Protokoll der Sitzung vom 25.02.2005

Danke. Das Wort hat der Abgeordnete Wetzel, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, in der Drucksache 4/569 liegt uns der Gesetzentwurf zur Änderung des Thüringer Architektengesetzes, des Ingenieurgesetzes und des Ingenieurkammergesetzes vor. Wie schon richtig von allen bisherigen Rednern gesagt, ist das eine 1 : 1 - Umsetzung von europäischem Recht in Thüringer Recht. Frau Doht, wer nun daran Schuld ist, warum die Thüringer etwas später sind, in den meisten Fällen war es auch seitens der Bundesrepublik Deutschland etwas verzögert, so dass dann die Länder nur noch nachhandeln konnten. Aber, ich denke, wenn wir uns in dem zuständigen Ausschuss Bau und Verkehr darüber unterhalten, und es war durchaus kein Ansinnen an Sie herangetragen, dass wir es heute durchwinken. Durchzuwinken wäre es lediglich, da es nichts anderes ist als EU-Rechtsanwendung. Wir können uns auch in den Beratungen im Ausschuss letztlich nur auf EU-Recht beziehen. Wenn das an dem so ist, werden wir auch keine zusätzlichen deutschen oder thüringischen Änderungen hinzufügen. Wir sind durchaus in der Lage und Frau und Manns genug, im Ausschuss darüber zu beraten, um dem Plenum, dem hohen Hause, in einer der nächsten Sitzungen die Beschlussvorlage vorzulegen. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir daraus auch unsere richtigen Schlüsse ziehen. Es wurde immer behauptet, dass man sich in Deutschland mittels einer Hängematte vom Studium bis zum Rentenalter evtl. durchhangeln kann. Ich glaube, es ist wichtig, dass sich junge Menschen auch nach einem sechssemestrigen Ausbildungslebensweg in das Berufsleben einfügen können und ihre Ingenieurleistungen durchaus in der gleichen Reihenfolge und der gleichen Güte wie ein fünf- oder sechsjähriger, sprich zwölfsemestriger Studiengang sich bewähren können und auch ihre Leistungen zeigen werden. Insofern ist es für mich kein Durchwinken, sondern für mich wäre es ein Behandeln nach europäischem Recht und wenn das nichts anderes zulässt, werden wir keinen Thüringer Eigenweg gehen, Frau Doht, und wir werden das im Ausschuss so behandeln.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Es ist beantragt worden, die Überweisung an den Ausschuss für Bau und Verkehr. Ich lasse über diesen Antrag abstimmen. Wer ist für die Überweisung an den Ausschuss Bau und Verkehr? Wer ist gegen diese Überweisung? Wer enthält sich der Stimme? Bei einer Stimmenthaltung ist die Überweisung an den Ausschuss für Bau und Verkehr befürwortet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf

Fünftes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen (Gesetz zur gebührenfreien Hoch- schulbildung) Gesetzentwurf der Fraktion der PDS - Drucksache 4/578 ERSTE BERATUNG

Wünscht die Fraktion der PDS das Wort zur Begründung? Ja, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, bis zum Jahre 1998 galt allgemein zwischen allen Bundesländern, dem Bund und allen im Bundestag vertretenen Parteien, dass ein Studium in Deutschland grundsätzlich gebührenfrei bleiben muss. Man plante sogar einen Staatsvertrag, in dem festgeschrieben werden sollte, dass das Studium in Deutschland gebührenfrei bleibt. Auf ihrer 290. Plenartagung am 25. Mai 2000 in Meiningen fasste die Kultusministerkonferenz dazu einen formellen Beschluss. In Punkt 1 heißt es: "Die Länder vereinbaren, das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss und bei konsekutiven Studiengängen bis zum zweiten berufsqualifizierenden Abschluss grundsätzlich gebührenfrei zu halten." Dieser Beschluss ist bis heute nicht aufgehoben worden.

Infolge dieses Beschlusses kam es zur Festschreibung eines gebührenfreien Studiums im Hochschulrahmengesetz im Jahre 2002. Die Länder waren nicht in der Lage, einen Staatsvertrag aufzusetzen. Am 26. Januar 2005 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das vom Bundestag im Hochschulrahmengesetz festgeschriebene Verbot der Erhebung von Studiengebühren nicht zulässig sei. Es stellte klar, dass es in dieser Sache den Ländern obliegt, eigene Regelungen zu treffen. Das

Gericht hat damit, obwohl es oft in der Öffentlichkeit so dargestellt wurde und wird, nicht die Einführung von Studiengebühren beschlossen. Als Freibrief für hemmungslose Privatisierung von Bildung wird es aber nun von einigen Bundesländern betrachtet, die ungeniert über die Höhe der Summe von Gebühren spekulieren.

