben nicht so radikal umgestalten, wie Sie uns das versuchen einzureden. Deswegen sind wir ganz bewusst bei diesem Begriff geblieben und wollen diese Regelschule weiterentwickeln. Im Übrigen wollen wir auch keine Schulen schließen und vor allen Dingen keine kleinen Schulteile, also ich kann nur sagen, beim Stichwort Lesekompetenz ist mir aufgefallen, dass Sie ein paar individuelle Förderstunden benötigen würden,

(Beifall DIE LINKE)

damit Sie unser alternatives Schulgesetz dann auch verstehen lernen. Ich habe - und meine Kollegen auch - eine ganze Menge von Diskussionen vor Ort mit den Menschen und mit den Lehrerinnen und Lehrern und Schülern geführt. Wir werden sehr wohl

verstanden und mittlerweile ist auch sichtbar, dass 70 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer das Schulsystem gern anders haben wollen, als es ihnen 1992 von der CDU übergestülpt worden ist. Da kann ich nur sagen, Herr Emde, Sie stehen im Abseits mit dem alten verkrusteten Schulsystem und wir sprechen uns dann ab September wieder.

(Beifall DIE LINKE)

Jetzt zu dem Tagesordnungspunkt zurück, der eigentlich die Grundlage dieser Besprechung sein sollte. Sie haben vor mehr als zwei Jahren eine Große Anfrage gestellt, die ist von der Landesregierung beantwortet worden und seitdem diskutieren wir im Ausschuss darüber mit Anhörungen, die waren zum Teil sehr interessant, da waren Wissenschaftler eingeladen, die eine ganze Menge an Sachen angemerkt haben. Leider ist es so, wie ich vorhin schon sagte, das Ganze ist komprimiert auf einer halben Seite nachlesbar, was an gemeinsamen Schlussfolgerungen eigentlich von Ihnen angedacht war, um ein Zeichen zu setzen. Wir sagen ganz klar, dass wir dieses Zeichen mit Ihnen gemeinsam nicht setzen können und auch nicht setzen wollen, weil das, was wir unter Schule verstehen, etwas völlig anderes ist, als das, was Sie hier in homöopathischen Dosen versuchen, so nacheinander zu entwickeln. Diese ganz allgemeinen Schlussfolgerungen auf der Seite 89 stehen im Stil von „ist zu stärken, ist entgegenzuwirken, ist Vorsorge zu treffen, ist besonderes Augenmerk zu widmen, ist weiter zu stärken, ist bedarfsgerecht auszubauen“. Also, wenn das Ihre Handlungsempfehlungen sind und das den Stolz auf Ihre bildungspolitische Arbeit der CDU-Fraktion hervorruft, dann haben Sie ein sehr geringes Anspruchsniveau. Konkrete Vorhaben oder Zielvorgaben werden überhaupt nicht benannt und demzufolge sind diese halbherzigen Wunschvorstellungen von einem unerträglichen Allgemeinheitsgrad, daneben erscheint ja die Gestaltung eines Schulhofs als bildungspolitischer Jahrhundertschritt in seiner Konkretheit.

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE)

Ich möchte an die Enquetekommission der letzten Legislatur erinnern. Hier wurde wirklich ein ernsthafterer und von vornherein breit angelegter Diskussionsprozess initiiert mit dem Ziel, klare Handlungsempfehlungen auszusprechen. Aber auch die im Bericht der Enquetekommission fixierten Empfehlungen, über welche Konsens zwischen allen Fraktionen herrschte, führten eben nicht zu entsprechendem Regierungshandeln bzw. dem Handeln der CDU-Fraktion. Ich will dazu Beispiele anführen, also beispielsweise - was Sie auch genannt hatten - die Ausbildung von Lehrern und Erziehern. Mit diesem Thüringer Lehrerbildungsgesetz wurde genau das Gegenteil von dem getan, was die Enquetekommis

