Protokoll der Sitzung vom 17.03.2005

Die PDS-Fraktion hat am Dienstag zum Start von Hartz IV in Thüringen Experten und Akteure angehört. Schade, dass die Kollegen der anderen Fraktionen die Gelegenheit nicht wahrgenommen haben. Ich habe ja in der Hartz-IV-Runde beim DGB extra darauf aufmerksam gemacht und da eigentlich auch die Einladungen ausgesprochen. In der Anhörung wurde aus unterschiedlichem Blickwinkel ein erstes Fazit gezogen. Ich will darüber einiges sagen:

1. Das Gesetz Hartz IV hat in Thüringen bislang kaum neue Stellen für Langzeitarbeitslose gebracht, dafür aber eine Vielzahl von sozialen und rechtlichen Problemen. Arbeitslose konnten von den Arbeitsgemeinschaften und optierenden Kommunen bisher nur punktuell vermittelt werden. Herr Minister, Sie haben von arbeitsmarktpolitischen Zielvorgaben gesprochen, das ist das eine, aber der Kollege von der Regionaldirektion für Arbeit hat betont, dass es in Thüringen kein Vermittlungsproblem gibt, sondern schlichtweg Arbeitsplätze in der Wirtschaft fehlen. Weniger Bedarf gäbe es auch bei einfachen Tätigkeiten, wohlgemerkt weniger Bedarf, denn die Wirtschaft braucht qualifizierte Fachleute.

2. Bei den Mitarbeitern der Arbeitsgemeinschaften besteht noch ein erheblicher Nachschulungsbedarf für qualifiziertes Fallmanagement und ihre hohe Arbeitsbelastung führt zu einer bisher nicht unerheblichen Fehlerquote. Es ist ganz klar gesagt worden, die ARGEn sind insgesamt bisher nur eingeschränkt arbeitsfähig.

3. Ein-Euro-Jobs bergen die große Gefahr, vorhandene Beschäftigung zu verdrängen. Diese Warnung muss ernst genommen werden, anstatt zu überlegen, sie noch weiter in die Wirtschaft hinein auszudehnen. Es ist gut, heute auch von Minister Reinholz zu hören, dass die Förderung von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung eher weit hinten angesiedelt ist.

4. Der Rechtsanspruch Jugendlicher auf sofortige Vermittlung in Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheiten ist derzeit nicht umsetzbar. Das ist ganz klar eingeschätzt worden. Da wundere ich mich schon über die Aussage, Herr Minister, die Sie jetzt eben von der Regionaldirektion hier verkündet haben, bis Ende März wäre das mit Eingliederungsvereinbarungen geregelt. Es ist ganz klar in der Anhörung gesagt worden, dass diese Terminierung bis Ende des Jahres hinausgeschoben wurde, weil es gegenwärtig nicht möglich ist. Es werden erste Gespräche

geführt - es sind ja über 10.400 Jugendliche betroffen -, aber eine unverzügliche Vermittlung in Ausbildung bzw. in Arbeit ist derzeitig nicht möglich. Der Betreuungsschlüssel - 1 : 75 ist genannt worden - für Jugendliche wurde derzeit auch noch nicht erreicht. Selbst der Arbeitgeberpräsident Hundt wirft der Bundesregierung deshalb Wortbruch vor.

5. Nur wenige Leistungsbezieher erhalten mehr Geld als im Vorjahr, und wenn, dann sind es in der Regel die Sozialhilfeempfänger. Dafür entfallen bekanntermaßen die Hilfen in besonderen Lebenslagen und die Pauschalen. Die Menschen werden ärmer, die Binnenkaufkraft sinkt und die regionale Wirtschaft erzielt weniger Einnahmen. Das ist schlichtweg ein Teufelskreis, denn er führt über Insolvenzen zu neuer Arbeitslosigkeit. Auch das muss man ganz klar sagen, dass in besonderer Weise hier auch Existenzgründer betroffen sind, die versuchen, erst mal Fuß zu fassen. Darüber muss man nachdenken, wie man nicht nur Existenzgründung fördert, sondern wie man bei dem Grundsatz anfängt, wirklich mehr Kaufkraft zu bekommen und mehr Menschen in Arbeit zu bringen, die dann eben auch konsumieren und Dienstleistung in Anspruch nehmen können.