Den Karlsruher Richtern war dies zweifellos klar, als sie an die soziale Verträglichkeit von Gebühren appellierten. Soweit zum Anlass unseres Antrags.

Nun zu unserem Anliegen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine Fraktion spricht mit diesem Gesetzentwurf im nunmehr Fünften Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen eine Thematik an, die grundsätzliche Fragen für Thüringen aufwirft. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Zukunft der klügsten Köpfe, nicht nur für Thüringen, sondern für Deutschland und auch Europa.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Unsere Verfassung? Ja? Wirklich?)

Ja. Und weil uns dieser Aspekt so wichtig ist, haben wir uns für den Weg des Vorschlags einer Verfassungsänderung - wohl wissend, dass eine solche Änderung ein gravierender Schritt ist - entschieden. Es geht dabei nicht um die Frage einer Gebührenerhebung, sondern um unser Grundverständnis zur Bildung. Als Zukunftsinvestition und auch als Standortfaktor muss jedem, unabhängig von der sozialen Herkunft, der Zugang zu Bildungsinstitutionen im Hochschulbereich kostenfrei möglich sein.

(Beifall bei der PDS)

Der chancengleiche und gerechte Zugang zu lebensbegleitender Bildung ist für die PDS eine der wichtigsten sozialen und Menschenrechtsfragen im 21. Jahrhundert. Ich bitte Sie deshalb um Unterstützung in dieser grundlegenden Frage.

(Beifall bei der PDS)

Danke für die Begründung. Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt. Das Wort hat der Abgeordnete Bausewein, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich ganz kurz etwas zum Thema Studiengebühren sagen. Wir haben ja noch die von meiner Fraktion beantragte Aktuelle Stunde, da werde ich mich etwas ausführlicher zum Thema äußern.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU)

Wir sind jetzt nicht in der Aktuellen Stunde, Herr Kretschmer.

(Zwischenruf Abg. Dr. Krause, CDU: Ma- chen Sie es doch gleich jetzt mit.)

Zunächst nur so viel: Meine Fraktion lehnt die Einführung von allgemeinen Studiengebühren im Freistaat Thüringen auch aus sozialen Gründen kategorisch ab. Eine Gebührenerhebung wird insbesondere Kinder aus einkommensschwachen Familien von den Hochschulen fernhalten und damit die ohnehin schon vorhandene soziale Schieflage bei der Zusammensetzung der Studentenschaften noch weiter verstärken. Wenn wir aber im internationalen Bildungswettbewerb mithalten wollen, brauchen wir in den kommenden Jahren nicht weniger, sondern deutlich mehr Studierende.

(Beifall bei der SPD)

Das Ziel muss es in den kommenden Jahren sein, bis zu 40 Prozent eines Altersjahrgangs an die Hochschulen zu führen. Hierbei würden natürlich Studiengebühren absolut kontraproduktiv wirken. Letztendlich geht es bei der Frage - Studiengebühren ja oder nein - um soziale Belange. Es geht aber auch um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Wer diese nicht gefährden will, der ist gegen Studiengebühren. Wie gesagt, meine Fraktion lehnt deren Einführung konsequent ab.

(Beifall bei der SPD)

Aber lassen Sie mich nun zu dem von der PDS eingebrachten Gesetzentwurf kommen. Der Presse habe ich entnommen, dass damit in der Landesverfassung ein Verbot zur Erhebung von allgemeinen Studiengebühren festgeschrieben werden soll. Nur leider steht das so nicht im Gesetzentwurf, meine Damen und Herren. Die Vorlage zielt vielmehr darauf ab, Artikel 28 Abs. 1 der Thüringer Verfassung um einen weiteren Satz zu ergänzen, der da lautet, Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich: "Der freie, gleiche und unentgeltliche Zugang zu allen öffentlichen Hochschuleinrichtungen wird gewährleistet." Es ist also hier von einem freien und gleichen und sogar unentgeltlichen Zugang die Rede, der für alle öffentlichen Hochschuleinrichtungen geschaffen werden soll. Das ist aber etwas ganz anderes als die bloße Festschreibung eines Studiengebührenverbots in der Thüringer Verfassung.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der PDS, ich muss es mal so deutlich sagen: Die von Ihnen ge

wählten Formulierungen sind derart unpräzise, dass eine Realisierung Ihres Gesetzentwurfs Auswirkungen haben dürfte, von denen ich doch annehme, dass sie überhaupt nicht in Ihrer Intention liegen.

