Protokoll der Sitzung vom 18.06.2009

dien, durch das Land, in überregionalen Zeitungen eigentlich, ich glaube sogar, mindestens zwei Wochen anhalten, dass Sie von Ihrem Vorhaben abgelassen haben und dass Sie dann eine andere Entscheidung getroffen haben in dieser Frage. Genau wieder das gleiche Muster, Sie halten sich für unfehlbar und Sie sind nur korrigierbar, wenn die öffentliche Meinung und eine breite Debatte gegen Sie steht; aus eigenem Handeln kommen Sie offensichtlich nicht zur Vernunft.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Die an- dere Entscheidung hat Ihnen aber auch nicht gefallen.)

Das liegt an Ihrer schwachen Personaldecke, Frau Groß, da bin aber ich nicht dafür verantwortlich. Das müssen Sie mit sich klären, da kann ich nicht helfen.

(Beifall DIE LINKE)

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Ihr habt keinen gemeinsamen Kandidaten zustande gebracht und wollt uns vor- werfen, es gibt keinen Präsidenten, das ist ja lächerlich.)

Noch ein Thema: Es hat ja schon lange gedauert, 45 Minuten, bis das schlagende Argument kommt. Das ist schon ganz schön lang für heute, das muss ich sagen.

Meine Damen und Herren, andere Fragen, nehmen wir den Rechnungshof. Dazu kann ich vielleicht mal sagen, wir hatten ja ein paar Bemühungen, es zu lösen. Allerdings, Herr Ministerpräsident, hatte ich am Ende doch den Eindruck, mehr will ich nicht sagen, dass selbst dann, wenn Sie einmal eine sachliche Lösung anmahnen, Ihnen Ihre Fraktion nicht folgt, sie lässt Sie im Regen stehen. Dann verantworten Sie, dass wir über die ganze lange Zeit einen führungslosen Landesrechnungshof haben, und das bei der gesamtwirtschaftlichen, bei der gesamtfinanziellen und bei der demokratiepolitischen Frage, die damit verbunden ist. Das ist unverantwortliches Handeln gegenüber dem Land Thüringen, Herr Althaus.

(Beifall DIE LINKE)

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU)

Fühlen Sie sich jetzt angesprochen, Herr Mohring, da können Sie ja darauf antworten, das ist doch okay.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Darauf werde ich antworten.)

Da freuen wir uns.

Im Moment hat der Abgeordnete Hausold das Wort und dann nehmen wir die Reihe der Redner wieder auf.

Meine Damen und Herren, wir - und das habe ich, glaube ich, deutlich gemacht - lehnen diese Politik, die Sie hier seit 1990 insgesamt und insbesondere auch Sie, Herr Ministerpräsident, seit den letzten sechs Jahren betreiben, prinzipiell ab. Dieses Land braucht eine andere Politik. Wir wollen, dass sich dieses Land im Bund stark macht für die Abschaffung der Armutsfalle Hartz IV, für die Rücknahme der Rente mit 67 und eine basisorientierte Grundsicherung. Dafür muss sich unser Land im Bund einsetzen. Wir wollen die Rücknahme Ihrer sogenannten Familienoffensive, die Einführung einer Sozialpauschale und aus gutem Grund die Verhinderung weiterer Krankenhausprivatisierungen.

Wir wollen in diesem Land gemeinsam mit den Bürgern über längeres gemeinsames Lernen bis zur Klasse 8 sprechen. Wir wollen die Gewährleistung eines gesunden, kostenfreien Essens für jede Kindertagesstätte und jede Schule und für alle Kinder und wir wollen die dauerhafte Sicherung der Lernmittelfreiheit.

Wir wollen die Erhaltung und Schaffung wirklich existenzsichernder Arbeitsplätze. Wir wollen einen Mindestlohn und ein entsprechendes Mindestlohn- und Vergabegesetz für Thüringen. Wir wollen einen sozialökologischen Umbau der Wirtschaft und eine tatsächliche Energieoffensive und wir wollen ein Landesarbeitsmarktprogramm - alles Dinge, denen Sie sich die letzten fünf Jahre konsequent verweigert haben.

Wir wollen mehr direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung, und zwar weitreichendere Entscheidungsmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger auch zu Finanzen, über Bürgerhaushalte, auch zu Steuern und Abgaben, auch zu Sachthemen, die von Finanzen berührt sind, denn nur dann werden wir direkte Demokratie wirklich stärken können.

Wir wollen, meine Damen und Herren, ein solches Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, um konsequent und gemeinsam gegen alle rechtsextremistischen Tendenzen in diesem Land vorgehen zu können.

Wir, meine Damen und Herren, ganz im Unterschied zur CDU und ihrer Landesregierung, wollen dieses Land sozial regieren. Ich sage Ihnen an dieser Stelle: Ich kann Ihnen auch in Ihrem eigenen Interesse, vor allen Dingen aber im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land nur wünschen, dass die CDU und alle diese Mitglieder der Regierung eine Erholungspause in der Opposition erhalten. Das wird Ihnen gut tun, wir sprechen uns dann fünf Jahre später wieder.