sion damals gefordert hatte. Auch die Umstrukturierung des Hortes wurde in der Enquetekommission damals ganz anders beschrieben und hier wurde eine Weiterführung der organisatorischen Einheit von Bildung und Betreuung empfohlen. Mit Ihrer zwanghaften Kommunalisierungstendenz, also erst die Mangelsituation herbeischaffen, um dann den Menschen vor Ort zu erklären, dass die Kommunalisierung etwas Gutes ist, wird das Gegenteil von dem getan, was im Enquetebericht stand. Die Schulberatung wurde nicht verstärkt, Ganztagsangebote wurden nicht erhöht, im Gegenteil, die finanziellen Mittel für Schuljugendarbeit wurden drastisch reduziert. Der Landesregierung und der sie noch tragenden CDU ist es egal, was die Enquetekommission beschlossen und die Experten empfohlen hatten. Damit ist auch ganz klar, welches Schicksal diese Empfehlungen der eingeladenen Experten zu den Beratungen dieser Großen Anfrage haben. Diese Veranstaltung war und ist nichts anderes als eine Zeitverschwendung, Zeit, in der wir uns den aktuellen Problemen an den Schulen und ihrer Beseitigung hätten widmen können. Theorie und Praxis klaffen mehr als auseinander.

(Beifall DIE LINKE)

Noch im August letzten Jahres wollten Sie, Herr Emde, nicht mal die Besprechung dieser Großen Anfrage hier im Plenum, erst recht nicht die Erstellung des Berichts. Das habe ich im Protokoll noch mal extra nachgelesen. So dünn haben Sie damals die damaligen Erkenntnisse oder deren Umsetzbarkeit offensichtlich selbst eingeschätzt. Nun soll es anders sein; an Ihrer Feier nehmen wir als LINKE nicht teil.

(Beifall DIE LINKE)

Wir wollen kein rückwärts gewandtes Schulsystem. Wir schauen bei offensichtlichen Problemen trotz der jetzt vorhandenen Glückswolke auch nicht weg. Wir wollen erst recht kein gemeinsames Zeichen setzen, wie Sie es, Herr Emde, fast beschwörend im Ausschuss erbeten haben. Mit Ihrer CDU-Bildungspolitik - ich habe es schon genannt - stehen Sie klar im Abseits.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Wir wollen mit Ihnen auch nicht feiern.)

Am 30. August werden Sie das hoffentlich endlich merken, wenn Ihre inszenierte Politshow die rote Karte bekommt.

Ich möchte ein paar wenige inhaltliche Dinge benennen, auf welche die Experten hingewiesen haben bzw. die in der aktuellen Schulpolitik eine Rolle spielen, aber auf die nicht annähernd angemessen in den Aussprachen zur Großen Anfrage sei

tens der CDU reagiert wurde.

Das ist zum einen die Personalsituation an den Schulen und an den Kindergärten. Wir verzeichnen nach wie vor einen Mangel an Erziehern in den Kitas und in den Horten. Die Ursache ist bekannt, Teilzeit E 6 oder E 5 und 50 Prozent, das sind nicht mal 1.000 € netto. Es ist natürlich logisch, dass das die Ursache für die Unattraktivität des Erzieherberufs hier in Thüringen ist, erst recht für Männer. Wir wissen, dass wir in ganz Deutschland an letzter Stelle stehen, was zum Beispiel männliche Kollegen betrifft, die in Kitas oder Grundschulen arbeiten sollen. Das ist übrigens auch eine Empfehlung der Enquetekommission, die mitnichten in irgendeiner Hinsicht angegangen wurde, um dieses zu verändern.