(Beifall Abg. Becker, SPD)

Ich möchte Ihnen das an einigen Beispielen verdeutlichen, zunächst zu dem von Ihnen geforderten freien und gleichen Zugang. Meine Damen und Herren, einen derartigen freien und gleichen Zugang zu den Hochschulen, den gibt es in Deutschland nicht und den kann es auch nicht geben. Dieses Postulat steht nämlich in eindeutigem Widerspruch zu der Tatsache, dass ein Studium an staatlichen Hochschulen nur dann aufgenommen werden kann, wenn auch der Nachweis der dafür erforderlichen Qualifikation erbracht wird, also eine Hochschulzugangsberechtigung vorliegt. Wollen Sie diesen Grundsatz wirklich zur Disposition stellen? Darüber hinaus hebelt ein derart freier und gleicher Zugang sämtliche Zulassungsbeschränkungen für einzelne Studiengänge bzw. Studienfachkombinationen aus. Er macht zudem Eignungsfeststellungsverfahren der einzelnen Hochschulen, wie sie ja nach § 132 d des Thüringer Hochschulgesetzes zumindest als Modellversuche möglich sind, unmöglich. Ist das wirklich Ihre Absicht?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, kommen wir zum nächsten Punkt. Ebenso kontraproduktiv wäre die Festschreibung eines gänzlich unentgeltlichen Zugangs zu allen öffentlichen Hochschuleinrichtungen. Das hätte nämlich nicht nur zur Folge, dass keine allgemeinen Studiengebühren eingeführt werden dürfen und auch in Zukunft keine Langzeitstudiengebühren mehr erhoben werden dürfen, was ja durchaus in Ordnung wäre, sondern auch, dass die Hochschulen künftig auf jegliche Immatrikulations-, Verwaltungs-, Weiterbildungs-, Gasthörer-, Sprachprüfungs-, Verfahrensund Säumnisgebühren verzichten müssen. Genau das wäre die Konsequenz eines gänzlich unentgeltlichen Zugangs an die Hochschulen. Unklar für mich ist außerdem, in welchem Sinne die PDS den Begriff "Hochschuleinrichtung" in ihrem Gesetzentwurf verwendet. Offenbar ist er hier als Synonym für Hochschule gedacht. Das Thüringer Hochschulgesetz versteht jedoch unter "Hochschuleinrichtung" organisatorische Bestandteile einer Hochschule, wie etwa Fachbereiche bzw. Institute, Betriebseinheiten, also beispielsweise Hochschulrechenzentren oder eben auch Bibliotheken. In diesem Sinne würde die Schaffung des geforderten unentgeltlichen Zugangs zu allen öffentlichen Hochschuleinrichtungen auch den Verzicht auf Fernleihgebühren in Hochschulbibliotheken und auf Kursgebühren in den Zentren für Hochschulsport nach sich ziehen. Ich glaube kaum, dass so etwas von der PDS wirklich gewünscht ist.

Lassen Sie mich ein kurzes Fazit ziehen. Ein Nein zur Einführung allgemeiner Studiengebühren findet selbstverständlich unsere Unterstützung, nicht aber dieser schwammig formulierte, in seinen Auswirkungen weit über das Ziel hinausschießende Antrag der PDS. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Kaschuba für die PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir haben den Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung, Fünftes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen, Gesetz zur gebührenfreien Hochschulbildung, eingebracht. Meine Kollegin Hennig hat schon einiges zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Januar gesagt. Ich möchte aber zuallererst auf die Rede des Kollegen Bausewein eingehen. Wir sind uns dessen bewusst, dass wir mit diesem Änderungsgesetz auch Dinge provozieren, die bis jetzt nicht so in der Diskussion sind. In dem Moment, wo wir formulieren, dass der freie und gleiche und unentgeltliche Zugang zu allen öffentlichen Hochschuleinrichtungen gewährleistet sein muss, wissen wir, dass auch Absatz 4 des Paragraphen zur Wirkung haben muss, dass dann im Gesetz geregelt wird, wie sich das gestaltet. Das bedeutet auch, wenn man über den unentgeltlichen Zugang zu Hochschuleinrichtungen redet, dass man auch darüber reden muss, wie sich denn soziale Gerechtigkeit auch im Bildungsbereich insgesamt darstellt, wie lange der Zugang unentgeltlich ist, unter welchen Voraussetzungen er unentgeltlich ist im Verhältnis zu allen anderen Bildungsgängen. Wir sind uns dieser Tatsache durchaus bewusst und würden diese Diskussion auch gern führen, diese bildungspolitische Diskussion. Sie haben Ihr Konzept von 2 bis 16 vorgelegt. Im Zusammenhang mit dem Konzept halten wir eine solche Diskussion für notwendig. Man kann sie führen in dem Spektrum von Gebührenfreiheit zu allen Bildungseinrichtungen und Bildungsgängen vom Grundsätzlichen her, aber auch bis zu dem Punkt, wo man sagt, es gibt dort bestimmte Rahmenbedingungen, unter denen dieser Zugang gebührenfrei ist. Das will ich diesem Vorschlag von uns voranstellen.