Daneben wurden in der Anhörung eine ganze Reihe von Problemen weiterhin genannt. Es ist auch hier schon gesagt worden, die Anträge und die Bescheide sind zu kompliziert, oft unverständlich - selbst für die Mitarbeiter. Es gibt viele Widersprüche. Die Bewilligungszeit von teilweise nur drei Monaten ist auch für die ARGEn eine hohe Belastung, wobei man eines sagen muss, dass die Forderungen nach vereinfachten Verfahren der nochmaligen Antragstellung ja offensichtlich erhört wurden.

Sehr bedrückend, meine Damen und Herren, waren die Schilderungen über soziale Auswirkungen, vor allem in Familien mit Kindern. Auch durch die AOK Thüringen wurde zum Beispiel auf ein dramatisch zu nennendes Problem aufmerksam gemacht, denn für allein stehende Nichtleistungsbezieher besteht bekanntermaßen keine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenkasse mehr, ebenso wenig für ihre Kinder, wenn die Familien versichert waren. Das ist den Betroffenen oftmals gar nicht bekannt und sie werden darüber auch nicht informiert.

Als Nachbesserungsbedarf wurde immer wieder die Angleichung der Sätze in Ost und West und ihre Erhöhung genannt. Die Parität hat dafür einen Grundbedarf von mindestens 419  9 - und das sagen ja alle - muss sich Arbeit lohnen, deshalb werden dringende Änderungen beim Zuverdienst gefordert. Gut, dass es dazu jetzt scheinbar Bewegung gibt.

Aus der Sicht der PDS - das muss ich ganz klar sagen - haben sich die Erwartungen der Befürworter von Hartz IV nicht erfüllt. Wir halten es deshalb für erforderlich, dass die Landespolitik mit mehr Konsequenz an folgenden Schwerpunkten arbeitet:

1. die Herstellung der vollen Arbeitsfähigkeit der Arbeitsgemeinschaften, der Beiräte und Gewinnung der Partner für Vermittlungs- und Integrationsleistungen,

2. Eingliederungsvereinbarungen mit allen Jugendlichen und Umsetzung der Priorität abgeschlossene Schulausbildung, abgeschlossene berufliche Ausbildung, Vermittlung in Arbeit und als letzte Möglichkeit Arbeitsgelegenheiten.

3. Die Integration in versicherungspflichtige Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt muss oberstes Ziel bleiben. Dazu bedarf es der engeren Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Das heißt auch, Förderinstrumentarien und Richtlinien den neuen Bedingungen anzupassen, sie zu evaluieren und auf ihre Effektivität und Tragfähigkeit zu überprüfen.

4. Ausgestaltung der beschäftigungspolitischen Maßnahmen so, dass eine sinnvolle Tätigkeit für den Einzelnen und für das Gemeinwesen mit zielgerichteter Qualifizierung verbunden wird. Das gilt insbesondere für die Schaffung von Arbeitsgelegenheiten nach § 16 SGB II, was aber eben nicht nur Ein-EuroJobs bedeutet. Es ist die Entscheidungsfreiheit der ARGEn, dafür auch Arbeitsgelegenheiten mit Entlohnung bzw. ABM auszuschreiben. Das müsste beiden Partner, den Arbeitsagenturen und den Kommunen entgegenkommen, denn für Menschen, die auf diese Weise in versicherungspflichtige Arbeit gehen und Lohn erhalten, braucht eben auch kein Arbeitslosengeld II und brauchen auch keine Kosten für Heizung und Unterkunft gezahlt werden.