Wir haben nach wie vor die Zweiklassengesellschaft in den Lehrerzimmern, die angestellten gegen die beamteten Lehrer. Wir haben schulartbezogen und fachbezogen einen Lehrermangel und eine kritische Zusammensetzung in der Altersstruktur. Auf die Vorschläge der LINKEN wurde mit Ablehnung reagiert. Die Initiative der CDU, 100 Lehrer dieses Jahr einzustellen, das wird auch ganz klar als Wahlgeschenk gewertet. Eine langfristige Personalpolitik sähe völlig anders aus. Da gebe ich meinem Vorredner von der SPD recht, wenn Sie mal so ein Konzept in die Finger kriegen, wo das nachlesbar wäre, das für uns auch den Begriff Personalkonzeption verdient, dann wäre ich Ihnen wirklich dankbar, wenn Sie das dem Ministerium mal aus der Schublade entlocken können. Ich habe da noch nie etwas davon gespürt.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Weil Sie mit dem Konzept nichts anfangen, son- dern nur mit Fünfjahresplänen.)

Zum zweiten Stichpunkt, eigenverantwortliche Schule: Es gab eine deutliche Empfehlung der Experten, Eigenverantwortung in viel weiterem Sinn einzuführen und umzusetzen. Dazu gehören schulscharfe Ausschreibungen gerade vor dem Hintergrund des drohenden Lehrermangels. Wir müssen schnell sein, schneller als andere Bundesländer und an den Schulen Personalhoheit haben. 5 Prozent - ich glaube, nicht mal ein Viertel - der Schulen, das ist doch ein Witz, wenn Sie uns das verkaufen wollen als eine Entwicklung. Ein eigenes Schulbudget, also wenn Sie die ehemalige Lernmittelpauschale meinen, die den Schulen zur Verfügung stand, oder die 3.000 € für Lernmittel, wenn Sie das als Schulbudget denken, da lachen Sie die Schulleiter aus. Wir wollen natürlich eine Schulleitung auf Zeit. Die Reaktion der CDU darauf war eine Änderung des Schulgesetzes, welches nur die Unterrichtsqualität und deren Kont

rolle berücksichtigte. Hinweisen der Anzuhörenden wurde keinerlei Beachtung geschenkt. Anträge der LINKEN im Bildungsausschuss zu wirklicher Eigenverantwortung der Schulen wurden als zu revolutionär zurückgewiesen. Ich erinnere Sie an Ihre eigenen Worte. Übrigens alles Vorschläge, wie sie bereits jetzt im CDU-geführten Hessen seit Jahren erfolgreich umgesetzt werden und in Berlin im Schulgesetz ebenfalls nachlesbar sind.

Nächstes Stichwort - Qualitätsentwicklung an Schulen: Dieses Thema wurde zur Darstellung der verfehlten Bildungspolitik der CDU genutzt, zum Beispiel die Weiterentwicklung der Thüringer Grundschulen. Ich habe es schon gesagt, hier wurde akribisch aufgezählt, welche Landkreise sich an diesem Modell beteiligen, ein Modell, in dem die Landkreise indirekt zur Kommunalisierung ihrer Grundschulhorte gezwungen werden, indem man über die letzten drei Jahre bewusst eine Mangelsituation an den Schulen geschaffen hat.

Der Bildungsplan 0 bis 10 wurde unkritisch gefeiert. Die Notwendigkeiten zur Umsetzung des Bildungsplans wurden dabei verleugnet. Weder eine personelle Mangelsituation noch die unzureichende Ausbildung angehender Erzieherinnen wurde in Betracht gezogen.