Noch einige Worte zu Kollegen Bausewein: Er hat sich nochmal auf den freien und gleichen und unentgeltlichen Zugang zu den Hochschuleinrichtungen bezogen. In der Thüringer Verfassung ist der freie und gleiche Zugang zu allen Bildungseinrichtungen formuliert. Es fehlt nur das Wort "unentgeltlich", es

steht dort auch das Wort "Bildungseinrichtung" drin. Sie müssten dann nochmal eine Verfassungsänderung beantragen, dass das anders formuliert wird, dass nicht alle Einrichtungen frei und gleich zugänglich sind.

Nun zurück zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat nicht ein Votum für Studiengebühren formuliert, sondern es hat einfach nur entschieden, dass der Bundestag im Hochschulrahmengesetz das Verbot der Erhebung von Studiengebühren wegen fehlender Beteiligung hätte nicht festschreiben dürfen. So ist die Sache. Und dort muss man sagen, es war handwerklich schlecht gemacht. Dann hätte es dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht gegeben und dass es jetzt den Ländern obliegt, eigene Regelungen zu treffen. Dabei wurde aber ausdrücklich die Sozialverträglichkeit in der Begründung des Urteils angemahnt. Ich glaube, daraus werden sich im Regelungsbedarf Konsequenzen ergeben. Die gleiche Bewertung erfuhr übrigens auch die mit dem Urteil verbundene Einführung zur verfassten Studierendenschaft.

Ich möchte einiges zur Wirkung des Urteils sagen. Ich glaube, dieses Urteil hat eine ungewöhnliche Dimension. Bislang hat noch kein Bundesverfassungsgerichtsurteil im Bildungsbereich solche gravierenden Folgen haben können. Das Urteil öffnet nun einmal die Tür für die Gebührenerhebung im weitesten Sinne und die einzelnen Bundesländer können das selbstständig entscheiden, das wissen Sie. Es gibt natürlich bereits jetzt viele Befürworter von Gebühren, die sagen, wir können Gebühren erheben. Ich möchte auch auf die Gebührenspanne hinweisen, die diskutiert wird. Der Vorsitzende der Hochschulrektorenkonferenz hatte bereits vor längerer Zeit von einer Gebührenspanne zwischen 300       chen. Das ist eine Menge Geld pro Semester. Minister Goebel, der mich jetzt ganz interessiert bei dieser Sache anschaute, hat sich auch schon dazu geäußert, dass man mit Studiengebühren die Finanzierungsprobleme der Hochschulen lösen kann. Wir haben ja nicht gesagt, dass man Studiengebühren erheben soll, sondern Sie haben gesagt, man kann die Finanzierungsprobleme lösen. Das heißt also, Finanzierungsprobleme, die das Land nicht mehr löst, wo sich die Länder nicht mehr in der Verpflichtung fühlen, Bildung auszufinanzieren, dort soll man Studiengebühren erheben. Und ich denke, das ist genau der falsche Punkt. Wenn man Bildung und Zukunftsfähigkeit zum Zentrum von Politik machen will, muss man auch die finanziellen Voraussetzungen dafür schaffen. Da halte ich Ihre Aussage für problematisch.

(Beifall bei der PDS)

Ein weiterer Punkt im Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist die Formulierung, dass die Erhebung von Studiengebühren in einzelnen Ländern zu einer mit dem Rechtsgut "Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse" unvereinbaren Benachteiligung der Einwohner dieser Länder führt. Das bedeutet aber im Umkehrschluss nichts anderes, als dass man von der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Ost und West ausgeht. Problematisch ist jedoch, dass das Bundesverfassungsgericht nicht ausschließt, dass Einzelne durch Studiengebühren unausweichlich und in überdurchschnittlich hohem Maße belastet werden. Das steht in der Begründung des Urteils. Da sich jedoch die Zahl der Betroffenen nicht beziffern lasse, sehe man noch keinen Anlass zum Eingreifen durch den Bundesgesetzgeber. Das bedeutet im Grunde, man befürchtet bereits jetzt eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes und das könnte juristisch betrachtet unter Umständen sogar dazu führen, dass das Verfassungsgericht erneut angerufen wird und dann den Bundesgesetzgeber auffordert, Gebühren zu untersagen oder zumindest für gleiche Bedingungen in Deutschland zu sorgen. Damit würde das ganze Rad wieder zurückgedreht und die Situation würde noch chaotischer werden.