5. Ich möchte auf das Problem aufmerksam machen, dass derzeit viele Vereine und Verbände als freie Träger in Bedrängnis kommen. Das wissen Sie aus Ihrer praktischen Arbeit sicherlich auch, denn mit dem Wegfall von ABM und SAM wird vielen von diesen Trägern die Finanzierungs- und damit auch die Existenzgrundlage entzogen. Die Kommunen sind zunehmend bemüht, Arbeitsgelegenheiten zu schaffen und so selbst auch über die Sachkosten zu verfügen. Es geht dort natürlich um gemeinnützige und zusätzliche Aufgaben. Wenn die Kommunen über den finanziellen Spielraum verfügen würden, wären selbstverständlich Aufträge an Unternehmen oder der Erhalt bzw. die Einstellung von qualifiziertem Personal die bessere Lösung. Aber über die Ursachen dieser Situation brauche ich ja hier an dieser Stelle nicht zu reden, die kennen Sie ja. Die Konjunktur von Arbeitsgelegenheiten zeigt jedenfalls, dass der Bedarf nach Arbeitsplätzen im gemeinwohlorientierten Bereich

besteht. Dann, meine Damen und Herren, müssen wir aber auch so ehrlich und so fair sein, das auch versicherungspflichtig auszugestalten. Wenn Hartz IV eines bewiesen hat, dann die Notwendigkeit von öffentlich geförderter Arbeit.

(Beifall bei der PDS)

Der ÖBS schafft Arbeitsplätze und kann dazu beitragen, Defizite in der öffentlichen Daseinsvorsorge abzubauen, so im Gesundheitswesen, in der sozialen Betreuung, im Bildungs- und Kulturbereich. Ich will die Forderung bekräftigen, dass aktive Arbeitsmarktpolitik in Verbindung mit Wirtschaftsförderung notwendig ist. Das erfordert eine Zielorientierung für eine wirksamere Verknüpfung der regionalen Arbeitsmarktkonzepte und, Herr Minister, da hätte ich mir schon noch einige Ausführungen etwas konkreter gewünscht. Das Land kann sich hier nicht aus der Verantwortung nehmen und das nur auf die Regionen abdelegieren. Es deutet sich schon jetzt an, dass im Wettbewerb um Vermittlungsquoten und Budgets an Kreisgrenzen Halt gemacht wird. Das muss man ganz klar sehen. Es sollte alles dafür getan werden, die Regionalbeiräte zu stärken und sowohl Arbeitsagenturen als ARGEn in den Prozess der Ideenfindung und Projektentwicklung mit einzubeziehen. In der Verzahnung von Mitteln für eine personenbezogene Förderung, wie es der ESF vorsieht, müssen gleichzeitig Wirtschafts- und Kommunalpolitik mit bedacht werden. Ich meine, das eröffnet Chancen und ist rechtzeitig in Bezug auf das neue Operationelle Programm für den neuen Förderzyklus des ESF zu bedenken. Ich fordere die Landesregierung auf, dafür ein Konzept für gemeinwohlorientierte Arbeit zu entwickeln und Förderinstrumentarien zu schaffen. Ich denke auch, dass wir über diesen Antrag und die begonnene Debatte im Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit weiterdiskutieren sollten. Vergessen wir nicht, wir haben es mit Menschen zu tun und nicht mit Fällen aus einer immer bedrohlicher werdenden Statistik. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Pilger, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße es, dass sowohl die Landesregierung als auch die PDS-Fraktion sich, allerdings von unterschiedlichen Standorten aus, auf die Position zubewegen, die wir mit unseren Anträgen hier in diesem Haus im ersten Halbjahr bereits angeboten haben. Es ist gut, dass wir uns heute erneut