Oder die Entwicklung von Ganztagsschulen: Mit eigenen Fakten des angeblich hohen Angebots versucht man, bundesweit Lorbeeren zu ernten. Mal unsere Fakten, die nüchternen Fakten: 53 Prozent der Regelschulen und 76 Prozent der Gymnasien haben keinerlei Ganztagsangebote, nicht einmal offene. Offensichtlich haben die Mittel der Schuljugendarbeit dort gar keine Lobby in den Jugendhilfeausschüssen gefunden oder andere Probleme vor Ort waren schwerwiegender. Schade, dass das Konjunkturpaket nur für Fenster und Fassaden geschnürt wurde, die Schulen hätten ganz andere Prioritäten gesetzt. Die Entwicklung von gebundenen Ganztagsschulen ist noch erschreckender. Ich sage Ihnen mal die Zahlen des laufenden Schuljahres. Bei den staatlichen Grundschulen gibt es nur noch 0,6 Prozent gebundene Ganztagsschulen, bei den Regelschulen sind es 2 Prozent und bei den Gymnasien 6 Prozent, wohlgemerkt die staatlichen. Kein Bedarf, brauchen wir das nicht? Warum hat dann genau diese Form an freien Schulen solche Hochkonjunktur - bei freien Grundschulen sind es 79 Prozent und bei freien Regelschulen 50 Prozent gebundene Ganztagsschulen. Wenn Sie die Flucht in die freien Schulen so definieren, dass es die Angst vor der Abschaffung des Gymnasiums ist, dann muss ich Ihnen sagen, das Gegenteil ist der Fall. Das hat mit dem Problem Gymnasium gar nichts zu tun. Das hat einfach damit zu tun, dass an den freien Schulen eine ganz andere Atmosphäre herrscht, eine offenere Prob

lemsicht gelebt wird und eine gebundene Form unterstützt wird - aber oft auf den Knochen der dort Beschäftigten. Wir wollen diese freien Schulen überhaupt nicht abschaffen, wie Sie uns versuchen hier darzustellen. Wir haben ein alternatives Schulgesetz zu dem jetzigen Schulgesetz wegen der Vergleichbarkeit erstellt. Es gibt für Schulen in freier Trägerschaft ein extra Gesetz, das wissen Sie. Das haben wir überhaupt nicht versucht dort mit einzubeziehen oder das zu verwursten. Das müssen Sie schon auseinanderhalten, Herr Emde, und Sie wissen das auch. Unterstellen Sie uns doch nicht irgendwelchen Blödsinn.

(Beifall DIE LINKE)

Im Übrigen, dem Run auf die freien Schulen kann man natürlich auch anders begegnen, Herr Minister. Man braucht keine grundgesetzwidrigen, christlichen staatlichen Schulmodelle, weder im Eichsfeld noch sonst wo, auch nicht, wenn der Papst dort hinkommen will, sondern man braucht die umfassende Unterstützung, wenn sich Schulen tatsächlich eigenverantwortlich zu gebundenen Ganztagsschulen entwickeln wollen.

Zur Umwandlung der Schulämter in Qualitätsagenturen, zur Stärkung in Beratung und Unterstützung von Schulen noch ein Wort. Vom Begriff der Schulaufsicht lässt die CDU auch weiterhin nicht ab. Inwieweit aber Aufsicht und Beratung durch ein und dasselbe Schulamt realisiert werden soll, wird nicht klar und die Praxis spricht absolut dagegen. Ich könnte Ihnen stundenlang Beispiele erzählen. Schulämter sind eine völlig überflüssige Behörde. Kommunales Bildungsverständnis entwickelt sich gerade derzeit sehr stark. Man will als Schulträger endlich nicht nur für Kreide und Fenster verantwortlich sein, sondern Schulen im Sozialraum stärker einbeziehen und inhaltlich in ihrer eigenverantwortlichen Arbeit unterstützen. Schulämter sind in diesem Prozess, zumindest in Ostthüringen, die absoluten Bremser. Schließlich muss man dort als eingesetzter Beamter ständig erklären, warum etwas nicht geht. Eine wirkliche Qualitätsagentur arbeitet völlig anders. Diesen Paradigmenwechsel bekommen die meisten unkreativen Schulamtsbeamten nicht mehr hin. Eine Verbesserung der Beratungssituation im Bereich Schulpsychologie wurde angemahnt, eine Anforderungs- und Bedarfsanalyse für Schulpsychologie wurde als notwendig angesehen. Aber eine solche Bedarfsanalyse muss die Landesregierung erstellen. Sie vermeidet dieses bewusst, denn damit würden die katastrophale Situation der schulpsychologischen Beratung in Thüringen und der tatsächliche Handlungsbedarf offenkundig. Auch die Schulsozialarbeit an Thüringer Schulen muss hier sehr kritisch analysiert werden. Der momentane und seit Jahren anhaltende Mangelzustand durch übrigens auch ständig wech

selndes Personal kann so nicht anhalten.

