Protokoll der Sitzung vom 24.02.2005

Sehr geehrter Herr Matschie, weil Sie so ein großer Politiker sind mit Visionen für dieses Land, dann will ich Ihnen sagen, was in Deutschland zu tun ist. Es ist anders, als Herr Pidde heute zitiert hat. Wenn er mich zitiert, muss er mich richtig zitieren. In dieser "Leipziger Volkszeitung" steht auf die Frage: "Gibt es bis zur Wahl noch eine Chance für übergreifende Reformen?" "Ohne zusätzliches Wachstum wird es keine neuen Jobs geben. Deshalb brauchen wir eine Steuerreform genauso wie eine umfassende Arbeitsmarkt- und Sozialstaatsreform." Das war meine Aussage in der "Leipziger Volkszeitung". Der Kollege Beck aus Rheinland-Pfalz hat in der gleichen Zeitung am gleichen Tag auf die Frage "Fehlt ein rasches Signal bei der Unternehmenssteuerreform?" geantwortet: "Nein, die Steuern, die von den Bürgern, aber auch von den Unternehmen real gezahlt werden, waren noch nie so niedrig wie heute. Wir haben kein Steuerproblem in Deutschland." Heute können Sie online eine wunderbare Diskussion nachlesen. Clement wirft Eichel falsche Steuerpolitik vor. Dort steht "Financial Times": Wolfgang Clement wirft seinem Kollegen Hans Eichel vor, jetzt wörtlich: "Unser Fehler zurzeit ist, wir machen eine fiskalische Steuerpolitik, keine wirtschaftspolitische."

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Herr Clement das so deutlich sagt, dann gebe ich ihm ungern oft Recht. Aber er hat Recht, Deutschlands Problem ist ein Steuerrechtsproblem für Wachstum und Beschäftigung.

(Beifall bei der CDU)

Mir ist vollkommen klar, warum Sie dieses Thema nicht thematisieren, weil Sie ein Wahlkampfthema haben wollen.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Und wann kommen Sie zum heutigen Thema?)

Und das kommt kurze Zeit später in genau dem gleichen Artikel auch noch ganz deutlich zum Ausdruck. Das Finanzministerium nannte die Äußerung Clements schädlich. Die Zeitung zitiert wörtlich: "Was Clement tut, ist genau das Gegenteil dessen, was wir mit Blick auf das Vertrauen von Bürgern und Firmen brauchen." Und jetzt kommt es: "Zudem habe der Mi

nister die SPD-Wahlkampfstrategie durchkreuzt, die Union 2006 mit einem umfassenden Steuerkonzept anzugreifen."

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen nicht Wahlkampf machen, sondern wir müssen endlich erkennen, dass Deutschland in einer miserablen Finanz- und Arbeitsmarktsituation ist. Und wenn wir nicht endlich umschalten in Deutschland, dann werden wir noch mehr Wohlstandseinbuße und Arbeitsmarktprobleme organisieren.

(Beifall bei der CDU)

Und jetzt kommen wir zu Thüringen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Wir sind, und das wissen Sie ganz genau, in keiner anderen Situation als alle Nachbarn in Deutschland. Sie können ja versuchen, den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land einzureden, es wäre überall ganz anders. Aber glauben Sie mir, nicht nur Sie sind an der Basis und reden mit den Bürgerinnen und Bürgern und in den Vereinen und mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern. Erstens ist die Mehrheit der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in unserer Partei zu Hause und wir sind die Kommunalpartei und wir werden es auch bleiben in diesem Land.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Das stimmt nicht.)

Zweitens glauben Sie mir, die Bürgerinnen und Bürger wissen sehr genau, dass wir in Thüringen zu über 50 Prozent von Finanztransfers abhängen und dass unsere Steuerkraft noch nicht einmal 45 Prozent ist. Und das ist kein anderer Zustand als in Sachsen-Anhalt, in Mecklenburg-Vorpommern, in Brandenburg und in Sachsen. Deswegen erzählen Sie hier nicht so einen Unsinn. Wir haben insgesamt ein Einnahmeproblem in Deutschland und dieses Einnahmeproblem hängt an unserer falschen Politik für Wachstum und Beschäftigung, die Rotgrün in den letzten Jahren geprägt hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen haben wir es uns nicht einfach gemacht. Auch wenn Sie zehnmal Programme zitieren, erstens bitte ich Sie darum, sie dann intensiv und umfassend zu lesen, und Sie werden sehen, dass diese Zitate, die Sie dort bringen, nicht vollständig sind.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Ach, das muss nicht sein.)