mit der Umsetzung des SGB II befassen. Die PDS hat hier durch Frau Leukefeld und auch in der Presse veröffentlichte Ergebnisse - in der Anhörung von vorgestern konnte man das nachlesen auf viele kritische Entwicklungen hingewiesen, die auch nach unserer Auffassung bemerkenswert sind und die wir angehen müssen. Ich finde es schlimm und bedrückend, dass zum Beispiel durch fehlerhafte Bescheide und nicht ausreichende Nutzung vorhandener Ermessensspielräume Menschen in Notlagen gebracht oder verunsichert und verängstigt werden. Hier ist es erforderlich, dass durch eine kritische Begleitung, auch des Landtags und seiner Fraktionen, schnell für Abhilfe gesorgt wird. Ziel muss es sein, das Verwaltungshandeln schnell zu verbessern und die Ermessensspielräume im Interesse der Menschen zu nutzen. Es ist aber auch erforderlich, in einer gemeinsamen und parteiübergreifenden Kraftanstrengung dafür zu sorgen, dass gesetzliche Ungereimtheiten schnell beseitigt werden. Die bisherige Zusammenarbeit mit den Kollegen der PDS und der CDU in der Monitoringgruppe des DGB Thüringen ist ein guter Auftakt. Wir sollten dieses konstruktive Arbeitsklima im Interesse der betroffenen Menschen weiter nutzen und pflegen. Lassen Sie mich aber dennoch eines ohne jede Beschönigung voranstellen und betonen: Die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe war und ist richtig.

(Beifall bei der SPD)

Wir können uns sicherlich darüber streiten, zu welchen Bedingungen dies erfolgte. Dass wir aber endlich auf allen politischen Ebenen und in der Medienberichterstattung die arbeitsfähigen und Arbeit suchenden Sozialhilfeempfänger mit im Blick haben und sie nicht weiter ins gesellschaftliche Abseits drängen, das, liebe Kolleginnen und Kollegen, halte ich unverändert für einen großen Fortschritt. Dabei geht es mir nicht vorrangig um die finanzielle Entlastung der Kommunen. Nein, es geht mir darum, die Menschen ernst zu nehmen, ihnen Hilfe anzubieten und ihre Chancen zur beruflichen Integration zu verbessern. Fördern ist Intention des Gesetzes und mit Förderung endlich ernst zu machen, ist das Gebot der Stunde. Das SGB II bietet dazu unstrittig Möglichkeiten und ich nenne neben der verbesserten Betreuung durch Fallmanager ausdrücklich die Eingliederungsvereinbarung. Eine derartige Vereinbarung setzt den Willen und das Können auf beiden Seiten voraus, auf Seiten der Mitarbeiter in den Jobcentern und auf Seiten des Arbeit Suchenden selbst. Noch aber scheint die notwendige Balance zwischen Fordern und Fördern nicht vorhanden zu sein. Nun weiß ich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der PDS, dass allein mit einer verbesserten Betreuung, mit Eingliederungsvereinbarung und mit Förderinstrumenten noch keine neuen Arbeitsplätze

geschaffen werden. Ich weiß aber genauso gut, dass wir damit die Chancen der Menschen zur beruflichen Integration verbessern können, dass wir das Selbstwertgefühl und das Vertrauen in die eigene Kraft erhalten und stärken können. Genau deshalb ist diese Förderung in Regionen mit fehlenden Arbeitsplätzen weder überflüssig noch wirkungslos. Im Gegenteil, individuelle Förderung ist gerade in diesen Regionen das entscheidende Instrument, um überhaupt Chancen zu erhalten und um gemeinsam mit den Arbeit suchenden Menschen Perspektiven zu erarbeiten. Wer hier auch nur im Unterton Wirkungslosigkeit unterstellt, der liefert im Zweifelsfall die Begleitmusik für die von der CDU auf Bundesebene bereits angestrebten Kürzungen beim Zuschuss an die Bundesagentur für Arbeit.