Sie wissen, dass der Phantasie im Moment keine Grenzen gesetzt sind bei der Diskussion zu diesem Urteil. Es wird von Landeskindern gesprochen, die gebührenfrei studieren sollen in einigen SPD-regierten Ländern. Einige CDU-regierte Länder wollen gleich Gebühren erheben. Es wird von der Bundesregierung diskutiert, dass man zu neuen Finanzierungsmöglichkeiten für ein Studium kommen muss. Wir diskutieren auch darüber. Wir diskutieren zum Beispiel über ein Grundstipendium, das man elternunabhängig vergeben sollte. Es wird auch von einigen darüber geredet - auch hier aus diesem Saal -, dass man die Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen so stärken kann; das zweifle ich an. Es wird auch immer wieder gesagt, es gibt dann Unterschiede, wenn man keine Studiengebühren erhebt, zwischen den Ländern, die Studiengebühren erheben und den Ländern, die keine erheben, die haben dann viel zu viele Studenten, die Hörsäle werden noch überfüllter, als sie schon sind, und damit würde das Niveau der Hochschulen nivelliert werden. Ich glaube, auch das ist keine richtige Ausgangsposition. Sie berücksichtigt zumindest einen Faktor nicht, den will ich hier benennen: Eine Vielzahl von Studierenden in einem Land sind natürlich auch ein Faktor für die Binnennachfrage. Das muss man einmal sagen. Ich glaube, das kann ich beurteilen. Die Stadt Jena hätte zum Beispiel keine 100.000 Einwohner mehr,

(Beifall bei der PDS)

wenn die Studenten nicht die Erstwohnsitznahme getätigt hätten. Die Stadt ist in den Semesterferien relativ leer im Verhältnis zu der Zeit, wo Studierende anwesend sind. Die kaufen auch etwas, die essen etwas, das muss man auch berücksichtigen. Auf diese Art und Weise kommt natürlich auch mehr Geld in die Landeskassen und dann könnte man auch die Hochschulen wieder besser ausfinanzieren. So einseitig darf man dann auch nicht argumentieren, dass Gebührenfreiheit eigentlich nur zum Schaden der Hochschulen stattfindet. Das will ich nur anmerken.

Der nächste Punkt, der für uns eine Rolle spielt, ist, dass durch eine Gebührenerhebung im Hochschulbereich auch die schon jetzt bestehenden sozialen Unterschiede bei den Zugangsmöglichkeiten zu den Hochschulen sich aus unserer Sicht verschärfen würden. Es ist bereits jetzt schon so, dass die Zahl der Kinder aus Akademiker- bzw. sozial besser gestellten Familien 7,5 mal höher ist unter den Studierenden, als aus sozial schwächeren Familien. Ich denke, diese Tendenz darf man nicht verstärken, auch wenn der Minister gestern zum Beispiel bei den Musikschulen gesagt hat, was ich sehr fatal fand im Zusammenhang mit der Haushaltsdiskussion, dort kann man die Kürzung um 10 Prozent zumuten, landesseitig, weil das Klientel, das Musikschulen besucht, das finanzieren kann. Ich denke, umgekehrt wird ein Schuh daraus. Man muss die Möglichkeiten schaffen, dass auch andere die Musikschulen besuchen und das übertrage ich auf die Hochschulen. Dieser Zugang muss für alle möglich sein.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Ich glaube auch nicht, dass man die Finanzierungsprobleme lösen kann. Sie wissen das ganz genau, dass in den Ländern, in denen bereits Studiengebühren erhoben worden sind, das Geld nicht vorrangig in die Kassen der Hochschulen geflossen ist, sondern dass man die Mittel für die Hochschulen dann landesseitig kürzt, weil man sagt, die Hochschulen haben genügend Geld eingenommen, die brauchen jetzt nicht mehr so bezuschusst zu werden. Das heißt nicht, die werden automatisch reicher, sondern die bleiben irgendwo auf einem bestimmten Niveau sitzen, es sei denn, sie erheben wirklich 3.000             finanziell besser ausstatten. Ich denke auch nicht, dass man Studierende für Versäumnisse der Politik zur Kasse bitten kann.

(Beifall bei der PDS)