(Beifall DIE LINKE)

Zum gemeinsamen Unterricht: Sie werfen uns vor, wir wollen die Förderschulen abschaffen, Herr Emde. Man muss eine Vision haben, das habe ich Ihnen auch gesagt. Das alternative Schulgesetz beschreibt diese Vision. Natürlich wollen wir irgendwann mal dahin. Das heißt aber, dass man auch die Schritte dazwischen festlegen sollte. Nach den Jahren der Verleugnung und des Nichtstuns hat die CDU zumindest erkannt, dass wir in Thüringen mit unserem ausgeprägten Förderschulsystem weder einer modernen integrierenden Pädagogik noch der weltweit geltenden Konvention zur gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen entsprechen. Auch in diesem Bereich handeln die CDU und Ihre Landesregierung aus der Not heraus und unzureichend. Modernen bildungspolitischen Konzeptionen, die längst in den Sprachgebrauch und in das Denken Einzug gefunden haben, verweigert sich die CDU nach wie vor. Eine inklusive Schule ohne Zugangsbeschränkungen und Abschieben ist für konservative Politiker unvorstellbar. Dementsprechend halbherzig sind die Vorhaben der Landesregierung und die entsprechenden Diskussionen und Statements im Bildungsausschuss. Eine wirkliche Einführung bzw. Umsetzung des gemeinsamen Unterrichts ist für die CDUAbgeordneten Teufelszeug, das hat Herr Emde mehr als deutlich im Bildungsausschuss zu verstehen gegeben. Mangel erkannt, aber Bereitschaft zur Änderung nicht gegeben.

(Beifall DIE LINKE)

Dazu müssen natürlich personelle und sächliche Voraussetzungen in den Schulen geschaffen werden, um flächendeckend gemeinsamen Unterricht umsetzen zu können. Obwohl momentan das entsprechende Mehr an Personal zur Verfügung stehen würde, die sogenannte Glückswolke, passiert aber gar nichts, denn die verschwindet ja in kurzer Zeit wieder und endet in starkem Lehrermangel. Da darf man natürlich jetzt keine Wohltaten in Form von Zusatzstunden für individuelle Förderung am Schüler verschenken. Der Entzug in zwei Jahren wäre viel zu schmerzhaft und würde viel zu sehr bemerkt werden, also macht man lieber gar nichts.

Förderzentren können gar nicht Kompetenzzentren für den gemeinsamen Unterricht sein, denn dort findet der gemeinsame Unterricht leider gar nicht statt. Nach unseren Vorstellungen gehört an jede Schule mindestens ein fester Förderpädagoge und bei entsprechendem Bedarf natürlich viel mehr. Individuelle Förderung in inklusiven Schulen heißt für uns Umsetzung des Zwei-Pädagogen-Systems und nicht die stundenweise Anwesenheit von Flüsterpädagogen

neben den Kindern, die per Gutachten sonderpädagogische Förderung bestätigt bekommen haben. Das ist also etwas völlig anderes, was wir darunter verstehen. Wenn man das ernst nimmt, Herr Emde, dann endet die Vorstellung von einer inklusiven Schule auch dort, dass man sagt, diese Überwindung der Trennung nach Klasse 4 ist überfällig. Die CDU ist die einzige Thüringer Partei, die da keine Luft dranlassen will, und da Sie Ihre absolute Mehrheit verlieren werden, das ist ja nun so sicher wie das Amen in der Kirche, müssen Sie sich einen Koalitionspartner suchen. Egal wer das ist, alle anderen wollen etwas anderes und 70 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer auch. Also, Sie stehen klar im Abseits mit dieser Trennung nach Klasse 4.