Vor nicht allzu langer Zeit war die Verunglimpfung von ABM und SAM der Auftakt für die Minimierung und weit gehende Zerstörung dieser ganz konkreten Fördermöglichkeiten für Tausende von Arbeit Suchenden. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole, die bessere Förderung und bessere Betreuung arbeitsloser Menschen, insbesondere langzeitarbeitsloser Menschen, ist seit Jahren überfällig und heute wichtiger denn je. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten wir das Totschlagargument, Hartz IV bringt nichts und wir wussten es schon immer, wirklich nicht anklingen lassen. Wir sollten uns stattdessen damit auseinander setzen, die Förderung endlich zu verbessern. Was sich dort derzeit abzeichnet, kann bestenfalls ein Beginn sein. Leider ist es an vielen Stellen ein Beginn in eine falsche Richtung, in eine Richtung, die vom Gesetz so auch nicht vorgesehen ist. In der öffentlichen Debatte entsteht ja seit Wochen der Eindruck, dass offenbar die Mehraufwandsentschädigungen, die so genannten Ein-Euro-Jobs, das einzige Instrument sind, welches durch das Sozialgesetzbuch II bereitgestellt wird. Tatsächlich befürchte ich, dass es hier geradezu zu einem negativen Wettbewerb der Arbeitsgemeinschaften untereinander und der Arbeitsgemeinschaften mit den optierenden Kommunen kommt. Noch erfolgt dies ohne finanzielle Not, da nach unseren Informationen überhaupt noch nicht klar ist, inwieweit die aktivierende Arbeitsmarktförderung des SGB II und die dafür bereitgestellten Mittel ausreichen und - nicht zu vergessen - inwieweit die Förderung des Landes und des ESF sinnvoll ergänzen könnten. All das ist unverändert unklar. Eines aber scheint in den wenigen Wochen des InKraft-Tretens des Sozialgesetzbuchs II mehr als deutlich zu sein: Wir benötigen regionale Förderkonzepte mit landesweit gültigen Qualitätsstandards und mit einer überregionalen Abstimmung. Berufliche Eingliederung kann nicht am Kirchturmdenken scheitern oder sich darauf begrenzen. Es kann nicht sein, dass sozusagen ein Wettbewerb nach unten stattfindet, bei dem es einzig und allein um Quantität geht. Auch

hier verweise ich wieder auf die Erfahrung mit ABM und SAM. Wir dürfen den Fehler "Masse statt Klasse" nicht wiederholen, sind aber auf dem besten Weg dazu. Hierfür, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eben nicht allein die Bundesregierung und nicht allein Nürnberg zuständig. Hierfür sind die Landkeise und kreisfreien Städte gemeinsam mit den regionalen Arbeitsagenturen wesentlich mitverantwortlich und es ist die Landesregierung mitverantwortlich, die in der vergangenen und der neuen Legislaturperiode mehrfach von der SPD-Landtagsfraktion zur Unterstützung der Landkreise und kreisfreien Städte aufgefordert wurde, leider immer vergeblich.

Meine Damen und Herren von der CDU, ich darf daran erinnern, in der Plenarsitzung im Dezember wurde unser Antrag einer verbesserten Förderung Langzeitarbeitsloser von Ihnen abgelehnt. Minister Reinholz erklärte, ich zitiere mit Ihrer Genehmigung: "Eine grundlegende Veränderung der Arbeitsmarktpolitik des Freistaats Thüringen ist weder notwendig noch sinnvoll, wenngleich, das gebe ich zu und daran arbeiten wir, kleine Anpassungen vorgenommen werden." Der Kollege Kretschmer bezeichnete in diesem Zusammenhang unsere Forderungen nach Förderungskonzepten und nach Abstimmung der Landesarbeitsmarktförderung mit den Kommunen und der Bundesagentur als "bürokratisches Monstrum". Heute, nur wenige Wochen nach dieser Diskussion im Plenum und im Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit wird offensichtlich, wie notwendig Förderkonzepte und qualitative Standards wären und wie notwendig eine konstruktive Zusammenarbeit der Akteure vor Ort und auf Landesebene wären. Trotz aller Beweihräucherung scheint ja einiges schief zu laufen und man kann den Eindruck gewinnen, die Landesregierung würde vielleicht endlich wach. Ja, meine Damen und Herren von der Landesregierung, da wurde viel Zeit vertan, die Hände in den Schoß gelegt und in bewährter Tradition gewartet, bis sich die Probleme häufen. Deshalb erfüllt es mich nur wenig mit Genugtuung, wenn am 7. März, und heute hat der Minister in ähnlicher Weise hier vorgetragen, anlässlich der Vorstellung der ESF-Förderung für den Rest der Förderperiode durch die GfAW gemeinsam mit dem Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Arbeit plötzlich neue Töne anklingen. Der Abteilungsleiter des Ministeriums spricht in seiner Rede von einer Ergänzung der Förderung der Arbeitsgemeinschaften und der optierenden Kommunen und es ging munter weiter. Aus den Regionen sollen Anregungen aufgenommen werden. Ausbildung und sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze hätten Vorrang, Jugendliche sollen ein Förderschwerpunkt sein. Das Ministerium erhoffte sich regionale Förderkonzepte und bat um Anregung. Dann wurde gar von der "Förderung von Beschäftigungsentwicklern" gesprochen und immer wieder wurde darauf hingewiesen, dass jetzt