Zweitens können Sie davon ausgehen, wir sind in diesem Land in der Verantwortung, weil wir die Verantwortung auch umfassend nutzen und vor schwierigen Entscheidungen nicht zurückschrecken. Genau deshalb werden wir am Beginn dieser Legislaturperiode mit dem Reformhaushalt, der vorliegt, mit der Behördenstrukturreform, die in den nächsten Wochen diskutiert und dann umgesetzt wird, und auch mit dem Doppelhaushalt 2006 und 2007 und mit all den Entscheidungen, die wir mit diesen Haushalten gesetzlich umsetzen, die Weichen für eine bessere Zukunft in Thüringen stellen. Da können Sie toben und rufen und andere Konzepte in den Mittelpunkt rücken, wie Sie wollen. Wir werden unsere Verantwortung für dieses Land nutzen, dafür sind wir gewählt und wir werden das auch mit aller Kraft und mit großer Geschlossenheit tun. Davon können Sie ausgehen.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Dafür werden Sie dann auch abgewählt.)

Sehr geehrter Herr Matschie und liebe Freunde der Opposition,

(Unruhe bei der SPD)

dass Manfred Ruge als Oberbürgermeister der Landeshauptstadt sich bis zur letzten Minute dafür einsetzt, mehr Geld zur Verfügung zu haben, um Zwingendes zu tun, ist nicht nur verständlich, sondern logisch. Das Gleiche tun die Landräte und die Bürgermeister in ganz Thüringen. Da ich in den letzten Wochen sehr viel gerade mit Bürgermeistern geredet habe, werde ich hier auch ganz deutlich sagen: Ich habe größtes Verständnis für die Debatte, aber ich habe auch überall gesagt, wenn wir nicht zu den deutlichen Einsparungen kommen, dann werden wir in den nächsten Jahren die Gestaltungsräume noch weniger haben, weil wir einen Schuldenberg aufgehäuft haben, der jetzt schon weit über 600 Mio.  Zinszahlung pro Jahr ausmacht. Und wir wollen raus aus dieser Entwicklung und deshalb muss jeder ein Stück mittragen an dem gemeinsamen Einsparen im Freistaat Thüringen.

(Beifall bei der CDU)

Dann ein Wort zu Ihrer großen Geste zum Konsens und zum Mitnehmen der Bürgerinnen und Bürger. So langsam glaube ich, dass wir in Deutschland insgesamt, und das gilt für Sie im Besonderen, in eine Konsensfalle laufen. Wir können uns auch durch all zu viel Konsensdiskussion um die Zukunft bringen. Was Deutschland braucht - und im Übrigen auch Thüringen, deshalb werden wir das auch mit aller Kraft tun - ist auch Verantwortungsübernahme. Wir

sind nämlich in einer repräsentativen Demokratie und das heißt, wir müssen auch das, was wir für richtig halten, umsetzen. Die Überzeugung in diesem Land wird sich sehr schnell einstellen, wenn deutlich wird, dass das, was wir tun, zur Zukunftsfähigkeit Thüringens besser beiträgt als Ihre theoretischen Konzepte. Deshalb werden wir unsere Verantwortung wahrnehmen und wir stehen auch zu dieser Verantwortung, denn wir haben die Wahlkreise in diesem Freistaat in übergroßer Zahl errungen

(Zwischenruf Abg. Dr. Pidde, SPD: Mit falschen Versprechungen.)

und unsere Abgeordneten müssen Tag für Tag im Wahlkreis vertreten und vermitteln, was wir hier tun. Und sie tun das mit aller Leidenschaft, mit aller Offenheit, aber nicht mit der Doppelzüngigkeit, mit der Sie herangehen, indem Sie in Berlin das Falsche tun und hier den Menschen etwas ganz anderes einreden. Das tun Sie eben nicht.

(Beifall bei der CDU)

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie an dieser Stelle einfach erkennen würden, dass wir auch nicht historisch eindimensional denken. Es gibt keinen von unserer Fraktion und ich werde das auch nicht tun, die nicht Fehler in der Vergangenheit eingestehen, eine ganze Reihe ordnungspolitischer Fehler in der Bundesrepublik Deutschland oder auch Fehler in bestimmten Phasen der Bundesrepublik Deutschland, die mit dazu beigetragen haben, dass unser Sozialstaat nicht mehr finanzierbar ist und dass unser Wohlstand derzeit auf tönernen Füßen steht. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, daraus ziehe ich nicht den Schluss, dass wir auf gleicher populärer Ebene weiter handeln, sondern daraus ziehe ich den Schluss, dass wir den Menschen deutlich machen, dass, wenn wir für die Kinder, für die Jugend in unserem Lande eine Zukunft haben wollen, wenn wir Wohlstand in einer zeitgemäßen Form weiterentwickeln wollen und wenn wir den Sozialstaat in einer zeitgemäßen Form weiterentwickeln wollen, dass wir dann dringend zu umfassenden Korrekturen in Deutschland kommen müssen und dass das auch heißt, dass diese Korrekturen auch in Thüringen vorzunehmen sind.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Die Frage ist doch, wo man Korrekturen vornimmt.)