(Beifall DIE LINKE)

Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Matschie zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, Sie haben sich lange Zeit gelassen, unserer Forderung nach einer Regierungserklärung nachzukommen. Nach so langer Zeit durfte man eigentlich mehr erwarten. Ich habe Ihre Rede sehr aufmerksam verfolgt und ich muss sagen, Sie wirken wie jemand, der ohne Anleitung versucht ein IKEA-Regal zusammenzubauen, viele Einzelteile, aber Sie haben keine Vorstellung davon, wie man daraus ein sinnvolles Ganzes machen könnte.

(Beifall SPD)

Nach dieser Rede weiß niemand hier im Saal, welche Vorstellung von Thüringen Sie eigentlich haben, wo Sie hinwollen. Nach dieser Rede weiß niemand, was Ihnen eigentlich wichtig ist. Wer alles zusammenhanglos nebeneinanderstellt und keine Linie erkennen lässt, der zeigt nicht, wie er in den nächsten Jahren das Land führen will. Schon viele Jahrzehnte vor Obama, in dessen Nähe sich jetzt ja viele so gern tummeln, hat ein amerikanischer Präsident einmal gesagt: „Wer keine Visionen hat, vermag weder große Hoffnungen zu erfüllen, noch große Vorhaben zu verwirklichen.“ Sie haben heute noch einmal vorgeführt, Herr Ministerpräsident, dass Sie keine Vision von diesem Land haben, dass Sie keine Vorstellung davon haben, wohin sich das Land in den nächsten Jahren entwickeln soll. (Beifall SPD)

Noch etwas hat Ihre Rede gezeigt: Sie haben sich in wichtigen Fragen meilenweit von der Wirklichkeit in Thüringen entfernt. Ein krasses Beispiel ist das, was Sie hier zu OPTOPOL und zur Thüringer Polizei gesagt haben. Nach Ihrer Rede musste man den Eindruck gewinnen, hier in Thüringen ist bei der Poli

zei alles in Ordnung. Der Leiter der Polizeiinspektion Eichsfeld muss geahnt haben, dass Sie heute eine solche Schönfärberei in Ihrer Rede betreiben werden, er hat sich nämlich vorsorglich schon mal in der Zeitung zu Wort gemeldet. Dort steht unter der Überschrift „Gewerkschaft: In Thüringen fehlen dank leerer Kassen 1.000 Beamte“: „Im Vollzugsdienst wurden in den letzten Jahren über 1.000 Stellen abgebaut. Der Haushaltsentwurf der Landesregierung sieht vor, bis 2019 weitere 900 Stellen abzubauen.“ Das kommentiert Herr Grosa, der gleichzeitig Chef der Gewerkschaft der Polizei in Thüringen ist, mit folgendem Satz: „Dramatische Zustände gibt es besonders auf dem Land, normale Streifenfahrten sind dort nicht mehr drin. Früher gab es Fuß- und Zivilstreifen. Beamte konnten für die Absicherung von Festen abgestellt werden.“ Und Grosa dann weiter: „Heute können generell nur noch Notrufe abgearbeitet werden.“

Herr Ministerpräsident, das ist die Wirklichkeit bei der Thüringer Polizei,

(Beifall SPD)

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: So ein Unsinn.)

die Sie nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Die Wahrheit ist nicht, dass bei der Polizei alles in Ordnung ist; die Wahrheit ist, dass Sie mit dem Murks, den Sie in den letzten Jahren hier fabriziert haben, ein Risiko für die innere Sicherheit geworden sind. Das ist die Wahrheit hier im Land.

(Beifall SPD)

Ich nehme ein zweites Beispiel, was Ihr Verhältnis zur Wirklichkeit in Thüringen demonstriert. In den letzten Tagen, insbesondere gestern, waren viele junge Leute - Schüler, Studierende - auf der Straße, weil sie sich für bessere Bildung einsetzen. In Jena war das

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Gegen Studiengebühren, die wir nicht haben.)

- ja, Frau Groß - die größte Demonstration seit den Demonstrationen von 1989. Sie, Herr Ministerpräsident, gehen einfach so darüber hinweg mit Ihrer Regierungserklärung, als hätte das alles überhaupt nicht stattgefunden, als wäre es überhaupt nicht wichtig, Menschen, die sich für bessere Bildung einsetzen, überhaupt nur zuzuhören. Sie verkriechen sich in Ihrer Staatskanzlei und lesen hier vor, was die Ministerien Ihnen aufgeschrieben haben. Ich sage Ihnen, das reicht nicht, um ein Land zu führen.

(Beifall SPD)

Oft ist es auch so, dass die Vorschläge, die Sie hier zum Besten geben, vorn und hinten überhaupt nicht zusammenpassen. Ich will das am Beispiel des Neuverschuldungsverbots ab 2011 deutlich machen. Zunächst noch einmal: Das Ziel, dass zukünftige Haushalte ohne Schulden auskommen müssen, ist ein Ziel der Sozialdemokraten in Deutschland. Wir haben mit dafür gesorgt, dass die notwendige Mehrheit im Bundestag und auch im Bundesrat dafür zustande gekommen ist.