die Grundstrukturen für den neuen Förderzeitraum der Jahre 2007 und folgende gelegt werden müssen und dass es gelte, innovativ zu sein. All das sind nur wenige Stichworte von dieser Tagung und sie kamen sämtlich aus dem Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Arbeit. Wenn ich mir das anschaue, lässt sich zumindest feststellen, dass unser Antrag zur verstärkten Förderung Langzeitarbeitsloser zwar hier im Plenum abgelehnt wurde, innerhalb des Ministeriums scheint er aber durchaus Anklang gefunden zu haben. Damit kann die SPD-Landtagsfraktion gut leben, zeigt es doch immerhin, dass die Landesregierung nach mehr als einjähriger Bedenkzeit ihre Mitzuständigkeit langsam erkennt.

(Zwischenruf Abg. Pidde, SPD: Das wurde auch Zeit.)

Das lässt uns hoffen, vielleicht sogar hoffen, dass sich dieses Haus samt der Landesregierung in Kürze einmal im Rahmen einer mündlichen Anhörung mit den Experten aus der Praxis auseinander setzt.

Zurück zum Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Arbeit: Nun kann es nicht nur der Anspruch von Ministerien sein, auf Förderkonzepte zu warten, wie es auf der genannten Tagung vom zuständigen Abteilungsleiter eingefordert wurde. Ein Ministerium ist schließlich etwas anderes als eine Wartehalle. Es sollte doch wohl gewisse Rahmenbedingungen setzen und durch flankierende Förderung und qualifizierte Beratung auch steuern. Die Prioritätensetzung dafür können Sie ja unschwer unserem damaligen Antrag entnehmen. Nur zur Erinnerung, die Ein-Euro-Jobs haben Nachrang. Vorrang haben sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, Qualifizierung, Ausbildung und öffentliche Beschäftigungsförderung. Schauen Sie sich an, was zum Beispiel bei den unter 25-Jährigen derzeit geschieht. Bewährte Ausbildungsprojekte, wie zum Beispiel das in Ihrer ESF-Broschüre genannte Projekt "Stellwerk" sind gefährdet. Regionale Konzepte existieren, wenn überhaupt, fast nur auf dem Papier. Wenn Sie hier endlich beratend und unterstützend mit dem ESF eingreifen wollen, ein anderes Förderinstrument gibt es ja dank Ihrer Haushaltspolitik fast nicht mehr, dann scheint mir eines überfällig: Sie müssen die Regionalisierung der Landesarbeitsmarktpolitik neu ordnen und beleben. Sie müssen endlich gemeinsam mit den Kommunen, den Tarifpartnern und den anderen Akteuren eine Struktur entwickeln, die handlungsfähig ist und die in den Regionen Innovation zulässt. Gerade aber sind Sie dabei, die zarten Pflänzchen der Regionalbeiräte und des Landesbeirats durch mangelnde Pflege und mangelnde Einbeziehung endgültig zu zerstören. Diese Gremien müssen tatsächlich mitbestimmen können, ernst genommen und über Projektinteressen hinaus an der Arbeitsmarktentwicklung der Regionen und des Lan