Deshalb werden wir auch mit dem Doppelhaushalt keinen leichteren Weg einschlagen, sondern wir werden den eingeschlagenen Weg fortsetzen. Wir werden ihn deshalb fortsetzen, weil unsere Wachstumsquellen in Thüringen, die wir beeinflussen können, Mittelstand, Forschung, Technologie, Bildung und

auch Familie, für uns entscheidend sind. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, bleiben das auch die Wegweiser. Das sind die Wegweiser gewesen, mit denen wir im Wahlkampf den Wählerinnen und Wählern gesagt haben, was wir nach der Wahl tun, und wir tun das, was wir vor der Wahl angekündigt haben.

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Genau das haben Sie nicht.)

Dafür haben wir das Vertrauen bekommen. Ich bin meiner Fraktion dankbar, dass sie in großer Ernsthaftigkeit nach heftigen Debatten Änderungsvorschläge vorgelegt hat, die insgesamt diesen Weg unterstützten, die aber im Blick auf die Kommunen und auch manch andere Bereiche eine weitere Entlastung bringen. Ich hoffe sehr, dass diese Geschlossenheit auch bei der Abstimmung durchträgt und dass wir dann in der Umsetzung des Haushalts Ihnen durch die Praxis widersprechen und deutlich machen können, dass dieser Reformhaushalt eine Weichenstellung für eine gute Zukunft in Thüringen darstellt. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Es liegen in der Debatte keine weiteren Redeanmeldungen vor. Damit kann diese geschlossen werden, und wir kommen jetzt zur Abstimmung. Ich lese noch schnell die Abstimmungsgrundlage vor und dann nehmen wir den Wechsel im Präsidium vor. Wir stimmen darüber ab:

1. a) Thüringer Haushaltsstrukturgesetz in Drucksachennummer 4/420

b) Mittelfristiger Finanzplan für die Jahre 2004 bis 2008 für den Freistaat Thüringen in der Drucksache Nummer 4/485

c) Bericht über den Stand und die voraussichtliche Entwicklung der Finanzwirtschaft des Landes in der Drucksache Nummer 4/486

Dazu die Beschlussempfehlungen des Haushaltsund Finanzausschusses

a) zum Thüringer Haushaltsstrukturgesetz in der Drucksache Nummer 4/584

b) zum Mittelfristigen Finanzplan für die Jahre 2004 bis 2008 für den Freistaat Thüringen in der Drucksache Nummer 4/585 und

c) zum Bericht über den Stand und die voraussichtliche Entwicklung der Finanzwirtschaft des Landes

in der Drucksache Nummer 4/586.

An Änderungsanträgen liegen vor die der Fraktionen der PDS und SPD in den Drucksachennummern 4/600/601/602, die der Fraktion der PDS in den Drucksachennummern 4/603 bis 4/649, die der Fraktion der CDU in der Drucksachennummer 4/650, die der Fraktion der SPD in den Drucksachennummern 4/653 bis 4/662 und die des Abgeordneten Köckert (CDU) in den Drucksachennummern 4/673 bis 4/676.

Dazu gibt es die Entschließungsanträge der Fraktion der CDU in der Drucksachennummer 4/651, der Fraktion der SPD in Drucksachennummer 4/663 und der Fraktion der PDS in den Drucksachennummern 4/664 bis 4/669.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, wir werden zuerst über die jeweiligen Änderungsanträge zunächst zum Landeshaushaltsplan 2005, danach zum Gesetzentwurf, dann über die Beschlussempfehlungen im Ganzen, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der angenommenen Änderungsanträge, dann über den Gesetzentwurf, auch gegebenenfalls unter Berücksichtigung der angenommenen oder geänderten Beschlussempfehlungen abstimmen und danach folgt die Schlussabstimmung. Gemäß unserer Geschäftsordnung § 65 Abs. 2 und § 67 Abs. 2 wird über die Entschließungsanträge nach der bisherigen Praxis nach der Schlussabstimmung in der zweiten Beratung abgestimmt.

Damit kommen wir zur Abstimmung zum Thüringer Haushaltsstrukturgesetz. Wir stimmen als Erstes ab über den Änderungsantrag der Fraktion der PDS in Drucksache 4/647, die Ihnen vorliegt. Wer ist für diesen Änderungsantrag? Wer ist gegen diesen Änderungsantrag? Wer enthält sich der Stimme? Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.

Wir kommen als Nächstes zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD, der Ihnen in Drucksache 4/662 vorliegt. Wer ist für diesen Änderungsantrag? Wer ist gegen diesen Änderungsantrag? Wer enthält sich der Stimme? Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen zur dritten Abstimmung, und zwar über den Änderungsantrag der Fraktion der PDS in Drucksache 4/646. Bitte, Herr Abgeordneter Buse.