(Beifall SPD)

Jetzt steht im Grundgesetz,

(Beifall DIE LINKE)

dass der Bund die Schulden begrenzt bekommt und die Länder ab 2020 in normalen Zeiten keine neuen Schulden mehr machen dürfen. Diese Regelung gilt vom Grundsatz her ab 2011 mit der Übergangsfrist für den Bund bis 2016, Übergangsfrist für die Länder bis 2019. Ab 2020 gelten die neuen Regeln. Es gibt also überhaupt keinen vernünftigen Grund, nachdem alles im Grundgesetz geregelt ist, die Länder sich geeinigt haben untereinander und mit dem Bund, wie das in Zukunft laufen soll, jetzt einen Thüringer Sonderweg einzuschlagen. Aber ich will auch noch mal inhaltlich auf das schauen, was Sie hier vorgetragen haben. Sie sagen, Sie wollen ab 2011 schon ohne neue Schulden auskommen. Gleichzeitig präsentieren Sie Zahlen, wie sich die Steuerentwicklung in den nächsten Jahren gestaltet. Es ist ja kein Geheimnis, dass einer Wirtschaftskrise, einem deutlichen Einbruch der Wirtschaftsleistungen, hoher Kurzarbeit und wahrscheinlich auch ansteigender Arbeitslosigkeit Steuerausfälle folgen. Die Schätzerzahlen sehen so aus, dass das für nächstes Jahr 735 Mio. € sind, die wir weniger in der Kasse haben, 2011 dann 842 Mio. €, also noch einmal mehr als im nächsten Jahr. 2012 geht der Schätzerkreis immer noch von rund 750 Mio. € Steuermindereinnahmen aus. Nun weiß ich auch, dass das Schätzzahlen sind und dass keiner hundertprozentig vorhersagen kann, wie die wirtschaftliche Entwicklung der nächsten Jahre ist. Aber eines ist klar, dass wir deutlich weniger Geld in der Kasse haben werden in den nächsten Jahren. Dazu kommt das, was Sie an Steuervorschlägen machen, Herr Ministerpräsident. Die CDU schlägt vor, eine Steuerentlastung zu machen, so ist es für das Bundeswahlprogramm vorgesehen, von 20 Mrd. €. Heruntergerechnet auf Thüringen heißt das zu dem Minus, was wir ohnehin schon haben, noch einmal 200 Mio. € weniger. In der Bildzeitung war gestern zu lesen: „Thüringen fordert Senkung der Mehrwertsteuer“. Da sind Sie abgebildet, wie Sie gerade ein Bier trinken. Darüber steht: „So will Althaus den Kneipen helfen.“ Also auch bei der Mehrwertsteuer sollen die Steuersätze heruntergehen

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Ihr lest nur in der Bildzeitung, wir lesen auch Freies Wort, TLZ, TA...)

und damit müssen Mindereinnahmen in Kauf genommen werden. Wenn man in Ihr Landtagswahlprogramm schaut, steht da noch drin, Sie wollen auch die Steuern auf Energie senken. Die Ökosteuer bringt zurzeit etwa 18 Mrd. € in die Haushalte. Auf diese 18 Mrd. € wollen Sie in Zukunft verzichten. Gleichzeitig erzählen Sie uns hier, dass Sie schon in zwei Jahren Haushalte ohne neue Schulden aufstellen wollen. Herr Ministerpräsident, da kann ich nur sagen, als Mathelehrer haben Sie das Rechnen verlernt. Das nimmt Ihnen keiner mehr ab.

(Beifall SPD)

Die Zeche für solche Fehleinschätzungen und die Zeche für solche Fehlentscheidungen, die auf Fehleinschätzungen beruhen, die tragen am Ende die Bürger. Das Thema Abwasser ist ein gutes Beispiel dafür. Sie haben nämlich 2004 und dann 2005 in Gesetzesform gegen den Rat aller Fachleute ein Gesetz hingepfuscht, von dem man wissen konnte, dass es vor dem Verfassungsgericht keinen Bestand hat. Das Verfassungsgericht hat ja auch konsequenterweise dieses Gesetz kassiert. Weil Sie solchen Pfusch gemacht haben, müssen die Bürger jetzt dafür geradestehen. 1,8 Mrd. € Steuergelder kostet der Pfusch, den Sie in den letzten Jahren angerichtet haben.

(Beifall SPD)

(Zwischenruf Scherer, Innenminister: Die wären doch sowieso angefallen.)

Herr Scherer, schauen Sie einmal in den Gesetzentwurf der CDU-Fraktion, da steht diese Zahl drin. Um es ganz korrekt zu sagen, 1,79 Mrd. € Gesamtkosten für Ihre Lösung, die Sie hier präsentieren.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Für 50 Jahre!)

Ich sage Ihnen auch, Herr Mohring, warum es so teuer wird.