des beteiligt werden. Auch "Beschäftigungsentwickler" ist ein gutes Schlagwort, wenn es nicht aufgesetzt, sondern mit den regionalen Akteuren entwickelt wird und wenn Beschäftigungsentwickler oder ein Angebot mit einer solchen Intention auf einer fachlichen und politischen Ebene installiert werden, auf der Politikberatung für Kommune und Land gewährleistet ist und angenommen wird. Gestalten und Verwalten ist angesagt. Noch überwiegt jedoch in der Beratung des Ministeriums und der GfAW die Verwaltung. Die Bewilligung eines ESF-Antrags ist nach wie vor die hohe Kür des Verwaltungshandelns und eine tatsächliche Arbeitsbeschaffung für Projektträger. Noch findet sich das, was bei der Konferenz auf der Messe anklang, längst nicht in der Realität der ESF- und Landesarbeitsmarktförderung wieder. Deshalb meine Damen und Herren, will ich den heutigen Bericht zum Anlass nehmen und Sie auffordern, nehmen Sie unseren Antrag zur Förderung Langzeitarbeitsloser, packen Sie all Ihre Absichtserklärungen auf der ESF-Konferenz dazu, setzen Sie sich endlich mit der Bundesagentur für Arbeit, den Arbeitsgemeinschaften und mit den optierenden Kommunen sowie den Regionalbeiräten in Verbindung und unterstützen Sie endlich abgestimmte Förderkonzepte einschließlich qualitativer Mindeststandards. Dann wären wir noch vor der Sommerpause entscheidende Schritte weiter bei der Umsetzung des SGB II in Thüringen. Dieser Umsetzungsteil wird in Thüringen zu gewährleisten sein und Landes- und Kommunalpolitik wird daran gemessen werden, wie gut uns das gelingt.

Eine andere Frage sind die notwendigen Nachregulierungen im Rahmen des Monitoringprozesses von Hartz IV auf Bundesebene. Dabei können Sie sicher sein, dass die SPD-Landtagsfraktion für gleiche Fördersätze in Ost und West eintritt, für die Verbesserung der Zuverdienstmöglichkeiten, für den Vertrauensschutz der so genannten 58er-Regelung und für die Beseitigung all der Ungereimtheiten, die sich im Rahmen des Gesetzesvollzugs als unsinnig erweisen,

(Beifall bei der SPD)

zum Beispiel bei der Frage der Nutzung von Wohneigentum. Wir werden uns dafür einsetzen, Personen ohne Anspruch auf Unterhaltsleistung, was häufig Frauen sind, gleichberechtigt von den Instrumenten der aktivierenden Arbeitsmarktförderung profitieren zu lassen. All dies wird Gegenstand einer ersten Bilanz der SPD-Landtagsfraktion zu Hartz IV am 25.04.2005 in diesem Hause sein. Ich lade Sie schon heute dazu ein, an der Veranstaltung teilzunehmen. Mit der Untätigkeit der Landesregierung und der sich ständig wiederholenden Verantwortungszuweisung an die Bundesregierung und an die Kommunen muss endlich Schluss sein. Die ESF-Tagung

am 7. März und die heutige Berichterstattung lassen mich zumindest hoffen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Günther, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Bereitschaft der Regierung zu einem solch umfassenden Sofortbericht ist schlicht und einfach zu danken, obwohl die Arbeitsgemeinschaften und optierenden Kommunen zunächst von der Leistungsbereitschaft und der organisatorischen Findung voll in Anspruch genommen waren. Folglich konnte dem Anliegen des Antrags aus objektiven Gründen noch nicht in vollem Umfang Genüge getan werden. Ich glaube, das ist auch das Ergebnis Ihrer jüngsten Anhörungen, meine Damen und Herren von der PDS. Die Monitoring-Gruppe beim DGB kommt zu ähnlichen Erkenntnissen. Aktionismus allerdings ist bei dieser großen gesellschaftlichen Reform unangebracht. Ich werde deshalb auch nicht auf die von Kollegen Pilger geäußerten Worte eingehen. Nur eins, das Operationelle Programm steht und ist nach unserer Auffassung ausreichend. Die Zusammenarbeit mit den Regionalbeiräten funktioniert recht gut. Meine Ausführungen werden deshalb kurz gehalten und ich schlage vor, diesen Antrag nach einem Zuwachs von zuverlässigen Statistiken und neu geschaffenen Förder- bzw. Engliederungsmaßnahmen im Ausschuss fortzuberaten.