(Beifall DIE LINKE)

Noch etwas zu dieser Sache mit den Noten, weil es mir gerade einfällt: Ein vergleichbares Schulsystem wie das unsrige in Deutschland hat nur noch Österreich. Österreich hat von der Regierung eine Expertenkommission eingesetzt, die dazu Wissenschaftler hat arbeiten lassen. Die haben beispielsweise empfohlen, dass Noten in Form von Zensuren wirklich langfristig oder mittelfristig - ich habe den Bericht noch nicht vollständig gelesen - zu überwinden sind. Im Übrigen ist das auch die Auffassung der Bundeselternvertretung und ich freue mich schon auf die Diskussion morgen mit der Landeselternvertretung hier im Landtag. Das heißt natürlich nicht die Bewertung abzuschaffen. Wir sollten einfach endlich darüber diskutieren. DIE LINKE hat dazu eine Fachkonferenz mit Wissenschaftlern vor zwei Jahren schon durchgeführt und wir wissen einfach, dass wir sehr moderne Vorstellungen haben, aber wir wissen auch, dass man die nur schrittweise umsetzen kann. Thüringen war aber die Wiege der Reformpädagogik und daran sollten wir anknüpften. Wir sollten endlich versuchen, eine moderne Bildungspolitik weiterzuwickeln. Ich denke, auch die Lehrerinnen und Lehrer können das.

(Beifall DIE LINKE)

Noch ein ganz kurzer Hinweis auf diese gemeinsame Finnlandreise. Der Ausgangspunkt oder der Wunsch, dorthin zu reisen, war jedenfalls nicht Ihre Große Anfrage, Herr Emde. Aber wie befürchtet haben wir in der Auswertung der Erkenntnisse im Nachhinein auch erkannt, wir saßen zwar im gleichen Flieger, aber wir waren doch in zwei Welten. Nachdem ich das seitens der CDU-Mitarbeiter vorab zugearbeitete Material gelesen hatte, war mir auch klar, dass Ihre Scheuklappen manifest waren und die Kosten hätten tatsächlich besser angelegt werden können. Sie lieferten ein Paradebeispiel für hypothesengesteuerte Wahrnehmung.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Dass wir in Finnland einem Schulsystem begegnet sind, welches keine soziale Ausgrenzung kennt, trotzdem aber höchst leistungsfähig ist, das wurde von Ihnen tunlichst unter den Tisch gekehrt. Es ist eben nicht so, wie der Minister sagt, dass bei uns in Thüringen der Bildungserfolg von der sozialen Herkunft entkoppelt ist. Der Herr Döring hat Ihnen die Stelle genannt, wo Sie nachlesen können. Mit Ihrer neuen Redenschreiberin werden Sie es doch wohl hinbekommen, die Stelle auch zu finden.

Unsere Schlussfolgerung, wie sich Thüringen bildungspolitisch entwickeln wird, ist jedenfalls eine völlig andere als Ihre und einen kleinsten gemeinsamen Nenner konnte es daher nicht geben. Politphrasen aufzuschreiben, wie sie in den allgemeinen Empfehlungen jetzt nachlesbar sind, ist uns nach vielen Jahren Diskussion im Ausschuss zu wenig. Wenn die SPD denkt, darauf die bildungspolitische Zusammenarbeit mit Ihnen begründen zu können, dann muss sie das den Wählern schon vor dem August begreiflich machen. Frau Taubert hat ja gestern schon damit angefangen. Der Bericht hat viel Arbeit gemacht, einen Dank ausdrücklich an die Verwaltung, aber da er für uns in seinen Schlussforderungen keine Handlungsgrundlage sein kann und für die CDU offensichtlich nicht ist, war Ihre Arbeit, Herr Heilmann, ich muss es Ihnen leider so sagen, umsonst. Die Thüringer Schülerinnen und Schüler und die Thüringer brauchen keine Politprosa in Form schöner Texte, sondern ein chancengerechtes Schulsystem und daher unterstützen wir den Bildungsstreik am 17. Juni. Tun Sie das alle auch, dann wird sich auch was ändern.