Meine ersten Erfahrungen, die ich bei der Umsetzung des Hartz-IV-Gesetzes machte, sind sehr unterschiedlicher Natur. Zweifelsohne kann man sowohl ARGEn als auch optierenden Kommunen großen Respekt für den reibungslosen Übergang zu dem neuen Leistungsbezugssystem zollen.

(Beifall bei der SPD)

Doch eines scheint deutlich zu werden: Die optierenden Kommunen arbeiten derzeitig mit mehr Effizienz.

(Beifall bei der CDU)

Statistische Zahlen können hier zum Beispiel abgefragt werden, wohl sicher auch, weil hier die Fachund Rechtsaufsicht deutlich und klar geklärt ist. Mehr Effizienz, weil eben auf bestehende kommunale Netzwerke zurückgegriffen wird, auch, weil klar ist, was zum Beispiel ein Fallmanager zu leisten hat

und wie dieser qualifiziert sein muss.

Zum Sachstand und Problem - Frau Leukefeld hat vieles davon angesprochen und das deckt sich mit meiner Kritik: Berge von Papier, Formulare nicht verständlich, Bescheide nicht nachvollziehbar, von Integration wenig zu spüren. Aber das ist kein Regelungsbedarf der Landesregierung. Statistische Auswertung nur über Nürnberg - warum? Fallmanager gerade im Bereich U25 in keiner Weise befriedigend, für mich ein besonders schwerwiegendes Problem. Weder die von Minister Clement versprochenen Fallmanager arbeiten so, wie aus dem Acht-PunkteProgramm der BA zu entnehmen ist, noch ist eine flächendeckende Versorgung mit Integrationsvereinbarungen für Jugendliche garantiert. Zu wenig und nicht ausreichend qualifiziertes Personal steht hier zur Verfügung. Fallmanager sind Schlüsselfiguren im Vermittlungsprozess. Fallmanager müssen hoch qualifiziert sein, soziale Sensibilität besitzen und ein hohes Maß an beruflicher Erfahrung mitbringen. Ihr Einfluss auf den Eingliederungsvertrag und die Gestaltung des Förderplans ist die Grundvoraussetzung für eine sinnvolle Vermittlung. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, wenn es uns ernst ist und wir die benachteiligten Jugendlichen wirklich dort abholen wollen, wo sie jeweils stehen.

(Beifall bei der CDU)

Befürchtungen, dass Arbeitsgelegenheiten bis in den gewerblichen Bereich hinein überhand nehmen, sind nicht eingetreten. Es bleibt zu hoffen, dass die Positivliste der Kammern auch weiterhin Wirkung zeigt. Es ist allerdings geboten, an den zwangsläufig einsetzenden Drehtüreffekt zu erinnern. Der Integrationsgedanke muss deutlich mehr in den Vordergrund rücken. Derzeit wird eben nur verwaltet. Die angenommene Steigerung der Kosten der Unterkunft scheint sich als Fehlprognose herauszustellen. Aus der aktuellen Lage heraus kann man wohl sagen, dass die Kommunen zumindest beim Wohngeld entlastet werden, was nicht bedeuten soll, dass es hier keine Probleme gibt. Auch hier fehlt es an belastbarem Zahlenmaterial, welches uns aber - da bin ich überzeugt - sicher in Kürze von der Landesregierung vorgelegt werden kann.

Die Anrechnung von Eigenheimzulagen auf das ALG II, das dann wieder zum Wegfall desselbigen führt, ist nur ein Punkt, der sicher von Minister Reinholz wie auch den übrigen mehrfach erwähnten Nachbesserungen im Rahmen der Monitoringrunden nachhaltig gefordert werden wird.